Sarrazin – bürgerlicher Biedermann und rassistischer Brandstifter!

von Harry Waibel

10/09

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Sarrazin gießt erneut eine braune Soße über die soziale und politische Wirklichkeit unterprivilegierter Frauen und Männer und ihrer Kinder in Berlin, vornehmlich erniedrigt er dabei den Teil des Berliner Proletariats, der türkischen oder arabischen Hintergrund hat.

Sie wurden in dieses Land geholt, für die schlecht bezahlten und gefährlichen Arbeiten und um ihre Integration kümmerte sich keine Kirche und keine Partei – die Migranten blieben über Jahrzehnte in einem Status, den ich als „versklavte Außenseiter“ charakterisieren möchte und das eben sowohl in der DDR als auch in der BRD. Auch die Rassisten und Nationalisten von hüben und drüben wuchsen zusammen, weil sie zusammen gehören. Der unverhohlen zur Schau getragene Rassismus des SPD Mitglieds Th. Sarrazin ist zu verstehen als Ausdruck einer Bewusstseinslage in einem beträchtlichen Teil der deutschen Gesellschaft und die ersten Reaktionen zeigen wie dieses Gelände zurzeit angelegt ist. Insgesamt herrscht angespannte Ruhe im politischen Deutschland, da die neuen politischen Mächtigen gerade dabei sind, hinter verschlossenen Türen neue Angriffe zu konzipieren, um die sozialen und finanziellen Standards der Masse der Lohnabhängigen abzusenken, um die Lasten los zu werden, die durch die globale Krise des Kapitalismus hier entstanden sind und noch weiter anwachsen werden. Dazu passt dieser faschistoide Rassist mit seinen Provokationen gerade ins Nachrichtenloch. Wer nun geglaubt hatte, dass solche abenteuerlichen Vorstellungen sofort mit politischen oder juristischen Zwangsmaßnahmen beantwortet werden, der sieht sich grob enttäuscht. Also beginnt die rituell geformte und jahrzehntelang eingeübte Medienmaschine zu laufen. Nach und nach, Tage später, bemerken dann die Journalisten das die Auseinandersetzung ankommt und sie führen sie fort. Dann melden sich gemeinsam, das ist ein Novum in der deutschen Geschichte, ein türkischer Verband und der Zentralrat der Juden in Deutschland, auf einer gemeinsamen Pressekonferenz zu Wort und beklagen die Nähe der Äußerungen von Sarrazin zu Goebbels und Hitler und dem deutschen historischen Faschismus. Neu ist in diesem Zusammenhang auch, dass die ansonsten kritikfreudigen H. Broder, M. Wolfssohn sowie der unsägliche R. Giordano, sich auf die Seite von Sarrazin stellen.

Sarrazin macht sich hier zum Sprecher einer größer gewordenen Gruppe von Deutschen, die sich seit einigen Jahren aufgemacht haben, um sich in rassistisch und nationalistisch besetzten Einstellungen einzurichten. Sie waren von radikalen Volksverhetzern aus allen in den Parlamenten vertretenen Parteien dorthin geführt worden und sie trafen dort auf die entsprechenden zeithistorischen Vorläufern aus der NPD, DVU, usw., die sich seit Jahrzehnten bereits um die rassistische Verhetzung der Deutschen einen Namen gemacht hatten.

Wir sollten davon ausgehen, dass dieser rassistische Angriff ein politischer Angriff ist, der auf die soziale Wirklichkeit breiter Schichten der lohnabhängig Beschäftigten bzw. ehemals Beschäftigten zielt. Mit dieser schrillen Tonlage verweist der Ex-Finanzsenator des Landes Berlin auf die durch die globale Krise ausgelöste wirtschaftliche und finanzielle Situation in Deutschland. Kein Wunder, dass da die Fantasien ins Kraut schießen, denn noch nie nach 1945 gab es solche Rückgänge bei Aufträgen, Umsätzen und Profiten zu verzeichnen wie in diesem zu Ende gehenden Jahr 2009.

Das rassistische Szenario ist seit Jahren in Deutschland aufgebaut worden und es beinhaltet im Kern die Vertreibung der hier nach Deutschland eingewanderten Proletarier und ihrer Familien. Sie sollen für die Fehler und Irrtümer der Deutschen büßen, sie sollen den Sündenbock abgeben für die jetzt aufbrechenden Ängste und die sichtbar gewordenen Enttäuschungen der Einheimischen über den wahren Charakter ihres deutschen Modells.

Was ist zu tun?

Die Linksradikalen und Revolutionäre liegen, nicht nur hier in Berlin, sozial und politisch am Rand und sie haben, mangelnder Einflüsse auf die Masse der Berliner geschuldet, außer kritischer Reflexionen in ihren eigenen Medien kaum Möglichkeiten Einfluss zu nehmen.
Was wäre dazu die Perspektive?

Sie könnten sagen, dass sie für eine Gesellschaft eintreten, die Rassismus und Anti-Semitismus, dem kleinen Bruder des Rassismus, an der Wurzel bekämpft, um diese erst gar nicht zur Entfaltung kommen zu lassen. Es ginge also darum, die Ausbeutungs- und Unterdrückungsverhältnisse aufzuheben und für eine gerechte und freie Gesellschaft, einen Sozialismus zu kämpfen, in dem gesellschaftliche Demokratie und Freiheit, die Voraussetzung für die Freiheit jedes einzeln sein wird. Und sie könnten sagen, dass diese gerechte und freie Gesellschaft erst über eine proletarische Revolution erkämpft werden kann und dass es dazu keine Alternative gibt.

Dass müsste man den hier Angegriffenen und Angreifern entgegen halten können, so dass es Wirkung zeigte. Denn solange die Ursachen für Rassismus und Anti-Semitismus nicht beseitigt sind, so lange werden eben aus diesen Ursachen immer wieder neue Angriffe gestartet werden. Mal stärker, wie in den 1930er Jahren, als der Rassismus und Anti-Semitismus der Deutschen eine Antwort war auf die Erschütterungen der weltweiten Wirtschaftskrise ab Ende der 1920er Jahre, mal schwächer wie es jetzt mit Sarrazin erscheint. Diese Historie ist vorgegeben und jeder halbwegs informierte Beobachter der Szenerie wird ihn erkennen können. Es gilt deshalb auch dafür zu kämpfen, dass dieses Mal die Geschichte einen anderen Verlauf nehmen kann.
 

Editorische Anmerkungen

Wir erhielten den Artikel vom Autor zur Veröffentlichung.