Der Rechtsruck ist eine Abstrafung für sozialdemokratische Politik!
Eine erste Stellungnahme des Politischen Büro der Liga der Sozialistischen Revolution zu den Ergebnissen der vorgezogenen Nationalratswahl, 29. 9. 2008

10/08

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Im folgenden veröffentlichen wir (gemeint ist die Website der LSR - red. trend) eine erste Einschätzung des Ergebnisses der vorgezogenen Nationalratswahl. Die Liga der Sozialistischen Revolution (LSR) wird demnächst eine ausführlichere Einschätzung des Wahlergebnisses und der sich daraus ergebenden politischen Perspektiven für den Klassenkampf erarbeiten und veröffentlichen. 

Ohne Auszählung der Wahlkarten lautet das Ergebnis der vorgezogenen Neuwahlen am 28. 9. 2008 folgendermaßen (in Klammer die Ergebnisse von 2006): SPÖ: 29.7% (-5.6%), ÖVP 25.6% (-8.7%), FPÖ: 18.0% (+7%), BZÖ: 11% (6.8%), Grüne: 9.8% (-1.2%), KPÖ: 0.77% (-0.24%), LINKE: 0.04%. Die Wahlbeteiligung betrug diesmal 71,48% (2006: 78,49%), wobei diese Zahl aufgrund der Wahlkarten noch zunehmen wird. 

Im folgenden legen wir eine erste Einschätzung der Wahlen vom Standpunkt der sozialistischen Revolutionäre der LSR vor. 

Zusammengefasst sind die zwei wesentlichsten Lehren der Wahlen:

a) Das traditionelle Herrschaftsform des Kapitalismus in Westeuropa – der bürgerliche Parlamentarismus – ist in einer Krise. Die etablierten Parteien, die unterschiedliche Instrumente der herrschenden Klasse sind, und ihre Politik verlieren zunehmend an Glaubwürdigkeit.

b) Die Führungskrise der ArbeiterInnenklasse verschärft sich. Die SPÖ – als die nach wie vor dominierende Partei in der ArbeiterInnenbewegung – geht zunehmend nach rechts, verliert an Unterstützung und untergräbt mit ihrer Politik die Kampffähigkeit der ArbeiterInnenbewegung. Daher suchen immer mehr ArbeiterInnen nach einer neuen politischen Alternative. Daher tritt die LSR für den Aufbau einer neuen Arbeiterpartei auf revolutionärer Grundlage ein. Das Fehlen einer solchen ArbeiterInnenpartei gibt den rassistischen Hetzern der FPÖ und BZÖ die Möglichkeit, sich als populistische Schein-Alternative zur Sozialdemokratie zu profilieren und zu stärken. Der Rechtsruck bei den Wahlen ist eine Abstrafung für die sozialdemokratische Politik! 

Krise des bürgerlichen Parlamentarismus und seiner Parteien

Die Nationalratswahlen stellen einen historischen Einschnitt in der österreichischen Innenpolitik dar. Zum ersten Mal seit 1918, seit der Abschaffung der Monarchie, erringt keine einzige Partei mehr als 30% der Wählerstimmen. Dies spiegelt eine tiefe Krise der traditionellen Herrschaftsform der Kapitalistenklasse – dem bürgerlichen Parlamentarismus und seiner Parteien – wieder.

Dies zeigt, dass die langjährige Offensive der Bourgeoisie und der offensichtliche Betrug der etablierten Parteien bei gleichzeitiger zunehmender Verbürgerlichung der Sozialdemokratie zu einer weitgehenden Entfremdung zwischen den Werktätigen und den regierenden Parteien geführt hat. 

Die etablierten Parteien – SPÖ, ÖVP, FPÖ, Grüne und BZÖ – stützen sich zwar auf unterschiedliche Klassen bzw. Schichten bestimmter Klassen. Doch im wesentlichen dienen sie alle als unterschiedliche Funktionsträger der herrschenden Kapitalistenklasse. Deren Interessen und deren Politik wurden in den vergangenen Jahrzehnten von ausnahmslose allen Regierungen – egal mit welcher Partei bzw. Koalition – umgesetzt. (Die Grünen tun dies bislang nur auf Länder- und Städteebene, aber sie streben vehement danach, sich auch auf Bundesebene als „seriöser“ Regierungspartner beweisen zu können.) 

