Attac
Vorschläge zur Reparatur des kapitalistischen Desasters


von Peter Lenz

10/08

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Die „Globalisierungskritiker“ von Attac legten im September einen Forderungskatalog für die Regulierung der Finanzmärkte vor: „Mit einer symbolischen Blockade der Frankfurter Börse unter dem Motto `Das Casino schließen!` haben Aktivistinnen und Aktivisten des globalisierungskritischen Netzwerkes Attac und seiner Jugendorganisation Noya am Mittwoch (24.9.08) für eine echte Regulierung der Finanzmärkte demonstriert und einen entsprechenden Forderungskatalog von Attac vorgestellt.“ (Siehe attac-Sonderseite "Das Casino schließen!", http://www.casino-schliessen.de)

Darin ist zu lesen: "Wenn Merkel und Steinbrück uns jetzt glauben machen wollen, diese Jahrhundertkrise sei eine rein amerikanische Krise, dann ist das lächerlich. Die Krise hat ihren Ursprung in der neoliberalen Deregulierung der Finanzmärkte. Und die wurde in Deutschland genauso betrieben wie in den USA", so Stephan Schilling, „Finanzmarktexperte“ im Attac-Koordinierungskreis.

Und weiter: „In den USA müssten nun die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler hunderte Milliarden Dollar aufbringen, um den Zockern an der Wall Street aus der Misere zu helfen. Doch damit nicht genug: Die Finanzmarktkrise drohe die Weltwirtschaft mit sich nach unten zu reißen, der zu erwartende massive Einbruch der Realwirtschaft könne hunderttausende Arbeitsplätze kosten.“

"Die Banken haben mit ihrer Zockerei den Zusammenbruch des gesamten ökonomischen Systems riskiert – aktiv befördert von einer Politik der systematischen Deregulierung. Damit muss Schluss sein. Es ist Zeit, das Casino zu schließen."

„Zockerei“ - das ist das zentrale Erklärungsmuster, das Attac für die Öffentlichkeit parat hat. Es liege an der ungezügelten „Casinomentalität“, die durch die „systematische Deregulierung“ befördert wurde. Zentrale Forderung: „Das Casino schließen“- dann wird alles wieder gut. In der Welt von Attac finden sich nur „System“ und „Märkte“- damit lässt sich Alles und Nichts erklären. Die Krise entsteht für Attac außerhalb der sogenannten „Realwirtschaft“, die geschädigt wird durch „Auswüchse“, „Eskapaden“, „Gier“ usw.
Auch Forderungen, die sich aus solch einer oberflächlichen Analyse ableiten, werden natürlich gestellt - an den Staat und die aktuelle Regierung:

„Attac forderte Bundeskanzlerin Angela Merkel und Bundesfinanzminister Peer Steinbrück auf, sich endlich wirksam für verschärfte Finanzmarktgesetze einzusetzen. Zwar rede auch Merkel auf einmal von Regulierung, dahinter verberge sich aber der altbekannte wachsweiche Appell nach mehr Transparenz und Selbstdisziplin der Finanzakteure. So betonte die Kanzlerin am Montag beim Unternehmertag der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, es müsse ´nicht immer gleich ein neues Gesetz geben`, sofern die Wirtschaft bereit sei, ´bestimmte Regeln für sich selbst zu akzeptieren`.“

Dazu Attac-„Finanzmarktexperte“ Detlev von Larcher: "Das ist ein schlechter Witz. Wer jetzt noch auf freiwillige Selbstverpflichtungen derjenigen setzt, die uns das Desaster eingebrockt haben, hat die Zeichen der Zeit nicht erkannt. Was wir jetzt brauchen, ist neues Finanzsystem. Die Vorschläge dafür liegen längst auf dem Tisch."
Werfen wir einen Blick auf das „neue Finanzmarktsystem“, das Attac vorschlägt. Natürlich impliziert es von vornherein, das Finanzen nur über den Markt zu Regeln seien. Etwas anderes können sich unsere „Globalisierungsgegner“ gar nicht vorstellen.

