INTERNATIONALISIERUNG AUS SCHWÄCHE

von Bernard Schmid
10/07

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Algerische bewaffnete Djihadisten versuchen, einen „Krieg mit Frankreich“ zu inszenieren – Ausländischer wirtschaftlicher Einfluss in Algerien wächst dennoch ungebrochen

Noch einmal mit dem Schrecken – und einigen vergleichsweise leichten Verletzungen – davon gekommen sind die zehn Personen, die am 21. September in der Nähe von Lakhdaria zum Opfer eines Attentats wurden. (Lakhdaria, früher mit französischem Namen Palestro genannt, liegt rund 70 Kilometer östlich von Algier.) Der Anschlag, der durch das Auslösen einer Bombe beim Vorbeifahren ihres Busses erfolgte, zielte auf die Techniker und Ingenieure der französischen Baufirma Razel, die ihrerseits eine Filiale des deutschen Baukonzerns Bilfinger-Berger darstellt. Zwei französische Angestellte der Firma und ein italienischer Mitarbeiter wurden bei dem Anschlag verletzt. Aber auch sechs Algerier, der Fahrer und fünf im Begleitschutz mitfahrende Gendarmen, wurden in Mitleidenschaft gezogen.

Insgesamt wurden im September dieses Jahres 100 Menschen bei meist spektakulären Attentaten getötet, davon 33 seit dem Beginn des muslimischen Fastenmonats Ramadan. 

Am 6. des Monats versuchte zunächst ein Selbstmordattentäter, dem Präsidenten Abdelaziz Bouteflika im ostalgerischen Batna nahe zu kommen. Den Sprengsatz trug er in einer Plastiktüte bei sich. Seine übergrobe Nervosität verriet den Mann jedoch, so dass er bereits 45 Minuten vor Eintreffen des Staatsoberhaupts von Umstehenden angesprochen wurde. Ein Polizist, Tahar Benguettaf, stürzte sich auf ihn. Dabei detonierte jedoch der Sprengsatz am Gürtel des Mannes, und zahlreiche Anwesende wurden vor allem auf Beinhöhe schwer verletzt. Bilanz: 22 Tote und über 200 Verwundete. Am 8. September sprengte sich dann ein Attentäter in einer Kaserne der Küstenwache in Dellys, in Nordostalgerien und an der Mittelmeerküste gelegen, in die Luft. 34 Personen wurden getötet. 

Ein ähnliches Attestat, das ebenfalls durch einen Fahrer am Steuer eines mit mehreren hundert Kilogramm Sprengstoff gefüllten Autos verübt wurde, fand bereits am 11. Juli dieses Jahres in Lakhadaria statt. (Schon wieder Lakhdaria! Die Stadt war in den früher 1990er Jahren, während der ersten Hälfte des algerischen Bürgerkriegs, eine Hochburg bewaffneter Islamisten. Dies hängt auch mit ihrer geographischen Lage zusammen: in der Nähe einer schwer zugänglichen Schlucht – von welcher aus eine wichtige Durchfahrtsstrabe erreicht, und blockiert, werden kann.) Damals, am 11. Juli, kamen mindestens zehn Soldaten ums Leben. Der Fahrer des Sprengstofffahrzeugs hatte sich als Zulieferer der Kaserne getarnt und drang in dem Moment, als die Soldaten sich zum Fahnenappel versammelten, in das Gebäude ein. 

Der Operationsmodus ähnelt sich in beiden Fällen, im Juli in Lakhdaria und Anfang September in Dellys. Er ist unterdessen in Algerien historisch neu, da in diesem Jahr erstmals Selbstmordattentäter zum Einsatz kommen. Diese Form von Attentaten haben die bewaffneten Islamisten in Algerien erst in jüngster Zeit von den im Iraq operierenden Djihadisten abgekupfert und kopiert.  

„Kamikaze“ mit 15 

Im Falle des jüngeren Attentats auf die Küstenwache in Dellys schockierte die algerische Öffentlichkeit besonders, dass der „Kamikaze“fahrer des mit Sprengstoff vollgefüllten Wagens erst 15 Jahre alt gewesen war. Das Foto des Mittelschülers Nabil Belkacemi wurde kurz darauf auf Webpages der Djihadisten  präsentiert. Der breit lächelnde 15jährige trug darauf eine Uniform und eine Kalaschnikow. Er stammt aus dem hauptstädtischen Stadtbezirk Bachdjarrah, im Osten von Algier. Dort waren schon vor 15 Jahren die Zusammenstöbe zwischen radikalen Islamisten und der Staatsmacht besonders heftig gewesen; allem Anschein konnten sie dort, stärker als anderswo, noch eine bestimmte soziale Basis beibehalten. Auch einer der drei Attentäter, die am 11. April 2007 den (Selbstmord-)Anschlag auf den Amtssitz des algerischen Premierministers verübt haben, stammte übrigens aus Bachdjarrah. (Vgl. ausführlich http://www.trend.infopartisan.net

Nabil soll den Kriegsnamen Abou Moussab al-Zarquaoui angenommen haben, nach dem jordanischstämmigen Spitzenkader des Netzwerks Al-Qaïda (und Schlächter), der im Juni 2006 im Iraq durch die US-Armee getötet worden ist. Augenzeugenberichte aus Familienkreisen des toten 15jährigen zeichnen allerdings weniger das Bild eines militärischen „Helden“, der in vollem Bewusstsein und mit Überzeugung für eine –wie falsch auch immer ausgerichtete – Sache kämpfte, sondern vielmehr das eines Opfers.  