Doch auch wenn die herrschende Klasse ihre angesichts der seit Jahrzehnten zunehmenden wirtschaftlichen Krisen des Kapitalismus immer aggressiver werdenden Attacken mit Hilfe dieser Regierungen bislang durchsetzen und so der ArbeiterInnenklasse zahlreiche Niederlagen beibringen konnte, so zahlt sie dafür doch einen Preis. Nämlich eine zunehmenden Diskreditierung und Instabilisierung des bürgerlichen Parlamentarismus und seiner Parteien. Immerhin waren zwei der drei Nationalratswahlen in den letzten 6 Jahren vorgezogene Neuwahlen. 

Was wir also in Österreich vorfinden, ist keine Führungskrise der Bourgeoisie, wie wir es z.T. in den 1990er Jahren hatten. Damals herrschten innerhalb des Großkapitals größere Meinungsverschiedenheiten über die einzuschlagende Strategie vor (Zerschlagung der Sozialpartnerschaft oder langsame Modifizierung). Heute herrscht weitgehende Einigkeit in den Reihen der großen Räuber an den Spitzen der Banken und Konzernen über den einzuschlagenden Kurs: massive Angriffe auf soziale Errungenschaften (Pensionsreform, Gesundheitsreform, „Flexibilisierung“ des Arbeitsmarktes, Entlassungen, Verteuerung der Bildung für die breite Masse der Bevölkerung usw.), Militarisierung und Einschränkung von demokratischen Rechten (Aufrüstung des Bundesheeres, Kriegs- und Besatzungseinsätze im Ausland a la Tschad und Kosova, Ausbau des Überwachungsstaates und der diversen Security-Dienste usw.), Überausbeutung der proletarischen MigrantInnen und Unterdrückung als Bürger 2. Klasse, volle Integration in die EU, Fortsetzung der Globalisierung v.a. in Richtung Osteuropa usw. 

Doch das Problem der großen Räuber ist die zunehmende Unglaubwürdigkeit ihrer Handlanger, der großen Betrüger – also der etablierten Parteien, die seit vielen Jahren das System der großen Räuber verwalten, rechtfertigen und durch systematischen Betrug an der werktätigen Bevölkerung aufrechterhalten. Daher haben wir eine rapide wachsende Unzufriedenheit der Bevölkerung mit „der Politik“ – also der Politik der herrschenden Klasse. Konkret wuchs der Unmut in der ArbeiterInnenklasse und den Gewerkschaften über die Politik der SPÖ und unter den lohnabhängigen Mittelschichten, Bauern und Selbständigen über die Politik der ÖVP (siehe die Proteste der Ärzte, Bauern und Frächter im Mai/Juni 2008) 

Dies wiederum führte zu vermehrten Konflikten innerhalb der beiden Regierungsparteien sowie zwischen diesen. Dadurch wurde die Große Koalition jedoch auch für die Bourgeoisie, also die Kapitalistenklasse, zunehmend weniger nützlich. Daher auch die Suche von Teilen der Großbourgeoisie (z.B. in Kreisen der Industriellenvereinigung oder in Person des Leitartiklers der „Presse“) nach alternativen Regierungsformen. So hat auch Veit Sorger, Präsident der Industriellenvereinigung, das Wahlergebnis mit einer eher ablehnenden Haltung gegenüber einer großen Koalition kommentiert: „Wir können jedenfalls keine Präferenz für eine Große Koalition erkennen. Das wäre eine Koalition der Verlierer, und man kann das Wahlergebnis ja nicht ignorieren und weitertun wie bisher.“ (Die Presse, Printausgabe, 29. September 2008, S. 14) 

Die Differenzen innerhalb der herrschenden Klasse sind also keineswegs strategischer Natur. Man ist sich relativ klar wohin man möchte. Wir können jedoch – und das ist keineswegs nur ein österreichisches Phänomen – beobachten, dass es zunehmende Differenzen innerhalb der Bourgeoisie gibt, welches politische Instrumentarium am besten für die Erreichung der strategischen Ziele notwendig ist. Dass sich diese Entwicklungen auf einer internationalen Bühne abspielen und sich gerade in Zeiten der wirtschaftlichen Krisenhaftigkeit verstärken, ist bei weitem kein Zufall. Das dominierende Modell des Neoliberalismus ist offensichtlich gescheitert, hartgesottene Vertreter der freien Märkte rufen nach staatlicher Intervention und wollen die wirtschaftlichen Verluste auf die Mehrheit der Bevölkerung abwälzen. Gerade in einer solchen Situation braucht es politisch stabile Verhältnisse und eine Balance zwischen staatlichen Eingriffen, bei gleichzeitiger Sicherstellung der besten Bedingungen für die weitere Profitmaximierung des Monopolkapitals und klarer außenpolitischer Orientierung in einer Situation verstärkter innerimperialistischer Friktionen.  