„In dem am Mittwoch vorgelegten Maßnahmenkatalog fordert Attac

  • die Einführung eines effektiven Finanzmarkt-TÜVs, der neue Produkte
    standardisiert und prüft, bevor diese gehandelt werden dürfen,

  • einen speziellen Krisenfonds, dessen Kosten die Finanzmarktakteure
    selbst tragen,

  • wirtschaftliche Sanktionen gegen Steueroasen sowie

  • eine Finanztransaktionssteuer auf europäischer Ebene, um die Spekulation zu reduzieren und die Kurzfristorientierung der Finanzmärkte zu schwächen.“

(Quelle: PRESSEMITTEILUNG Attac Deutschland und Network of Young Altermondialists (Noya) 24..9. 2008)

"Zehn Jahre nach der Gründung von Attac geben uns sämtliche Fraktionen im Bundestag Recht: Die Finanzmärkte gehören unter demokratische Kontrolle", so von Larcher. "Das ganze neoliberale Gerede von der Selbstheilungskraft der Märkte ist hinfällig. Auf einmal fordern all jene, die in den letzten Jahren auf Teufel komm raus dereguliert haben, schärfere Regulierung."

„Notwendig sei nun ein grundlegender Umbau des Finanzsystems, um das Diktat der Kapitalmärkte über die Realökonomie zu brechen und den damit verbundenen Druck auf das Sozial- und Steuersystem zu stoppen.“

Die Sprache wird zum Nebelwerfer

Gute „Realökonomie“ - beschönigender kann man den Begriff Kapitalismus kaum umschreiben. Und Finanzkapital wird mit „Kapitalmarkt“ sanft umschrieben.
Der Druck auf die Sozialsysteme geht aber erwiesenermaßen auch von der „Realökonomie“ aus. Diesen Umstand blendet Attac in seinen Erklärungen vollends aus. In der „Realökonomie“, in der Überakkumulation von Kapital und in der Tendenz zum Fallen der Profitrate, liegen die eigentlichen Ursachen der Krisenhaftigkeit des gesamten Systems. Die Attac-Kritik an der Finanzmarktkrise entspringt nicht einer systematischen Analyse und Kritik des Kapitalismus. Auch eine Kritik des bürgerlichen Staates kommt in den Ausführungen nicht vor, weil Attac auf den bürgerlichen Staat zur Umsetzung seiner Forderungen setzt.

Darüber, was „demokratische Kontrolle" der Finanzmärkte bedeutet, lässt uns von Larcher im Ungewissen. Aber aus dem Kontext geht hervor, dass Attac diese Forderung an den Staat stellt. Derselbe Steinbrück, der Deregulierung und Politik für das Finanzkapital betrieben hat, soll nun die Finanzkapitalisten „demokratisch“ kontrollieren.
„Dabei dürfe sich der Bundesfinanzminister nicht hinter der Schwierigkeit internationaler Vereinbarungen verstecken, sondern müsse den Systemwechsel sofort auch auf nationaler und europäischer Ebene aktiv angehen.“

Der radikal anmutende „Systemwechsel“ von Attac entpuppt sich aber lediglich als eine Reform des Systems. Der bürgerliche Staat wird als neutrale Institution und als Hebel gesehen, eine wie auch immer geartete „demokratische Kontrolle“ durchzuführen.

Vorbild spanische Banken?

"Wenn Steinbrück sagt, dass die Treppe von oben - also von der internationalen Ebene aus - gekehrt werden muss, ist das nur die halbe Wahrheit. Der Besen ist auch vor der eigenen Haustür nötig" (...) Tatsache ist: Länder die besser reguliert haben, stehen jetzt besser da, wie man an den spanischen Banken sieht", so Schilling.

Nun wissen wir es: Regulierte spanische Banken sind das Vorbild. Wie Attac auf diese Bewertung des spanischen Bankensystems kommt, bleibt sein Geheimnis. Sicher gibt es einige Besonderheiten des Systems. Doch vor einer hausgemachten Krise im Immobiliensektor in Spanien hat das auch nicht bewahrt.

