I.
Genossen, ich habe
als Thema meines Vertrages die abstrakte Arbeit und den Wert aus folgenden zwei
Gründen gewählt: Erstens ist, soviel ich weiß, in Euren Seminaren heftig über
die Frage der abstrakten Arbeit, über die Form und den Inhalt des Wertes
diskutiert worden. Deshalb beschloß ich auch meinen Vortrag so zu gliedern, daß
ich eingehender das Problem der abstrakten Arbeit behandeln, aber gleichzeitig
auch die Frage des Wertes, seine Form und seinen Inhalt erfassen werde.
Der zweite Grund,
der mich dazu veranlaßte, dieses Thema zu wählen, ist der, daß dies das
Hauptproblem der ganzen Marxschen Theorie ist. Nennen wir doch nicht umsonst
diese Theorie die Arbeitswerttheorie. Schon die Bezeichnung allein zeigt, daß
das Hauptproblem dieser Theorie die Frage über den wechselseitigen Zusammenhang
zwischen Arbeit und Wert ist. Was ist die Arbeit, die den Wert erzeugt oder
bestimmt, und was ist der Wert, der durch die Arbeit erzeugt oder bestimmt wird?
Das ist das Hauptproblem der Marxschen Theorie, das ich in meinem Vortrag
beleuchten will.
Ehe wir zum
Wesentlichen der Frage übergehen, möchte ich einige methodologische Bemerkungen
machen. Mit welcher Methode wollen wir an die Lösung dieses Problems herangehen?
Marx bemerkte in seiner "Einleitung zu einer Kritik der Politischen Ökonomie" (l
a), daß man eine ökonomische Untersuchung nach zwei Methoden durchführen kann:
nach der Methode des Überganges vom Konkreten zum Abstrakten und nach der
umgekehrten Methode der Bewegung vom Abstrakten zum Konkreten.
Die erste, die
analytische Methode, besteht darin, daß wir als Ausgangspunkt der Untersuchung
eine komplizierte konkrete Erscheinung hernehmen, und indem wir die Vielzahl
ihrer Merkmale beiseite lassen, nur ein einzelnes oder einige ihrer wichtigsten
Merkmale auswählen, und so vom konkreteren Begriff zum abstrakteren übergehen,
zum ärmeren, zum dürftigeren, wie Marx sagt. Mittels einer weiteren Analyse
gehen wir von diesem Begriff zu einem noch ärmeren über, solange bis wir die
abstraktesten Begriffe in der bestimmten Wissenschaft oder eines bestimmten
Fragenkomplexes, der uns interessiert, erreicht haben.
Um nur ein
Beispiel zur Illustration jenes Fragenkomplexes anzuführen, mit dem wir es immer
zu tun haben, möchte ich euch an jenen wechselseitigen Zusammenhang der
folgenden Begriffe erinnern. Die Marxsche Werttheorie baut auf folgende Begriffe
auf: die abstrakte Arbeit, der Wert, der Tauschwert und das Geld. Wenn wir den
kompliziertesten und den konkretesten Aspekt dieser Begriffe hernehmen, das
Geld, und vermittels der Untersuchung des Begriffes Geld dann zum Tauschwert
übergehen, als zu dem allgemeineren Begriff, der dem Geld zugrundeliegt; wenn
wir dann vom Tauschwert zum Wert übergehen, und vom Wert zur abstrakten Arbeit,
so bewegen wir uns vom konkreteren zum abstrakteren Begriff, d.h. wir verfahren
nach der analytischen Methode.
Aber, sagt Marx,
die analytische Methode, bei aller Notwendigkeit ihrer Anwendung im ersten
Stadium der wissenschaftlichen Untersuchung, kann uns als solche nicht
befriedigen. und muß durch eine andere Methode ergänzt werden. Nachdem wir mit
Hilfe der Analyse die komplizierte Erscheinung auf ihre grundlegenden
Bestandteile zurückgeführt haben. müssen wir jetzt den umgekehrten Weg gehen und
ausgehend von den abstraktesten Begriffen zeigen, wie diese uns durch ihre
Entwicklung zu konkreteren Formen, zu konkreteren Begriffen führen. Dieser Weg
einer Vorwärtsbewegung des Gedankens von dürftigeren Begriffen zu volleren und
komplizierteren wäre in unserem Fall die Bewegung von der abstrakten Arbeit zum
Wert, vom Wert zum Tauschwert und vom Tauschwert zum Geld.
Diese Methode
nennt Marx an einer Stelle die genetische, weil wir mit Hilfe dieser
Methode die Genesis und Entwicklung von komplizierteren Formen verfolgen. An
anderer Stelle nennt er seine Methode die dialektische. Auch wir wollen uns
darauf einigen, die erste Methode als analytische zu bezeichnen, die zweite aber
(die sowohl die analytische wie auch die synthetische Methode in sich
einschließt) als dialektische.
Marx weist darauf
hin, daß er die dialektische für die einzige Methode hält, die wissenschaftliche
Fragen befriedigend löst. In Übereinstimmung damit müssen wir das für uns
interessante Problem, die Frage über den Zusammenhang zwischen Arbeit und Wert,
nicht nur mit Hilfe der analytischen Methode einer Untersuchung unterziehen,
sondern auch mit Hilfe der dialektischen.
Marx zeigt uns
anhand von vielen Beispielen, inwiefern die analytische Methode unzureichend
ist. Ich möchte hier drei Beispiele anführen.
Was die
Werttheorie betrifft, so sagt Marx: "Die politische Ökonomie hat nun zwar, wenn
auch unvollkommen Wert und Wertgröße analysiert und den in diesen Formen
versteckten Inhalt entdeckt. Sie hat niemals auch nur die Frage gestellt, warum
dieser Inhalt jene Form annimmt, warum sich also die Arbeit im Wert und das Maß
der Arbeit durch ihre Zeitdauer in der Wertgröße des Arbeitsprodukts darstellt?"
(2)
An anderer
Stelle, die der Geldtheorie gewidmet ist, sagt Marx: "Wenn es schon in den
letzten Dezennien des
17. Jahrhunderts
weit überschrittener Anfang der Geldanalyse, zu wissen, daß Geld Ware ist, so
aber auch nur der Anfang. Die Schwierigkeit liegt nicht darin zu begreifen, daß
Geld Ware. sondern wie, warum, wodurch Ware Geld ist."
(3) Hier, wie wir
sehen, unterscheidet sich die dialektische Methode wieder von der analytischen.
Und
schließlich, wiederholt Marx an noch einer anderen Stelle, wo er über die
Religion spricht, den von ihm ausgesprochenen Gedanken, daß es natürlich viel
leichter ist vermittels Analyse den Kern der seltsamen religiösen Vorstellungen
zu finden, als umgekehrt aus den gegebenen Verhältnissen des wirklichen Lebens
die ihnen entsprechenden religiösen Formen zu entwickeln. Die letztere Methode
ist die einzig materialistische und folglich auch die einzig wissenschaftliche.
