Widerstand unter Hartz IV

Was so geschah
Hartz IV im September 2011

von Anne Seeck

10/11

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Kein Foto für die elektronische Gesundheitskarte 

„Die gesetzlichen Krankenkassen beginnen jetzt mit der Ausgabe der elektronischen Gesundheitskarte. Sie gilt vom 1. Oktober an als Versicherungsnachweis. Bis zum Ende 2011 werden 6,9 Millionen Bürger die Karte bekommen, insgesamt schließlich 69,5 Millionen Versicherte. Datenschützer warnen: „Die Offenlegung von Erbkrankheiten würde nicht nur unsere Generation, sondern auch die unserer Kinder schwer treffen...HIV-positiv Infizierte, psychisch Erkrankte oder sonst wie gesundheitlich nicht der Norm entsprechende Menschen setzen sich der Gefahr einer Stigmatisierung aus.“ Ärztevertreter geben zu bedenken, dass sich Patienten gut überlegen sollten, ob sie ein Foto einschicken, denn dann wird die Karte nicht ausgestellt. Der Chaos Computer Club rät allen Versicherten, kein Foto einzusenden, denn es gebe kein sicheres Konzept dafür, wer Zugang auf die Schlüssel haben soll.“

Alles zum gläsernen Patienten in der Berliner Zeitung vom 29.9.2011 

Weitere Möglichkeiten sind zu finden in der neu erschienenen Broschüre "Krank-Sein in den Zeiten von Hartz IV".

Die 100-seitige Broschüre von Anne Allex, Michael Bialek und Helmut Szymanski ist für eine Schutzgebühr von 3,00 Euro bei "anne.allex[at]gmx.de" bestellbar.  

Und die Karte funktioniert nicht: http://www.jungewelt.de/2011/09-30/041.php  

Burn-out als „Zeitbombe“  

Die IG- Metall schlägt Alarm.In der «explosiven Zunahme» psychischer Erkrankungen bei Arbeitnehmern sieht die größte deutsche Einzelgewerkschaft eine große Gefahr für Wirtschaft und Gesellschaft. «Hier tickt nichts Geringeres als eine gesellschaftliche Zeitbombe». Um die Beschäftigten vor immer stärkerer Arbeitsverdichtung, vor psychischer und physischer Erschöpfung und damit vor Burnout zu schützen, forderte Urban nach dem Vorbild anderer Länder eine Anti-Stress-Verordnung. Gegen klassische Gesundheitsgefährdungen wie Lärm und Schadstoffbelastung der Luft gebe es konkrete Präventionsregeln, nur bei arbeitsbedingtem Stress nicht, kritisierte er. Deshalb sei der Gesetzgeber in der Pflicht.

Nach Zahlen der Krankenkassen nahmen die Symptome für Burnout zwischen 2004 und 2010 um das Zehnfache zu, zitierte Urban. Dieses Ergebnis sieht die IG Metall durch eine Blitzumfrage bei ihren Betriebsräten bestätigt. Danach wird in 86 Prozent der Unternehmen der Metall- und Elektrobranche der Anstieg psychischer Erkrankungen als ernstzunehmendes Problem wahrgenommen. Rund 40 Prozent der Betriebsräte hätten von einer starken oder sehr starken Zunahme psychischer Erkrankungen berichtet.“

(Berliner Zeitung, 27.9.2011)

Hier die Broschüre zum Burn out: Ausgebrannt - Betriebsräte als Lotsen für Burnot-Betroffene

Arbeitsmarktreform im Ausschuss für Arbeit und Soziales verabschiedet 

"Mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen hat der Ausschuss für Arbeit und Soziales am 21.9.2011 der Reform der Förderinstrumente für Arbeitslose zugestimmt. Das Gesetz zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt wurde in geänderter Form angenommen, nachdem CDU/CSU und FDP zuvor noch einen Änderungsantrag vorgelegt hatten. Abgelehnt wurden dagegen Anträge der SPD , von Bündnis 90/Die Grünen und der Fraktion Die Linke. Diese hatten in ihren Anträgen eine einseitige Konzentration auf den "arbeitsmarktnahen Personenkreis" kritisiert und eine stärkere Beachtung von Menschen mit "verfestigten Vermittlungshemmnissen" gefordert.

Mit dem Gesetz will die Bundesregierung nicht nur die Integration in Erwerbsarbeit beschleunigen, sondern auch den Bereich der öffentlich geförderten Beschäftigung neu ordnen. So soll es dort künftig nur noch zwei Instrumente geben: Arbeitsgelegenheiten mit Mehraufwandsentschädigung (Ein-Euro-Jobs) und Arbeitsverhältnisse durch Zuschüsse zum Arbeitsentgelt. Entscheidend für die Förderung sind laut Entwurf "mangelnde Chancen auf Eingliederung in den Arbeitsmarkt". Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen (ABM) werden abgeschafft."

http://www.bundestag.de/presse/hib/2011_09/2011_360/02.html  (Bundestag, Ausschuss für Arbeit und Soziales - 21.09.2011)  

Einen gemeinsamen Appell von über 3.100 arbeitsmarktpolitischen Fachleuten präsentierten am 2. Septem­ber 2011 in Berlin der Paritätische Wohlfahrtsverband und der Deutsche Gewerkschaftsbund. Die Unter­zeichner forderten die Bundesregierung zu einem grundlegenden arbeitsmarktpolitischen Kurswechsel auf. Das par­teiübergreifende Bündnis warnte vor einer Spaltung des Arbeitsmarktes und appellierte an alle Abgeordneten, die geplanten Kürzungen zu Lasten von Langzeitarbeitslosen im Bundestag zu stoppen.

Weitere Informationen: www.arbeitsmarktpolitik-fuer-alle.de

Sockel bröckelt, aber der harte Kern... 

