Nach den Kämpfen bei Opel
"Kulturkampf" soll Arbeiterkämpfe ersetzen

Von Max Brym
10/04

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Lange sechs Tage führten die Arbeiter in Bochum eine unbezahlte Informationsveranstaltung durch. Das deutsche Bürgertum begann zu kochen, von illegalem Streik und Chaos war die Rede. Wirtschaftsminister Clement sprach sich deutlich gegen die Aktion der Arbeiter und Arbeiterinnen aus. Der Kampf gegen den Abbau von 10.000 Arbeitsplätzen durch das General Motors Kapital, weckte auf Seiten der Bourgeoisie die schlimmsten Befürchtungen. In der Sendung von „Sabine Christiansen“ am 17.10.04 warnte der bundesdeutsche Wirtschaftsminister vor „einer Verallgemeinerung dieser Protestform“. In der Tat, Arbeitsplatzvernichtung, Druck auf die Löhne und unbezahlte Mehrarbeit stehen in einem konzentrierten Klassenkrieg von oben auf der Tagesordnung. In Zeiten härter werdender Konkurrenz aufgrund enger gewordener Märkte (weltweiter Kaufkraftverlust), geht es dem Kapital darum, die tendenziell fallende Profitrate durch erhöhte Ausbeutung zu kompensieren. Arbeiterkämpfe stören dieses Szenario erheblich. Daher werden sie intensiv bekämpft, verleumdet und kriminalisiert. Dabei ist die „Nationalität“ oder das private Gedankengut diverser Charaktermasken des Kapitals absolut gleichgültig. Kapital ist Wert, das Mittels der Ausbeutung der Ware Arbeitskraft nach maximaler Verwertung strebt. Unter der Peitsche der Konkurrenz, muß das Kapital den Druck auf die Arbeiter erhöhen und die gesamte Gesellschaft in materielle und ideologische Geiselhaft nehmen. Der Profit soll trotz der Tatsache, dass die Produzenten nicht mehr in der Lage sind, die von ihnen produzierten Produkte zu konsumieren, realisiert werden. Die Überproduktionskrise in der Automobilindustrie, in Verbund mit mangelnder Kapazitätsauslastung, wird nach unten abgewälzt. Als Mittel dienen Personalabbau, Reduzierung der Löhne und unbezahlte Mehrarbeit in den schlanker gemachten Betrieben. Vereinzelt sind noch alt- sozialdemokratische Ratschläge vernehmbar, die dem Kapital imponieren wollen, indem sie „auch im Interesse der Unternehmer“ die Binnennachfrage stärken möchten. Solche Hinweise werden von der Bourgeoisie kalt ignoriert. Zurecht geht das Kapital davon aus, dass Profit in der Produktion entsteht und der Markt lediglich die Funktion hat, zu zeigen, ob der produzierte Mehrwert realisiert werden kann. Jeder sozialpartnerschaftliche Appell an die Vernunft der Unternehmer ist zwecklos. Am deutlichsten mußte dies Oskar Lafontaine erfahren. Anläßlich seiner Rede auf der Montagsdemonstration in Leipzig gebrauchte er einige Formulierungen und Forderungen, die im Interesse der Unterdrückten und Beleidigten liegen. Da Lafontaine die Leute auch noch aufforderte, für wirkliche Reformen statt Konterreformen zu kämpfen, verdarb es sich dieser Sozialdemokrat endgültig mit der Bourgeoisie. Dennoch ist es für die Bourgeoisie wichtig, die den sozialen Frieden aufgekündigt hat, bei spontanen Widerstandsaktionen der Arbeiter, über eine funktionierende sozialdemokratische Agentur innerhalb der Arbeiterbewegung zu verfügen. Die Arbeiter bei Opel in Bochum wurden von der sozialdemokratischen Gewerkschaftsführung schamlos hintergangen, betrogen und im Regen stehen gelassen. Während der Infoveranstaltung bei Opel gab es keinerlei organisierte Solidarität durch die IG Metall. Weder wurden Geldsammlungen zugunsten der Kollegen in Bochum durch die Gewerkschaftsbürokratie organisiert, noch Betriebsversammlungen oder Informationsveranstaltungen in anderen Betrieben angeregt. Solidarität wurde von unten auf die Beine gestellt. Nur am Dienstag, den 19.10. propagierte die gewerkschaftliche Leitung einen „Europaweiten Aktionstag“ in oder vor den Opel- Werken. An diesem Tag spuckte der Opel Betriebsratsfürst Franz in Rüsselsheim große Töne, er sagte, „ kämpfen und verhandeln, verhandeln und kämpfen“. Am Mittwoch wurde den Kollegen in Bochum gezeigt, was die Bürokratie unter kämpfen versteht. Den Kollegen wurde eine Abstimmung aufgezwungen, die Frage lautete: „Soll der Betriebsrat die Verhandlungen mit der Geschäftsführung weiterführen und die Arbeit wieder aufgenommen werden“. Die Frage konnte nur mit ja oder nein beantwortet werden. Wenn unter diesen Umständen mehr als ein Drittel der Arbeiter mit nein stimmte, so zeigt das ein ziemlich starkes Bewußtsein innerhalb der Bochumer Arbeitervorhut. Gegen Sie stand Regierung und Kapital, die bürgerlichen Medien sowie die eigene Organisation. Der Streik wurde beendet, als er dem Kapital richtig weh tat. Ab Dienstag, den 19. Oktober konnte in den Opel Niederlassungen in Rüsselsheim und Holland aufgrund fehlender Zulieferungen nicht mehr weitergearbeitet werden. Die bürgerliche Presse sprach von 30 Millionen Euro Verlust für General Motors pro Tag. Wer in einer solchen Situation den Kampf negiert, handelt verantwortungslos und nützt der Kapitalstrategie. Bereits am Mittwoch Abend verkündete das Opel Management in Rüsselsheim, die Nachtsicht zu streichen und die „Entwicklungsabteilungen“ zu reduzieren. Es gibt keine Standortgarantie durch die Geschäftsleitung, keine Rücknahme des Arbeitsplatzvernichtungsprogrammes. Aber Herr Peters ( IG-Metall Vorsitzender) wähnt sich wieder im Spiel und spricht von „sozialer Verantwortung“, die es in „harten Verhandlungen“ durchzusetzen gelte (SZ-21.10.04). In Wahrheit leistet die Gewerkschaftsbürokratie Beihilfe zum „Arbeitsplatzvernichtungsprogramm. Der Ehrgeiz der Bürokraten erschöpft sich in der Haltung, die Sache „sozialverträglich“ mit zu gestalten. Dennoch wird starker Tabak unters Volk geworfen. Bereits während des Streiks wurde durch viele gewerkschaftliche Funktionäre ein irreführender arbeiterfeindlicher „Antikapitalismus“ propagiert. Es war die Rede von „amerikanischen Methoden“, gegen die man „sich wehren müsse“ oder „das ist finsterster amerikanischer Imperialismus“ klagte ein Opel Betriebsrat. Ob in seinem Wortschatz der deutsche finstere Imperialismus vorkommt, darf getrost bezweifelt werden. In der laufenden Auseinandersetzung mit VW, wird es wohl kaum solche verbalen Kampfansagen gegen das deutsche Kapital geben. Der VW Personalchef Peter Hartz ist schließlich ein allseits bekannter Vorkämpfer für den Standort Deutschland. Kämpfen wird die Bürokratie weder bei General Motors noch bei VW, es sei denn, sie wird von unten dazu gezwungen. Aber „antiamerikanischer Antikapitalismus“ ist innerhalb der Gewerkschaftsbürokratie salonfähig er deckt sich mit den Interessen des deutschen Kapitals gegen den Hauptkonkurrenten auf dem Weltmarkt. Klassenbewußtsein wird auf nationalistische Art ertränkt und dem Kapital zur Seite gesprungen. Statt internationalistischen Klassenkampf zu propagieren, macht sich die Arbeiterbürokratie mit dem Bürgertum im „Kulturkampf“ gegen Amerika gemein.