(4)
Entsprechend
diesen Hinweisen von Marx müssen wir unser Problem folgendermaßen lösen. Unsere
Aufgabe besteht nicht nur darin, zu zeigen, daß der Wert eines Produktes auf die
Arbeit zurückgeführt werden kann. Wir müssen auch den umgekehrten Aspekt zeigen.
Wir müssen aufdecken, wie die Arbeitsverhältnisse der Menschen ihren Ausdruck im
Wert finden.
Eben dies ist die
grundlegende Problemstellung, die in methodologischer Hinsicht vom Marxschen
Standpunkt aus als die korrekteste zu betrachten ist.
Wenn wir die Frage so stellen, nehmen wir als
Ausgangspunkt der Untersuchung den Begriff der Arbeit und nicht den Begriff des
Wertes. Wir bestimmen den Begriff der Arbeit so, daß aus ihm auch der Begriff
des Wertes hervorgeht.
Diese methodologische Forderung gibt uns schon
einige Hinweise bezüglich der richtigen Definition des Begriffes der Arbeit.
Der
Arbeitsbegriff muß von uns so bestimmt werden, daß in ihm schon alle Merkmale
der sozialen Organisation der Arbeit enthalten sind, Merkmale, aus denen die
Form des Wertes hervorgeht, die den Arbeitsprodukten zueigen ist. Ein
Arbeitsbegriff, aus dem der Wertbegriff nicht hervorgeht, und insbesondere ein
Arbeitsbegriff im physiologischen Sinn, d.h. der Begriff der Arbeit, der aller
Merkmale entbehrt, die für ihre soziale Organisation in einer Warenproduktion
charakteristisch sind, kann nicht zu jenem Schluß führen, der uns vom Marxschen
Standpunkt der dialektischen Methode aus vorschwebt.
Im weiteren werde ich mich bemühen, zu zeigen,
daß die Differenz in der Auffassung zwischen dem soziologischen und dem
physiologischen Verständnis von der abstrakten Arbeit teilweise auf eben den
Unterschied zwischen diesen beiden Methoden, der dialektischen und der
analytischen, zurückgeführt werden kann. Wenn sich vom Standpunkt der
analytischen Methode noch mit mehr oder weniger Erfolg die physiologische
Auffassung der abstrakten Arbeit behaupten kann, so ist sie vom Standpunkt der
dialektischen von vornherein zum Scheitern verurteilt, da man aus dem
Arbeitsbegriff im physiologischen Sinn keinerlei Vorstellung vom Wert als der
notwendigen sozialen Form des Arbeitsprodukte erhalten kann.
Und so müssen wir die Arbeit so bestimmen, daß
aus ihr, aus der Arbeit und ihrer sozialen Organisation, für uns die ganze
Notwendigkeit des Wertes verständlich wird, des Wertes als grundlegender
sozialer Form, die die Arbeitsprodukte in einer Warenproduktion annehmen; und
daß uns weiter auch die Bewegungsgesetze des Wertes verständlich
werden.
Wenn wir nun zur Analyse der Arbeit übergehen,
werden wir vor allem mit dem einfachsten Begriff anfangen, mit dem Begriff der
konkreten oder nützlichen Arbeit.
Die konkrete Arbeit wird von Marx als Arbeit in
ihrer nützlichen Tätigkeit angesehen, als Arbeit, die Produkte erzeugt, die zur
Befriedigung menschlicher Bedürfnisse notwendig sind. Arbeit, die von dieser
materiell technischen Seite betrachtet wird, stellt die konkrete Arbeit dar.
Es ist selbstverständlich, daß uns die konkrete
Arbeit nicht im geringsten interessiert, solange man von einem Einzelindividuum
spricht, von Robinson, der der Natur widersteht, da der Gegenstand unserer
Wissenschaft nicht die Produktion eines Einzelindividuums ist, sondern die
gesellschaftliche Produktion, die Produktion einer ganzen Personengruppe, die
auf der Grundlage einer bestimmten gesellschaftlichen Teilung der Arbeit
organisiert ist. Das System der gesellschaftlichen Teilung der Arbeit ist die
Gesamtheit der verschiedenen konkreten Arbeitsarten, die in einem bestimmten
System vereint sind und materiell einander ergänzen.
Und so sind wir von der konkreten Arbeit
überhaupt zum System der gesellschaftlichen Teilung der Arbeit, als Gesamtheit
der verschiedenen konkreten Arbeitsarten, übergegangen.
Wir müssen auf den Begriff der
gesellschaftlichen Teilung der Arbeit etwas näher eingehen, da er eine
Hauptrolle für das Verständnis der ganzen Marxschen Werttheorie spielt.
Marx sagt, daß das System der
gesellschaftlichen Teilung der Arbeit in zweifacher Form
- wie er es nennt
- auftreten kann,
als System, das durch den Austausch vermittelt wird, und als System, das einer
solchen Vermittlung nicht bedarf, z.B. die Naturalwirtschaft einer großen Sippe,
einer sozialistischen Gemeinschaft usw.
Wir wollen uns zuerst das System der
organisierten gesellschaftlichen Teilung der Arbeit näher ansehen, das sich ohne
Hilfe des Austauschs gebildet hat.
Solange man vom organisierten
System, der gesellschaftlichen Teilung der Arbeit spricht, haben wir nicht nur
konkrete, materiell technische Arbeit vor uns, sondern auch schon
gesellschaftliche Arbeit. Bei Marx ist der Begriff der gesellschaftlichen
Teilung der Arbeit an der Grenze zwischen dem Begriff der konkreten nützlichen
und der gesellschaftlichen Arbeit in einer gesellschaftlichen Produktion.
Einerseits untersucht Marx ganz am Anfang des Abschnitts über den
Doppelcharakter der Arbeit
(5) die
gesellschaftliche Teilung der
Arbeit als Gesamtheit der konkreten Arbeitsarten. An anderer
Stelle in seinem Buch, insbesondere im Kapitel über die Manufaktur
(6) untersucht er
das System der gesellschaftlichen Arbeitsteilung vom Standpunkt der menschlichen
Produktionsverhältnisse aus, die dieses System charakterisieren. In einer
organisierten Produktion sind die Verhältnisse der Menschen relativ einfach und
durchsichtig. Die Arbeit erhält eine unmittelbar gesellschaftliche Form, d.h. es
existiert eine bestimmte gesellschaftliche Organisation und bestimmte
gesellschaftliche Organe, die die Arbeit zwischen den einzelnen Mitgliedern der
Gesellschaft aufteilen, wobei die Arbeit jeder Person unmittelbar in die
gesellschaftliche Produktion eingeht als konkrete Arbeit mit allen ihren
konkreten materiellen Charakteristiken. Die Arbeit jeder Person ist eben deshalb
eine gesellschaftliche, weil sie sich von der Arbeit der anderen Mitglieder der
Gesellschaft unterscheidet und eine materielle Ergänzung zu ihnen darstellt. Die
Arbeit in ihrer konkreten Form ist eine unmittelbar gesellschaftliche.