Diese Angriffslust des Kapitals stellt natürlich auch die ArbeiterInnenklasse vor eine Herausforderung. Es gilt Konzepte des Kampfes zu entwickeln, die zentrale Niederlagen verhindern können. Die Kontrolle einer sozial von der Mitgliederbasis abgekoppelten Bürokratenschicht in der SPÖ, macht ein solches Konzept der Zurückschlagung von Angriffen unmöglich. Vielmehr ist es diese Führungsschicht selbst, die zentrale Angriffe umsetzt und mitzuverantworten hat. 

Es ist deshalb kein Wunder, dass wir eine Sozialdemokratie erleben, die systematisch Mitglieder und WählerInnen verliert und heute mit weniger als 30% ihr schlechtestes Ergebnis seit 1918 erzielt. Daher haben wir eine ÖVP, die innerhalb von 6 Jahren von über 42% der Stimmen auf 25.6% herabsackt. 

Gleichzeitig erklärt dies auch den Wahlerfolg für die rechten Parteien. Die FPÖ hat im Wahlkampf versucht sich als „soziale Heimatpartei“ zu positionieren, die im Endeffekt die wahren Werte für den „kleinen Mann“ vertritt, nur in einer ehrlichen Form, ohne den Kommerzialrat-Bürokratismus des „roten Wien“. Daher haben wir eine FPÖ, die in den 1990er Jahren meteroitenhaft aufstieg und 1999 die ÖVP mit 26,9% der Stimmen überholte, um dann 2002 auf ein Drittel ihres Wähleranteils zusammenzuschrumpfen, sich dann zu spalten und heute wieder auf 18% anzuwachsen. Das BZÖ hat sicher von der „salonfähigeren“ rechten Politik profitiert, die es vielen enttäuschten ÖVP-WählerInnen erleichterte sich am rechten Rand zu orientieren. Mit Haider an der Spitze konnte sich das BZÖ gegenüber der Wahl vor 2 Jahren verdreifachen.  

SPÖ: Eine „Sieg“ der besonderen Art 

Wie haben in einer Reihe von Analysen und Stellungnahmen der letzten Jahre auf den Prozess der Neoliberalisierung der SPÖ hingewiesen. Darunter verstehen wir den Entfremdungsprozess der SPÖ als einer bürgerlichen ArbeiterInnenpartei – d.h. einer Partei, die eine bürgerliche Politik betreibt und deren Bürokratie mit dem kapitalistischen System verbunden ist, deren soziale Hauptbasis jedoch die ArbeiterInnenklasse darstellt – von ihrer proletarischen Basis. Durch die immer offenkundiger werdende Politik der SPÖ im Interesse des Kapitals, wenden sich immer mehr Mitglieder und WählerInnen von der Partei ab. Schätzungen zufolge ist die SPÖ heute bei einem Mitgliedsstand von ca. 250.000 angekommen. Noch vor 30 Jahren hatte man mehr als doppelt so viele Mitglieder. 

Der Sturz von SPÖ-Chef Gusenbauer und seine Ersetzung durch Faymann im Juli war die Notbremse der Parteibürokratie angesichts der Parteikrise. Faymann versuchte ein Wahldesaster zu verhindern, indem er einerseits die sozialdemokratische Gewerkschaftsbürokratie wieder mehr integrierte und andererseits sich mit dem 5-Punkte-Programm ein soziales Profil zu verschaffen versuchte. Dies zeigt, dass die SPÖ nach wie vor eine bürgerliche ArbeiterInnenpartei ist, wo sich der Druck der ArbeiterInnenklasse auch stärker und direkter ausdrückt, als dies in den offen bürgerlichen Parteien der Fall ist. Gleichzeitig hat die SPÖ jedoch keineswegs ihre Ausrichtung durch dieses 5-Punkte-Programm verändert. Nach wie vor lehnt sie es ab nur ansatzweise Vermögen stärker zu besteuern. Die Finanzierung der Steuerreform soll in erster Linie durch die Mehreinnahmen des letzten Jahres erfolgen, anstatt die Besteuerung von Kapital stärker zu forcieren. Wenngleich die einzelnen sozialen Forderungen somit einen Druck auf die SPÖ-Spitze ausdrücken, so kann keineswegs davon gesprochen werden, dass die SPÖ einen Linksruck oder auch nur einen Schritt nach links gemacht hat, der über rhetorische Zugeständnisse oder unzureichende Reformen hinausgeht. 

