Flugi aus FFm zum DGB-Aktionstag
Eine bessere Wurst

oder gleich die ganze Metzgerei dichtmachen?


von
gruppe 8. mai [ffm]

10/06

trend
onlinezeitung
Unter dem Motto „Das geht besser – aber nicht von allein! Deutschland sozial gestalten“ ruft der DGB heute zu einem bundesweiten Aktionstag auf. Diese wenigen Worte vereinen alles, was die Einheitsgewerkschaft so hassenswert macht. Schon die Beschränkung auf Deutschland zeigt das Ausmaß der freiwilligen Selbstkontrolle des DGB an: Anstatt die Separation der Menschheit in konkurrierende Nationen, stets direkt verbunden mit rassistischer Platzanweisung, zurückweisen, wird sich mit dieser gewaltförmigen Unterteilung nicht nur abgefunden, sondern dienstbeflissen identifiziert. Als gute Staatsbürger_in hat man sich eben nur auf dem ausgewiesenen Nationalterritorium zu bewegen – die real existierende Mauer um Deutschland bzw. Europa wird somit vom DGB auch im eigenen Kopf errichtet.

Innerhalb dieses von Mauern umgrenzten Terrains soll nun etwas, das ‚nicht von allein’ läuft, ‚besser gehen’. Der DGB zeigt sich also einverstanden mit dem ‚das’ – konkret den Gesetzesvorhaben der Großen Koalition – möchte ‚das’ aber ver’besser’n. Also: die Grausamkeit nicht ganz so grausam haben.

Gewerkschaftsspektakel
Ein persönlicher Bericht von Horst aus Ffm

Meine Eindrücke zur gestrigen Kundgebung
der Gewerkschaft waren die denkbar schlechtesten. In der irrigen Annahme, die Kundgebungsteilnehmer/innen würden zur Alten Oper zustoßen, begab ich mich dorthin.
Es gingen meinerseits so profane Gründe wie Einkauf und Fahrgeld nach Sachsenhausen sparen voraus. Zu meiner Enttäuschung mußte ich jedoch feststellen, daß an der Alten Oper lediglich Gewerkschaft, DKP und Attac anzutreffen waren. Ich zog dann mit dieser "Lämmertruppe" mit, hoffend am Römer dann auch linke Organisationen/ Leute anzutreffen. Dort waren dann allerdings auch nur die genannten Gruppen, flankiert von ein paar einsamen Trotzkisten sowie dem KB für den Wiederaufbau der KPD, versehen mit einem gigantischen Spruchband.
Wie gewohnt sprach die Gewerkschaft in (einer) Art Fensterrede(n)von einem "Bessermachen" in der Sozialpolitik. Kein Wort wie die selbst bescheidenen Forderungen umgesetzt werden sollen. Von Streik sprach da niemand, erst recht nicht vom Gneralstreik. Kein Wort auch, daß Hartz IV abgeschafft gehört, sondern lediglich eine Warnung vor weiteren Verschlechterungen und wie schlecht es sich mit wenig Geld leben läßt.
Larmoyanz und moralische Entrüstung wechselten einander ab, als auch über den allgemeinen Stellenabbau scwie die fehlende Einstellung der Menschen über 50 schwadronisiert wurde. Wiederholt wurde eine "soziale Gerechtigkeit" angemahnt, statt auch "mal" an die Interessen der Betroffenen anzuknüpfen. Feststellbar war auch, daß die "Angriffe" maßgeblich gegen die CDU gerichtet waren, während die SPD weitestgehend geschont wurde. Wie nicht anders zu erwarten, sprach kein unmittelbar betroffener Mensch, sprich Arbeitsloser.
Angeödet verließ ich dann gegen 14.00 das ganze Spektakel. M.E. wäre es ganz gut, wenn linke Organisationen mal so eine gewerkschaftliche Veranstaltung
"aufmischen" würden. Dies könnte z.B. mit Trillerpfeifen bewerkstelligt werden, die bei bestimmten Stichworten wie z.B. "soziale Gerechtigkeit", "wir machen es besser" etc. zum Einsatz kommen. Auch mit einem Megaphon könnte nachgeholfen werden.
Die Teilnehmerzahl von 20000 halte ich für reichlich überzogen.

Quelle: Indymedia 22.10.06

Der pfäffische ‚Sozial gestalt’ungswille, die vom DGB zum Polit-Markt getragene Mitmachnachfrage richtet sich notwendig an den Staat: mit dessen Grenzen akzeptiert man auch dessen Souveränität, die im sogenannten Gewaltmonopol gipfelt. Wer, wie der DGB, sich selbst und die Subjekte präventiv der individuellen Souveränität entledigt, um sie an einen bewaffneten Herrschaftsapparat zu übertragen, der kann dann eben nur noch höflich an der Pforte der aktuell regierenden Charaktermasken anklopfen und einige kleine Ver’besser’ungs- vorschläge anbringen. Die Politik als Gesetzgeberin des Staates soll doch bitte die Rente ‚besser’ regeln, die Gesundheit ‚besser’ reformieren, den Arbeitsmarkt ‚besser’ pimpen und die zunehmende Überflüssigkeit der Ware Arbeitskraft – die sogenannte Arbeitslosigkeit – ‚besser’ wegdeklarieren. Beständig wird so von Seiten der Gewerkschaften an die starke Hand des Staates appelliert, sie möge doch der unsichtbaren Hand des Marktes in den Arm fallen.

Sobald sich ein gewisses Maß an öffentlich zu verspürendem Unmut unter der Bevölkerung des DGB-Zuständigkeitsgebiets angesammelt hat, anstatt sich wie üblich in Ehestreits, Suffprügeleien, auf Fußballplätzen und Ausländerjagden zu entladen, ruft der DGB auch schon mal – wie heute – sein Fußvolk zur Demonstration. Dann strömen Zehntausende herbei, um sich in der Gemeinschaft der dampfenden Bratwürste zu wärmen.