Gleichzeitig damit ist sie auch eine geteilte. Denn die gesellschaftliche
Organisation der Arbeit besteht ja darin, daß die Arbeit zwischen den einzelnen
Mitgliedern der Gesellschaft aufgeteilt wird, und daß umgekehrt die Teilung der
Arbeit ein Akt irgendeines gesellschaftlichen Organs ist. Die Arbeit ist
gleichzeitig gesellschaftliche und geteilte, wobei sie diese Merkmale auch in
ihrer materiell technischen, konkreten oder nützlichen Form besitzt.
Stellen wir uns nun folgende Frage: Ist die
Arbeit in einer organisierten Gemeinschaft auch eine sozial gleichgesetzte?
Finden wir in einer solchen Gemeinschaft einen sozialen Prozeß, den man als
sozialen Gleichsetzungsprozeß der Arbeit bezeichnen könnte?
Was dieses Problem betrifft, so gibt es
verschiedene Ansichten. Einige Ökonomen behaupten, daß in jeder beliebigen
Produktionsgemeinschaft, die auf Arbeitsteilung beruht, schon immer eine solche
soziale Gleichsetzung der Arbeit existierte. Eben in jener Form, die sich ihrem
Wesen nach von der Gleichsetzung der Arbeit in einer Warenproduktion nicht
unterscheidet.
Gegenteiliger Ansicht sind einige Ökonomen, die
sagen, daß der Prozeß der sozialen Gleichsetzung der Arbeit ein Prozeß ist, der
nur einer Warenproduktion zueigen ist und in keiner anderen Produktionsform
stattfindet. Im einzelnen verneinen diese Ökonomen die Möglichkeit und
Notwendigkeit für eine soziale Gleichsetzung der Arbeit in einer sozialistischen Produktion.
Ich habe in meinem Buch einen
Mittelweg vorgeschlagen. Ich wies darauf hin, daß jegliche Produktion, die auf
Arbeitsteilung beruht, bis zu einem, gewissen Grade und in der einen oder
anderen Form zur sozialen Gleichsetzung der Arbeit von verschiedener Form und
von verschiedenen Individuen greift. Im Zusammenhang damit wies ich auch darauf
hin, daß diese Gleichsetzung der Arbeit in einer Warenproduktion eine ganz
besondere soziale Form annimmt, und deshalb der Erscheinung einer ganz neuen
Kategorie, der abstrakten Arbeit, Platz macht. Ich glaube, daß Marx diese Frage
ebenso betrachtete, obwohl wir keine klare Äußerung von ihm zu diesem Thema
haben. Ich kenne eine ganz klare Äußerung von Marx, die noch aus der ersten
Ausgabe des "Kapitals" stammt. Dort sagt er: "In jeder gesellschaftlichen
Arbeitsform sind die Arbeiten der verschiedenen Individuen auch als menschliche
aufeinander bezogen, aber hier gilt diese Beziehung selbst als die
spezifisch gesellschaftliche Form der Arbeiten."
(7)
Das Ende dieses Satzes werden wir später
analysieren. Einstweilen will ich nur festhalten, daß offensichtlich nach der
Ansicht von Marx, in jeder gesellschaftlichen Form der Arbeit, die Arbeit
einzelner Individuen als menschliche Arbeit aufeinander bezogen ist. Es ist
richtig, daß extreme Anhänger der physiologischen Version behaupten könnten, daß
Marx hier nur die physiologische Gleichheit der verschiedenen Arbeiten meinte.
Aber eine solche Interpretation scheint mir zu sehr an den Haaren herbeigezogen.
Sowohl der eigentliche Sinn des bestimmten Satzes, der von der
"gesellschaftlichen Form der Arbeit" spricht, wie auch sein Bezug zu vielen
anderen Stellen im "Kapital" zeigen, daß Marx hier den Prozeß der sozialen
Gleichsetzung der Arbeit meinte.
Ich halte es für notwendig, in die angeführte
Formel, laut der in jeder beliebigen gesellschaftlichen Produktionsform eine
soziale Gleichsetzung der Arbeit stattfindet, eine gewisse Einschränkung
einzuführen.
Ich glaube, daß, sagen wir, in der Urfamilie, wo
die Arbeit zwischen Mann und Frau aufgeteilt und an die Vertreter jedes
Geschlechts gebunden war, wobei kein Übergang von den männlichen Arbeiten zu den
weiblichen existierte und sogar verboten war, der Prozeß der sozialen
Gleichsetzung der Arbeit nicht stattfinden konnte, noch nicht einmal in seiner
embryonalen Form. Außerdem konnte in solchen gesellschaftlichen Organisationen,
die auf extremer Ungleichheit der verschiedenen sozialen Schichten basierten
(z.B. Sklaverei), die soziale Gleichsetzung der Arbeit nur für die Mitglieder
einer bestimmten sozialen Gruppe stattfinden (z.B. für Sklaven oder für eine
bestimmte Kategorie von Sklaven). In einer solchen Gesellschaft konnte sogar der
Begriff der Arbeit als solcher, als gesellschaftliche Funktion nicht erarbeitet
werden.
Wenn wir also die soziale
Organisation beiseite lassen, die auf extremer Ungleichheit der Geschlechter
oder einzelner Gruppen beruhte
- und hier von
einer großen Gemeinschaft mit aufgeteilter Arbeit sprechen, z.B. von der Art der
großen Familienverbände bei den Südslaven
- glaube ich, daß
hier der Prozeß der sozialen Angleichung der Arbeit notwendig war. Um so eher
wird ein solcher Prozeß in einer großen sozialistischen Gemeinschaft notwendig.
Aber der Prozeß dieser Gleichsetzung der Arbeit unterscheidet sich in einer
organisierten Gemeinschaft wesentlich von jenem, der in einer Warenproduktion
vor sich geht. Stellen wir uns wirklich irgendeine sozialistische Gemeinschaft
vor, wo die Arbeit zwischen den Mitgliedern der Gesellschaft aufgeteilt wurde.