Mit dem 5-Punkt-Programm konnte zwar der totale Absturz verhindert werden, nicht jedoch massive Verluste und das schlechteste Wahlergebnis seit 1918. Klar ist ebenso, dass die SPÖ – sollte sie weiter in der Regierung bleiben – sehr rasch wieder ihr wahres Gesicht zeigen wird, zumal die zunehmende Krise der Wirtschaft diesen Prozess sogar noch beschleunigen wird. Dennoch kann es zu der einen oder anderen kurzzeitigen, minimalen Verbesserung kommen, die an dem 5-Punkte Programm angelehnt ist, so zum Beispiel durch die leichte und partielle Senkung der Mehrwertsteuer. Dies bedeutet zwar einerseits die Möglichkeit einer kurzzeitigen Stabilisierung der innerparteilichen Verhältnisse, führt aber auf die Dauer der Regierungsperiode gesehen wahrscheinlich zu tiefen Erschütterungen in der Partei.  

Insgesamt zeigen die enormen Verluste der SPÖ und der Wahlsieg der rassistischen Rechten, wie tief die Führungskrise der ArbeiterInnenklasse reicht. Die Neoliberalisierung der Sozialdemokratie führt viele ArbeiterInnen, die sich nach einer Alternative umschauen, in die verhängnisvollen Fänge der rassistischen Hetzer von FPÖ und BZÖ. 

ÖVP: Hauptpartei der Bourgeoisie, der das Klientel davonläuft 

Die ÖVP – Hauptpartei der Kapitalistenklasse und ihr zentraler politischer Interessensvertreter – erlebte ebenso ihr Waterloo. Sie ist zwar nach wie vor die Hauptpartei der Bourgeoisie. Doch ihre Politik des Sozialabbaus, der Repression und der Militarisierung beinhaltet schwere Angriffe auf wichtige Teile ihrer Basis – Teile der werktätigen Schichten der Bevölkerung wie die lohnabhängigen Mittelschichten, der Bauern und der ländlichen bzw. besser bezahlten Schichten der Arbeiterklasse. Dies erklärt, warum die ÖVP innerhalb von 6 Jahren von 42% auf 25.6% absackte. 

Dementsprechend ist mit Umbrüchen innerhalb der ÖVP zu rechnen. Es ist mehr als wahrscheinlich, dass sich Molterer nicht mehr lang halten wird. Gleich am Wahlabend wurden Stimmen aus der niederösterreichischen Jungen ÖVP laut, die offen einen Rücktritt Molterers forderten. Auch andere Ländervertreter der ÖVP machten keinen Hehl aus ihrer – wenn auch meist noch indirekt ausgedrückten – Ablehnung der bisherigen Molterer-Führung. Darüber hinaus ist es durchaus möglich, dass in der ÖVP wie auch in der Großbourgeoisie insgesamt eine mögliche Debatte beginnen könnte, ob nicht andere Regierungskoalitionen (mit dem BZÖ, der FPÖ und/oder den Grünen) anzustreben sind. Auch der Gang in die Opposition wird zumindest von führenden ÖVP-Vertretern nicht ausgeschlossen. 

Der Erfolg der rassistischen Rechten 

Die großen Wahlsieger sind eindeutig FPÖ und BZÖ. Ihr Erfolg ist Abstrafung für sozialdemokratische Politik und das direkte Resultat der tiefen Krise der reformistischen ArbeiterInnenbewegung. Die SPÖ hat mit ihrer Politik des Sozialabbaus, ihrer immer enger werdenden Verknüpfung mit dem Großkapital, ihrer Unterstützung für die anti-demokratische, neoliberale EU-Politik und die Fortführung ihrer rassistischen Integrationspolitik, die sogar durch ihre feige Kapitulation vor der rassistischen Hetze der Rechten eine neue Qualität erreichte, immer mehr ArbeiterInnen von sich weggestoßen und gleichzeitig ein Klima geschaffen, in dem rassistische Hetze durchaus gesellschaftlich akzeptiert wird. Wir haben bereits in den 1990er Jahren darauf hingewiesen, dass diese SPÖ-Politik viele ArbeiterInnen nach einer radikalen Scheinopposition suchen lässt und somit den rechten Oppositionsparteien mangels anderer Alternative in die Hände treibt. 

