Betrieb & Gewerkschaft
Leiharbeit abschaffen!

von "AutorIn des Beitrags"

10/09

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Etwa 800.000 Menschen haben im vergangenen Jahr für Leiharbeitsfirmen gearbeitet. Viele von ihnen wurden von den Arbeitsagenturen gezwungen, sich von den Menschenhändlern für Niedriglöhne vermieten zu lassen.

Trotz Wirtschaftskrise ist der Markt für Leiharbeit in Deutschland auch im Jahr 2008 gewachsen. Die 25 größten Leihfirmen erzielten ein Umsatzplus von 3,7 Prozent, insgesamt betrug das Marktvolumen im Jahr 2008 14,7 Milliarden Euro. Die größten Konzerne, die vom Menschenhandel leben, sind Randstad, Adecco, Manpower und USG People.

Die Bedingungen in der Leiharbeit:

  • LeiharbeiterInnen verdienen im Schnitt 30 bis 50 Prozent weniger als ihre KollegInnen bei der Entleihfirma!

  • LeiharbeiterInnen werden oft nur für den Zeitraum eingestellt, für den sie an eine fremde Firma verliehen werden können und anschließend entlassen, wenn nicht sofort ein neuer Entleiher gefunden wird.

  • Viele Beschäftigte werden um Lohn und Urlaub betrogen, indem ihnen die Zeit, in der sie nicht vermietet werden können, abgezogen wird.

  • LeiharbeiterInnen haben im Entleihbetrieb noch weniger zu melden, als ihre fest angestellten KollegInnen. Sie sind Beschäftigte 2. Klasse.

Zwei Profiteure sind mindestens Einer zuviel!

Innerhalb der letzten sechs Jahre ist die Zahl der Menschen, die von Leihfirmen auf dem Markt vermietet werden, von 300.000 auf 800.000 (2008) gestiegen. Jetzt, in der Krise, sind die LeiharbeiterInnen die Ersten, die gefeuert werden. Für 2009 erwarten die Leihfirmen einen Auftragsrückgang von durchschnittlich 22,7 Prozent. Einzelne Firmen gehen sogar von bis zu 40 Prozent aus. Besonders die Unternehmen der produzierenden Wirtschaft und der Automobilindustrie haben im großen Stil die Aufträge zurückgezogen.
Es waren die LeiharbeiterInnen, die gleich zu Beginn der Krise nach Hause geschickt wurden. Wesentlich schlechter bezahlt als die Stammbelegschaften, konnten sie von den Entleihfirmen von einem Tag auf den anderen »abbestellt« werden. Die Folge: Entlassung und der Gang zur Arbeitsagentur! Von dort werden sie zum nächsten Menschenhändler geschickt, der sie vielleicht, zu noch schlechterem Lohn, wieder vermietet.
Das besonders Abstoßende an dieser Art des Menschenhandels ist, dass gleich zwei Unternehmen an den LeiharbeiterInnen profitieren – die Leihbude und die Entleihfirma – während die LeiharbeiterInnen selber mit Niedriglohn in die Röhre schauen.

Leiharbeit ist Menschenhandel!

Einen wegweisenden Schritt hat der Oberste Gerichtshof von Namibia im März 2009 vollzogen. Leiharbeit ist dort seitdem verboten. Das neue Gesetz stellt die Anstellung von Personen mit der Absicht, sie an Dritte zu verleihen unter Strafe. Die Richter stuften Leiharbeit als »moderne Sklaverei« ein und erklärten: »Leiharbeit ist ungesetzlich und reduziert Menschen zu persönlichem Besitz«.

Equal pay & equal treatment (gleicher Lohn & gleiche Arbeitsbedingungen)

Auf Grund von europäischem Recht musste die SPD/Grüne Regierung zum 1. Januar 2004 die Gleichbehandlung von LeiharbeiterInnen mit den Stammbelegschaften umsetzen.

Im Rahmen der »Agenda 2010«, zu denen die berüchtigten Hartz Gesetze gehören, wurde das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) geändert. Zwei Punkte sind dabei besonders erwähnenswert:

  • die Menschenhändler können ihre menschliche Ware seitdem unbegrenzt lange verleihen.

  • LeiharbeiterInnen sind mit den Beschäftigten der Entleihbetriebe gleich zu stellen.

Im AÜG wurde festgelegt, dass LeiharbeiterIn-nen »für die Zeit der Überlassung an einen Entleiher die im Betrieb dieses Entleihers für einen vergleichbaren Arbeitnehmer geltenden wesentlichen Arbeitsbedingungen einschließlich des Arbeitsentgelts gewährt werden« muss – das bedeutet »equal pay« und »equal treatment«.

Allerdings steht in dem Gesetz noch ein weiterer einschränkender Absatz: Ein Tarifvertrag kann abweichende Regelungen zulassen. Im Geltungsbereich eines solchen Tarifvertrages können nicht tarifgebundene Arbeitgeber und ArbeitnehmerInnen die Anwendung der tariflichen Regelungen vereinbaren.