Ein bestimmtes gesellschaftliches Organ setzt die Arbeit von verschiedener Art
und von verschiedenen Individuen einander gleich, da ohne dieses Organ kein
einziger Wirtschaftsplan verwirklicht werden könnte. Aber in einer solchen
Gemeinschaft ist der Prozeß der Gleichsetzung der Arbeit sekundär und nur
ergänzend zum Prozeß der Vergesellschaftung und Teilung der Arbeit. Die Arbeit
ist hauptsächlich eine gesellschaftliche und eine geteilte. Als abgeleitetes
oder ergänzendes Merkmal gehört auch das Merkmal der sozial gleichgesetzten
Arbeit hierher. Die Hauptcharakteristik der Arbeit ist ihr gesellschaftlicher
und geteilter Aspekt, und ein zusätzliches Merkmal ist ihr sozial
gleichgesetzter Aspekt.
Ich möchte hier gleich die Gelegenheit benutzen,
und sagen, daß ich es für nützlich halten würde, im Sinne einer klaren
Diskussion der für uns interessanten Fragen folgende drei Begriffe der gleichen
Arbeit voneinander zu unterscheiden:
1) die physiologisch gleiche Arbeit
2) die sozial gleichgesetzte Arbeit
3)
jene abstrakte Arbeit,
die bei Marx verwendet wird. oder noch besser, die
abstrakt allgemeine Arbeit (ein Terminus, den Marx in der "Kritik" benützt). Die
physiologische Gleichartigkeit der verschiedenen Arbeitsweisen existierte in
allen historischen Epochen und die Möglichkeit, daß einzelne Individuen von
einer Beschäftigung
zur anderen überwechseln, ist die Voraussetzung
für jegliche gesellschaftliche Arbeitsteilung. Die sozial gleichgesetzte Arbeit
ist für alle Systeme der gesellschaftlichen Teilung der Arbeit charakteristisch,
d.h. nicht nur für eine Warenproduktion, sondern z.B. für eine sozialistische
Gemeinschaft. Und schließlich ist der dritte Begriff der Arbeit, als abstrakt
allgemeiner nur für die Warenproduktion charakteristisch. Mit diesem Begriff
werden wir uns noch später beschäftigen. Bis jetzt sprachen wir nur über den
zweiten Begriff der Arbeit als sozial gleichgesetzte und geteilte.
Sehen wir uns jetzt an, welche Veränderungen in
unserer Gemeinschaft bei der Organisation der Arbeit vor sich gehen werden, wenn
wir sie uns nicht in Form eines organisierten Ganzen, sondern in Form einer
Verbindung von Einzelproduktionen privater Warenproduzenten vorstellen, d.h. in
Form einer Warenproduktion.
In einer Warenproduktion finden wir auch die
oben aufgezählten sozialen Merkmale der Arbeit, die wir früher in einer
organisierten Gemeinschaft beobachtet hatten. Auch hier werden wir
gesellschaftliche Arbeit, geteilte Arbeit und sozial gleichgesetzte Arbeit
finden; aber all diese Vergesellschaftungsprozesse, Prozesse der Gleichsetzung
und Verteilung der Arbeit, gehen hier in einer völlig anderen Form vor sich. Die
Wechselbeziehung zwischen den drei erwähnten Merkmalen ist schon eine ganz
andere, vor allem weil in einer Warenproduktion die unmittelbar
gesellschaftliche Organisation der Arbeit fehlt, und die Arbeit keine
unmittelbar gesellschaftliche ist.
In einer Warenproduktion wird die Arbeit eines
Einzelindividuums, eines einzelnen Warenproduzenten nicht unmittelbar durch die
Gesellschaft reguliert, und gehört als solche, in ihrer konkreten Form noch
nicht zur gesellschaftlichen Produktion. Arbeit wird in einer Warenproduktion
nur so zur gesellschaftlichen, daß sie das Merkmal der sozial gleichgesetzten
Arbeit annimmt; und die Arbeit jedes Warenproduzenten wird nur durch die
Tatsache zur gesellschaftlichen, daß sein Produkt an die Produkte aller anderen
Warenproduzenten angeglichen wird, und damit wird die Arbeit eines bestimmten
Individuums an die Arbeit aller anderen Mitglieder der Gesellschaft und an alle
anderen Arbeitsweisen angeglichen. Ein anderes Merkmal für die Definition des
gesellschaftlichen Charakters der Arbeit in einer Warenproduktion gibt es nicht.
Hier gibt es keinen im voraus gefaßten Plan der Vergesellschaftung der
Arbeitsteilung, und der einzige Hinweis darauf, daß die Arbeit eines bestimmten Individuums in
das gesellschaftliche Produktionssystem mit eingeschlossen wird, ist der
Austausch des Produktes einer bestimmten Arbeit gegen alle anderen Produkte.
Also haben das Merkmal der gesellschaftlichen
und das Merkmal der gleichgesetzten Arbeit in einer Warenproduktion im Vergleich
zu einer sozialistischen Gemeinschaft ihre Rollen vertauscht. Früher war das
Charakteristikum der Arbeit als gleiche oder gleichgesetzte das Resultat des
abgeleiteten Prozesses, des abgeleiteten Aktes eines gesellschaftlichen Organs,
das die Arbeit vergesellschaftete und aufteilte. Jetzt wird die Arbeit nur in
jener Form zu einer gesellschaftlichen, worin sie allen anderen Arbeitsweisen
gleichgesetzt und so zur sozial gleichgesetzten wird.
Ich möchte hier einige Zitate von Marx anführen,
die das Gesagte bestätigen sollen.
Die eindeutigste Stelle kann man
in der "Kritik" finden, wo Marx sagt, daß die Arbeit nur dadurch zur
gesellschaftlichen wird, "daß sie die Form. ihres unmittelbaren Gegenteils, die
Form der abstrakten Allgemeinheit annimmt"
(8), d.h. die Form
der Angleichung an alle anderen Arbeitsweisen "Die abstrakte und in dieser Form
gesellschaftliche Arbeit", mit diesen Worten charakterisiert Marx oft die
soziale Form der Arbeit in einer Warenproduktion. Ich möchte hier auch an den
bekannten Satz aus denn "Kapital" erinnern, der besagt, daß in einer
Warenproduktion "der spezifisch gesellschaftliche Charakter der voneinander
unabhängigen Privatarbeiten in ihrer Gleichheit als menschliche Arbeit besteht".
(9)
Und so wurde in der Warenproduktion der
Schwerpunkt der sozialen Charakteristik der Arbeit vom Merkmal der
vergesellschafteten zum Merkmal der gleichen oder sozial gleichgesetzten Arbeit
hin verschoben, die durch die Gleichsetzung der Produkte erst zur
gleichgesetzten Arbeit wurde. Der Begriff der Gleichheit der Arbeit spielt eben
deshalb eine wichtige Rolle in der Marxschen Werttheorie, weil in einer
Warenproduktion die Arbeit nur in ihrer Eigenschaft als gleiche Arbeit zur
gesellschaftlichen wird.
Ähnlich wie aus dem Merkmal der Gleichheit der
Arbeit in einer Warenproduktion das Merkmal der gesellschaftlichen Arbeit
hervorgeht, genauso geht auch das Merkmal der geteilten Arbeit hieraus hervor.
