Betrieb & Gewerkschaft
Hochspannung im Supermarkt

von der Ahoi AG
10/07

trend
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In Bad Lauterberg am Harz schwelt ein Kampf zwischen Arbeitgebern und dem Betriebsrat. Bisher ist nur seitens Lidl oder Aldi bekannt, dass gegen Betriebsräte vorgegangen wird um ihre legitimierte Arbeit zu ver- und behindern. Gleich mehrere Medien berichten nun von massiven Repressionen gegenüber gewerkschaftlich organisierten Mitarbeitern in einer Edeka Filiale im Harz. Wer sich den Forderungen der Arbeitgeberseite dort nicht bedingungslos unterordne, ist psychischen Druck, Mobbing und objektiven Benachteiligungen bei der Arbeitsorganisation ausgesetzt. Gegenüber dem NDR Info beklagte ein Gewerkschaftsvertreter dieses Vorgehen als eine ihm bekannte Taktik um sich verhaßten Betriebsräten zu entledigen. Das sei kriminell.

Im Harz Kurier Zeitung widerspricht nun die Angestellte Sonja Morichden den Äußerungen der Betriebsrätin und zahlreicher ehemaliger Kollegen, ihr Arbeitgeber würde Einzelne eklatant benachteiligen. Man sei sogar sehr zufrieden mit dem neuen Arbeitgeber, heißt es. Gegenüber der Betriebsrätin behauptet die Arbeitgeberseite unter anderem, von ihr geschlagen worden zu sein und spricht von Manipulationen an der Kasse. Sonja Morich unterstreicht die Anschuldigungen und weist auf Zeugen hin. Die Beschuldigte bestreitet und spricht von Verleumdungen.
Machen wir uns wirklich einmal nichts vor, die Debatte um Tätlichkeiten und Manipulationen ist nur ein Vorwand, um von der tatsächlichen Situation abzulenken. Tatsächlich und objektiv wird eine antigewerkschaftliche Drohkulisse nach feudalistischen Mustern aufgebaut, das bestätigen ehemalige Mitarbeiter als auch die Verfahren, welche die Arbeitgeber initialisierten und die nur das Ziel verfolgen, den verhaßten Betriebsrat auszuschalten. Mit allen Mitteln. Die Betriebsratsvorsitzende beschreibt im NDR Info-Interview die Situation wie folgt:

Kollegen wurden unter Druck gesetzt, ich habe von einigen Kollegen auch mündliche Aussagen, von anderen eidesstattliche Erklärungen, dass sie unter Druck gesetzt wurden, dass sie gegen mich unterschrieben haben, obwohl sie es nicht wollten. Die werden einfach gefragt, ob ihnen der Arbeitsplatz wichtig ist und sie müssten sich entscheiden, zwischen mir und dem Arbeitsplatz. (NDR-Info)

Zwischen Job und Rückgrat

Mitarbeiter und Kollegen, zwischen denen ein jahrelang vertrautes Verhältnis aufgebaut wurde, erscheinen nun wie eine bösartige Meute. Sie finden sich durch veränderte Betriebsstrukturen plötzlich in einer Situation wieder, in der sie zwischen ihren ökonomischen Zwängen und dem individuellen Freiheitsgedanken abwägen müssen. Das die oberste Priorität jene ist, das tägliche Brot zu verdienen, geht schon aus dem kapitalistischen Konkurrenzgedanken hervor. Folglich erscheint ein Betriebsrat, der Arbeitnehmerinteressen als legitime und demokratische Rechte durchzusetzen vermag, aus individueller Sicht plötzlich gar nicht mehr im warmen Lichte der Existenzsicherung. Die Rechnung der Kollegen ist dabei schlicht und ergreifend einfach:

Das Brot ich ess wessen Lied ich sing
Harald Schmidt (Sat.1, Dezember 2003)

Ein Betriebsrat selbst hat eine solch einfache Entscheidungsmatrix zwischen Job und Rückgrat nicht. Er ist nicht bloß am Verfolgen eigener Ziele interessiert, sondern will auch seiner Berufung nachgehen und den Kolleginnen und Kollegen helfen. Die suchen ihn immerhin mit Grund auf, dann wenn sie Hilfe benötigen. Der Betriebsrat ist also gerade deshalb da, um Einzelne (Schwächere (z.B. Azubis) und Minderheiten (z.B. Diskriminierte, Behinderte etc.) zu unterstützen und zu schützen – im Interesse aller. Wenn sich dagegen Mitarbeiter über eine Zeitung zu Wort melden und sich als mutmaßliche Sprecher der Mehrheit ausgeben, dann heißt das noch lange nicht, dass ein Betriebsrat seine Arbeit deshalb schlecht macht und sie legitimere Vertreter der Belegschaft wären. Konstellationen, in welchen die Mehrheit gegenüber Einzelnen verschworen ist, sind jene, in welcher ein Betriebsrat eine wichtige regulierende Funktion hat. Das macht den Betriebsrat zur Interessenvertretung der gesamten Belegschaft während einfache Mitarbeiter hingegen in der Regel nur für sich selbst und denjenigen sprechen, in dessen Abhängigkeitsverhältnis sie stehen.

Ein Viertel der Belegschaft hat bereits die Kündigung eingereicht. Das spricht eigentlich Bände genug.

 

Editorische Anmerkungen

Ahoi AG ist ein BLOG für salzige seeluft. Wir spiegelten von dort.