Die Arbeitslosenzahl ist auf dem tiefsten Stand seit 1991, im September waren 2,796 Millionen offiziell arbeitslos. Wer als Hartz IV- Aufstocker, Ein-Euro-Jobber etc. aus der Arbeitslosenstatistik verschwindet oder wer in prekäre Jobs auf den ersten Arbeitsmarkt abgedrängt wurde, findet sich in der Erfolgsmeldung nicht. Das neue Wort heißt Unterbeschäftigung, das seien 3,9 Millionen. http://www.berlinonline.de/

Die Bundesagentur für Arbeit (BA) veröffentlichte am 15.9.2011 eine Broschüre zur Entwicklung der Langzeitarbeitslosigkeit in Deutschland. Die Ergebnisse würden zeigen, dass Langzeitarbeitslose heute bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt hätten als noch vor zehn Jahren, sich die Struktur der Arbeitslosigkeit aber weiter verschlechtert.
Es gäbe Menschen, für die aufgrund ihrer individuellen Problemlagen eine Integration in den Arbeitsmarkt auch weiterhin nicht einfach ist. Viele davon sind langzeitarbeitslos. In den vergangenen fünf Jahren sank die Zahl der Arbeitslosen um gut ein Drittel auf unter drei Millionen. Im gleichen Zeitraum hat sich der Bestand an Langzeitarbeitslosen nahezu halbiert - von 1,7 Millionen auf 886.000 im Juni 2011.
"Auch wenn der Sockel bröckelt, kommen wir jetzt natürlich an den harten Kern. Es bleiben diejenigen zurück, bei denen sich durch verschiedenste Problemlagen eine erfolgreiche Integration in naher vielleicht auch in weiter Zukunft nicht abzeichnet. Ab jetzt wird jeder Schritt schwerer und die Herausforderung immer größer", so Heinrich Alt, Vorstand Grundsicherung der BA.

(Arbeitsagentur Presse Info 055 vom 15.09.2011)
Die Broschüre zur Arbeitsmarktsituation für Langzeitarbeitslose finden sich im Internet unter:  http://statistik.arbeitsagentur.de/arbeitsmarktberichte.  

Bundesagentur schreibt jeden fünften Hartz-IV-Bezieher ab 

So die Junge Welt dazu. Für den Rückgang der Langzeitarbeitslosigkeit sei vor allem die Zunahme von Zeitarbeit, befristeter Beschäftigung und der angewachsene deutschen Niedriglohnsektor verantwortlich. Der Paritätische Wohlfahrtsverband forderte die Regierung auf, auf die geplanten Kürzungen zu verzichten. Die aktuelle Arbeitsmarktpolitik sei »Ausdruck beachtlicher sozialer Ignoranz«, erklärte deren Hauptgeschäftsführer Ulrich Schneider. Reformideen des Bundesarbeitsministeriums im Bereich der Unterstützung für Hartz-IV-Empfänger nähmen eine »Ausgrenzung« von Menschen in Kauf. (Junge Welt, 16.9.2011) 

Die Studie sei ein Dokument des Scheiterns von Hartz IV und belege, dass die Pläne der Bundesarbeits­ministerin, die Hilfen für Langzeitarbeitslose weiter zusammenzustreichen, sozialpolitisch unverantwortlich seien. Der Paritätische warnt vor brutalen sozialen Verwerfungen und fordert den sofortigen Ausbau öffentlich geförderter Beschäftigung.
"Die aktuelle Arbeitsmarktpolitik ist Ausdruck beachtlicher sozialer Ignoranz. Mit der geplanten Instrumen­tenreform nimmt die Bundesregierung die Ausgrenzung von 400.000 Menschen billigend in Kauf. Den Preis für diese Zwei-Klassen-Arbeitsmarktpolitik zahlen Langzeitarbeitslose und schwer Vermittelbare, darunter viele Menschen ohne Ausbildung, Menschen mit Behinderung oder chronischen Erkrankungen, ältere Arbeitslose oder ohnehin benachteiligte Jugendliche, die alle durch diese Reform eiskalt aufs Abstellgleis gestellt werden. Für den einzelnen ist die Situation deshalb so brutal, weil sie ohne fremde Unterstützung irgendwann völlig ausweglos wird", warnt Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen.

Weise will ehemalige Hartz IV- Bezieher auch weiterhin im Job betreuen, Sanktionen nehmen zu 

Der BA-Chef kündigte eine neue Strategie zur Integration von Hartz-IV-Empfängern an. Die BA arbeite derzeit an einem Konzept, wonach die Arbeitsagenturen für eine Übergangszeit Langzeitarbeitslose auch dann weiterbetreuen, wenn diese einen Job gefunden haben. Dies koste zwar Geld, sei aber eine "Investition mit guter Rendite". Weise: "Am Ende wird es für die Steuer- und Beitragszahler billiger sein, wenn ehemalige Hartz-IV-Empfänger durch unsere berufsbegleitende Betreuung ihren Arbeitsplatz länger behalten." Derzeit sind rund 50 Prozent der Hartz-IV-Empfänger, die einen Job finden, nach spätestens einem Jahr wieder arbeitslos.