Die Teilung der Arbeit in einer Warenproduktion besteht nicht in ihrer bewußten
Teilung entsprechend bestimmten vorher geäußerten Bedürfnissen, sondern wird
durch das Prinzip des gleichen Nutzens der Produktion reguliert. Die Teilung der Arbeit
zwischen den einzelnen Produktionszweigen geht so vor sich, daß in allen
Produktionszweigen die Warenproduzenten durch Verausgabung der gleichen
Quantität an Arbeit die gleiche Wertsumme erhalten.
Wir hielten die drei Merkmale der Arbeit fest;
die gesellschaftliche, die sozial gleichgesetzte und die geteilte Arbeit. Alles
Merkmale, die der Arbeit auch in einer sozialistischen Gesellschaft zueigen
sind, die aber ihren Charakter und die Wechselbeziehung, wie sie in einer
Warenproduktion besteht, völlig verändern. Die hier aufgezählten drei Merkmale
der Arbeit sind die Basis, aus der die drei Aspekte des Wertes erwachsen. Marx
betrachtet den Wert als die Einheit der Wertformen, Wertsubstanz und der
Wertgröße. "Das entscheidend Wichtige aber war, den inneren notwendigen
Zusammenhang zwischen Wertform. Wertsubstanz und Wertgroße zu entdecken" (10).
Die Einheit von Form, Substanz und Größe des Wertes ist der Reflex der Einheit
der Arbeit als gesellschaftlicher, sozial gleichgesetzter und quantitativ
geteilter. In einer Warenproduktion werden die Arbeits- und
Produktionsverhältnisse "vergegenständlicht", und die gesellschaftlichen
Merkmale der Arbeit nehmen die Form von "vergegenständlichten" Eigenschaften des
Arbeitsprodukts an. "Die Wertform" ist die gesellschaftliche Form des
Arbeitsprodukts, die den eigentümlichen gesellschaftlichen Charakter der Arbeit
in einer Warenproduktion widerspiegelt. "Die Wertsubstanz" stellt die sozial
gleiche Arbeit dar. und schließ lieh ist die "Wertgröße" Ausdruck der
gesellschaftlichen Teilung der Arbeit, oder genauer der quantitativen Seite
dieses Prozesses der Arbeitsteilung.
Die von uns vorgeschlagene dreifache
Charakteristik der Arbeit hilft uns, jenen Zusammenhang zu erklären, der im
Marxschen System zwischen Form, Substanz und Größe des Wertes besteht.
Insbesondere klärt diese dreifache Teilung einige Probleme des Aufbaus des
Abschnittes über den "Fetischcharakter der Ware" von Marx.
Erlaubt mir aus dem zweiten Absatz dieses
Abschnittes vorzulesen: "Denn erstens, wie verschieden die nützlichen Arbeiten
oder produktiven Tätigkeiten sein mögen, es ist eine physiologische Wahrheit,
daß sie Funktionen des menschlichen Organismus sind, und daß jede solche
Funktion, welches immer ihr Inhalt und ihre Form, wesentlich Verausgabung von
menschlichem Hirn, Nerv, Muskel, Sinnesorgan usw. ist. Was zweitens der
Bestimmung der Wertgröße
zugrunde liegt, die Zeitdauer jener Verausgabung oder die
Quantität der Arbeit, so ist die Quantität sogar sinnfällig von der Qualität der
Arbeit unterscheidbar.
... Endlich, sobald
die Menschen in irgendeiner Weise füreinander arbeiten, erhält ihre Arbeit auch
eine gesellschaftliche Form."
(11)
In den drei zitierten Punkten weist Marx darauf
hin, daß wir nicht nur in einer Warenproduktion, sondern auch in anderen
Produktionsformen die drei Merkmale der Arbeit bemerken können; die
gesellschaftliche, die gleiche und die quantitativ geteilte Arbeit.
Aber. sagt Marx, "woher
entspringt also der rätselhafte Charakter des Arbeitsprodukts, sobald es
Warenform annimmt?" Und er antwortet selbst: Offenbar gerade aus dieser
Warenform, in der die drei genannten Kennzeichen der Arbeit schon umgewandelt,
"verdinglicht" sind im Wert der Arbeitsprodukte, "Die Gleichheit der
menschlichen Arbeiten erhält die sachliche Form der gleichen
Wertgegenständlichkeit der Arbeitsprodukte, das Maß der Verausgabung
menschlicher Arbeitskraft durch ihre Zeitdauer erhält die Form der Wertgröße der
Arbeitsprodukte, endlich die Verhältnisse der Produzenten, worin jene
gesellschaftlichen Bestimmungen ihrer Arbeiten betätigt werden, erhalten die
Form eines gesellschaftlichen Verhältnisses der Arbeitsprodukte."
(12)
In diesen drei Punkten spricht
Marx schon von der Substanz, der Größe und der Form des Wertes. Besonders klar
kann man den Gedankengang von Marx in der ersten Ausgabe des "Kapitals"
verfolgen, wo er gleich nach den zitierten drei Sätzen eine ganze Seite lang von
der Substanz, der Größe und der Form des Wertes spricht. In der zweiten Ausgabe
sind diese Äußerungen bezüglich der Substanz, der Größe und der Form des Wertes
gleichsam wie von Marx ausgelassen. In Wirklichkeit wurden sie nur weiter nach
hinten verlegt. Die drei Absätze, die Marx seiner Analyse der verschiedenen
Produktionsformen voranschickt (die Produktion Robinsons, die mittelalterliche
usw.)
sind der Substanz, der Größe und der Form des Wertes gewidmet.
(13)
Ich komme nun zu folgendem Schluß: Gleiche
Arbeit kann zunächst die physiologisch gleiche Arbeit bedeuten, bei der wir uns
nicht lange aufgehalten haben; weiter kann sie die sozial gleichgesetzte Arbeit
bedeuten, und eine solche Arbeit gibt es nicht nur in einer Warenproduktion,
sondern auch, sagen wir, in einer sozialistischen Gemeinschaft oder in einer
anderen großen Gemeinschaft, die auf der gesellschaftlichen Teilung der Arbeit
beruht; und endlich haben wir die abstrakt allgemeine Arbeit, d.h. die sozial
gleichgesetzte Arbeit in der spezifischen Form, die einer Warenproduktion
zueigen ist, die Arbeit, die nur durch den Prozeß der sozialen Gleichsetzung zur
gesellschaftlichen und geteilten wird. Nur diese sozial gleichgesetzte Arbeit
können wir als abstrakte oder abstrakt allgemeine bezeichnen. Man muß hier
erwähnen, daß man in der "Kritik der Politischen Ökonomie" von Marx einige
Anspielungen auf die drei Arten der Gleichsetzung der Arbeit finden kann: die
physiologische, die soziale Gleichsetzung allgemein und die soziale
Gleichsetzung in einer Warenproduktion. Es ist wahr, daß Marx keine völlig klare
Unterscheidung macht, aber man muß trotzdem darauf hinweisen, daß er drei
Termini unterscheidet: die menschliche Arbeit, die gleiche und die abstrakt
allgemeine Arbeit. Ich möchte nicht behaupten, daß diese drei Termini mit dem
übereinstimmen, was ich früher als physiologisch gleiche Arbeit, sozial
gleichgesetzte und abstrakte Arbeit charakterisiert habe, aber trotzdem gibt es
einige Berührungspunkte.