„Wer die Immobilienkrise mit eigenen Augen sehen will, der muss in die spanische Kleinstadt Seseña kommen. Denn hier, eine halbe Autostunde südlich von Madrid, hat sich die Spekulationsblase aus Beton so anschaulich aufgebläht wie nirgendwo sonst. Im Gegensatz zur Wertpapierblase der Hobbyspekulanten und Berufszocker auf dem Kapitalmarkt konnte diese Betonblase jedoch nicht einfach so zerplatzen. Sondern sie steht von nun an in der spanischen Pampa als Mahnmal des Irrsinns, mit dem der Immobilienboom in Spanien jahrelang fernab jeglicher Realität vorangetrieben wurde - und der jetzt die gesamte Wirtschaft zu ruinieren droht. Das Wachstum der spanischen Wirtschaft ist im ersten Quartal des Jahres eingebrochen und betrug nur noch 0,3 Prozent, so wenig wie seit knapp 15 Jahren nicht mehr. Auch die Inflation lag mit zuletzt 4,4 Prozent viel zu hoch für ein Volk, das eine durchschnittliche Hypothekenbelastung von fast 140.000 Euro pro Kopf aufweist.“ (Süddeutsche Zeitung, 21.05.08) Soweit zum spanischen Finanz- und Bausektor.

Es gibt noch eine Reihe anderer Gründe, warum die Vorbildfunktion des spanischen Finanzkapitals in Frage zu stellen ist, wie die Lateinamerika-Aktivitäten der spanischen Banken zeigen.

Die Managergehälter

„So stehe einer sofortigen nationalen Reform der Managergehälter in der Finanz- und Bankenbranche nichts entgegen. Statt kurzfristig erzielter Höchstgewinne müsse künftig langfristig solides Geschäftsgebahren belohnt werden. Attac fordert zudem eine Reform der deutschen Bankenaufsicht, die nicht nur bei der Pleite der IKB versagt habe.“
Was zum Teufel ist ein „solides Geschäftsgebahren“? Ein langfristig solides? Gegen hohe Managergehälter hat Attac offensichtlicht nichts. Nur soll es eine Belohnung für „solides Geschäftsgebahren“ sein.

Lenin hat 1915 den deutschen Spießer, den „Lumpen Schulze-Gaevernitz“, entlarvt. Er speise, „statt die Bankenspekulation zu entlarven (vgl. „Die Bank", Eschwege u. a.), die Sache mit Phrasen ab: „Würden unsere Banken Spekulationsgesellschaften werden, so wäre das „der Verfall der deutschen Volkswirtschaft" (Lenin, Hefte über den Imperialismus“, LW Bd. 39. S. 112) "(...) die Rettung liege in der „Korrektheit" unserer „Geschäftswelt", und man verbiete unseren Bankbeamten, durch fremde Banken zu spekulieren (...) und die Bankdirektoren? Sind sie doch die „Wissenden". Hier sei durch die Gesetzgebung nichts zu machen, notwendig sei die „Verstärkung des kaufmännischen Ehr- und Standesgefühls". (Ebenda, 113)

In die gleiche Richtung geht eine andere Forderung von Attac: „BAFIN reformieren“. Attac fordert einen „Finanz-TÜV“. Dazu soll offenbar die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) umgebaut werden - von wem?
„Die BaFin und ihre rund 1.600 Mitarbeiter werden vollständig durch Gebühren und Umlagen der beaufsichtigten Institute und Unternehmen finanziert; sie ist damit unabhängig vom Bundeshaushalt. Sie beaufsichtigte im September 2006 ca. 2.100 Kreditinstitute, 700 Finanzdienstleistungsinstitute, 630 Versicherungen, 25 Pensionsfonds und 80 Kapitalanlagegesellschaften mit 6.000 Fonds.“ (wikipedia)

