Betrieb & Gewerkschaft
Wieso schließt ihr euch ausgerechnet einer us-amerikanischen Gewerkschaft an?
Eine Antwort auf eine oft gestellte Frage an die IWW im deutschsprachigen Raum:

von Kai M. und Stuhlfauth
10/07

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onlinezeitung
Irgendwo muss alles einmal beginnen. Bei der IWW war´s in den USA, genauer gesagt am 27. Juni 1905 in Chicago. Und wie es dort begann!

Doch kaum jemand organisiert sich heute wie damals in der IWW, weil es eine “amerikanische” Gewerkschaft ist. Die IWW ist seit je her in der Welt zu Hause. Es gab Wobblies, die selbst vor Gericht noch als Staatsangehörigkeit “die Welt” an gaben. IWW heißt schließlich “Industrial Workes of the World” – ArbeiterInnen der Welt und nicht ArbeiterInnen der USA.

Sich weltweit zu organisieren gewinnt im Zuge zunehmender Globalisierung selbstredend immer größere Wichtigkeit. Konzerne agieren weltweit und dem kann nur weltweit etwas entgegen gesetzt werden. Daher: One Big Union - Eine Gewerkschaft für alle ArbeiterInnen der Welt.

IWW wurde von vielen “Ausländern” getragen

Tatsächlich wurden die Wobblies in großem Maße von EinwanderInnen getragen, die sich von den angestammten und angelsächsisch geprägten Gewerkschaften in den USA nicht repräsentiert sahen. Die alteingesessenen Gewerkschaften des Dachverbands American Federation of Labour (AFL) betrachteten die neuankommenden Proleten, die ab etwa 1865 infolge massiver Industrialisierung in die USA strömten, als Lohndrücker, die unorganisierbar seien und die für ihre Armut, ihre fehlenden Englischkenntnisse und ihren traditionellen (unamerikanischen) Lebensstil verachtet wurden. (Kommt uns das im Jahre 2007 nicht auch in Europa immer noch bekannt vor?)

So hatte die IWW in den USA einen starken Rückhalt bei OsteuropäerInnen - darunter viele mit jüdischer Herkunft, bei ItalienerInnen, MexikanerInnen, AsiatInnen und Finnen: Die einzige Tageszeitung in der IWW-Geschichte, Industrialisti, erschien von 1918 bis in die 1920er Jahre im US-Bundesstaat Minnesota mit einer Auflage von 10.000 Exemplaren in finnischer Sprache.

Auch viele Deutsche wurden IWW-Mitglieder, der bekannteste war William E. Trautmann, Sekretär des Gründungskongresses der IWW und langjähriger Organisator. Wie viele engagierte ArbeiterInnen wurde er 1890 im Zuge der Sozialistenverfolgung, die 1871 unter Bismarck begonnen hatte, als „gefährlicher Radikaler“ aus Deutschland vertrieben.

Ein zweiter bekannter deutscher Wobbly war der Rätekommunist Paul Mattick, der in der Weimarer Zeit Mitglied der „Allgemeinen Arbeiter Unionen“ war und 1926 in die USA auswanderte, weil er in Deutschland - aufgrund der wirtschaftlichen Lage und aufgrund seiner Organisastionstätigkeit - keine Arbeit mehr fand. In Chicago war er bis in die 1930er Jahre aktives Mitglied der IWW.

Organisierung ohne Unterschied nach Hautfarbe und Herkunft

Die Rassentrennung wurde in den USA erst in den 1960er Jahren abgeschafft. Die IWW war im Gegensatz dazu eine der ganz wenigen Organisationen, in der von Beginn an Menschen aller Hautfarben gleichberechtigt teilhaben durften. Prominentester Afro-Amerikaner der IWW war der Hafenarbeiter Ben Fletcher, der während des 1. Weltkriegs und bis Anfang der 1920er Jahre in den Häfen von Philadelphia und Baltimore die IWW-Gewerkschaft Marine Transport Workers Industrial Union 510 (MTWIU - See- und Hafenarbeiter-Gewerkschaft) organisierte. Sie hatte in Philadelphia zeitweilig 5.000 Mitglieder, die Mehrheit Afroamerikaner, daneben viele Polen und Litauer.

Eine deutsche Sektion der IWW MTWIU, die “Internationale Seemanns-Union”, konnte in den 1920er Jahren übrigens Ortsgruppen in den Ostsee-Häfen Stettin und Danzig verzeichnen, die über eigene Vereinslokale verfügten. Die Stettiner Gruppe wurde 1933 durch die Nazis zerschlagen. (Weitere Informationen zu diesem Kapitel findet ihr bei wikipedia.)

Überhaupt haben Wobblies, wo immer sie hin gingen und arbeiteten, entweder eigene lokale IWW-Gruppen gegründet oder in nahe stehenden Gewerkschaften mitgearbeitet. So gibt es in der hundertjährigen Geschichte der IWW Organisationen und Organisierungsversuche in Chile, Mexiko, Südafrika, Großbritannien, Australien, Kanada, Deutschland, Schweden… Manche sind dieser Gruppen über die Jahre entschwunden, manche existieren bis heute, manche wurden erfolgreich wieder belebt wie z.B. in Großbritannien. Im deutschsprachigen Raum versuchen wir seit Dezember 2006 “eine große Gewerkschaft für alle ArbeiterInnen” aufzubauen.

Editorische Anmerkungen

 Wir spiegelten von http://www.wobblies.de/?p=212