Widerspruch zwischen der Grundlage der bürgerlichen Produktion (Wertmaß) und ihrer Entwicklung selbst.
Maschinen etc.

von Karl Marx
10/04

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Der Austausch von lebendiger Arbeit gegen vergegenständ­lichte, d. h. das Setzen der gesellschaftlichen Arbeit in der Form des Gegensatzes von Kapital und Lohnarbeit - ist die letzte Ent­wicklung des Wertverhältnisses und der auf dem Wert beruhenden Produktion. Ihre Voraussetzung ist und bleibt - die Masse unmittelbarer Arbeitszeit, das Quantum angewandter Arbeit als der entscheidende Faktor der Produktion des Reichtums. In dem Maße aber, wie die große Industrie sich entwickelt, wird die Schöpfung des wirklichen Reichtums abhängig weniger von der Arbeitszeit und dem Quantum angewandter Arbeit, als von der Macht der Agentien, die während der Arbeitszeit in Bewegung gesetzt werden und die selbst wieder - deren powerful effectiveness - selbst wieder in keinem Verhältnis steht zur unmittelbaren Arbeitszeit, die ihre Produktion kostet, sondern vielmehr abhängt vom allgemeinen Stand der Wissenschaft und dem Fortschritt der Technologie, oder der Anwendung dieser Wissenschaft auf die Produktion. (Die Entwicklung dieser Wissenschaft, besonders der Naturwissenschaft, und mit ihr aller andren, steht selbst wieder im Verhältnis zur Entwicklung der materiellen Produktion.) Die Agrikultur z. B. wird bloße Anwendung der Wissenschaft des ma­teriellen Stoffwechsels, wie er am vorteilhaftesten zu regulieren für den ganzen Gesellschaftskörper. Der wirkliche Reichtum manifestiert sich vielmehr - und dies enthüllt die große Industrie - im ungeheuren - Mißverhältnis zwischen der angewandten Arbeitszeit und ihrem Produkt, wie ebenso im qualitativen Miß­verhältnis zwischen der auf eine reine Abstraktion reduzierten Arbeit und der Gewalt des Produktionsprozesses, den sie bewacht. Die Arbeit erscheint nicht mehr so sehr als in den Produktions­prozeß eingeschlossen, als sich der Mensch vielmehr als Wächter und Regulator zum Produktionsprozeß selbst verhält. (Was von der Maschinerie, gilt ebenso von der Kombination der mensch­lichen Tätigkeiten und der Entwicklung des menschlichen Ver­kehrs.) Es ist nicht mehr der Arbeiter, der modifizierten Natur­gegenstand als Mittelglied zwischen das Objekt und sich ein­schiebt; sondern den Naturprozeß, den er in einen indu­striellen umwandelt, schiebt er als Mittel zwischen sich und die unorganische Natur, deren er sich bemeistert. Er tritt neben den Produktionsprozeß, statt sein Hauptagent zu sein. In dieser Umwandlung ist es weder die unmittelbare Arbeit, die der Mensch selbst verrichtet, noch die Zeit, die er arbeitet, sondern die Aneignung seiner eignen allgemeinen Produktivkraft, sein Verständnis der Natur und die Beherrschung derselben durch sein Dasein als Gesellschaftskörper - in einem Wort die Entwick­lung des gesellschaftlichen Individuums, die als der große Grundpfeiler der Produktion und des Reichtums erscheint. Der Diebstahl an fremder Arbeitszeit, worauf der jetzige Reichtum beruht, erscheint miserable Grundlage gegen diese neu entwickelte, durch die große Industrie selbst ge­schaffne. Sobald die Arbeit in unmittelbarer Form aufgehört hat, die große Quelle des Reichtums zu sein, hört und muß aufhören die Arbeitszeit sein Maß zu sein und daher der Tauschwert [das Maß] des Gebrauchswerts. Die Surplusarbeit der Masse hat aufgehört Bedingung für die Entwicklung des allgemeinen Reichtums zu sein, ebenso wie die Nichtarbeit der Wenigen für die Entwicklung der allgemeinen Mächte des menschlichen Kopfes. Damit bricht die auf dem Tauschwert ruhnde Produktion zusammen, und der unmittelbare materielle Produk­tionsprozeß erhält selbst die Form der Notdürftigkeit und Gegen­sätzlichkeit abgestreift. Die freie Entwicklung der Individuali­täten, und daher nicht das Reduzieren der notwendigen Arbeitszeit um Surplusarbeit zu setzen, sondern überhaupt die Reduktion der notwendigen Arbeit der Gesellschaft zu einem Minimum, der dann die künstlerische, wissenschaftliche etc. Ausbildung der In­dividuen durch die für sie alle freigewordne Zeit und geschaffnen Mittel entspricht. Das Kapital ist selbst der prozessierende Wider­spruch [dadurch], daß es die Arbeitszeit auf ein Minimum zu reduzieren stört, während es andrerseits die Arbeitszeit als ein­ziges Maß und Quelle des Reichtums setzt. Es vermindert die Arbeitszeit daher in der Form der notwendigen, um sie zu ver­mehren in der Form der überflüssigen; setzt daher die überflüssige in wachsendem Maß als Bedingung - question de vie et de mort - für die notwendige. Nach der einen Seite hin ruft es also alle Mächte der Wissenschaft und der Natur, wie der gesellschaftlichen Kombination und des gesellschaftlichen Verkehrs ins Leben, um die Schöpfung des Reichtums unabhängig (relativ) zu machen von der auf sie angewandten Arbeitszeit. Nach der andren Seite will es diese so geschaffnen riesigen Gesellschaftskräfte messen an der Arbeitszeit, und sie einbannen in die Grenzen, die erheischt sind, um den schon geschaffnen Wert als Wert zu erhalten. Die Produktivkräfte und gesellschaftlichen Beziehungen - beides verschiedne Seiten der Entwicklung des gesellschaftlichen Individuums - erscheinen dem Kapital nur als Mittel, und sind für es nur Mittel, um von seiner bornierten Grundlage aus zu produzie­ren. In fact aber sind sie die materiellen Bedingungen, um sie in die Luft zu sprengen. „Wahrhaft reich eine Nation, wenn statt 12 Stunden 6 gearbeitet werden. Wealth ist nicht Kommando von Surplusarbeitszeit" (realer Reichtum), „sondern disposable time außer der in der unmittelbaren Produktion gebrauchten für jedes Individuum und die ganze Gesell­schaft." [„The Source and Remedy" etc. 1821, p. 6.]