Banken, Versicherungen, Wertpapiere werden von der BAFIN beaufsichtigt. Die Behörde untersteht dem Bundeswirtschaftsministerium. Die Hauptaufgabe der BaFin ist die Aufsicht über Banken, Versicherungen und den Handel mit Wertpapieren in Deutschland. Damit sollen die Funktionsfähigkeit, Integrität und Stabilität des deutschen Finanzsystems sichergestellt werden.
„Als (finanz-)marktorientiertes Institut ist die BaFin für Anbieter und Konsumenten verantwortlich, auf die Solvenz von Banken, Versicherungen und Finanzdienstleistungsinstituten zu achten. Für Anleger, Bankkunden und Versicherte sichert sie das Vertrauen in die Finanzmärkte und die darin agierenden Gesellschaften. (Es) wurde das teilweise ‚nicht vorhandene’ Kontrollsystem der BaFin gerügt.“
Im September 2006 ergab ein Gutachten von PricewaterhouseCoopers und der Innenrevision der BaFin, dass die Vorgaben der Bundesregierung zur Korruptionsprävention nicht umgesetzt worden waren. Abgesehen davon, dass die BAFIN nicht oder zu spät reagiert, wenn wirklich Krisenfälle anliegen, es gibt eine Anzahl von internen Kontrollmängeln.“ Siehe auch http://www.wallstreet-online.de/diskussion/1126655-1-10/bafin-in-der-kritik
Die BaFin ist selbst ein Teil des Problems und gegenüber den Großbanken und Finanzkonzernen kaum in der Lage, eine effektive Kontrolle auszuüben. Letztlich ist BAFIN ein Teil des Staatsapparates. Mit 1.600 MitarbeiterInnen ist sie total unterbesetzt. Finanz-Staatsanwaltschaften, die in konkreten Fällen tätig werden könnten, sind ebenfalls chronisch überlastet. Das System ist durch die Vielzahl seiner Aufgabenstellungen überlastet und weitgehend unbrauchbar. Die Beamten des bürgerlichen Staates können diese Aufgabe nicht durchführen, welche Vollmachten man ihm auch geben mag.
Nötig ist stattdessen eine einschädigungslose Verstaatlichung der Banken und Kontrolle durch gewählte Komitees der Lohnabhängigen auf allen Ebenen, eine Offenlegung aller Bücher und Aktivitäten!

„Auch gegen Steueroasen“, meint Attac, „müsse die Bundesregierung endlich konsequent vorgehen und Geschäfte mit ihnen sanktionieren. Hier könne Deutschland auch allein viel tun.“ Was Attac total vergisst: die größte „Steueroase“ nicht nur für deutsche Konzerne ist Deutschland selbst. Dafür hat die Steuergesetzgebung der letzten Bundes- und Landesregierungen nachhaltig gesorgt.

„Innerhalb der Europäischen Union muss sich die Bundesregierung (...) für eine Finanztransaktionssteuer einsetzen, um risikoreichen Jagden nach Höchstrenditen die Attraktivität zu nehmen und mit dem eingenommenen Geld künftige Krisen abzufedern. Notwendig sei zudem die Einrichtung eines ausreichenden, von den Banken selbst finanzierten Krisenfonds. Die Verluste der Zocker dürfen nie wieder den Steuerzahlern aufgebürdet werden." (Aus Pressemitteilungen von Attac Deutschland, 24./25. September 08)

Fragt sich nur, was mit den Verlusten der „nichtzockenden Wirtschaft“ passiert? Die „Finanztransaktionssteuer“, also eine auf europäischer Ebene umgesetzte „Tobinsteuer“, sowie eine „Börsenumsatzsteuer“ sollen Transaktionen verteuern. Ein ziemlich stumpfes Instrument. Selbst die Taz vom 25.9.08 stellt dazu fest:
„Einen Haken haben diese Vorschläge allerdings: Sie hätten die jetzige Finanzkrise nicht verhindern können. Denn der Handel mit Schrottpapieren fand vor allem innerhalb des Währungsraums des Dollars statt und wäre durch eine Tobin-Steuer auf Devisengeschäfte nicht erfasst worden. Zudem wurden die Papiere direkt von Bank zu Bank vertrieben, so dass eine Börsenumsatzsteuer ebenfalls nicht angefallen wäre. Bester Beweis, dass eine Börsenumsatzsteuer nichts bringt, um eine Finanzkrise zu verhindern: Die USA haben diese Steuer bereits.“

Die Gruppe Arbeitermacht hat im September das Buch „Finanzmarktkrise und fallende Profitraten - Beiträge zur marxistischen Imperialismus- und Krisentheorie“ herausgegeben.