Wie Hassan Ziad für die Oktober-Ausgabe der in Paris erscheinenden Dritte-Welt-Solidaritätszeitschrift ‚Afrique Asie’ schreibt, berichtete die Mutter Nabils, der Heranwachsende seit zehn Tage vor dem Attentat spurlos verschwunden. Zuvor habe er die Nacht in einer Moschee verbracht. Aber kurze Zeit darauf habe er in einem Anruf von seinem Mobiltelefon geäußert: „Mama, ich habe Angst, ich weiß nicht, wo ich bin. Ich möchte fliehen, aber ich habe Angst, dass sie Euch töten. Sie haben mich gewarnt, dass sie im Falle meiner Flucht Euch etwas antun werden.“ Der algerische Journalist ergänzt, häufig würden junge Männer rekrutiert, die sofort nach ihrer Ankunft im Untergrund von allen anderen „Mitkämpfern“ isoliert und von einem „Emir“ (Chef, Befehlshaber) direkt unter seine Kontrolle genommen würden. In einem Interview mit der Zeitschrift ‚Jeune Afrique’ vom 30. September äußert der ehemalige französische Nachrichtendienstfunktionär Louis Caprioli dazu, falls der Attentäter am Steuer seines Sprengstoffautos im letzten Augenblick doch noch zögere, dann könne die Explosion durch die Anführer aus der Ferne – über sein Mobiltelefon – ausgelöst werden. (Aus ähnlichen Gründen ist inzwischen in den Filialen ausländischer Banken in Algerien das Benutzen von Handytelefonen verboten.) 

Seinen Angaben zufolge hatte derselbe Imam aus Kouba (einem Stadtteil von Algier) den Heranwachsenden rekrutiert, der auch den Sohn des früheren algerischen Islamistenführers Ali Belhadj vor nunmehr einem Jahr zum Anschluss an den bewaffneten Untergrund bewegen konnte. Inzwischen sei dieser Prediger verhaftet worden. (Zum, damals noch nur vermuteten, Abtauchen des Sohnes von Ali Belhadj – Abdelkahar Belhadj – in den bewaffneten islamistischen Untergrund vgl ausführlich http://www.trend.infopartisan.net)

Zu den jüngsten Anschlägen bekannte sich die Organisation „Al-Qaïda im Land des islamischen Maghreb“. Diese Truppe, die in Algerien rund 400 bis 500 Kämpfer im Untergrund zählen dürfte und die letzte bewaffnete Islamistengruppe im Land überhaupt darstellt, hat in den vergangenen Wochen nun eine weitere Steigerung der Aufmerksamkeit rund um ihre Aktionen gesucht. Am 20. September forderte die „Nummer zwei“ der internationalen Kommandoebene von Al-Qaïda, Ayman al-Zawahiri, ihre Anhänger zur Unterstützung der nordafrikanischen Branche der Organisation auf. Dieselbe solle „den Maghreb von den Franzosen und den Spaniern befreien, die in den ehemaligen Kolonien Nordafrikas präsent sind“, forderte al-Zawahiri in einem Video, das im Internet abrufbar war. Gleichzeitig schwadronierte al-Zawahiri darüber herum, es gelte, an die großartige Zeit der arabischen Präsenz im damaligen Spanien (al-Andalous), nach den Eroberungen in der Frühzeit des Islam, anzuknüpfen.

„Internationalismus“ auf islamistisch

Einmal mehr versucht der extremste Flügel des algerischen Islamismus - der sich seit dem 26. Januar dieses Jahres offiziell in „Al-Qaïda im Maghreb“ umbenannt und sich damit zum ersten Mal unter die Fittiche einer transnationalen Organisation gestellt hat - dadurch, seinen Kampf zu internationalisieren.