Deshalb haben wir bei der Behandlung des
Problems der abstrakten Arbeit nicht nur kein Recht, wenn wir auf der
vorläufigen Charakteristik der Arbeit als physiologisch gleicher verharren,
sondern wir haben auch kein Recht, bei der Charakteristik der Arbeit als sozial
gleichgesetzter stehenzubleiben. Wir müssen von diesen beiden Charakteristiken
zu einer dritten übergehen, und jene spezifische Form der gleichgesetzten Arbeit
untersuchen, die nur der Warenproduktion zueigen ist, d.h. dem System der
gesellschaftlichen Teilung der Arbeit, das auf Austausch basiert.
Folglich begehen nicht nur die Anhänger der
physiologischen Auffassung von der abstrakten Arbeit einen Fehler, sondern
meiner Meinung nach auch jene Genossen, die unter der abstrakten Arbeit
allgemein die sozial gleichgesetzte Arbeit, unabhängig von der spezifisch
sozialen Form, verstehen, in der diese Gleichsetzung vor sich geht.
Man muß hinzufügen, daß die zwei Begriffe von
Arbeit, eben die physiologisch gleichgesetzte und die sozial gleichgesetzte, oft
miteinander verwechselt und nicht klar genug voneinander unterschieden werden.
Der Begriff der abstrakt allgemeinen Arbeit impliziert natürlich auch die
physiologische Gleichheit und die soziale Gleichsetzung der Arbeit, aber außer
diesen zwei Merkmalen enthält dieser Begriff auch die soziale Gleichsetzung in
jener spezifischen Form. die sie in einer Warenproduktion hat,
Daß die Anhänger der
physiologischen Auffassung von der
abstrakten Arbeit sich grob gegen Marx vergehen, kann man mit
vielen Zitaten von ihm selbst beweisen. Ich möchte hier nur ein sehr
charakteristisches Zitat vorlesen. Marx sagt in seiner kurzen Charakteristik der
Ansichten Franklins, daß Franklin unbewußt alle Arbeitsweisen auf einen Aspekt
zurückführte, wobei ihn nicht interessierte, ob das die Arbeit eines Schusters,
Schneiders usw. war. Franklin glaubte, daß der Wert "durch abstrakte Arbeit, die
keine besondere Qualität besitzt und daher durch bloße Quantität meßbar ist",
bestimmt wird. Franklin kannte die abstrakte Arbeit, "da er aber", fügte Marx
hinzu, "die im Tauschwert enthaltene Ar-bei nicht als die abstrakt allgemeine,
aus der allseitigen Entäußerung der individuellen Arbeiten entspringende
gesellschaftliche Arbeit entwickelt, verkennt er notwendig Geld als die
unmittelbare Existenzform dieser entäußerten Arbeit.
"(14)
Hier wird ersichtlich, daß Marx die abstrakte
Arbeit klar der abstrakt allgemeinen gegenüberstellt. Die abstrakt allgemeine
Arbeit, die im Wert enthalten ist, ist die Arbeit, die spezifisch einer
Warenproduktion zueigen ist. Hier komme ich zu folgendem Schluß.
Wenn wir das Problem des Verhältnisses zwischen
Arbeit und Wert nicht nur vom Standpunkt der analytischen Methode analysieren,
sondern auch vom dialektischen, so müssen wir als Ausgangspunkt den Begriff der
Arbeit nehmen und aus ihm den Wertbegriff entwickeln.
Wenn wir den analytischen Weg gehen und vom Wert
ausgehen, und uns fragen, was hinter diesem Begriff steckt, so können wir wohl
sagen, daß sich hinter dem Wert der Produkte physiologisch gleiche und sozial
gleichgesetzte Arbeit verbirgt. Aber beide Antworten werden unbefriedigend sein,
da wir auf keine Weise von der physiologisch gleichen Arbeit oder auch von der
sozial gleichgesetzten zum Wert übergehen können.
Um auf dialektischem Wege vom Begriff der Arbeit
zum Begriff des Wertes zu gelangen, muß man in den Begriff der Arbeit auch die
Merkmale mit einbeziehen, die die soziale Organisation der Arbeit in einer
Warenproduktion charakterisieren und die Erscheinung des Wertes als
besondere soziale Form des Arbeitsprodukts notwendig machen. Folglich muß dieser
Begriff der abstrakt allgemeinen Arbeit weitaus reicher sein nicht nur als der
Begriff der physiologischen Gleichheit der Arbeit, sondern auch als der der
sozialen Gleichsetzung der Arbeit überhaupt.
II.
Von der physiologisch gleichen Arbeit gingen wir
zur sozial gleichgesetzten und von der sozial gleichgesetzten zur abstrakt
allgemeinen über.
Wir bereicherten unsere Definition der Arbeit um
neue Merkmale in den drei Stadien unserer Untersuchung, und nur als wir schon
zum dritten Stadium übergingen und die Arbeit als abstrakt allgemeine
bestimmten, aus der notwendigerweise die Kategorie des Wertes hervorgehen mußte,
hatten wir die Möglichkeit von der Arbeit zum Wert überzugehen.
Wir könnten die abstrakte Arbeit ungefähr
folgendermaßen definieren: Als abstrakte Arbeit wird jener Teil der gesamten
gesellschaftlichen Arbeit bezeichnet, der im Prozeß der gesellschaftlichen
Teilung der Arbeit durch die Gleichsetzung der Arbeitsprodukte auf dem Markt
gleichgestellt wurde.
In meinem Buch "Studien zur
Marxschen Werttheorie"
(15) gab ich
ungefähr diese Definition. Ich halte es für notwendig hinzuzufügen, daß die
soziale Natur der abstrakten Arbeit nicht dadurch eingeschränkt wird, daß aus
diesem Begriff notwendigerweise der Begriff des Wertes hervorgeht. Wie ich schon
in meinem Buch skizziert habe, führt der Begriff der abstrakten Arbeit unbedingt
auch zum Begriff des Geldes, und vom marxistischen Standpunkt aus ist das völlig
konsequent. In Wirklichkeit definierten wir die abstrakte Arbeit als Arbeit, die
durch die allseitige Gleichsetzung aller Arbeitsprodukte angeglichen wurde, aber
die Gleichsetzung aller Arbeitsprodukte ist nicht anders möglich als durch die
Angleichung jedes einzelnen von ihnen an ein allgemeines Äquivalent. Folglich
besitzt das Produkt der abstrakten Arbeit die Fähigkeit, an alle anderen
Produkte nur in der Form angeglichen zu werden, daß es als allgemeines
Äquivalent erscheint, oder potentiell gegen ein allgemeines Äquivalent
ausgetauscht werden kann.