Darin heißt es:

„Die schon immer eingeschränkten Handlungsmöglichkeiten staatlicher Politik gegenüber den Finanzmärkten sind nochmals geschrumpft: Währungsverschiebungen, Zinsentwicklungen, Kapitalströme, Geldmengen, Inflationstendenzen etc. werden heute im wesentlichen von den internationalen Finanzmärkten bestimmt. Dabei ist der Begriff „internationale Finanzmärkte" eine versachlichte Umschreibung von Entscheidungsträgern, die durchaus Name und Adresse haben. Gerade mit der starken Konzentration des Finanz- und Monopolkapitals sind es die großen Investmentbanken, die mit den mit ihnen eng verknüpften Fonds (die die Interessen der Finanzinvestoren bündeln) und die immer mehr als Finanzholdings agierenden Großkonzerne, die diese Fundamentalgrößen der Real- und Geldakkumulation bestimmen. Die Rolle von Zentralbanken oder solcher Institutionen wie IWF oder Weltbank ist darauf geschrumpft, die Interessen dieser eigentlichen Akteure zu artikulieren und zu koordinieren - also möglichst als ideeller Gesamt-Finanzkapitalist aufzutreten. Besteht diese Einigkeit zwischen den Finanzzentren nicht, so sind auch die Maßnahmen dieser Institutionen im unwirksam.

Insofern sind auch alle Maßnahmen, die zur Reform dieser Institutionen gefordert werden illusorisch. Eine politische Kontrolle der Zentralbanken wird genauso wenig eine andere Zins- und Währungspolitik durchsetzen können, wie der IWF als Instrument für Kapitaltransferbeschränkungen wirksam werden kann. Genauso utopisch ist angesichts der Interessenlage der Finanzzentren die Forderung (z.B. von J. Stiglitz (20) nach einem neuen globalen Finanzregime a la Bretton-Woods angesichts der gegenwärtigen Dollarkrise. Die Forderung, bestimmte Handelsobjekte dem spekulativen Zugriff von Börsen zu entziehen (die schon Keynes erhoben hatte), scheitert an der Internationalisierung und Virtualisierung der heutigen Börsengeschäfte -sie kann auf jeden Fall nicht in einem einzelnen Land umgesetzt werden. Ähnliches kann von vielen anderen Forderungen nach Re-Regulierung der Finanzmärkte und ihrer Beziehung zu den reproduktiven und staatlichen Sektoren gesagt werden.“ (Markus Lehner, Finanzkapital, Imperialismus und die langfristigen Tendenzen der Kapitalakkumulation, in: Revolutionärer Marxismus 39, Finanzmarktkrise und fallende Profitraten, S. 205)

Für unsere "Globalisierungskritiker" gilt noch immer, was einst für den ursprünglichen, den utopischen Sozialismus galt: "Er kritisierte die kapitalistische Gesellschaft, verurteilte und verfluchte sie, träumte von ihrer Vernichtung, phantasierte von einer besseren Ordnung und suchte die Reichen von der Unsittlichkeit der Ausbeutung zu überzeugen." (Lenin, "Drei Quellen und drei Bestandteile des Marxismus“)

„Die Kautskyaner (...) führen diese Erscheinungen eines „gesunden", „friedlichen", auf „friedlichem Verkehr" beruhenden Kapitalismus an und stellen sie der finanziellen Ausplünderung, den Bankmonopolen, den Geschäften der Banken mit der Staatsmacht, der kolonialen Unterdrückung etc. entgegen, stellen sie als das Normale dem Unnormalen, das Wünschenswerte dem Unerwünschten, das Fortschrittliche dem Reaktionären, das Grundlegende dem Zufälligen etc. entgegen.