In einer Stellungnahme über die Notwendigkeit einer LINKE-Kandidatur wiesen wir darauf hin: „Eines ist klar: Wenn es keine linke Alternative zur Sozialdemokratie gibt, dann werden andere Kräfte auf populistische und rassistische Weise versuchen, Lösungen für berechtigten Unmut anzubieten.“ (Zur Frage der Neuwahlen und einer linken Kandidatur, Resolution des Politischen Büros der Liga der Sozialistischen Revolution, 7. Juli 2008) 

Ein besonders beunruhigendes Zeichen ist das verstärkte Auftauchen von Nazi-Banden in bzw. im Umfeld v.a. der FPÖ. Dies wurde von HC Strache auch durch seine Ablehnung des NSDAP-Verbotsgesetzes offen gefördert. Daher ist es auch kein Zufall, daß z.B. bei der Abschlußkundgebung von Strache in Salzburg ein Trupp von Nazi-Schläger linke GegendemonstrantInnen angriffen und dabei den lokalen LINKE-Spitzenkandidaten Jan Rybak verletzten. Auch bei der Anti-Strache-Demonstration in Wien am 26.9. kam es wiederholt zu Nazi-Provokationen. Am Wahlwochenende wurden 90 Gräber eines islamischen Friedhofs geschändet, bei einer Demonstration gegen den Ausbau eines islamischen Zentrums mischten sich mehrere Dutzend Neonazis unter die rassistischen OrganisatorInnen einer von der FPÖ massiv finanzierten Bürgerinitiative. Wir müssen daher in Zukunft mit einer Stärkung des organisierten Rechtsextremismus und Faschismus rechnen. Diese Stärkung drückt sich vor allem in einem selbstbewussterem Auftreten bei diversen Aktionen auf der Straße aus und wird in Zukunft auch zu vermehrten Nazi-Übergriffen führen. 

Klar ist, dass dieser Wahlerfolg der rassistischen Hetzer ein Alarmsignal für die gesamte ArbeiterInnenklasse ist. Jetzt gilt es mehr denn je, den Widerstand gegen Sozialabbau und Rassismus auf der Straße zu organisieren. Ebenso gilt es auch, Selbstverteidigungeinheiten zum Schutz gegen Nazi-Angriffe auf MigrantInnen, GewerkschafterInnen und Linke aufzubauen. 

LINKE 

Das Ergebnis des Wahlbündnisses LINKE, an dem sich die LSR und die Jugendorganisation REVOLUTION von Beginn an beteiligten, ist von der Stimmenanzahl mit 1.898 Stimmen bzw. 0.04% eine eindeutiger Mißerfolg. Wir traten in 5 Bundesländern an und erreichten dort folgende Wahlergebnisse:

Wien: 913 Stimmen bzw. 0.13%

Salzburg: 218 Stimmen bzw. 0.08%

Tirol: 324 Stimmen bzw. 0.1%

Oberösterreich: 311 Stimmen bzw. 0.04%

Burgenland: 111 Stimmen bzw. 0.06% 

Dies spiegelt einerseits die natürlichen Schwierigkeiten eines Bündnisses wieder, dass erst 10 Wochen vor der Wahl gegründet wurde. Andererseits muss auch darauf hingewiesen werden, dass die politische Dominanz des Bündnisses durch SLP und KI dem LINKE-Wahlkampf einen links-reformistischen Stempel aufdrückte. Dies drückte sich einerseits im Charakter des Programms aus, welches eher einer Neuauflage der SPÖ-Manifeste der 1970er Jahre statt einer ernsthaften antikapitalistischen Plattform entsprach. Andererseits stießen unsere Vorschläge, von Beginn an einen aktiven, politischen Wahlkampf mit regelmäßigen Straßenkundgebungen, Bezirkstreffen und Pressekonferenzen zu führen, auf taube Ohren. Erst viel zu spät, in den letzten 3 Wochen vor den Wahlen, entwickelte sich eine rege politische Aktivität in der Öffentlichkeit. Zusätzlich dazu waren die zentralen Wahllosungen – selbst im Rahmen einer links-reformistischen Programmatik – nicht sehr polarisierend. In einer Situation, in der man nicht bundesweit kandidieren kann, somit von den bürgerlichen Medien weitgehend ignoriert wird und man gleichzeitig auch über ein winziges finanzielles Budget verfügt, ist es umso wichtiger, zentrale radikale Losungen in den Vordergrund zu stellen. In Wirklichkeit hat sich jedoch unser Wahlkampf und unsere zentralen Forderungen nicht stark von jenem der KPÖ unterschieden. Mit Losungen wie „Linke, die kannst du wählen“ oder „Endlich mal was neues“ schafft man es eben nicht, in kurzen Worten eine andere Politik zum Ausdruck zu bringen. Wir wurden oft dafür kritisiert, dass wir die Frage der Enteignung bei einer Pressekonferenz erwähnt haben. Im Nachhinein muss jedoch gesagt werden, dass nur diese Forderung von fast allen bürgerlichen Zeitungen aufgegriffen wurde. 

