Die Deutsche Forschungsgesellschaft hat drei
Spitzenuniversitäten im süddeutschen Raum gekürt. Sind das erste
Spuren einer konservativen Bildungspolitik?
Michael Hartmann: Nein, das hat mit
parteipolitischen Erwägungen nichts zu tun. Die Auszeichnung ist
eine nahtlose Fortsetzung der rot-grünen Bildungspolitik. Es
geht letztlich darum, im deutschen Hochschulwesen zwei Lager zu
bilden: Ca. 25 Prozent der Universitäten sollen vor allem
Forschung betreiben und besonders ausgestattet werden. Der große
Rest von 75 Prozent soll kaum noch forschen, sondern die in den
nächsten Jahren drastisch zunehmenden Massen an Studierenden
möglichst schnell durchschleusen.
Was bedeutet das für die Studienbedingungen bei dieser
Mehrheit der Hochschulen?
Michael Hartmann: Sie geraten in eine Abwärtsspirale.
Das kann man jetzt schon in Zeitungsmeldungen sehen, wo von
einer Bundesliga für Universitäten gesprochen wird. Diejenigen,
die in der ersten Liga spielen, sollen dann deutlich mehr Geld
bekommen. Der Rektor der Uni München spricht von einer Mrd. Euro
für die zwei bis drei besten. Der große Rest dagegen soll sich
mit noch weniger Mitteln als schon heute begnügen.
Stecken hinter dieser Politik ökonomische Notwendigkeiten?
Michael Hartmann: Nur zum Teil. Durch die
Finanzpolitik, wie z.B. die Steuergeschenke für große
Unternehmen, sind die Einnahmen des Staates in den letzten
Jahren spürbar gesunken. Der daraus resultierende Zwang zum
Sparen ist für die Forschung auf Dauer aber untragbar. Mit der
Aufspaltung in wenige Forschungsuniversitäten und den Rest
versucht man, die Forschung im Kern zu retten, ohne nennenswert
mehr Geld auszugeben. Dabei muss betont werden, dass es sich bei
den leeren Kassen nicht um einen ökonomischen Sachzwang, sondern
um die Folgen einer bestimmten Politik handelt.
Gerade in Deutschland war durch die 68er-Bewegung der
Elitebegriff verpönt. Wann kam der Umschwung?
Michael Hartmann: Die Zäsur setzte Ende der
80er Jahre ein und war den veränderten Kräfteverhältnis zwischen
Kapital und Arbeit geschuldet. Die gesellschaftlichen Kreise,
die schon immer für eine Elite waren, haben das dann auch wieder
öffentlich vertreten. Das wurde dann von den Medien verstärkt,
die auf das Thema ansprangen. Hinzu kam nach 1989 ein bestimmter
Elitebegriff aus der ehemaligen DDR. Dort gab es beispielsweise
Elite-Sportschulen. Die existierten dort zwar unter anderen
gesellschaftlichen Bedingungen. Doch dadurch setzte auch eine
Enttabuisierung des Begriffes ein. Ich habe das Gefühl, dass
dadurch auch in der ehemaligen DDR eine Akzeptanz für
Elite-Hochschulen vorhanden ist.
Ist es mehr als ein zeitlicher Zufall, dass parallel zur
Förderung der Elite-Hochschulen eine verstärkte Diskussion um
die Unterklassen begonnen hat?
Michael Hartmann: Durchaus nicht. Die Spaltung
im Hochschulwesen ist Ausdruck einer gesamtgesellschaftlichen
Entwicklung und hat auch gesamtgesellschaftliche Auswirkungen.
Das fängt bei Schulen an, wo die Diskussion über die Einführung
von Rankings schon begonnen hat. Die Spaltung der Gesellschaft
produziert im unteren Teil ein immer größeres Segment von
Menschen, die total ausgeschlossen sind. Hier gibt es Ansätze
einer Ghetto- und Slumbildung, wie wir sie auch aus den USA oder
Frankreich kennen. Wenn jetzt führende SPD-Politiker warnen,
diese Begrifflichkeiten würden die dort lebenden Menschen
stigmatisieren, ist das Heuchelei. Nicht die Begriffe, sondern
die Lebensrealitäten stigmatisieren die Menschen.
Gibt es daneben auch Gegenmodelle zu dieser Entwicklung?
Michael Hartmann: Insgesamt gibt es da sehr
wenige Gegenmodelle. Was die Hochschulen angeht, so
veröffentlicht die bildungspolitische Sprecherin der
Linkspartei, Nele Hirsch, gelegentlich gute Stellungsnahmen.
Aber das ist es dann im Wesentlichen auch. Bei den
Gewerkschaften sieht es nicht besser aus. Eine große
Enttäuschung ist der fehlende Widerstand von Seiten der
Hochschullehrer an jenen Universitäten, die zu den Verlierern
des Wettbewerbs gehören. Die lassen das bisher alles so über
sich ergehen. Dabei könnte gerade ihr Protest gesellschaftlich
nicht überhört werden.
Studierendenverteter der Freien Universität Berlin haben
das Ausscheiden ihrer Hochschule aus dem Elite-Wettbewerb
gefeiert. Gibt es hier Widerstand?
Michael Hartmann: Bei den Studierendenprotesten
der letzten Monate stand natürlich der Kampf gegen die
Studiengebühren im Vordergrund und nicht das Thema
Eliteuniversität. Allerdings ist der Zusammenhang zwischen der
Einführung von Bachelor- und Masterstudiengängen sowie
Studiengebühren und der Aufspaltung der Hochschullandschaft in
Elite und den großen Rest mehr als deutlich. Das wurde von
Teilen der Studierenden auch thematisiert.
Es fehlt also eine neue 68er-Bewegung?
Michael Hartmann: Die wird es so nicht mehr
geben, weil sich die Rahmenbedingungen völlig verändert haben.
Was fehlt, ist eine soziale Bewegung, die sämtliche Bereiche der
Gesellschaft umfasst und die Widersprüche bündelt. Sie müsste
eine Antwort auf die generelle Spaltung der Gesellschaft finden,
die in der Exzellenzinitiative nur zum Ausdruck kommt.