Das ist ein neuer Proudhonismus. Der alte Proudhonismus auf neuer Grundlage und in neuer Form.

Spießbürgerlicher Reformismus: für einen fein säuberlichen, geschniegelten, gemäßigten und akkuraten Kapitalismus.“ (ebenda)

Fazit

Die eigentliche Ursache von Krise und Inflation, die Überakkumulation von Kapital wird von Attac ausgeblendet. Während die wahren Ursachen der Krise vernebelt werden, wird jeglichem Abwehrkampf eine falsche Stoßrichtung gegeben.

Von der Krise wird am stärksten die Arbeiterklasse betroffen sein, innerhalb der Arbeiterklasse wiederum besonders die ohnedies am meisten benachteiligten und diskriminierten Schichten: Arbeitslose, prekär Beschäftigte, Niedriglohngruppen, RentnerInnen, MigrantInnen, Frauen und die Jugend.

Kapitalisten, PolitikerInnen und Konzernvertreter fordern schon jetzt zur „Zurückhaltung“ auf und kündigen Entlassungen an - und das in Zeiten steigender Inflation! Die Autoindustrie beginnt schon jetzt, mit temporären Produktionspausen auf den zusammenbrechenden Absatz zu reagieren. Auch die 8%-Forderung der IG Metall wird von der Metall- und Elektroindustrie mit Hinweis auf die Krise vehement abgelehnt.

Es ist damit zu rechnen, dass schon die bisherigen staatlichen Eingriffe in die Krise des Finanzkapitals zwangsläufig Kürzungen im Sozial- und Bildungsbereich zur Folge haben werden.

In Nummer 133 unserer Zeitung „Neue Internationale“ schreiben wir: „Um die Abwälzung der Kosten der kommenden Krise auf die Lohnabhängigen zu verhindern, ist ein radikal anderer Kurs notwendig, ein Bruch mit der Politik der Klassenkollaboration, ein Bruch damit, sich selbst ständig als besserer Verwaltung des kapitalistischen Systems anzupreisen.
Statt sich in leeren Appellen um „mehr Regulierung“ zu ergehen, sind konkrete Forderungen notwendig, die die wichtigsten Probleme der gesamten Klasse aufgreifen:

  • Übernahme der gestiegenen Lebenshaltungskosten von Arbeitslosen, Rentnern usw. durch den Staat, finanziert aus der Besteuerung der großen Unternehmen und Vermögensbesitzer!

  • Für eine gleitende Skala der Löhne, also eine automatische Anpassung der Einkommen an die Preissteigerung - festgelegt durch Preiskontrollkomitees und Gewerkschaften.

  • Für ein Mindesteinkommen für alle Arbeitslosen und RentnerInnen von 1.500 Euro pro Monat! Für einen Mindestlohn von 12 Euro/Stunde!

  • Nein zu allen Entlassungen! Entschädigungslose Verstaatlichung aller Unternehmen, die Massenentlassungen planen, unter Arbeiterkontrolle!

  • Nein zur Privatisierung von öffentlichen Unternehmen! Entschädigungslose Wiederverstaatlichung aller privatisierten Gesellschaften!

  • Entschädigungslose Enteignung der Großbanken, Aktienfonds und der Börse unter Kontrolle der Beschäftigten!

Ein solches Programm kann natürlich nicht durch parlamentarische Reden, Lobbying oder symbolische Aktionen durchgesetzt werden. Um solche Maßnahmen zu erzwingen, ist eine klassenkämpferische Bewegung in den Betrieben, in allen gesellschaftlichen Bereichen notwendig. Dazu bedarf es Großdemonstrationen und eines politischen Massenstreiks.“
 

Editorische Anmerkungen

Den Text  erhielten wir von

ARBEITERMACHT-INFOMAIL
Nummer 386
10. Oktober 2008

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