Die Zahl der Sanktionen gegen Arbeitslose, die Auflagen nicht einhalten, dürfte 2011 einen neuen Rekordstand von rund 900.000 erreichen, so Weise. Bereits in den ersten drei Monaten 2011 hätten die Arbeitsagenturen 218.000 Sanktionen verhängt, 30.000 mehr als im Vorjahresquartal.  „Überproportional viele Sanktionen verfügen die Arbeitsagenturen in Großstädten, bei jungen Arbeitslosen und bei erwerbslosen Migranten“, sagte Weise. Dies liege allerdings nicht daran, dass die Zahl der Verstöße stark zunehme, sondern „an der gestiegenen Routine der Jobcenter“, so der BA-Chef.
(Weise in der Wirtschaftswoche Global, "Grund zur Sorge am Arbeitsmarkt") 

Bundesagentur für Arbeit will schrumpfen

In den kommenden Jahren werden laut Weise von den 117.000 Stellen "rund 10.000 Stellen sozialverträglich wegfallen." Zudem plant die Behörde eine Organisationsreform - künftig könnten mobile BA-Vermittler die Kundschaft auch in Rathäusern oder Sparkassen empfangen. "Wir ziehen uns nicht aus der Fläche zurück."  "Auch in Gewerbegebiete wollen wir gehen. So kommen wir näher an die Unternehmen ran", so Weise weiter. Er wolle "ein atmendes System."
Die BA-Organisationsreform soll laut Weise bis 2014 abgeschlossen sein. 

Paritätischer Wohlfahrtsverband hält Bildungspaket für gescheitert

"Der Paritätische Wohlfahrtsverband fordert eine umfassende Reform des Bildungspakets für Kinder aus Hartz-IV-Familien. Das Programm sei gescheitert, sagte Hauptgeschäftsführer Ulrich Schneider. Er berief sich auf die Ergebnisse einer Umfrage des Deutschen Städtetages. Danach seien bis Mitte September erst für 36 Prozent der anspruchsberechtigten Mädchen und Jungen Leistungen beantragt worden. »Das Bildungs- und Teilhabepaket ist im Praxistest mit Bausch und Bogen durchgefallen. Ministerin Ursula von der Leyen sollte das endlich einsehen«, sagte Schneider. Das Gesetz sei mitsamt seinen Gutscheinen gescheitert, weil es an den Notwendigkeiten der Verwaltung ebenso vorbeigehe wie an den Lebensrealitäten der Menschen: »Das Gesetz ist in seiner ganzen Anlage falsch und nicht mehr zu retten.« Schneider sprach sich für »einfache und intelligente Lösungen« aus. Bildung gehöre an die Schulen, Kultur und Sport seien Sache der Jugendhilfe und die Sicherung des Existenzminimums liege in der Verantwortung der Bundesregierung. Statt umständlicher Gutscheinsysteme fordert der Verband Familienpässe, die den kostenlosen Zugang für einkommensschwache Kinder zu Angeboten wie Sport oder Musik sicherstellen." (ND, 27.09.2011) 

Jeder zweite ALG-II-Haushalt muß in Berlin Wohnkosten aus dem Regelsatz bezahlen

Das Berliner Arbeitslosenzentrum evangelischer Kirchenkreise (BALZ) hat in Zusammenarbeit mit den Wohlfahrtsverbänden und der Landesarmutskonferenz in den vergangenen sechs Wochen rund 400 Berlinerinnen und Berliner vor den Jobcentern unter dem Motto »Irren ist amtlich – Beratung kann helfen« befragt. Das Ergebnis: Die Warmmieten liegen bereits in fast jedem zweiten Hartz-IV-Haushalt über den geltenden Richtwerten der Ausführungsvorschriften (AV) Wohnen des Landes Berlin. "Angemessen" sind: bei einem Single-Haushalt eine Warmmiete von aktuell bis zu 378 Euro. Für Zwei- und Drei-Personen-Haushalte liegen die Richtwerte bei 444 Euro und 542 Euro. 619 Euro gelten als Grenze für eine vierköpfige Familie. Warmmieten, die über den in den Vorschriften festgelegten Grenzwerten liegen, werden nur in Härtefällen übernommen. Die Umfrage ergab, daß bei 46 Prozent der Befragten die Warmmieten über den Richtwerten der AV Wohnen liegen. Überdurchschnittlich hoch ist dieser Anteil auch bei den Zwei- und Drei-Personen-Bedarfsgemeinschaften (64,9 Prozent und 59,6 Prozent). Der aktuellen Erhebung zufolge ist jede vierte Bedarfsgemeinschaft schon einmal zur Kostensenkung aufgefordert worden. Allerdings sahen sich nur knapp elf Prozent in der Lage, die Wohnkosten durch Untervermietung, Verhandlungen mit dem Vermieter oder Drosselung der Heizkosten zu senken. In rund 15 Prozent der Fälle erfolgte ein »freiwilliger« Umzug. Mehr als 40 Prozent gaben an, daß sie die Kosten nicht senken konnten. Bei 16 Prozent war das Verfahren noch im Gange. Insgesamt 19 Prozent machten keine Angaben.

Daß die Jobcenter die tatsächliche Miete nicht vollständig übernehmen, hat zur Folge, daß Betroffenen die Differenz aus dem Regelsatz bestreiten müssen oder sich Mietschulden anhäufen. »Wir rechnen damit, daß in diesem Jahr bei rund 30000 Bedarfsgemeinschaften die Wohnkosten nicht mehr in voller Höhe übernommen werden«, so Steger. Das sei ein Drittel mehr als im zurückliegenden Jahr. (Junge Welt, 27.09.2011)

Weitere Infos: http://www.beratung-kann-helfen.de/scripte/umfrage-Ergebnisse3.php

Eingliederungsvereinbarungen für Arbeitslose zu wenig individuell 

"Arbeitsvermittler müssen mit allen Arbeitsuchenden sogenannte Eingliederungsvereinbarungen abschließen. Der Gesetzgeber wollte damit angeblich erreichen, dass die Arbeitslosen besser in den Vermittlungsprozess einbezogen werden. Tatsächlich aber werden sie dazu genutzt, dass Erwerbslose „freiwillig“ Verpflichtungen eingehen, die so per Gesetzt nicht verogesehen werden. Das so genannte „Fördern und Fordern“ ist in den Eingliederungsvereinbarungen häufig nicht ausbalanciert, wie die mittlerweile langjährige Erfahrung zeigt.  Das geht aber auch aus einer am 13.09.2011 veröffentlichten Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) hervor. „Die Kundenpflichten werden häufig konkret, die Leistungen der Einrichtungen eher vage benannt“, stellen die Arbeitsmarktforscher fest.

