In der feministischen Debatte wurde
die Hausarbeit lange Zeit als die große ›Gleichmacherin‹
betrachtet. Als eine Last, die fast unterschiedslos allen Frauen
durch die patriarchalen Verhältnisse auferlegt würde. Diese
einzigartige Studie zu Hausarbeiterinnen in Europa beleuchtet
demgegenüber die Aspekte von Herkunft und Klassenstellung
innerhalb der häuslichen Unterdrückungsverhältnisse.
Bridget Anderson geht der Frage, wer die Reproduktionsarbeit zu
leisten hat und wann, wie und wo sie zu leisten ist, mit
parteiischem Blick von unten, aus der Sicht der Migrantinnen
nach, denn diese Arbeit reproduziert nicht nur das Leben,
sondern zugleich auch Status, Hierarchie und soziale
Beziehungen.Die Studie
basiert auf eigenen Recherchen der Autorin und nimmt den
rassistischen Zusammenhang bezahlter Hausarbeit im Norden in den
Blick. Ein Phänomen, das die feministische Theoriebildung in
fundamentaler Weise herausfordert.
Bridget Anderson gibt einen umfassenden Einblick in die Lebens-
und Arbeitsverhältnisse von migrantischen Hausarbeiterinnen in
Frankreich, Spanien, Italien, Griechenland, Großbritannien und
Deutschland.
Anhand von Interviews arbeitet
sie die sich entgegenstehenden Interessen der ArbeitgeberInnen
und Hausarbeiterinnen heraus und untersucht die maternalistische
Machtausübung weiblicher Arbeitgeber.
Als Mitarbeiterin von Kalayaan, einer Selbstorganisation von
illegalisierten Hausarbeiterinnen schildert sie deren langen
Kampf in Großbritannien.
Das Buch macht deutlich, dass die Regulierung,
Professionalisierung und Legalisierung der bezahlten Hausarbeit
nichts an der Tatsache ändern wird, dass es sich um existenziell
fremdbestimmte und auf Unterordnung angelegte Arbeit handelt.
Die Macht der ArbeitgeberInnen kann durch Gesetze eingegrenzt
werden, aber sie verschwindet nicht. Entscheidend für
Veränderungen ist nicht die Regulierung der Arbeitsverhältnisse,
sondern die antagonistische Selbstorganisation der
Hausarbeiterinnen.
Das Buch wird ergänzt durch eine Darstellung des europäischen
Netzwerks ›Respect‹ zur Unterstützung von Migrantinnen in der
bezahlten Hausarbeit.
In der
Zeitschrift A&K 506 vom 19.5.2006 schreibt Claudia Liebelt über
"Doing The Dirty Work?":
Das Buch der
britischen Soziologin und Aktivistin Anderson ist eine
eindrucksvolle empirische Arbeit und kapitalismuskritische
Streitschrift über bezahlte Hausarbeit, Feminismus, Migration
und Rassismus in Europa. ... Der theoretische Teil geht unter
verschiedenen thematischen Schwerpunkten auf die
mannigfaltigen Verbindungen von Hausarbeit, Feminismus und
Rassismus ein. ... So reproduzieren wohlhabende
Arbeitgeberinnen in Westeuropa mit der Anstellung einer
migrantischen Hausarbeiterin patriarchale und rassistische
Strukturen eines kapitalistischen Systems, das auf globaler
Arbeitsteilung beruht. Anderson beschreibt, wie migrantische
Hausarbeiterinnen zum „zweiten Selbst“ ihrer Arbeitgeberinnen
werden, indem sie die reproduktiven Tätigkeiten erledigen,
denen diese auf Grund ihrer eigenen Berufstätigkeit nicht mehr
nachkommen können. ... Arbeitgeberinnen, welche die Anstellung
einer Hausarbeiterin oftmals mit dem Argument rechtfertigen,
dieser finanziell zu „helfen“, üben eine personalisierte Macht
über Hausarbeiterinnen aus, die tief in deren „Privatsphäre“
eingreift. ... Überzeugend demontiert Anderson den Mythos der
bezahlten Hausarbeiterin als „Teil der Familie“. ...
Andersons Untersuchung zeigt, dass wissenschaftliche Arbeit,
wenn sie historisch und empirisch vorgeht, parteilich sein
kann, ohne dadurch an analytischer Klarsicht einzubüßen. Sie
liefert Argumente, die in der aktuellen gesellschaftlichen
Debatte über Reproduktionsarbeit wichtig und vonnöten sind.
Sie dokumentiert die Bedeutung der Selbstorganisation von
Migrantinnen, die mit ihren Biografien einmal mehr die
Autonomie von Migration unter Beweis stellen. In einer
Ergänzung der deutschsprachigen Ausgabe werden neuere Debatten
zum Thema – welche die spezifischen Probleme migrantischer
Hausarbeiterinnen entweder als ganz "normale" Arbeitsprobleme
abtun oder diese als Opfer von Menschenhandel viktimisieren –
vorgestellt und kritisch beleuchtet. Der Hoffnung der
Herausgeberinnen, dass von dieser deutschen Übersetzung ein
politischer Impuls ausgeht, der die Unterdrückung von Frauen
in einen Zusammenhang mit einer kapitalismuskritischen Analyse
von rassifizierten Ungleichheiten stellt, kann man sich nur
anschließen.
Editorische Anmerkungen
Anderson, Bridget
Doing The Dirty Work?
Migrantinnen in der bezahlten Hausarbeit in Europa
Aus dem Englischen von G. Deckert
ISBN 3-935936-36-2 | 272 Seiten |
Herausgegeben von Doris Schierbaum und Monika Becker
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