Lohndumping durch Gewerkschaften?

Das heißt im Klartext, dass LeiharbeiterInnen um ihr Recht betrogen werden können, wenn willige Gewerkschaften mit den Menschenhändlern Dumpinglohn-Tarifverträge abschließen, um gleichen Lohn zu verhindern! Die Arbeitgeberverbände haben sich genau solche Gewerkschaften gesucht und bei der Christliche »Gewerkschaft« Zeitarbeit und PSA entsprechende Tarifpartner gefunden. Die DGB Gewerkschaften sahen ihre Felle wegschwimmen und statt »equal pay« durchzusetzen, haben sie am grünen Tisch ebenfalls Niedriglohntarife abgeschlossen. Der äußerst geringe Organisierungsgrad von Leiharbeiterinnen und die daraus resultierende Konsequenz, keine Berechtigung für den Abschluss solcher Tarife zu haben, störte dabei anscheinend wenig.

So ist es im Bereich Leiharbeit zu den umfassendsten Flächentarifverträgen in Deutschland gekommen, die praktisch alle Branchen betreffen. Für die meisten LeiharbeiterInnen gelten die drei zentralen Niedriglohn-Tarifverträge zwischen DGB und Bundesverband Zeitarbeit (BZA), DGB und Interessenverband Zeitarbeit (iGZ) sowie CGZP und Arbeitgeberverband Mittelständischer Personaldienstleister (AMP).

Das Absurde dabei ist, dass so auch Mitglieder von Gewerkschaften die keinen Tarifvertrag abschließen wollen, wie die FAU, die Dumpinglohn-Tarifverträge einfach in den Arbeitsvertrag geschrieben bekommen, obwohl »Leistungen« aus Tarifverträgen eigentlich nur Mitgliedern der abschließenden Gewerkschaften zustehen!

Der Bundesverband Zeitarbeit stellte im Übrigen auf seiner Webseite fest, dass die Tarifverträge mit den DGB Gewerkschaften unbedingt nötig gewesen seien, »weil Kundenbetriebe infolge des equal pay und equal treatment Grundsatzes auf den Einsatz von Zeitarbeitnehmern verzichtet hätten. Die Dienstleistung Zeitarbeit wäre zu teuer geworden und (...) wäre in der Praxis nicht akzeptiert worden.«

Die neue EU-Leiharbeitsrichtlinie

Im Oktober 2008 wurde mit der »Zeitarbeitsrichtlinie« der erste Teil der neuen EU Arbeitsregelungen vom Europaparlament beschlossen. LeiharbeiterInnen sollen vom ersten Tag an grundsätzlich die gleichen Rechte in den Betrieben bekommen wie die fest angestellten KollegInnen. Analog zu Deutschland kann jetzt auch in Europa diese Gleichstellung verhindert werden, wenn willige »Gewerkschaften« mit den Bossen Verschlechterungen durch einen Tarifvertrag vereinbaren.

Aktueller Stand

Derzeit sind die Entgelttarifverträge zwischen der DGB Tarifgemeinschaft und BZA/iGZ gekündigt, der BZA wollte minimale Erhöhungen der Löhne nicht verhandeln. Jetzt ist ein juristisches Gezerre im Gang, ob diese Tarife nachwirken, oder seit dem 01.01.2009 ausgelaufen sind. Der Christen »Gewerkschaft« wurde in der ersten Instanz (Amtsgericht Berlin) die »Tariffähigkeit« abgesprochen, womit ihre Tarifverträge möglicherweise rückwirkend ungültig sind und den LeiharbeiterInnen Lohnnachzahlung zustehen würden.

Wie auch immer diese Auseinandersetzungen ausgehen, für uns steht fest, dass dieser Menschenhandel beendet werden muss, denn branchenübergreifendes Lohndumping für einige führt mittelfristig zu schlechterem Lohn für alle!

Den Stammbelegschaften und allen (Noch-) Festangestellten muß klar sein, dass es auch sie treffen könnte und dann für viele nur noch Arbeit unter prekären Bedingungen, wie z.B. in der Leiharbeit bleibt.

Darum jetzt....

  • Abschaffung der Leiharbeit!

  • Übernahme aller LeiharbeiterInnen, die es wünschen in die Entleihbetriebe.

  • Vollständige Nachzahlung der Lohnanteile seit 1. Januar 2004, entsprechend dem Grundsatz gleicher Lohn für gleiche Arbeit, an alle LeiharbeiterInnen, die nicht Mitglieder der tarifgebundenen Christlichen »Gewerkschaft« und der DGB Tarifgemeinschaft sind.

 

Editorische Anmerkungen

Der Artikel erschien am 22.09.2009 bei Indymedia. Wir spiegeln zu Dokumentationszwecken.