Nicht selten werde die Anzahl der Bewerbungen festgelegt, die der Arbeitsuchende zu erbringen hat. Zur Anzahl der Vermittlungsvorschläge gebe es jedoch meist keine konkreten Angaben. „Insgesamt folgen die Inhalte der untersuchten Eingliederungsvereinbarungen standardisierten Mustern und lassen einen individuellen Zuschnitt auf die Kundinnen und Kunden vermissen. Sie basieren zudem meistens nicht auf einem gemeinsamen Prozess der Zielfindung“, schreiben die Autoren der IAB-Studie. Mit der Betonung der Kundenpflichten und möglicher Sanktionen folge die Umsetzung der Eingliederungsvereinbarung eher einer bürokratischen Logik als der einer kundenorientierten Dienstleistung, so das IAB."  (www.die-keas.org, 13. September 2011)

Die IAB-Studie im Internet: http://doku.iab.de/kurzber/2011/kb1811.pdf  

DGB erwägt Klage gegen Regelsatz


"Zwei neue Gutachten ziehen die Verfassungsmäßigkeit der Neuberechnung der Hartz-IV-Sätze in Zweifel. Nach den am Montag von der Hans-Böckler-Stiftung in Berlin vorgestellten Expertisen fiel die Erhöhung der Regelsätze um fünf Euro zum 1. Januar zu niedrig aus, und im Bildungspaket werden einige Kinder benachteiligt.
Das Bundesverfassungsgericht hatte eine transparente Neuberechnung der Hartz-IV-Sätze verlangt. Die Böckler-Stiftung kritisiert nun, daß für die Berechnung falsche Vergleichsgruppen und ein zu geringer Konsumbedarf angesetzt worden seien. DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach kündigte an, daß ihre Organisation mit Musterklagen den erneuten Gang nach Karlsruhe vorbereite. Für Anfang 2012 soll der Hartz-IV-Regelsatz um weitere zehn Euro angehoben werden." (AFP/jW, 6.9.2011) 

Hartz IV und das Jobwunder in Deutschland 

"Nirgends in Europa müssen so viele Menschen im Niedriglohnsektor arbeiten. Da hilft es auch nichts zu beschönigen, indem die Bundesregierung fortlaufend wiederholt, „Deutschland habe ein Jobwunder“. Die Frage ist nur zu welchem Preis? Nach Berechnungen des Instituts Arbeit und Qualifikation, des Statistischen Bundesamtes sowie der Bundesagentur für Arbeit arbeiten derzeit rund 2,1 Millionen Menschen in Jobs, wo sie weniger als 6 Euro brutto in der Stunde verdienen. Die Hälfte der Geringverdiener arbeiten für 5 Euro je Stunde. 70 Prozent der Betroffenen haben eine Ausbildung oder Studium absolviert. Im europäischen Vergleich nimmt Deutschland mit diesen Zahlen einen absoluten Spitzenbereich ein. Nirgends in Europa müssen so viele Menschen für so wenig Geld arbeiten. 

Offensichtlich ist, dass zur Ausbreitung des Niedriglohnsektors vor allem die Zeitarbeitsbranche und die sogenannten Minijobs beigetragen haben. Bei den Minijobbern erhalten 80 Prozent der Betroffenen sehr niedrige Stundensätze. Bei den Zeitarbeitern sind es gut 77 Prozent. „Vor allem im Dienstleistungsbereich ist die Tarifbindung gering. Daran konnten auch die branchenbezogenen Mindestlöhne, die es inzwischen für 10 Branchen gibt nichts ändern.“ sagte ein Sprecher des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB). 

Hartz IV Betroffene können sich der Angebote von Seiten der Jobcenter kaum erwehren, sie müssen jeden Job bis zur absoluten Grenze der Sittenwidrigkeit annehmen. Ansonsten drohen massive Kürzungen des Arbeitslosengeldes II als sogenannte Sanktion. Sittenwidrigkeit bedeutet, dass alle Arbeitsangebote angenommen werden müssen, die bis zu 30 Prozent unter dem Tarifniveau liegen. 30 Prozent Abzug von tariflicher oder ortsüblicher Bezahlung bedeutet in manchen Regionen von Deutschland einen Stundenlohn von weniger als 3 Euro. Weil das nicht ausreicht, um die eigene Existenz zu sichern, müssen die meisten weiterhin aufstockende Hartz IV Leistungen beziehen. Demnach hat eine Mehrheit der Betroffenen keine Chance, dem Niedriglohnsektor zu entrinnen. Nach neusten Schätzungen müssen derzeit rund 1,3 Millionen Menschen ihren Lohn mit Hartz IV aufstocken. 350.000 von ihnen arbeiten in Vollzeit, weitere 230.000 in sozialversicherter Teilzeit." (06.09.2011, gegen-hartz.de) 