Wir haben daher schon in einer Stellungnahme am 10. September gewarnt: „Aufgrund dieser geringen Präsenz der LINKE in der Öffentlichkeit besteht die Gefahr, daß die LINKE entsprechend schlecht bei den Wahlen abschneidet und kaum neue AktivistInnen von außerhalb der Linken anziehen kann.“ (Siehe dazu auch unsere Erklärung „Das Verhältnis der LSR zum Wahlbündnis LINKE“, die sich auf unserer Homepage findet) 

Leider haben sich unsere Befürchtungen bewahrheitet und die LINKE konnte kaum neue AktivistInnen ansprechen, keine relevanten Teile der Sozialdemokratie oder der KPÖ für eine neue politische Alternative gewinnen und war noch dazu lange Zeit in der Öffentlichkeit kaum präsent und konnte somit auch keinen Wahlerfolg einfahren. 

War es daher falsch, überhaupt bei den Wahlen als Liste LINKE anzutreten? Wir glauben, daß dies eine absolut richtige Entscheidung war. Die historisch schwere Krise der Sozialdemokratie, die bloß durch die noch größeren Verluste der ÖVP in den Schatten gestellt wird, zeigt die Dringlichkeit einer neuen, linken, Partei der Lohnabhängigen, MigrantInnen und Jugendlichen. Für den Aufbau einer solchen neuen Partei galt und gilt es zu kämpfen. Doch um zumindest einen kleinen Schritt in diese Richtung zu gelangen, bedarf es eines anderen Programms und einer anderen Politik der LINKEN. Statt ausschließlicher Konzentration auf Unterschriftensammeln in den ersten Wochen nach der Entscheidung für eine Kandidatur wäre es besser gewesen, gleichzeitig mit einem politischen Wahlkampf auf der Straße und gegenüber der Öffentlichkeit (z.B. Medien) zu beginnen, wie wir es als LSR und REVOLUTION als einzige Kräfte im Bündnis vorzeigten, indem wir auch während des Sammelns von Unterschriften schon Aktionen setzten. So zum Beispiel die wöchentlich Kundgebungen am Victor-Adler Markt abhielten, mit anschließenden Bezirkstreffen. 

Natürlich ist es wichtig, Ressourcen für das Sammeln von Unterschriften zur Verfügung zu stellen (LSR und REVOLUTION haben deshalb auch ihren Möglichkeiten nach das Sammeln von Unterstützungserklärungen selbst organisiert und unterstützt), um die bürokratischen Hürden für einen Wahlantritt überwinden zu können. Eine gleichzeitige Offensive auf der Straße mit regelmäßigen Kundgebungen hätte jedoch auch das Sammeln von Unterschriften unterstützen und befördern können. Es ist also keineswegs so, dass diese zwei Dinge in einem Widerspruch zueinander stehen. 

Hinter dieser taktischen Frage verbirgt sich eine grundsätzlichere Frage nach dem Gesamtcharakter des LINKE-Wahlkampfes, seiner politischen Grundlage und seinem Programm. Statt Angst vor dem öffentlichen Aussprechen von radikalen linken Inhalten und einer Politik der bürokratischen Ausgrenzung der LSR wäre ein kämpferisches, revolutionäres Profil weitaus geeigneter gewesen, antikapitalistische Inhalte zu vermitteln, radikalisierte ArbeiterInnen, MigrantInnen und Jugendliche anzusprechen und dann auch eventuell ein besseres Wahlergebnis zu erzielen. Wichtiger als das Wahlergebnis jedoch ist das Ansprechen von neuen Schichten von Lohnabhängigen, MigrantInnen und Jugendlichen, die sich nach einer politischen Alternative umschauen und deren Integration in die LINKE. Genau dies ist der LINKE mit ihrem links-reformistischen Wahlkampf fast überhaupt nicht gelungen. Dies ist somit das zentrale politische Element für die Niederlage bei den Wahlen. 