Der DGB wie jede einzelne Teilnehmerin weiß, dass solche Manifestationen ob ihres untertänigen Charakters nichts, aber auch gar nichts verändern. Wenn der Mob wieder einmal für zwei Stunden „Wir sind das Volk!“ gegröhlt hat, kann sich der DGB im Anschluss gratulieren: er hat seine Funktion als politischer Fruststaubsauger wie –entsafter erneut erfüllt. Am nächsten Tag schneiden sich die Demonstrant_innen begeistert die Zeitungsberichte über ihren Protest aus und – gehen eifrig weiter zur Schule, Uni, Arbeit, Altersheim, Familie, fühlen sie sich doch von der scheinbar mächtigen Organisation des DGB ausreichend vertreten. Dass der DGB einerseits im Verbund mit Staat und Unternehmerschaft dauerhaft stabile Bedingungen für das Angebot der Ware Arbeitskraft bereitstellt wie andererseits als Beruhigungsmittel wirkt, sobald sich destabilisierender Widerstand zu regen scheint, ist kein Zufall: Historisch betrachtet hat der Nationalsozialismus in Deutschland jegliches organisierte Klassenbewusstsein liquidiert. Die von ihm bewerkstelligte Versöhnung von Kapital und Arbeit in der Volksgemeinschaft wurde in transformierter Form in die BRD übernommen und auch vom DGB fortgeführt. Das Konzept der Sozialpartnerschaft, wie es immer wieder in den ‚Bündnissen für Arbeit’ u.ä. Schmiermitteln des Standortes ausbuchstabiert wird, schließt die selbstbewusste Durchsetzung proletarischer Interessen aus.

Der vom DGB durchgesetzte Verzicht auf Kritik, Sabotage, Streik sowie auf das Fernziel eines guten Lebens wird erkauft mittels der hierarchisch gestaffelten Partizipation am nationalen Wohlstand (und Gefühlshaushalt, siehe WM) sowie dem moralischen Appell an die Unternehmer_innen, sich weniger ‚egoistisch’ und ‚gierig’ zu zeigen. Diese von ‚Heuschrecken’ und ‚Spekulant_innen’ schwadronierende Pseudomoral richtet sich zwar scheinbar gegen das Kapital, geht jedoch meist in konformem Antisemitismus und Antiamerikanismus auf. Zum Anderen zeigt bekanntlich, wer einen Finger gegen andere richtet, mit vieren auf sich, und so kehrt sich die Rede von ‚Schmarotzern’, die ‚schaffende Arbeit’ und ‚anständige Rente’ verunmöglichten, gegen das Proletariat selbst: Wer beim Kapital gegen ‚Parasitentum’ hetzt, muss sich selbst zu dauernder Produktivität verpflichten. Der DGB als nationales Arbeitskraftkartell perpetuiert so die mythische Fiktion einer ‚ehrlichen Arbeit’ und damit die Gefangenschaft der Menschen in ihren selbst geschmiedeten Ketten, den eisernen Ketten von Lohnarbeit, Staat und Nation. Diese Ideologieproduktion des DGB wie korrelierend seine hierarchische Struktur, die einige wenige Expert_innen mit der Führung von zu bloßen Verwaltungseinheiten degradierten Mitgliedermassen betraut, behindern jede Bewegung hin zur freien Bestimmung der Menschen über ihre Lebensbedingungen. Während etwa die CGT in Frankreich illegalisierte Genoss_innen vor der Polizei versteckt, organisiert(e) die IG Bau rassistische Denunziationskampagnen gegen ‚Schwarzarbeit’, und während die IG Metall mit Lohnverzicht und Arbeitszeitverlängerung den Erhalt einer Fabrik in Berlin erkauft, fackeln in Bangladesh Textilarbeiter_innen aus Protest gegen Niedriglöhne ihre ‚eigenen’ Manufakturen im Dutzendpack ab. So organisieren sich also in anderen Teilen der Welt, wo zumindest ansatzweise das Paradox von wachsender ökonomischer Produktivität und gleichzeitig verallgemeinerter Verelendung reflektiert wird, die Subjekte, welche noch nicht zur Gänze mit der ihnen aufgeherrschten Funktion identisch sind, zumindest temporär, um die ihnen angetanen Leiden zu minimieren, wenn nicht dauerhaft zu über-winden. Dagegen ist der Konservatismus des DGB in Deutschland keine Randerscheinung, sondern Ausdruck hegemonialer Emanzipationsfeindschaft. Verhärtet gegen sich selbst und andere, die zur Strafe für ihre scheinbare Lust und angebliche Unproduktivität der Zwangs-arbeit oder gar der Vernichtung zugeführt werden sollen, rotten sich die Volksgenoss_innen hierzulande im Kollektiv zusammen, vereint im Hass auf die ‚fremden’ Migrant_innen und Jüd_innen. In der Krise besinnen sie sich wieder auf die alten Rezepte. Es gilt darum, alles zu tun, damit die Weltrevolution zugunsten eines Zustandes jenseits von Angst und Schuld dem dritten von Deutschen angezettelten Weltkrieg zuvorkommt!

Communismus statt Brat(wurst)fett – Deutschland frittieren!

* gruppe 8. mai [ffm]
** gruppe8mai[AT]gmx.net
*** http://myblog.de/gruppe8.mai

Editorische Anmerkungen

Der Artikel wurde uns von den AutorInnen am 21.10.2006 zur Veröffentlichung überlassen.