Das war im Bürgerkrieg des vorausgehenden Jahrzehnts noch anders. Damals strebte das Gros der Islamisten noch unmittelbar nach einem politischen Umsturz im eigenen Land. Allerdings hatte schon die mittelbare Vorläuferorganisation von „Al-Qaïda im Maghreb“, in Gestalt der „Bewaffneten islamischen Gruppen“ GIA der frühen 1990er Jahre, mindestens einen Anlauf zur transnationalen Ausweitung der Kampffront unternommen. So forderten die GIA, nachdem in den Monaten von Juli bis Oktober 1995 mehrere Bomben in öffentlichen Verkehrsmitteln in Paris und dem übrigen Frankreich explodiert waren, den damaligen französischen Präsidenten Jacques Chirac zum Übertritt zum Islam auf. Dieser spektakuläre Auftritt sollte der Organisation Aufmerksamkeit verschaffen, und ihren Kampf innerhalb Algeriens in einen internationalen Konflikt mit der früheren Kolonialmacht umwandeln oder ihn jedenfalls als solchen erscheinen lassen. Der Versuch scheiterte jedoch. Die GIA waren nur mit winzigen Zellen in Frankreich präsent, deren wichtigste Anfang November 1995 durch die Polizei zerschlagen wurde. Innerhalb Algeriens jedoch isolierten sich die radikalen Islamisten ab jener Zeit zunehmend, aufgrund ihres eigenen gewalttätigen Vorgehens gegen die Zivilbevölkerung. Letztere kehrte ihnen daraufhin zunehmend den Rücken zu, nachdem sie in der Anfangsphase des Bürgerkriegs ab 1993 die Kämpfer noch als eine Art „Robin Hoord, der gegen das Regime kämpft“ wahrgenommen hatte.

Dieser Zusammenbruch ihrer ursprünglichen sozialen Basis ist auch ursächlich für die neue transnationale Orientierung der verbliebenen Untergrundislamisten geworden. Die GIA sind seit Ende des Jahres 2004 definitiv zerschlagen. Aber fünf Jahre zuvor hatte sich von ihrem „harten Kern“ eine Gruppe mit einigen hundert Kämpfern abgespalten und unter dem Namen „Salafistische Gruppe für die Predigt und den Kampf“ (GPSC) neu formiert. Der Salafismus ist eine ideologisch besonders kompromisslose Variante des politischen Islam, der – anders als manche anderen Strömungen – keine Vermischung seiner Ziele mit dem Nationalismus oder anderen gesellschaftlichen Bestrebungen hinnimmt. Ihren Anhängern geht es nicht Wirklichkeit um einen Regimewechsel in Algerien oder einem anderen Land, vielmehr werden die bestehenden Nationalstaaten als dem Islam äuberliche Fremdkörper verworfen. Den Salafisten geht es um einen internationalen „heiligen Krieg“ an allen Fronten, der keine Zwischenetappen und auch keine, realpolitisch fassbaren, nationalen Ziele kennt. Das unterscheidet ihn sowohl von Bewegungen wie der libanesischen Hizbollah mit vorwiegend nationalem Bezugsrahmen als auch von der Mehrheitsströmung der algerischen Islamisten, den „Djazairisten“ – vom arabischen Landesnamen, al-djezair – die in den frühen neunziger Jahren noch absolut dominierend waren.

Die Gründer des GSPC warfen den GIA-Gruppen, von denen sie sich 1998/99 abspalteten, eine weitgehend den ideologischen Ansprüchen entfremdete Praxis und eine ziellose Gewalt vor. Dagegen propagierten sie, man müsse sich wieder auf politisch-ideologische Ziele besinnen und den Kampf gegen „die gottlosen Machthaber“ wieder in den Vordergrund rücken. Da aber auch sie von der allgemeinen Niederlage des bewaffneten Islamismus betroffen waren, reagierten sie mit einer Veränderung ihres politischen Horizonts. Statt der Machtübernahme innerhalb Algeriens, die auf unabsehbare Sicht hin gescheitert erschien, bezog der GSPC sich nunmehr auf einen internationalen Bezugsrahmen. Dies kann man auch als Flucht nach vorne werten, verspricht ihm jedoch zugleich eine erhöhte Wahrnehmung weltweit.

Am 26. Januar dieses Jahres hat der ehemalige GSPC nun offiziell durch ein Kommuniqué, das in Dubai der Presse bekannt wurde, verkündet, sich in „Al-Qaïda im islamischen Maghreb“ umzubennen. Dabei benutzt er einen Namen, der international wie ein rotes Tuch wirkt. Dagegen halten Spezialisten es für unwahrscheinlich, dass die algerischen Salafisten tatsächlich vom „harten Kern“ von Al-Qaïda in Afghanistan oder Pakistan aus mit Geld und Waffen versorgt werden. Die algerischen Kämpfer halten sich in Rückzugsräumen in den Bergen des algerischen Nordostens und zum Teil – dank der Kooperation mit Schmugglergruppen und von der „Parallelökonomie“ lebenden Nomaden – in der Sahara auf. Entlang der traditionellen Schmuggelrouten versorgen sie sich mit Waffen und finanzieren sich dabei selbst dank des Handels mit Gewehren, Mobiltelefonen oder anderem. Die fünf Millionen Euro, die der deutsche Staat mutmablich für die Freilassung deutscher Geiseln im Jahr 2003 – die durch mit dem GPSC kooperierende Schmuggler in der Sahara entführt worden waren – bezahlt hat, kommen noch hinzu. Aber die Benutzung des Namens von Al-Qaïda soll dabei den weltweiten Reizwert ihrer Auftritte erhöhen. 

