Vorrede zum Streitgespräch: "Wie viel Populismus braucht die Linke?" 10/07

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Wir freuen uns, dass es uns gelungen ist, für dieses Streitgespräch den junge Welt-Mitarbeiter Jürgen Elsässer und den Jungle World-Mitarbeiter Bernhard Schmid zu gewinnen. Ein solches Streitgespräch ist heute gar nicht mehr so selbstverständlich. Anders als vor 10 und 15 Jahren, als sich die Linke leidenschaftlich über ihr Verhältnis zu Staat und Nation stritt, ersetzen heute leider oft wechselseitige Beschimpfungen und Verdächtigungen und Etikettierungen die leidenschaftliche Debatte.

Wir haben das Streitgespräch auch deshalb angesetzt, weil wir genau diesen Zustand der gegenseitigen Sprachlosigkeit und Beschimpfung beenden wollen. Leidenschaftliche auch polemische Debatten haben die Geschichte der Linken immer begleitet und sie auch theoretisch und praktisch weitergebracht. Das war aber nur dann der Fall, wenn sich die ProtagonistInnen der unterschiedlichen Positionen zusammen argumentativ ausgetauscht haben. Dagegen nehmen wir in der letzten Jahren in den Linken eine Tendenz war, freigiebig Etikettierungen zu verteilen und diese als Argumente zu nehmen, mit den VertreterInnen, der so Titulierten nicht zu kommunizieren.

Auch der Populismusvorwurf hat sich zu einem dieser freigiebig verteilten Etiketten entwickelt. Aktuell sind in Deutschland die häufigsten Anwärter auf den Populismustitel der venezolanische Präsident und romantische Antiimperalist Chavez und der sozialdemokratische Linksparteivorsitzende Lafontaine. Um nicht missverstanden zu werden: Kritik an dem Agieren der beiden Politiker ist für KommunistInnen notwendig. Wir als Gruppe haben bei unterschiedlichen Veranstaltungen diese Kritik auch geleistet. Wir fragen uns aber, ob es dazu des Populismus-Etikettes bedarf, um reformerische oder Politiker zu kritisieren. Was wird überhaupt mit dem Populismusvorwurf angegriffen: Lafontaines rückwärtsgewandte Träumereien vom keynsianistischen Sozialstaat, Chavez Illusion, das Eigentum an den Produktionsmittel nicht anzutasten und nur die Ölprofite zu verteilen? Ist dafür der Begriff des Reformismus oder Sozialdemokratismus eigentlich treffender. Oder wird als populistisch kritisiert, dass diese Politiker zumindest rhetorisch die sozialen Probleme der Lohnabhängigen und Ausgebeuteten in ihre Propaganda aufnehmen oder wie Chavez mit dem Staatenbündnis Alba eine reale Alternative zur Vormacht der USA in Lateinamerika konstruiert? Der historische Populismusbegriff wurde für PolitikerInnen verwandt, die ihren sozialen Reden keine entsprechenden Taten folgen ließen oder die soziale Rhetorik gar nutzten, um den Lohnabhängigen die kapitalistische Ausbeutung schmackhafter zu machen. Bei der aktuellen Anwendung des Populismusbegriffs hingegen hat man oft den Eindruck, dass schon jede Bezugnahme auf die Probleme der Lohnabhängigen oder die Ablehnung einer Beteiligung an einen Nato-Einsatz in Afghanistan unter das Populismus-Verdikt fallen.

So halten wir den Populismusvorwurf für berechtigt, wenn die Ablehnung einer Beteiligung deutscher Truppen in Afghanistan in erster Linie mit der Gefährdung Deutschlands durch islamische Anschläge begründet wird, wie es von PolitikerInnen der Linkspartei zu hören ist. Wir halten es aber für genau so populistisch, wenn mit einer angeblichen islamischen Bedrohung eine e Kriegsbeteiligung gefordert wird, wie in mehreren Beiträgen in der Jungle Word zu lesen. Wir hingegen bekämpfen unter der etwas aktualisierten Parole des ehemaligen SPD-Vorsitzenden August Bebel „Diesem Staat keinen Menschen und keinen Cent“ jede Kriegsbeteiligung kapitalistischer Staaten. Das war nur ein Beispiel, wie hinter dem Populismusvorwurf die Beteiligung an staatlicher Ausbeutungs- und Kriegspolitik versteckt werden kann.

Wir erhoffen uns, dass die heutige Debatte durchaus lebhaft und leidenschaftlich mit dem Anspruch geführt wird, die Linke theoretisch und praktisch voran zu bringen. Deswegen bitten wir die TeilnehmerInnen, sich bei ihren Fragen und Einwänden kurz zu fassen. Um vielen eine Beteiligung an der Debatte zu ermöglichen, begrenzen wir die Redezeit auf 2 Minuten. Um die Dominanz männlicher Redner auf das Podium zu begrenzen gibt es eine quotierte Redeliste, d.h. wenn sich Frauen zu Worten melden, haben sie Vorrang

Internationale KommunistInnen
 

Editorische Anmerkungen

Wir Text erhielten wir am 11.10.2007 von den AutorInnen.