„Unverträgliche Kulturen“

Diese Überschrift hatte ein Artikel in der SZ vom 22. Oktober. Darunter wurde festgestellt: „Amerikanische Manager verstehen Europa zu wenig“. Auch die Bild Zeitung ist besorgt, sie titelte, „Warum reden die Amerikaner über unseren Opel so schlecht?“. Der Stern druckte ein Titelbild, auf dem ein Westernstiefel ein aus Menschen gebildetes Opel Zeichen zertritt (Methode Wildwest). Norbert Blüm, vormals CDU Arbeitsminister und in grauer Vorzeit Werkzeugmacher bei Opel, beklagte sich. Blüm meinte: „Die Krise bei Opel macht deutlich, wie wenig deutsche und amerikanische Management- Kultur zusammenpassen“. Die Schuld an der kapitalistischen Misere hat demzufolge ein falsches Management, bevorzugt ein amerikanisches. Das ist auch der Kern des Gesülzes von Clement und Schröder, die gegen die Arbeiteraktion bei Opel in Bochum waren, aber jetzt die Gespräche mit dem Management in den USA zur „Chefsache“ erklären. Diese Verhandlungen werden scheitern, aber nicht das Instrument, die kapitalistischen Verwerfungen auf die USA zurückzuführen. Diese Erklärung bietet mehrere Vorteile, nicht mehr das schnöde kapitalistische Streben nach Maximalprofit (unabhängig von der Nationalität), soll im Fokus der Kritik stehen, sondern der amerikanische Manager. Gegen ihn wird der Standort Deutschland gesetzt, dieser erfordert von den Menschen, dem „Sozialklimbim“ abzuschwören. Der deutsche Manager Hartz ist demzufolge ein „Patriot“, der Deutschland in die Lage versetzt, gegen den amerikanischen Bösewicht anzutreten. Deshalb muß das Armutsprogramm der Regierung Schröder geschluckt werden, das normale kapitalistische Verwertungsinteresse hat der Arbeiter im Interesse der Nation zu schlucken. „Antikapitalismus“ gibt es nur gegen amerikanische Manager, ohne dass die Arbeiter dabei selbst zu handeln haben. Die bürgerliche Meute versucht den Arbeiterkampf bei Opel nationalistisch zu instrumentalisieren, um jeden Arbeiterkampf zu liquidieren und jeden sauberen Gedanken über die kapitalistische Weltrealität zu unterdrücken.

Editorische Anmerkungen

Max Brym stellte uns diesen Artikel am 23.10.2004 zur Veröffentlichung zur Verfügung. Er lebt als freier Journalist in München.