Die Natur baut keine Maschinen, keine Lokomotiven, Eisen­bahnen, electric telegraphs, selfacting mules etc. Sie sind Pro­dukte der menschlichen Industrie; natürliches Material, verwan­delt in Organe des menschlichen Willens über die Natur oder sei­ner Betätigung in der Natur. Sie sind von der menschli­chen Hand geschaffne Organe des menschlichen Hirns; vergegenständlichte Wissenskraft. Die Entwicklung des capital fixe zeigt an, bis zu welchem Grade das allgemeine gesell­schaftliche Wissen, knowledge, zur unmittelbaren Produktivkraft geworden ist, und daher die Bedingungen des gesellschaftlichen Lebensprozesses selbst unter die Kontrolle des general intellect gekommen, und ihm gemäß umgeschaffen sind. Bis zu welchem Grade die gesellschaftlichen Produktivkräfte produziert sind, nicht nur in der Form des Wissens, sondern als unmittelbare Organe der gesellschaftlichen Praxis; des realen Lebensprozesses.

Editorische Anmerkungen

Dies ist ein Textauszug aus GRUNDRISSE der Kritik der Politischen Ökonomie (Rohentwurf 1857 - 1858), Kapitel III: Das Kapitel vom Kapital, Zweiter Abschnitt: Der Zirkulationsprozess des Kapitals, S. 592f, Berlin 1953,

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