Vorsorgliche Androhung der Leistungseinstellung 

"Das Erwerbslosen Forum Deutschland fordert die Bundesagentur für Arbeit (BA) erneut auf, Bescheide von Jobcentern zu unterbinden, die Leistungsbezieher und besonderes deren Familien „Quasisippenhaft“ androhen, wenn sich einzelne Menschen nicht so verhalten, wie es eine Behröde haben will. So erhalten derzeit Hartz IV-Bezieher Leistungsbescheide, indem vorsorglich schon mal angedroht wird, dass ein zukünftiger weiterer Leistungsbezug für den Hartz IV-Bezieher und auch deren Familie davon abhänge, ob die Betroffenen irgendwelchen unbestimmten und vagen Verpflichtungen nachkommen. Wie diese Verpflichtungen allerdings zu erfüllen sind kann den Bescheiden nicht entnommen werden. „Wir betrachten solche Bescheide als Erpressung der Hartz IV-Bezieher und einen Freifahrtschein für Jobcenter für das Umgehen aller gesetzlichen Bestimmungen. Die BA und das Bundesarbeitsministerium fordern wir auf die Verwendung derartiger Textbausteine zu verbieten und dafür zu sorgen, dass die Mitarbeiter die gesetzlichen Bestimmungen einhalten“, so Martin Behrsing, Sprecher des Erwerbslosen Forum Deutschland." (www.erwerbslosenforum.de)  

Risiko Gutachten

"Mit Gutachten ist es in der Politik so eine Sache. Man bestellt sie in Erwartung eines bestimmten Ergebnisses – und ist enttäuscht, wenn sie anders ausfallen. Dann verschwinden die ungeliebten Expertisen schnell in irgendeiner Ministeriumsschublade. So geschehen etwa bei einer Studie des Berliner Instituts für Gesundheits- und Sozialforschung (IGES) über private Krankenversicherer im vorigen Jahr. Ältere und Kranke würden dort nicht effizient abgesichert, lautete das unrühmliche Ergebnis. Für das FDP-geführte Wirtschaftsministerium war klar: ab in den Giftschrank damit.
Jetzt hat es wieder ein FDP-Ressort erwischt. Bei Daniel Bahr, dem Gesundheitsminister, liegt seit fast vier Monaten eine Expertise des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesversicherungsamt. Untersucht wurde darin auf 236 Seiten, ob und wie der umstrittene Risikostrukturausgleich (RSA) der gesetzlichen Krankenversicherung funktioniert. Der Befund lautet: ganz gut, könnte aber noch besser sein. Die Experten empfehlen den weiteren Ausbau und eine Verfeinerung des Regulariums.
Den Regierenden passt das gar nicht in den Kram. Das Gutachten des Wissenschaftlichen Beirates belegt, dass die Kassen für ihr Fehlverhalten ökonomische Gründe hatten. Die Nachteile der Versicherung vieler schwerkranker und alter Menschen werden nicht komplett ausgeglichen. Hinzu kommt: Wer Großstädter versichert, hat noch mal höhere Kosten. Auch diese Unterdeckungen, so der Befund, seien nicht beseitigt.
Aus dem Ministerium hieß es, dass man das umfassende Werk eben erst habe prüfen müssen. „In den nächsten Tagen“ werde es veröffentlicht. Allerdings verlautete am Mittwoch aus Koalitionskreisen, man werde das Thema „nicht anfassen“. (Nachdenkseiten, 26.9.) 

2,4 Millionen Menschen mit Zweitjob

In den letzten sieben Jahren hat sich die Zahl der Menschen mit Zweitjobs verdoppelt. Gab es im Juni 2003 rund 1,2 Millionen Arbeitnehmer mit einem oder mehreren Nebenjobs, so waren es im Juni 2010 fast 2,4 Millionen.
Entsprechend stieg der Anteil der Arbeitnehmer mit Doppeljobs an allen Arbeitnehmern von 4,3 auf 8,5 Prozent, berichtet die «Saarbrücker Zeitung» unter Berufung auf Zahlen der Bundesagentur für Arbeit.
In über 82 Prozent der Fälle handelt es sich dem Bericht zufolge nicht um mehrere Minijobs nebeneinander, sondern um geringfügige Nebenbeschäftigungen neben einer Haupttätigkeit. 57,5 Prozent der Mehrfachbeschäftigten sind Frauen.
Die arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Linken im Bundestag, Sabine Zimmermann, sagte der Zeitung, es sei ein «echter Skandal» dass offenbar immer mehr Beschäftigte von ihrer Arbeit nicht leben könnten und deshalb einem Zweitjob nachgehen müssten. (Morgenpost, 17. September 2011)  

Eine moderne Form der Sklaverei- Zeitarbeitsfirma verlangt »Vermittlungshonorare« bei Übernahme von Beschäftigten durch Entleihfirmen

Die Berliner Zeitung hatte am 12.9. berichtet, "Randstad verlange horrende »Vermittlungshonorare« im Falle einer Übernahme von Beschäftigten durch Entleihfirmen. So stelle der Branchenprimus bis zu 16 Prozent eines Jahresbruttoeinkommens in Rechnung. Bei dem von der Zeitung dargestellten Fall eines 49jährigen Altenpflegehelfers in Berlin habe dies zur Folge gehabt, daß der Wechsel in die Festanstellung scheiterte. Randstad entpuppe sich abermals als Bremse für gute Arbeit und übe sich »immer dreister im Menschenhandel auf dem Arbeitsmarkt«, kommentierte Krellmann arbeits- und mitbestimmungspolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag, dies. »Ihr Gesetz ist löchrig wie ein Schweizer Käse und verhindert selbst die extremen Formen der Ausbeutung nicht«, erklärte Krellmann. Das Unternehmen sei damit kein Einzelfall, sondern »nur die Spitze des Eisbergs«. Die Behauptung der Regierung, Leiharbeit sei eine Brücke in Festeinstellungen, »erweist sich als zynisch und haltlos«, so die Linke-Politikerin weiter. In der Tat ist der sogenannte Klebeeffekt – also die These, Leiharbeit sei vielfach der Einstieg in den regulären Arbeitsmarkt – längst widerlegt. Bereits in einer Stellungnahme zum Leiharbeitsbericht der Bundesregierung aus dem Jahr 2009 hatte der DGB auf diverse Umfragen und Studien verwiesen, die Vermittlungsquoten von lediglich zwischen sieben und 17 Prozent errechneten. Der Großteil der Leiharbeiter steht demnach im Anschluß an ihre Beschäftigung für Zeitarbeitsfirmen ebenso schlecht da wie zuvor." (Junge Welt, 14.9.2011) 

Wie Ursula von der Leyen Altersarmut verhindern will.. 