Daß der Begriff der abstrakten Arbeit bei Marx
untrennbar mit dem des allgemeinen Äquivalents verbunden ist, kann man besonders
klar in der "Kritik der politischen Ökonomie" verfolgen.
Marx geht hier an die
Untersuchung der abstrakten Arbeit auf folgende Weise heran. Wie auch im
"Kapital" geht er zuerst von der Ware oder dem Wert aus, und findet auf
analytischem Wege die hinter dem Wert versteckte, abstrakt allgemeine Arbeit.
(16) Nachdem er von
der Gleichheit der Werte auf analytischem Wege zur Gleichheit der Arbeit
gekommen ist, geht er über zur detaillierten soziologischen Charakteristik dieser gleichen Arbeit, der "gesellschaftlichen Bestimmungen
der Arbeit", jener "spezifischen Art der Gesellschaftlichkeit", die einer
Warenproduktion zueigen ist.
(17) In einer
Warenproduktion zeigt sich der gesellschaftliche Charakter der Arbeit in dieser
Weise, daß "die Arbeit des einzelnen die abstrakte Form der Allgemeinheit, oder
sein Produkt die Form eines allgemeinen Äquivalents annimmt."
(18)
"Als allgemeine Arbeitszeit stellt sie sich dar in einem allgemeinen Produkt,
einem allgemeinen Äquivalent."
(19) "Die Arbeit
des einzelnen, um in Tauschwert zu resultieren, muß resultieren in ein
allgemeines Äquivalent."
(20)
Wie wir sehen können, bringt Marx die Kategorie
der abstrakten Arbeit mit dem Begriff des allgemeinen Äquivalents oder des
Geldes untrennbar in Zusammenhang. Deshalb müssen wir die soziale Charakteristik
der abstrakten Arbeit noch weiter und tiefer führen, wobei wir uns nicht darauf
beschränken dürfen, daß die Arbeit durch die Gleichsetzung ihrer Produkte
angeglichen wird. Wir müssen noch hinzufügen, daß die Arbeit durch die
Angleichung an eine bestimmte Form von Arbeit zur abstrakten wird, oder auch
durch die Angleichung des Produkts an ein allgemeines Äquivalent, das deshalb
von Marx als Vergegenständlichung oder Materialisierung der abstrakten Arbeit
betrachtet wird.
Vom eben dargelegten Standpunkt aus eröffnet
sich uns eine interessante Parallele zwischen Marx und Hegel in dieser Frage.
Der Terminus "abstrakt allgemein" selbst erinnert, wie wir wissen, an Hegel. Er
unterscheidet das Abstrakt Allgemeine vom Konkret Allgemeinen. Der Unterschied
zwischen den beiden kann darauf reduziert werden, daß das Konkret Allgemeine das
Allgemeine ist, das die Unterschiede zwischen den Gegenständen, die von diesem
allgemeinen Aspekt erfaßt werden, nicht ausschließt, während das Abstrakt
Allgemeine solche Unterschiede ausschließt.
Um zu verstehen, warum Marx gerade die
gleichgesetzte Arbeit der Warenproduzenten die abstrakt allgemeine nennt, müssen
wir den Prozeß der Gleichsetzung der Arbeit in einer sozialistischen
Gemeinschaft mit dem Gleichsetzungspro-zeß der Arbeit in einer Warenproduktion
vergleichen. Hier fällt uns folgender Unterschied auf. Nehmen wir an, daß
irgendein Organ in einer sozialistischen Gemeinschaft die verschiedenen
Arbeitsweisen aneinander angleicht. Was geschieht dabei? Dieses Organ nimmt alle
diese Arbeitsweisen in ihrer konkreten nützlichen Form, da es sie gerade in
dieser Form verbindet, aber es abstrahiert dabei einen ihrer
Aspekte und sagt, daß diese Arbeitsweisen unter
den gegebenen Umständen einander gleich sind. In diesem Fall tritt die
Gleichheit als Merkmal dieser konkreten Arbeitsweisen auf, als Merkmal, das von
diesen Formen abstrahiert wurde; aber diese allgemeine Kategorie der Gleichheit
zerstört ihren konkreten Unterschied nicht, der sich als nützliche Arbeitsweise
manifestiert.
In einer Warenproduktion ist eine
solche Angleichung unmöglich. da es kein Organ gibt, das bewußt alle diese
Arbeitsweisen gleichsetzt. Die Arbeit eines Spinners und die eines Webers kann
nicht gleichgesetzt werden, solange das konkrete nützliche Arbeitsarten sind.
Ihre Gleichsetzung erfolgt nur auf indirektem Weg durch die Angleichung jeder
einzelnen an die dritte herausgearbeitete Form der Arbeit, nämlich die "abstrakt
allgemeine" Arbeit.
(21) Diese
bestimmte Arbeitsweise ist eine "abstrakt allgemeine" (und nicht eine konkret
allgemeine) gerade deshalb, weil sie nicht die Unterschiede der verschiedenen
konkreten Arbeitsweisen miteinbe zieht, sondern diese Divergenzen ausschließt:
Diese Art steht allen konkreten Arbeitsarten gegenüber, indem sie als deren
Vertreter oder Repräsentant auftritt.
Daß Marx im gegebenen Fall den
Unterschied zwischen dem Abstrakt Allgemeinen und dem Konkret Allgemeinen
meinte, der bei Hegel vorkommt, können wir klar in der ersten Ausgabe des
"Kapitals" verfolgen, wo allgemein die Spuren des Hegeischen Konzepts und der
Hegeischen Terminologie viel klarer hervortreten als in der zweiten. Bei Marx
gibt es hier einen Absatz, der lautet: "Innerhalb des Wertverhältnisses und des
darin einbegriffenen Wertausdrucks gilt das abstrakt Allgemeine nicht als
Eigenschaft des Konkreten, Sinnlich-Wirklichen, sondern umgekehrt das
Sinnlich-Konkrete als bloße Erscheinungs- oder bestimmte Verwirklichungsform des
Abstrakt-Allgemeinen
... Diese
Verkehrung, wodurch das Sinnlich-Konkrete nur als Erscheinungsform des
Abstrakt-Allgemeinen, nicht das Abstrakt-Allgemeine umgekehrt als Eigenschaft
des Konkreten gilt, charakterisiert den Wertausdruck. Sie macht zugleich sein
Verständnis schwierig."