Die Pariser Tageszeitung Le Figaro schrieb im April dieses Jahres zu Recht: „Ohne wirkliche Unterstützung in der Bevölkerung ist der GSPC nicht in der Lage, dem Staatsapparat (in Algerien) gefährlich zu werden. Um zu überleben, muss er seine Isolierung durchbrechen. Er holt sich bei Gruppen im Umfeld von Al-Qaïda Inspiration und sucht eine Präsenz im Internet. Dies erlaubt ihm, sich zu spektakulären Aktionen zu bekennen, wie zu den Attentaten der letzten Monate im Raum Algier, und Propagandabilder zu zeigen. Er rekrutiert Marokkaner, Tunesier und Mauritanier.“ Bis dahin war vor allem der Angriff auf einen Bus mit Mitarbeitern der US-amerikanischen Ölfirma BRC (Brown and Root-Condor), einer Filiale des berüchtigten Haliburton-Konzerns, am 10. Dezember 2006 in der Nähe von Algier zu verzeichnen. Dabei wurde der Chauffeur getötet, neun Personen wurden verletzt. Die US-amerikanischen, kanadischen, britischen, libanesischen und algerischen Beschäftigten waren auf dem Weg zum Sheraton-Hotel im Nobelvorort Club des Pins. In dieser Luxusresidenz halten sich üblicherweise algerische Generäle und hohe Würdenträger auf. Auch während des Bürgerkriegs war der Club des Pins weitgehend unberührt, da hervorragend abgeschirmt, geblieben.  

Neu ist vor allem auch, dass US-amerikanische Interessen in Algerien attackiert werden. Während des Bürgerkriegs der neunziger Jahre waren zu keinem Zeitpunkt US-Interessen angegriffen worden. Das hing – neben der vorwiegend antifranzösischen Ausrichtung des algerischen Islamismus, vor dem Hintergrund der Kolonialvergangenheit - insbesondere auch damit zusammen, dass die US-Administration von 1992 bis circa 1995 noch die „Islamische Rettungsfront“ (FIS) unterstützte. Dies in der Annahme (die sich als falsch erweisen würde), die islamistische Partei werde es schaffen, in Algier die Macht zu übernehmen. Davon versprach man sich in der politischen Elite der USA, den französischen Einfluss zu verdrängen - und zugleich mit dem bis dahin noch vorherrschenden, staatssozialistisch geprägten Erbe des Regimes der „Nationalen Befreiungsfront“ (FLN) zu brechen. 

Nunmehr sind allerdings - neben Franzosen und Spaniern, die vom Al Qaida-Chefideologen al-Zawahiri bei seinem Auftritt vom 20. September genannt worden sind – auch die US-Amerikaner ins Visier der salafistischen Zellen in Algerien geraten.  

Auch russische Erdgasspezialisten wurden Anfang März dieses Jahres in Aïn Defla, im Atlasgebirge, zum Angriffsziel. Hingegen wurde bislang kein Angriff auf Chinesen in Algerien verzeichnet, obwohl diese nationale Gruppe – aufgrund der starken Aktivität chinesischer Unternehmen in Algerien, die vor allem in der Baubranche sehr präsent sind – unter den in Algerien lebenden Ausländern mit Abstand die stärkste ist. 45 Prozent der 32.000 Ausländer (doppelte Staatsbürgerschaften abgezogen, die u.a. mehrere Zehntausend französisch-algerische „Doppelstaatler“ betreffen), die derzeit in Algerien wohnen, sind Chinesen. Alltagsrassismus, ja, den gibt es gegen Chinesen, aber bislang keine islamistisch inspirierten Attentate. 

Den Hintergrund dafür bildet eine Orientierung der verbliebenen Untergrundislamisten in Nordafrika, die vor allem auf eine internationale Polarisierung mit dem „christlich-jüdischen“ bzw. „ungläubig gewordenen“ Westen (inklusive Russlands, das irgendwie dazu gezählt wird) abzielt und eine allgemeine politische Konfrontation zwischen ihm und den Muslimen herbeiführen möchte. Insofern unterscheidet sich auch die Strategie der heute agierenden bewaffneten Islamistengruppen in Algerien von jener der 1990er Jahre. Diese töteten damals relativ wahllos alle Ausländer, die in Algerien angetroffen wurden. In der Anfangsphase des Bürgerkriegs 1993/93 wurden etwa kroatische Bauarbeiter oder eine mit einem Algerier verheiratete Russin ermordet; insgesamt töteten die damaligen GIA circa 70 Ausländer, unter ihnen rund 30 Franzosen. Heute dagegen, da wesentlich mehr Ausländer im Lande ansässig sind als während des Bürgerkriegs – eine Konsequenz der relativen Beruhigung der Sicherheitslage sowie der anhaltenden wirtschaftlichen Öffnung des Landes – und inzwischen 105 Nationalitäten in Algerien vertreten sind, trifft es relativ gezielt französische und US-amerikanische Interessen. Ging es um 1993 noch vor allem darum, Algerien international zu isolieren und möglichst alle Ausländer von seinem Staatsgebiet fernzuhalten, so zielt die heutige Strategie vor allem darauf ab, den Eindruck eines umfassenden Krieges zwischen den (hauptsächlich von Franzosen und US-Amerikanern repräsentierten) Westmächten und „uns Muslimen“ zu erwecken. 