Die LINKE war für uns von Anfang an ein Instrument, um radikalisierte und militante Teile der Sozialdemokratie und der KPÖ für eine neue politische Alternative zu gewinnen, um langfristig den Aufbau einer neuen ArbeiterInnenpartei voranzutreiben. Diese Rolle konnte nicht erfüllt werden. Es ist zwar gelungen, die SJ Schwechat für die LINKE Kandidatur zu gewinnen. In Wirklichkeit jedoch hat sie sich jedoch nicht am Wahlkampf beteiligt und ist wieder auf einem Weg zurück zum verzweifelten Aufbau einer linken Opposition innerhalb der SPÖ. Dies heißt jedoch nicht, dass das Schicksal der LINKE nun endgültig besiegelt ist. Wir steuern einer gesellschaftlichen Situation entgegen, in der es auf jeden Fall massive Angriffe auf ArbeiterInnenklasse geben wird. Sollte die SPÖ in die Regierung kommen, wird sie diese Politik der Angriffe mittragen und vorantreiben. Sollte sie sich in einer Oppositionsrolle wieder finden, so sagt uns die Erfahrung der vergangenen Jahre, dass sie diese Rolle nicht konsequent nutzen wird. Es wird also weiterhin zur Untergrabung ihrer eigenen Basis kommen, die gleichzeitig auch das Potential von Brüchen innerhalb der Sozialdemokratie in sich birgt. Das Verhalten der LINKE in den kommenden Wochen und vor allem während der Kollektivvertragsverhandlungen wird ein wichtiges Zeichen sein, um einschätzen zu können, ob die LINKE über die Wahl hinaus wirklich zu einer politischen Alternative werden kann, oder ob sie zu einem Diskussionsklub für linke Organisationen und Einzelpersonen verkommt. 

Die LSR glaubt nach wie vor, dass es eine politische Alternative braucht. Wir werden deshalb entsprechende Vorschläge in der LINKE präsentieren, um einen Kurswechsel auf eine aktive, klassenkämpferische Politik, die sich nicht davor scheut auszusprechen was die Erfordernisse für einen erfolgreichen Kampf der Lohnabhängigen in der heutigen Situation sind, herbeiführen zu können. 

Der Wahlkampf der LSR 

Für die LSR, die diesmal das erste Mal bei Wahlen antrat, war der Wahlkampf eine sehr lehrreiche und erfolgreiche Erfahrung. Wir konnten bestimmte zentrale revolutionäre und für unterdrückte Schichten bedeutende Losungen einer breiteren Öffentlichkeit bekannt machen – v.a. die „Enteignung der Superreichen! Verstaatlichung der Banken und Konzerne unter Kontrolle der Beschäftigten!“ sowie „Für das Recht auf Muttersprache in Schule und Ämtern!“. Vor allem über die Enteignungslosung – die von der LSR-Sprecherin und LINKE-Kandidatin Nina Gunić bei der Pressekonferenz am 22.7. auch breiter in den Medien wiedergegeben wurde – gelang es uns, eine Kampfansage an die Herrschaft des Monopolkapitals in einer Zeit der schamlosen Umverteilung von unten nach oben bekannt zu machen. Wir haben somit klar gemacht, dass wir nicht nur die neoliberale Variante des Kapitalismus, sondern den Besitz von Privateigentum und die Bereicherung der Kapitalisten durch Ausbeutung fremder Arbeit insgesamt ablehnen. 

Bei unseren wöchentlichen Straßenkundgebungen in Wien-Favoriten, bei unseren Interventionen in Schulen usw. konnten wir auch eine Reihe von Menschen für die Kandidatur der Liste LINKE interessieren. An einer großen Schule in Wien, bei der alle Parteien 2 Tage lang VertreterInnen entsandten, um sich der Diskussion mit SchülerInnen zu stellen und wir als LSR als einzige Organisation Wert legten einen Jugendkandidaten den Vortritt zu lassen. Deswegen hat Genosse Max Kutscher, der auch in der Jugendorganisation REVOLUTION tätig ist, eine zentrale Rolle bei der Präsentation der LINKE gespielt und mit seiner Betonung auf die Fragen der Gleichberechtigung von Jugendlichen, wie auch der Betonung einer antikapitalistischen Perspektive zentral dazu beigetragen, dass die LINKE bei einer anschließenden Probeabstimmung 46% der Stimmen unter den Schülern bekam. 

Darüber hinaus konnten wir eine Reihe neuer Menschen für unsere Ideen interessieren und einige von ihnen als neue AktivistInnen im Kampf für die sozialistische Revolution gewinnen. Insgesamt bilanzieren wir unsere Erfahrungen im Wahlkampf als sehr positiv und lehrreich für die zukünftige Arbeit. Es wird wichtig sein, auch innerhalb der LINKE eine Diskussion über die Form des Wahlkampfes zu führen. Ohne eine kritische Aufarbeitung der Fehler und der Verallgemeinerung von positiven Erfahrungen, wird es nicht möglich sein zukünftig eine Veränderung der Politik herbeizuführen. Falsch und verheerend wäre jetzt eine Herangehensweise a la „Nach der Wahl ist vor der Wahl“. In Wirklichkeit liegen die zentralen Herausforderungen für die LINKE in folgenden Punkten: 

* Konkrete Positionierung zu den kommenden Angriffen; Konzepte zur Zurückdrängung der durch die Wirtschaftskrise verursachten Angriffe; konsequenter Kampf gegen Teuerung durch die aktive Aufforderungen an die Gewerkschaften und Organisierung der Basismitglieder, um für die Losung nach automatischer Anpassung der Löhne zu kämpfen und darüber hinaus für eine Abgeltung der Verluste der letzten Jahre einzutreten

* Regelmäßige Präsenz auf der Straße zeigen und weitermachen mit regelmäßigen Kundgebungen und Aktionen; vor allem während der Kollektivvertragsverhandlungen und im Falle rassistischer oder faschistischer Übergriffe oder Provokationen!

