Betrieb & Gewerkschaft
Post
Gelbe Post und Blaue Briefe


von
Johanna Walker

10/09

trend
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Meinem Briefträger stand am Freitag gegen 14 Uhr die Verzweiflung ins Gesicht geschrieben, als er mir ein Schreiben von Frau Merkel in die Hand drückte. Vielleicht dachte er: „Hoffentlich verweigert er jetzt nicht die Annahme, was die Arbeitszeit - jetzt immerhin schon gut neun Stunden - verlängern würde. Und es lagen noch genug Merkel-Briefe im Post-Gepäck ...

Die Stimmung unter den BriefzustellerInnen bei der Deutschen Post AG ist im Lauf des Jahres kontinuierlich schlechter geworden. Der Vorstand um Frank Appel hat auch absolut nichts ausgelassen, um die PostlerInnen auf die Palme zu bringen. Im Zuge der Krise will auch die Deutsche Post die Gunst der Stunde nutzen und durch Gewinnrückgänge im Vergleich zum Rekordjahr 2008 aus ihren MitarbeiterInnen noch ein bißchen mehr rausquetschen: unbezahlte Mehrarbeit, also de facto Lohnkürzungen, keine Auszahlung der vereinbarten Tariferhöhung, Angriffe auf die Besitzstände, Drohung mit Fremdvergabe usw. 

Schwerpunktveranstaltungen 

Nun hat ver.di am letzten Montag regionale Schwerpunkveranstaltungen durchgeführt. Die PostzustellerInnen haben z.B. auf einer Betriebsversammlung im nordhessischen Alsfeld (PLZ-Bezirke 34 und 36) mit langen Streiks gedroht. Der Betriebsratsvorsitzende der Post-Niederlassung Kassel, Sude, sagte nach einer Betriebsversammlung in Alsfeld: "Wenn es die Arbeitgeber zu einem Ausstand kommen lassen, könnte das genau in den November und den Dezember fallen, wenn die Weihnachtspost unterwegs ist."

Die ZustellerInnen sind besonders über einen Erpressungsversuch des Post-Vortstands sauer. "Der Vorstand sagt uns ganz klar“, so Sude, „dass wir seine Forderungen annehmen sollen. Wenn nicht, werde der Fahrdienst ausgelagert." Bundesweit wären dann 4.500 Arbeitsplätze bedroht, gut 100 davon in Nordhessen. Die Post wollte die Arbeitszeit von 38,5 auf 40, wahrscheinlich sogar auf 42 Stunden hochschrauben.

Zudem will die Post die Einstiegsgehälter der Zusteller von knapp 11 Euro auf den Mindestlohn von 9,80 Euro drücken. Sollte der Postmindestlohn scheitern, wäre der freie Fall der Löhne vorprogrammiert.

Zur Versammlung in Alsfeld waren gut 1.500 PostzustellerInnen gekommen. Für  zehntausende Haushalte in den Postleitzahlbereichen 34 und 36 gab es an diesem Montag deshalb keine Post. Das war allerdings schon im Sommer durch Sparmaßnahmen bei der Montagszustellung mehrfach der Fall.

Ver.di hatte die Postbeschäftigten zur Betriebsversammlung eingeladen, um sie über die Pläne der Geschäftsleitung zu informieren und auf die neue Tarifrunde einzustimmen. Doch nach der Wahl von Schwarz/Gelb und inmitten der Wirtschaftskrise ist keine Tarifrunde eine „normale“ Tarifrunde. Wichtig ist für die Beschäftigten, dass es jetzt nicht nur bei den Reden der ver.di-Vertreter bleibt, sondern es auch zu konkreten Aktionen kommt. Diese vorzubereiten und mit Protesten und Kämpfen in anderen Bereichen zu verbinden, müssen die ver.di-Funktionäre aufgefordert werden.

Wir fordern:

  • Keine Mehrarbeit, sondern Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohn- und Personalausgleich!

  • Keine weitere Verdichtung der Arbeit durch Vergrößerung der Zustellbezirke!

  • Kein Lohnverlust! Fristgerechte Auszahlung der letzten Tariferhöhung!

  • Sofortige Übernahme aller Befristeten und LeiharbeiterInnen! Neubesetzung aller Stellen von Ruheständlern!

  • Durchsetzung und sofortige Erhöhung des Postmindestlohns in der gesamten Branche auf mindestens 11 Euro netto!

  • Keine Schließungen von Postfilialen! Keine Fremdvergabe, weder in der Zustellung noch im Fahrdienst, noch in anderen Bereichen!

Doch Kungelrunden und verbale Drohungen werden den Postvorstand sicher nicht zum Einlenken bringen. Nur ein unbefristeter, landesweiter Streik der Beschäftigten kann die Forderungen durchsetzen. Letzten Endes muss der Kampf aber auch darauf abzielen, die Post wieder zu verstaatlichen - allerdings unter Kontrolle der Beschäftigten, der Gewerkschaft und der Bevölkerung.
 

Editorische Anmerkungen

Den Text erhielten wir von

ARBEITERMACHT-INFOMAIL
Nummer 448
5. Oktober 2009


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