Dazu zählt auch eine stark „international“ ausgerichtete Themensetzung. Denn die Feuerprediger, die heutzutage junge Leute für den islamistischen Untergrund rekrutieren, sprechen – im Unterschied zu den frühen neunziger Jahren – weniger von Ungerechtigkeit und Korruption in Algerien. Vielmehr thematisieren sie vor allem die Lage in Palästina und im Iraq, wo die Muslime durch ungläubige auswärtige Mächte unterdrückt würden. Darin soll angeblich, wie durch ein Brennglas hindurch, die gesamte Ungerechtigkeit auf der Welt gebündelt Abbildung finden. Im Gefängnis von Serkadji, auf den Höhen der Hauptstadt Algier, sitzen derzeit rund 100 junge Männer in Haft, die in den Iraq wollten, um auf Seiten der dort aktiven Djihadisten zu kämpfen. Viele der Operationsformen, die heute in Algerien durch die Untergrundislamisten praktiziert werden, sind im Übrigen vom dortigen Kampfschauplatz importiert worden. Denn im algerischen Bürgerkrieg der neunziger Jahre kamen so gut wie nie Selbstmordattentäter, die sich selbst am Steuer ihrer Fahrzeuge in die Luft sprengten, zum Einsatz. Die damaligen islamistischen Kämpfer glaubten überwiegend noch daran, es gebe eine Perspektive, an einem politischen Umsturz in ihrem eigenen Land teilzunehmen und selbst die politische Macht zu übernehmen. Das wollten sie doch gern noch erleben. 

Das Attentat vom Dezember 2006 als Ausgangspunkt markiert vor allem den endgültigen Übergang der algerischen Salafisten von Kampfformen des früheren Bürgerkriegs – gegen politische Gegner, oder auch zum Zweck der Einschüchterung von Teilen der Bevölkerung – zu solchen des internationalen Terrorismus. Ein Anschlag wie dieser hätte mit vergleichbarem Ziel auch in Bangkok, in London, in, Saudi-Arabien, in Paris oder anderswo stattfinden können. Die Reste des algerischen bewaffneten Islamismus sind damit offenbar im transnationalen Terrorismus aufgegangen. 

Reaktionen, Regierungspolitik und „Reuige“ 

Die algerische Regierung reagierte auf die jüngsten Anschläge, indem sie ihre Politik der „nationalen Aussöhnung“ und der Einbindung des gröbten Teils der früheren Anhängerschaft des radikalen politischen Islam ausbaut. Auf der anderen Seite versucht sie sich aber auch auf die Mobilisierung Tausender und Abertausender Menschen, die gegen die Terroranschläge auf die Strabe gingen, zu stützen. So versucht sie diese Demonstrationen lediglich, organisatorisch einzufassen und inhaltlich zu kanalisieren, um sie als eine Unterstützung für die „nationale Aussöhnungspolitik“ präsentieren können.  

Dabei baut die Regierung auch auf die Rolle der „reuigen“ (repentis), früher bewaffneten kämpfenden Islamisten. Diese bieten an, ihrerseits moralischen und politischen Druck auf die noch im Untergrund verbleibenden „Glaubenskämpfer“ auszuüben, um sie zur Aufgabe ihrer aktuellen Kampfform zu bewegen. Dabei versuchen freilich auch die „reuigen“ Ex-Bewaffneten, für sich einen gröberen politischen Spielraum und eventuelle Zugeständnisse herauszuholen. Allerdings hat Innenminister Yazid Zerhouni im September 2007 nun Plänen für die Gründung einer neuen politischen Partei rund um die ehemaligen Bewaffneten der AIS („Islamische Rettungsarmee“, früherer bewaffneter Flügel der „Islamischen Rettungsfront“ FIS; die AIS legte im Januar 2000 die Waffen infolge von Verhandlungen nieder) klipp und klar eine Absage erteilt. Mit ihm als Innenminister komme dies nicht in Frage. Seinerseits verkündete der frühere AIS-Chef Madani Mezrag, der weiterhin um eine politische Karriere bemüht ist, sollte seinen Gefolgsleuten und ehemaligen FIS-Anhängern die eigenständige politische Betätigung verwehrt bleiben, würde man eben „mit dem nationalistischen Spektrum“ (also dem konservativen Block rund um den FLN) Politik machen. 