* Änderung des Programms in eine revolutionäre Richtung. Statt links-reformistischen Programm, das eine Trennung von konkreten Forderungen und dem Ziel des Sozialismus aufweist, revolutionäres Übergangsprogramm, das versucht eine Brücke zwischen den heutigen Kämpfen mit dem Kampf gegen Kapitalismus und für Sozialismus zu schlagen. Die Gesamtstrategie des Programms muss eine Strategie des Kampfes der ArbeiterInnenklasse und der den jeweiligen Kämpfen entsprechenden Organen sein! 

Vor uns liegen Weltwirtschaftskrise und Angriffe der Herrschenden – Wir brauchen eine neue ArbeiterInnenpartei auf revolutionärer Grundlage! 

Der Aufbau einer revolutionären Vorhutorganisation und eine Umorientierung der LINKEN sind umso wichtiger angesichts der kommenden Herausforderungen der ArbeiterInnenbewegung. Die Weltwirtschaft schlittert gerade in eine tiefe Rezession. Vor diesem Hintergrund wird die herrschende Kapitalistenklasse noch schärfere Angriffe gegen unsere sozialen und demokratischen Errungenschaften fahren. Hinzu kommt die Gefahr, die von den gestärkten rassistischen Hetzern ausgeht. Egal welche Regierungskoalition gebildet wird, die kommende Regierung wird eine Regierung des Klassenkrieges von oben sein. Die LSR wird für eine Perspektive des Klassenkampfes von unten gegen Entlassungen, Sozialabbau und Rassismus  und sich aktiv an Protesten beteiligen. Darüberhinaus muss jedoch auch verstanden werden, dass diese Kämpfe mit einem Kampf für einen revolutionären Sturz des Kapitalismus verbunden werden müssen. Lässt ein Programm dieses zentrale Element aus und spricht stattdessen nur von den prinzipiellen Vorzügen einer sozialistischen Gesellschaft, so kann es auch nie die adäquaten Kampforgane für diese Umwandlung der Gesellschaft aufbauen. Anstelle dessen, wird eine unnatürliche Trennung zwischen den Kämpfen um Reformen und dem fernen Ziel einer sozialistischen Gesellschaft geschaffen. Gerade in Zeiten wirtschaftlicher Krisen gilt jedoch noch mehr als in Zeiten des wirtschaftlichen Aufschwungs, dass sogar schon minimale Forderungen (wie z.B. eine gleitende Skala der Löhne oder eine radikale Verkürzung der Arbeitszeit bei gleichzeitiger Aufteilung der Arbeit auf alle, die arbeiten können) unmittelbar die Frage nach einer Realisierbarkeit innerhalb der Schranken der kapitalistischen Ordnung aufwerfen.  

Um diese Forderungen auch nur teilweise zu realisieren treten wir für einen radikalen Kurswechsel der Gewerkschaften ein. Es muss Schluss gemacht werden mit der Politik des Kriechens vor den Vertretern von Wirtschaftskammer und Industriellenvereinigung. Gegen Teuerungen, Entlassungen und Betriebsschließungen brauchen wir kein Betteln der Bürokraten, sondern Kampfaktionen im Betrieb und auf der Straße. Gegen die rassistischen Hetzer hilft keine „vernünftige Ausländerpolitik“, sondern nur konsequente Kampf für die Gleichberechtigung der MigrantInnen und die Selbstverteidigung gegen Nazi-Schläger. Wir brauchen eine neue Partei der Lohnabhängigen, MigrantInnen und Jugendlichen, die auf der Grundlage eines revolutionären Programms gegen das kapitalistische Ausbeutersystem kämpft. Für eine solche Perspektive steht die Liga der Sozialistischen Revolution! Schließ dich uns an im Kampf gegen Rechtsruck, Rassismus, Entlassungen und Sozialabbau und für Klassenkampf, Revolution und Sozialismus!

 

Editorische Anmerkungen

Wir erhielten den Artikel von der LSR mit Bitte um Zweitveröffentlichung.