Wer 45 Jahre Mitglied in der Rentenversicherung war und eine zusätzliche private Rentenversicherung abgeschlossen hat, dem soll die Minirente auf 850 Euro aufgestockt werden. Kritik kam von der Opposition und Sozialverbänden. Immer weniger Menschen erreichen 40 oder gar 45 Versicherungsjahre, so ein Grüner. Ein Vertreter der Linken vermutet, dass immer mehr Minijobs mit der Mindestrente aufgestockt würden. Die Linke plädiert für Mindestlöhne, Mindestsicherung und eine Mindestrente, die nicht unter 900 Euro liegt. "Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes, kritisiert, dass nur diejenigen mit einer Aufstockung ihrer Rente rechnen können, die zusätzlich eine private Rentenversicherung haben: Wer 45 Jahre in der staatlichen Rentenversicherung war und darüber hinaus selbst für die Rente vorgesorgt habe, brauche die 850 Euro nicht... Um eine Rente auf dem Niveau der Grundsicherung, also dem Hartz-IV-Niveau, zu bekommen, muss man derzeit bei einem Durchschnittsverdienst von 2.500 Euro brutto im Monat rund 27 Jahre lang Beiträge entrichtet haben. Im Jahre 2030 müsse man 35 Jahre lang entsprechend Beiträge gezahlt haben, um das Niveau der Grundsicherung zu erreichen, erklärt Ingo Nürnberger, Sozialexperte beim Deutschen Gewerkschaftsbund."Annelie Buntenbach sagte dem "Handelsblatt". "Denn die Voraussetzungen könnten die, die am meisten auf Hilfe angewiesen sind, nicht erfüllen, vor allem Niedriglöhner, langzeitarbeitslose und erwerbsgeminderte Menschen nicht." Auch wer zeitweise als Selbstständiger nicht versichert war, gehe leer aus." (taz, 9.9. 2011)  

OECD warnt vor Altersarmut

"Angesichts der Diskussionen um eine Rentenreform hat die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) vor der Gefahr von Altersarmut in Deutschland gewarnt. »Deutschland gehört international zu den Schlußlichtern bei der Alterssicherung von Geringverdienern«, sagte die Leiterin der Abteilung Sozialpolitik bei der OECD, Monika Queisser, der Tageszeitung Die Welt (Dienstagausgabe). Die strikte Beitragsleistungsbindung führe dazu, daß Menschen, die ihr Leben lang gearbeitet und nur ein geringes Einkommen bezogen hätten, im Alter armutsgefährdet seien." (JW, 7.9.2011) 

Urteile und Änderungen 

Keine Hartz IV Kürzung bei sittenwidrigen Arbeitsgelegenheiten mit Entgeltvariante

Wie das Sozialgericht in Berlin aktuell urteilte, müssen Bezieher von Hartz IV-Leistungen keine Arbeitsgelegenheiten mit Entgeltvariante annehmen, wenn die Vergütung als sittenwidrig eingestuft werden kann, d.h. eine monatliche Bruttovergütung von weniger als 1058 Euro (netto 815 Euro) bei einer 38,5 Stunden- Woche. Sittenwidrig bedeutet unter anderem, wenn trotz Vollzeittätigkeit der Bruttolohn unter dem der Grundsicherung angesiedelt ist. Im vorliegenden Fall sollte die Klägerin für eine 38,5 Vollzeitbeschäftigung gerade einmal 900 Euro Brutto erhalten. Das ist weniger als der Regelsatz plus Kosten der Unterkunft, wenn Steuern, Krankenversicherung und Rentenversicherung vom Lohn abgezogen werden.

http://www.gegen-hartz.de/nachrichtenueberhartziv/keine-hartz-iv-kuerzung-bei-sittenwidrigen-jobs-56265.php

Sozialgericht Berlin Beschluss vom 19.9.2011,-S 55 AS 24521/11 ER- http://sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb/show.php?modul=esgb&id=145333&s0=&s1=&s2=&words=&sensitive= (gegen-hartz.de, 27.9.)

Neuregelung Warmwasserkosten:
http://www.tacheles-sozialhilfe.de/aktuelles/2011/Warmwasser.aspx  

Hartz IV - Keine Schadenersatzverpflichtung des Hilfebedürftigen bei Unwirksamkeit der Schadenersatzregelung in seiner Eingliederungsvereinbarung
Das Sozialgericht Berlin hat mit Urteil vom 13.09.2011, - S 172 AS 19683/09 - wie folgt geurteilt, siehe Link:
http://sozialrechtsexperte.blogspot.com/2011/09/hartz-iv-keine-schadenersatzverpflichtu.html

Leistungsberechtigten steht bei Mietzuzahlung Betriebskostenguthaben zu

"Im konkreten Fall erkannte das Jobcenter Kiel im Jahr 2009 von der tatsächlichen Miete der Leistungsberechtigten in Höhe von rund 405 Euro nur die sog. Mietobergrenze von 327 Euro (später 362,80) an. Die Differenz zu ihrer tatsächlichen Miete bezahlte die Leistungsberechtigte aus ihrem Regelsatz von 359 Euro. Im September 2009 erhielt die Leistungsbezieherin von ihrem Vermieter die Betriebskostenabrechnung für das Vorjahr, die mit einem Betriebskostenguthaben in Höhe von 297,40 Euro abschloss. In dieser Höhe minderte der Vermieter die Miete für November 2009.