 Der Wortmeldung von Innenminister Yazid Zerhouni voraus ging das Attentat auf einen früheren FIS-Funktionär (und GIA-Emir), der dem bewaffneten Kampf abgeschworen hatte, Mustapha Kartali, am 14. August 2007. In Larbaa (rund 30 Kilometer östlich von Algier), seiner Hochburg, wurde versucht, Mustapha Kartali mittels einer Autobombe zu ermorden. Er überlebte schwer verletzt, doch ein Bein musste ihm amputiert werden. Mutmablich hatten Gegner des von ihm propagierten Niederlagens der Waffen ihn aus dem Weg zu räumen versucht. Daraufhin appellierte Ex-AIS-Chef Madani Mezrag an Staatspräsident Abdelaziz Bouteflika, er möge für Ordnung sorgen und dafür, dass die „Reuigen“ gefälligst respektiert würden. Der frühere GSPC (alias „Al-Qaïda im Maghreb“) hat sich daraufhin am 19. August, per Kommuniqué im Internet, zum Mordversuch an Mustapha Kartali bekannt. Es handele sich jedoch um einen „Fehler“, um einen strategischen Irrtum: Zwar habe der Mann, dem der Anschlag gegolten hatte, sehr wohl den Djihad verraten. Aber diese Kategorie von Verrätern solle man nur ausnahmsweise – dann nämlich, wenn sie aktiv am Krieg gegen die verbliebenen bewaffneten Djihadisten teilnähmen – mit Totschlag begegnen. Deswegen bitte man „bei Allah und beim muslimischen Volk“ um Entschuldigung; die Führung der eigenen Organisation habe diese Aktion einer ‚Katiba’ (Kampfesbrigade, Phalanx) nicht genehmigt gehabt. (Vgl. http://www.lexpressiondz.com) 

Gleichzeitig hat die Regierung nun allerdings auch eine erneute militärische Groboffensive angekündigt, nachdem ihre Armee den Kombattanten von „Al-Qaïda im Maghreb“ in den letzten Monaten bereits mehrere harte militärische Schläge versetzt und ihre Rückzugsgebiete in den bewaldeten Bergen der Kabylei eingekreist oder bombardiert hat. Am Dienstag (2. Oktober 07) verkündete die Regionalzeitung ‚La Dépêche de Kabylie’ auf ihrer Titelseite, der Generalmajor der algerischen Armee Ahmed Gaïd-Salah habe eine neue „Operation Seïf el-Hadjadj“ angekündigt. Diesen Namen, „Schwert von al-Hadjadj“, der auf eine islamische Überlieferung (von einem besonders hart und grausam durchgreifenden Gouverneur im alten Baghdad) zurückgeht, soll die Fantasie der bewaffneten Islamisten offenkundig besonders beeindrucken. Die militärische Offensive zu Jahresanfang 2000, nachdem die Welle von Waffenniederlegungen infolge des Amnestiegesetzes von 1999 einen Teil der Schlupfwinkel des islamistischen Untergrunds geleert hatte, trug damals diesen Namen.   

Mit viel Islam gegen unbotmäbige Islamisten 

In der letzten Septemberwoche konnte Präsident Bouteflika die Unterstützung eines hohen islamistischen Funktionärs vermelden: Der in Jordanien ansässige Imam Yussef al-Qardawi, ein hoher Würdenträger der transnationalen Muslimbrüderschaft, erklärte seine Verurteilung der Bombenanschläge. Er erklärte, die Attentäter stünden auberhalb des Islam. Bouteflika, der sich mit ihm traf, belohnte den Imam seinerseits, indem er gegen „jene, die auberhalb der Vorschriften Gottes Gesetze geben wollen“ wetterte. Beide seien sich in ihrer Abgrenzung gegen „islamistische Extremisten und laizistische Extremisten“ einig gewesen, verlautbarte im Anschluss an ihr Treffen. 

Eine konservative, religiöse, nicht auf Umsturz zugunsten der Errichtung eines „Gottestaates“ aufbauende islamische Grundströmung wird vom algerischen Regime immer stärker zu seiner eigenen Stabilisierung benutzt. 120.000 Plätze – davon 40.000 im Gebäudeinneren und 80.000 auf dem Vorplatz – soll die neue Moschee in Algier bieten, welche nach Mekka und Medina die drittgröbte der Erde werden soll und nun in Planung gegeben wurde, Mit 300 Metern Höhe wird das Minarett jenes der Supermoschee im marokkanischen Casablanca, die der französische Betonriese und Baukonzern Bouygues in den neunziger Jahren errichtete, um hundert Meter überragen. 

Keinen Abschied vom Eldorado am Südufer des Mittelmeers 

Auf französischer Seite wiederum lehnt man einen Rückzug aus Algerien, die eigenen wirtschaftlichen Aktivitäten betreffend, strikt ab. Auch wenn der Druck auf die dort arbeitenden französischen Angestellten, Techniker und Ingenieure spürbar angewachsen ist. Am 18. September, drei Tage vor dem Sprengstoffanschlag von Lakhdaria, wurden etwa Entführungspläne für zwei in Algier tätige Mitarbeiter der Pariser Flughafengesellschaft (Aéroport de Paris) publik – wohl aufgrund der mittlerweile engen Kooperation zwischen den Nachrichtendiensten beider Staaten. Die beiden betroffenen Angestellten wurden schnell nach Frankreich rapatriiert. 

