Jenseits von Obama  und McCain
S
oziale  Bewegungen in den USA 

Ein Interview mit CHIRLA

10/08

trend
onlinezeitung

In letzter Zeit tragen sogar kritische, aufgeklärte junge Menschen gelegentlich den Button eines Politikers, der für die Todesstrafe eintritt. Sein Name ist Barack  Obama, der seit einiger Zeit  als neuer Hoffnungsträger gehandelte aussichtsreiche Präsidentschaftsanwärter der USA. Seine Popularität bis in linke Kreise ist nur ein Ausdruck der Krise der Linken.  Während die Börsen krachen und Marx auf der Titelseite der Frankfurter Rundschau zu finden ist und die Tageszeitung den Kapitalismus für gescheitert erklärt hat, setzten Teile der Linken wieder einmal auf das vermeintlich kleinere Übel, dieses Mal in den USA.

Dass Obama nicht nur in den Fragen der Todesstrafe Positionen  vertritt, die  in Deutschland höchstens am rechten Hand angesiedelt wären, wird dabei  großzügig übersehen.

Die Obama-Euphorie ist nur die Kehrseite des vor allem in Deutschland verbreiteten Bushbashing  Beide Male handelt es sich um eine Personalifizierung gesellschaftlicher Verhältnisse. Während Bush  für Viele das Böse verkörperte, scheint mit Obama jetzt wieder ein Hoffnungsträger aufgetaucht zu sein. Statt die kapitalistische Vergesellschaftung auch nur in Ansätzen zu begreifen, bleibt man  bei der oberflächlichen Personifizierung. Dabei gibt es in den USA soziale Bewegungen,  Gewerkschaften usw. die es Wert wären, von der Linken genauer analysiert und auch unterstützt zu werden.

Eine dieser  Initiativen ist die  „Koalition  für die Rechte der ImmigrantInnen“ (CHIRLA), deren Vorsitzende vor einigen Wochen auf einer Rundreise durch verschiedene deutsche Städte. Dabei entstand dieses Interview:   

1.) Wann hat sich die CHIRLA gegründet? 

X.C.: Die Wurzeln unserer Arbeit gehen bis ins Jahr 1986 zurück. Damals wurde eine Amnestie für Menschen ohne Einwanderungspapiere verkündet. Allerdings kamen nur Menschen, die vor 1982 in die USA eingewandert sind in den Genuss dieser Amnestie. Außerdem war mit der Amnestie eine Verschärfung  verbunden. Künftig konnten auch Arbeitgeber, die Menschen ohne Papiere beschäftigten, bestraft werden. Deshalb bezeichneten wir die Amnestie      als Mittel der besseren staatlichen Kontrolle  der Einwanderung. Wir  mobilisierten in der migrantischen Community  dagegen. Das war ein Bruch mit den traditionellen Migrantenorganisationen, die sich für punktuelle Verbesserungen einsetzten und die Amnestie unterstützte. Seitdem organisieren sich Migranten unabhängig von diesen Organisation..  

2.) Wie groß ist die CHIRLA aktuell? 

X.C.: Bei uns sind sowohl Einzelpersonen als auch Gruppen organisiert. Neben  Migranten sind es auch Studierende ohne gültige Papiere .   Zur Zeit umfasst die CHIRLA 34 lokale Organisationen und etwa 650 Einzelpersonen in Los Angeles.  

3.) Gibt es auch überregionale Kontakte?

X.C.: Ja.  Im   Jahr 2007 hat sich CHIRLA  während des US-Sozialforums mit 13 weiteren Organisationen zusammengeschlossen und die Nationale Koalition der Hausarbeiter gegründet.  Sie  sind wegen ihrer isolierten Arbeitssituation kaum gewerkschaftlich organisiert. Die Gewerkschaften stützen ihre Organisierungsarbeit vor allem auf Betriebe mit vielen Beschäftigten und kümmern sich nicht um die Interessen der oft besonderen Ausbeutungsbedingungen unterworfenen Hausarbeiter. Gerade in diesem Bereich sind aber besonders viele Frauen ohne Papiere beschäftigt sind. Wir wollen mit unserer Arbeit diese Menschen die Möglichkeit geben, ihre Interessen selber zu vertreten.  

4.) Können  in den USA Immigranten ohne Papiere  Gewerkschaftsmitglieder werden?

X.C.: Ja.  Migranten, die in der Industrie oder auch in der Landwirtschaft arbeiten, können Gewerkschaftsmitglieder werden, auch wenn sie keine gültigen Papiere besitzen.   Mehrere Gewerkschaften werben sogar schwerpunktmäßig  Mitglieder unter papierlosen Migranten.. Dieses Konzept ist von Aktivisten an der Gewerkschaftsbasis entwickelt worden und soll den  Mitgliederschwund aufhalten.  

5.) Gibt es in der gegenwärtigen innenpolitischen Situation in den USA auch Kampagnen gegen papierlose Migranten?

X.C. Es gibt natürlich einen Alltagsrassismus. So werden Menschen, die wie Migranten aussehen, von der Polizei häufig aufgefordert, obwohl   es in den USA keine Pflicht zum Mitführen eines Ausweises gibt. Auch bei der Anmietung von Wohnungen werden Migranten benachteiligt. Daneben gibt es organisierte Kampagnen gegen Migranten.  Dabei werden Kriminalfälle zum Anlass genommen, um Migranten generell zu diffamieren. . Solche Positionen finden auch über die Massenmedien verbreiten. Es gibt Vermutungen, dass solche Kampagnen auch von der Republikanischen Partei im Vorfeld der Präsidentenwahlen unterstützt werden. 

6.) Gibt es aus Sicht der Migranten einen Unterschied zwischen Mc Cain und Obama?

X.C.: McCain steht für eine Kriegs-  und Anti-Terrorpolitik, die sich immer auch gegen Migranten richtet. Daher würde sich unter seiner Präsidentschaft ihre Situation verschlechtern.  Dem steht nicht entgegen, dass sich McCain  für Legalisierungsmaßnahmen bei Migranten ausgesprochen hat. Darunter versteht er einen kurzfristigen Status als billige Arbeitskräfte und nicht langfristige Bürgerrechte. Gleichzeitig unterstützt die Republikanische Partei auch Kampagnen gegen Migranten und benutzt dazu aktuelle Kriminalfälle.  

7.) Ist also Obama  eine Hoffnung für die Migranten?

X.C.: Nein, höchstens die weniger schlimme Alternative. Auch unter Obama besteht die Gefahr, dass die Zuwanderung erschwert wird. Denn die Demokratische Partei hat sich mehrheitlich   dafür ausgesprochen. Da die Legalisierung nicht vom Präsidenten sondern vom Kongress entschieden wird, kommt es aber auf die Position der Parteien an.

Interview: Peter Nowak

 

Editorische Anmerkungen

Uns wurde der Artikel durch den Autor überlassen.