Als Faustformel gilt: In Höhe der monatlichen Zuzahlungen zur Miete x 12 Monate steht eine Betriebskostenguthaben den Hilfebedürftigen zu und nicht dem Jobcenter und darf daher weder zurückgefordert werden noch auf die Leistungen für die Unterkunft angerechnet werden. Betroffene sollten sich auf jeden Fall fachkundigen Rat holen, da das Jobcenter Kiel seine rechtswidrige Verwaltungspraxis weiter fortsetzt. (Sozialgericht Kiel, Beschluss vom 02.12.2010, S 38 AS 588/10 ER)" http://www.hempels-sh.de

Jobcenter sind ungeachtet der Voraussetzungen des § 22 Abs. 4 Satz 2 SGB II zur Erteilung der Zusicherung verpflichtet, auch wenn der Umzug - nicht - erforderlich ist.

§ 22 Abs. 4 Satz 1 SGB II, § 22 Abs. 4 Satz 2 SGB II, § 22 Abs. 6 SGB II
Landessozialgericht Berlin-Brandenburg Beschluss vom 04.07.2011, - L 5 AS 956/11 B ER -http://sozialrechtsexperte.blogspot.com/2011/08/jobcenter-sind-ungeachtet-der.html  

Rechtswidrige Abmahnung kürzt nicht Hartz IV

Jobcenter dürfen Betroffenen keine Leistungskürzung der Hartz IV Bezüge aussprechen, wenn die Abmahnung des Arbeitgebers unrechtmäßig war. Das Sozialgericht Stuttgart hob in seinem Urteil eine Sanktion von 30 Prozent wieder auf (Aktenzeichen: S 3 AS 5232/08). (gegen-hartz.de, 19.09.2011)  

Die Justizministerien der Länder Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen haben übrigens die Abschaffung der Sozialgerichte gefordert. (Wie wärs mit einem "Asozialengesetz" a la DDR..., da gehts dann ins Strafrecht.)

Widerstand
Aktivitäten von ATTAC 

Für den 15. Oktober hat die spanische 15M-Bewegung zu einem internationalen, dezentralen Aktionstag gegen die vorherrschende Krisenpolitik aufgerufen. Attac Deutschland beteiligt sich daran mit vielen Aktivitäten. Eine der größeren ist die Krisen-Anhörung in Berlin.

Die Anhörung findet von 10 bis 16.45 Uhr im GRIPS-Theater in der Altonaer Straße 22 statt. In drei Blöcken wollen wir uns mit der Krise in ihren verschiedenen Ausformungen, der Krisenpolitik und unseren Handlungsoptionen beschäftigen. http://www.attac.de/krisenanhoerung/   

ATTAC hat im September eine länderübergreifende Kampagne »Für ein bedingungsloses Grundeinkommen in Europa« gestartet. Allein in Deutschland finden mehr als 100 Veranstaltungen zur "Woche des Grundeinkommens" statt.

"Das Minimum hierzulande wäre die absolute Pfändungsgrenze – derzeit rund 1030 Euro. Wir verteilen symbolisch Kopien von 1000-Euro-Scheinen. Auf ihrer Rückseite sind Kriterien des bedingungslosen Grundeinkommens vermerkt: Es ist bedingungslos an jeden Bürger auszuzahlen; für jede Person – unabhängig davon, wie viele Menschen in einem Haushalt leben; ohne Zwang zur Arbeit und ohne Bedürftigkeitsprüfung.", sagte ein Attac-Aktivist. (Junge Welt, 20.9.2011) 

Mietenprotest

Am 3. September gab es eine Mietendemo in Berlin, an der sich 6000 Menschen beteiligten.

Viele Stadtteilinitiativen in den Kiezen haben sich gebildet, die gegen Mieterhöhungen und Verdrängung aktiv sind. Auch bei Gesellschaften wie der GSW existieren Mieterinitiativen.

So sollen in Berlin künftig 17.000 Haushalte der städtischen Wohnungsbaugesellschaften mehr Miete zahlen.

Weitere Infos zum Mietenprotest:

http://de.indymedia.org/2011/09/316178.shtml
http://de.indymedia.org/2011/09/315508.shtml
http://de.indymedia.org/2011/09/315441.shtml

Die taz hat außerparlamentarische Akteure der Stadtpolitik gefragt, was unbedingt im neuen Koalitionsvertrag drinstehen muss.

http://www.taz.de/Koalitionsprogramm-von-Stadtaktivisten/!78891/  

Kostenloser ÖPNV 

An der Aktion Freifahrt der initiative k aus Düsseldorf beteiligten sich mehr als ein Dutzend Aktivistinnen und Aktivisten aus verschiedenen sozialpolitischen Gruppen. http://de.indymedia.org/2011/09/316677.shtml  

In Hamburg wächst der Protest gegen ein Absperrgitter, das Obdachlose aussperren soll

 

In Hamburg wurden 18.000 Euro für einen Zaun ausgegeben, um Obdachlose auszusperren. Ein Gitterzaun soll Obdachlose im Hamburger Stadtteil St. Pauli davon abhalten, unter einer Brücke zu schlafen. Ein Sturm der Entrüstung war die Folge. Zum Sturm der Entrüstung kam es allerdings erst, als in der vergangenen Woche auf Veranlassung des Bezirksamtsleiters Markus Schreiber (SPD) ein massiver Metallzaun um den Schlafplatz gezogen wurde: 20 Meter lang, 2,80 Meter hoch, Kosten: 18 000 Euro. »Ein Zaun spaltet die Stadt« schrieb die »Hamburger Morgenpost«. Das »Hamburger Abendblatt« titelte auf Seite 1: »Ein Zaun empört Hamburg.« Am vergangenen Wochenende gab es insgesamt drei Demonstrationen und Versammlungen vor dem Eisengitter, das von der Polizei geschützt werden musste.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/207845.zaun-des-anstosses.html http://de.indymedia.org/2011/09/316524.shtml  