Doch ein Rückzug kommt weder für die jüngst angegriffene Baufirma Razel, noch für Frankreich generell in Frankreich. Zunächst wird darauf hingewiesen, dass die dortige Sicherheitslage doch wesentlich weniger dramatisch sei als während des Bürgerkriegs in den 1990er Jahren. Objektiv trifft dies tatsächlich zu. Würde man Algerien den Rücken kehren, dann „würde dies nur den Terroristen in die Hände spielen“, lautet die Begründung vieler französischer Führungskräfte für ihren Verbleib in Algerien. Ansonsten ist der neue algerische Markt doch gar zu lukrativ, als dass man ihn so einfach den Anderen überlassen würde. Neben (und vielleicht noch deutlich vor) der Angst, den Terroristen zu nutzen, dürfte als besonders auch die Furcht vor einer Begünstigung der kapitalistischen Konkurrenz eine wichtige Rolle spielen.

580 französische Unternehmen sind zur Zeit in Algerien präsent, in allen Branchen der dortigen Ökonomie vom Bausektor (Suez, Alstom, Vinci) über die Nahrungsmittel- (Danone, Bell, Castel) und die Automobilindustrie (Peugeot, Renault, Michelin) bis hin zu Dienstleistungsanbietern (wie den Banken BNP, Société générale u.a., dem Touristikunternehmen Accord oder der Supermarktkette Carrefour). Erstmals bieten französische Finanzkonzerne wie die Gesellschaft Cetelem, die seit März 2006 im Lande ansässig ist, den algerischen Haushalten direkte Verbraucherkredite an. Innerhalb eines Jahres hat die Cetelem etwas über 30.000 Kredite für Konsum auf Ratenzahlung, im Gesamtwert von circa 100 Millionen Euro, vermittelt. Im Jahr 2003 siedelte die französische Kosmetikfirma Yves Rocher ihr erstes Geschäft im Stadtzentrum von Algier – rue Didouch Mourad – an, inzwischen zählt sie 15 Verkaufsstellen in den algerischen Großstädten. Die Fast Food-Kette Quick, der französisch-belgische Konkurrent des US-Konzerns McDonalds, eröffnete im März 2007 sein erstes Schnellrestaurant in Algier, in unmittelbarer Nähe der altehrwürdigen Statue des antikolonialen Kriegerhelden Emir Abdelkader. Bis 2012 sollen es zwanzig werden. Und im Januar 2006 öffnete der erste Supermarkt der Marke Carrefour seine Türen in Algier, mit einer Verkaufsfläche von 3.000 Quadratmetern. Im Dezember 2007 soll der erste „internationalen Normen entsprechende“ Supermarkt der Kette, mit 7.000 Quadratmetern Verkaufsfläche und als Bestandteil eines Park- und Einkaufskomplexes von 25.000 Quadratmetern, seine Türen öffnen. Frankreich ist der größte europäische Investor in Algerien.

Einem solchen wirtschaftlichen Eldorado - das durch das Ende der früheren staatssozialistischen Kontrolle über die algerische Ökonomie sowie den Anstieg des Rohölpreises und damit der in Algerien zirkulierenden Geldmasse, aber auch die Aufbesserung der Sicherheitssituation ermöglichst wurde -  werden die Franzosen nicht einfach den Rücken kehren. Zumal auch die Konkurrenten Präsenz zeigen. Mit über 12 Milliarden Euro Handelsvolumen sind zur Zeit die USA zum wichtigsten Handelspartner Algeriens geworden. Allerdings sind sie bisher vorwiegend im Erdölsektor präsent, mit den Konzernen Anadarko, Halliburton und Bechtel. Auch wenn die Pharmaindustrie (für Pfizer), der Bankensektor (für die Citibank) sowie die Informatikbranche (beackert durch Microsoft) ebenfalls ihre Attraktivität auf die Nordamerikaner entfalten. Bislang sind rund 70 US-Unternehmen in Algerien tätig, damit ist ihre Anzahl geringer als die der französischen Firmen.

Einen neuen, florierenden Geschäftszweig bilden unterdessen die privaten Security- und Personenschutz-Unternehmen. Ähnlich wie im besetzten Irak, auch wenn die dortigen die Ausmaße der Privatisierung von Gewalt und des Geschäfts mit der käuflichen „Sicherheit“ noch lange nicht erreicht worden sind. Rund 60 solcher Securityfirmen werden im Moment in Algerien gezählt. Möglicherweise wird „Al-Qaïda im Maghreb“ aber künftig noch dazu beitragen, dass auch diese Businessbranche ordentlich prosperiert.  

POST SCRIPTUM: 

Bestimmte Krétins lernen offenkundig nie dazu. So verhält es sich mit unseren Freunden, den notorischen Verschwörungstheoretikern: Nachdem sie einmal beschlossen haben, dass ihnen nichts Geringeres gelungen ist, als (gegen die Lüge und den Rest der Welt) ein gigantisches Komplott ausfindig zu machen, lassen sie nie wieder davon ab. Unter diese Kategorie fällt auch die Sorte von Verschwörungsaposteln, die hartnäckig daran festhält, das politische Phänomen des bewaffneten Islamismus in Algerien gebe es (jedenfalls in seiner gestern und heute überwiegend auftretenden Form) überhaupt gar nicht.  