Kaum Proteste zu erschossenen psychisch Kranken 

Am 25. September versammelten sich ca. 25 Personen vor dem Sozialpsychiatrischen Dienst in Berlin- Reinickendorf, um gegen die Erschießung von Andrea H. und das Agieren des Sozialpsychiatrischen Dienstes zu protestieren. http://www.trend.infopartisan.net/trd0911/t370911.html
Und wieder wurde ein psychisch kranker Mann (in Mannheim) von der Polizei erschossen: http://de.indymedia.org/2011/09/315594.shtml  

Verfassungsschutz spricht Familie von Dennis an 

Auch Dennis war von der Polizei erschossen worden. Familie und Freundeskreis hatten dagegen protestiert. Nun wurden Familienangehörige vom Verfassungsschutz angequatscht. Interessiert hat den VS auch die Zusammenarbeit mit linken Strukturen. http://de.indymedia.org/2011/09/315268.shtml  

Generalstreik in Chile 

Eine halbe Million SchülerInnen, Studierende und ArbeiterInnen in Chile beteiligen sich an einem Generalstreik unter dem Motto: "Chile sollte anders sein". Der Gewerkschaftsdachverband CUT stellte einen ganzen Katalog von sozialen Forderungen auf. Aber der eigentliche Auslöser waren die Studierendenproteste für kostenlose Bildung, die seit Mai anhalten. In allen Teilen Santiagos sind Schulen besetzt, und Hunderttausende haben sich an Demonstrationen beteiligt. http://de.indymedia.org/2011/09/315121.shtml  

Pogrome gegen Roma in Osteuropa 

So in Tschechien: „Seit Wochen spitzt sich die Lebenssituation der tschechischen Roma, die im so genannten Schluckenauer Zipfel in Nordböhmen leben, dramatisch zu. Durch den Zuzug vieler Roma in den letzten Monaten sei die Kriminalität in den grenznahen Ortschaften massiv angestiegen, mehrfach kam es zu teils gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen “weißen Tschechen” (so deren Selbstbezeichnung in tschechischen Medien) und Roma. Im Anschluss an eine dieser Auseinandersetzungen Ende August, fand in Rumburk eine Versammlung unter dem Motto “Gegen Gewalt und Kriminalität” statt. Vor 1.500 Menschen forderte ein Redner das Ende des Zuzugs von “Nichtanpassungsfähigen” (so werden Roma nicht nur von Nazis in Tschechien bezeichnet). Daraufhin zog für mehrere Stunden ein Mob unter antiziganistischen Parolen durch Rumburk. Erst nachdem sie damit begonnen hatten, ein von Roma bewohntes Haus mit Steinen anzugreifen, schritt die Polizei ein und trieb die Menschenmenge auseinander.“

Wo sind die Gegenproteste?  
http://de.indymedia.org/2011/09/316081.shtml
http://de.indymedia.org/2011/09/315913.shtml

Und hier in Bulgarien: http://de.indymedia.org/2011/09/317005.shtml  

Die KEAS empört über fiktive Gerichtsverhandlung in Köln

 

“Zum 30jährigen Jubiläum des Gerichtgebäudes in der Luxemburger Straße wurde im Rahmen des Tages der offenen Tür eine fiktive Gerichtsverhandlung aufgeführt. Alle Rollen in diesem Prozess wurden von ehemaligen oder aktiven Richtern bzw. Rechtsanwälten besetzt. Daran wäre eigentlich nichts auszusetzen, wenn das dargestellte Szenario nicht so klischeehaft und diffamierend gewesen wäre.
Angeklagt ist nämlich ein Alg2-Empfänger aus Köln, der am Ostermontag zwei Frauen die Handtaschen geklaut haben soll, um sich seinen Wunsch zu erfüllen, zum Ballermann zu reisen. Auch beim Äusseren des Angeklagten wurde tief in die Kiste der Vorurteile gegriffen. "Sein Hemd ist fast bis zum Bauchnabel aufgeknöpft, er trägt Goldkettchen und hat gelverschmierte Haare, in denen eine Sonnenbrille steckt." (Quelle: KStA vom 24.09. < http://www.ksta.de/html/artikel/1316688839376.shtml >)
Und wie nicht anders zu erwarten war, ist der Erwerbslose natürlich schuldig und wird am Ende dieses "Schau-Prozesses" auch verurteilt.
Was lernen die zahlreich anwesenden Besucher, darunter auch viele Kinder, daraus? Welches Bild wird in ihren Gehirnen verankert? Das des kriminellen Hartz-IV-Betroffenen, der sogar vor Raub nicht zurückschreckt, um sich auf Mallorca vollaufen zu lassen.
Die Vertreter der Kölner Judikative scheuen sich nicht, solche diskriminierenden Vorstellungen über Erwerbslose zu verbreiten und so die Gesellschaft weiter zu spalten. Damit sinken sie nicht nur auf das Niveau mancher Privatsender, sondern stellen sich auch in eine Reihe mit Clement, Sarazin oder Buschkowsky.
Ein demaskierender Einblick in das Gedankengut der 3. Gewalt in Köln. Dieser Einblick wiederum erscheint gut und wichtig, denn die Auseinandersetzungen um Hartz IV sind nicht nur strafrechtlich interessant, sondern eben auch politischer Natur. Und das zeigt dieses Schauspiel wunderbar!“ http://www.die-keas.org/node/467

Editorische Hinweise

Den Text erhielten wir von der Autorin.