Vielmehr, so erfahren wir von diesen politischen Idioten, sei das alles nur eine einzige, gigantische Inszenierung: Die inzwischen zerschlagenen „Bewaffneten islamischen Gruppen“ (GIA), die frühere „Salafistische Gruppe für Predigt und Kampf“ (GPSC) und jetzt „Al-Qaïda im Maghreb“ hätten nie existiert, denn bei ihnen handele es sich ausnahmslos um verkleidete Agenten des algerischen Regimes. Die Militärs des nordafrikanischen Staates inszenierten den „islamistischen Terrorismus“ blob, von A bis Z, um sich selbst an der Macht zu halten. (Wobei die Verteter dieser kackdummen Theorie auch ein sehr simplizifierendes Verständnis vom algerischen Regime als „Militärjunta“ kultivieren. In Wirklichkeit handelt es sich längst um ein eher bürgerlich-autoritäres Präsidialregime – zwar mit semi-militärischen Zügen, aber inzwischen unter abnehmender politischer Bedeutung der Armee –, das unter wachsendem Einfluss der einheimischen Oligarchie und des internationalen Kapitals steht.) 

Diese Leier ist aus den 1990er Jahren nur allzu gut bekannt. Noch nie stand sie mit der Wirklichkeit in Übereinklang, und die Vertreter dieser „Theorie“ waren noch nie fähig, politische und ideologische Strömungen – die manchmal auch miteinander ringen und kämpfen – wahrzunehmen: Hauptsächlich gibt es für sie nur ein Schattentheater, in dem ein Dutzend algerischer Generäle alle wichtigen Bewegungen allein ausführt. Radikale Islamisten und andere (vermeintlich) Böse tauchen in der Welt dieses Theaters nur als Marionetten auf, die an den Fäden einer Handvoll (wirklich böser) Generäle hängen.  

Es ist aber nun wirklich bemerkenswert, dass die Deppen, die solcherlei Verschwörungsgefasel in die Welt setzen, offenkundig nach wie vor absolut bruchlos an ihrer Fabel festhalten. Denn sowohl die Welt, der internationale Kontext Algeriens, die dortige innenpolitische Situation als auch die politische Natur des in Algerien aktiven radikalen Islamismus haben sich in den letzten 15 Jahren gründlich gewandelt. Vom gegen die Massen gerichteten Terror der GIA, über den Versuch des Entfachens eines gezielten Kampfes zum Sturz des amtierenden Regimes (welcher sowohl den bewaffneten Arm des früheren FIS als auch den früheren GSPC auszeichnet) bis hin zum „internationalen, grenzenlosen Krieg“ der neuen „Al-Qaïda im Maghreb“ liegen riesige Entfernungen. Ihr politisch-strategisches Profil unterscheidet sich erheblich. Dazwischen liegen gesellschaftliche Niederlagen des radikalen (bewaffneten) Islamismus, strategische Neuorientierungen, der Austausch ganzer Generationen von Aktivisten. Nachdem beispielsweise alle früheren Köpfe der GIA im Kampf, oder in Einzelfällen auch im Knast, getötet worden sind - was sie als Agenten oder V-Männer des amtierenden Regimes wohl eher nicht in Frage kommen lässt, da es nicht zu den üblichen Gepflogenheiten eines Polizei-, Armee- oder Geheimdienstapparats gehört, die eigenen V-Leute hinzumetzeln. (Den Job würde ja sonst auch niemand machen wollen.) Die durschschnittliche (Über-)Lebenserwartung eines „nationalen Emirs“ der GIA in den 1990er  Jahren betrug, nachdem er einmal an die Spitze aufgerückt war, noch sechs Monate. Auch wenn die GIA damals so gut wie keine Selbstmordattentäter einsetzten und gröberen Gefallen am Morden denn am Suizid fanden, so verrichteten ihre Chef doch einen relativ gefährlichen Job.  

Macht alles nix, meinen unsere Verschwörungsheinis. Sämtliche genannten Combos, von den GIA über den GSPC bis zu „Al-Qaïda im Maghreb“ weisen eine gemeinsame Kontinuitätslinie auf, meinen sie zu wissen: Alle seien nämlich gut getarnte Agents des Regimes. 

Wer solchen einen Kack für wichtig nimmt, bitte schön. Hier findet sich Näheres dazu: http://www.algeria-watch.org/fr/aw/gspc_etrange_histoire.htm  ...

Editorische  Anmerkungen

Wir erhielten den text am 4.10.07 vom Autor. Eine gekürzte und redaktionell überarbeitete Fassung (unter leicht inflationärer Verwendung des problematischen, da durch die Herrschenden ideologisch geeprägten Begriffs „Terrorismus“) wurde am Donnerstag, 4. Oktober in der Wochenzeitung ‚Jungle World’ publiziert.