(22)
An anderer Stelle sagt Marx: "Es
ist als ob neben und außer Löwen. Tigern, Hasen und allen ändern wirklichen
Tieren, die gruppiert die verschiedenen Geschlechter, Arten. Unterarten,
Familien usw. des Tierreichs bilden, auch noch das Tier existierte, die
individuelle Inkarnation des ganzen Tierreichs.
" (23)
Wenn wir diesen Satz von Marx entschlüsseln
wollen, so müssen wir sagen, daß in einer Warenproduktion das
Abstrakt-Allgemeine wirklich auftritt, nicht als Merkmal oder als
Charakteristikum des Konkreten, des Sinnlich Wirklichen (d.h. der konkreten
Arbeitsarten), da es, um die bestimmten allgemeinen Züge von diesen konkreten
Arbeitsarten zu abstrahieren, eines einheitlichen Organs bedurft hätte, das es
in einer Warenproduktion nicht gibt. Deshalb werden hier die konkreten
Arbeitsarten einander nicht durch Abstraktion einiger allgemeiner Merkmale
angeglichen, sondern durch Gegenüberstellung und Gleichsetzung jeder dieser
Arten mit einer besonderen, bestimmten konkreten, die als "Erscheinungsform" der
allgemeinen Arbeit dient. Damit die konkrete Arbeit zur allgemeinen wird, muß
die allgemeine Arbeit in der Form der konkreten Arbeit auftreten.
"... Darstellung
der Arbeitszeit des einzelnen als allgemeiner Arbeitszeit oder Darstellung der
allgemeinen Arbeitszeit als der des einzelnen."
(24)
Nur unter diesem Aspekt der Äußerungen von Marx,
die klar Spuren des Einflusses von Hegel zeigen, können die von mir früher
erwähnten Stellen aus der "Kritik" verstanden werden, wo Marx sagt, daß in einer
Warenproduktion die Arbeit nur so zur gesellschaftlichen wird, daß sie die Form
einer abstrakten Allgemeinheit annimmt.
Dieser Gedanke von Marx ist
allgemein verwandt mit seinen Ansichten über die bürgerliche Gesellschaft. Schon
in seinen frühen Werken, z.B. in der "Deutschen Ideologie", gibt er dem Gedanken
Ausdruck, daß in einer bürgerlichen Gesellschaft, wo eine zentrale
gesellschaftliche Organisation der Produktion fehlt, die Vertretung des
gesellschaftlichen Interesses immer an irgendeine Einzelorganisation, an eine
Gruppe von Personen, an eine einzelne Klasse geht. Diese einzelne
gesellschaftliche Klasse erklärt ihre partiellen Interessen für die Interessen
der ganzen Gesellschaft und verleiht ihren Ideen "die Form der Allgemeinheit".
Das besondere Interesse wird als das Allgemeine ausgedrückt und das Allgemeine
als das Herrschende.
(25) Wenn wir diese
Worte von Marx in der "Kritik" mit jenen Äußerungen vergleichen, wo er sagt, daß
die gesellschaftliche Arbeit die "abstrakte Form der Allgemeinheit" annimmt, und
daß der Wert einer Ware die Form einer besonderen, bestimmten Ware, die Form des
Geldes annimmt, so ist die enge ideelle Verwandtschaft dieser Konzepte
offensichtlich.
Um jetzt das Problem der
abstrakten Arbeit abzuschließen, muß ich noch auf zwei Vorwürfe eingehen, die
mir sowohl im Artikel von Daschkowskij
(26), als auch von
verschiedenen anderen Genossen gemacht wurden.
Der erste Vorwurf war, daß ich gleichsam die
abstrakte Arbeit durch den Prozeß der Abstrahierung von den konkreten
charakteristischen Merkmalen der Arbeit ersetzen will, d.h. daß ich die
abstrakte Arbeit durch die soziale Form der Organisation der Arbeit ersetzen
will.
Ich muß zugeben, daß ein solcher Ersatz, wenn er
wirklich geniacht würde, von der Marxschen Theorie abweichen würde. Behaupten
wir doch, daß der Charakter der Produktionsverhältnisse der Menschen in einer
Warenproduktion unbedingt dazu führt, daß die Arbeit sowohl was ihre
qualitative, als auch was ihre quantitative Seite betrifft, ihren Ausdruck im
Wert und in der Wertgröße einer Ware findet. Wenn wir statt der abstrakten
Arbeit nur die soziale Form der Organisation der Arbeit nehmen, so könnten wir
mit ihrer Hilfe nur die "Form des Wertes" erklären, d.h. die soziale Form, die
ein Arbeitsprodukt annimmt. Wir könnten auch erklären, warum ein Arbeitsprodukt
die Form einer Ware annimmt, die einen Wert besitzt. Aber wir wüßten nicht,
warum dieses Produkt gerade diesen gegebenen, quantitativ bestimmten Wert
annimmt. Um den Wert zu erklären als Einheit der Wertform, der Wertsubstanz und
der Wertgröße, müssen wir von der abstrakten Arbeit ausgehen, die nicht nur eine
gesellschaftliche und eine sozial gleichgesetzte ist, sondern auch eine
quantitativ geteilte.
Bei Marx selbst kann man
Formulierungen finden, die, wenn man so will, Grund genug wären, um zu sagen,
daß Marx die Arbeit durch die soziale Form der Arbeit ersetzt. Da es zu
langwierig wäre, sich auf die verschiedenen Stellen bei Marx zu beziehen, möchte
ich nur einen Satz anführen, der, in wessen Munde auch immer, außer in dem von
Marx, ketzerisch klingen würde. Der Satz lautet: "Tauschwert setzende Arbeit ist
dagegen eine spezifisch gesellschaftliche Form der Arbeit."
(27) Und ebendort
sagt Marx in einer Anmerkung, daß der Wert die gesellschaftliche Form des
Reichtums ist. Wenn man diese beiden Sätze vereint, so erhält man statt der
These, daß die Arbeit den Wert bildet, die These, daß die gesellschaftliche Form
der Arbeit die gesellschaftliche Form des Reichtums erzeugt. Welcher Kritiker
könnte wohl sagen, daß Marx völlig die Arbeit durch die gesellschaftliche Form
der Arbeit ersetzt; was Marx natürlich auch nicht beabsichtigte.
Jetzt möchte ich zum zweiten Vorwurf übergehen.
Es wird gesagt, daß aus meinen Darlegungen der Eindruck entsteht, als ob abstrakte Arbeit nur im Akt des
Austausches erzeugt wird. Daraus könnte man den Schluß ziehen, daß auch der Wert
nur im Austausch entsteht, wobei von Marx' Standpunkt aus der Wert und folglich
auch die abstrakte Arbeit schon im Produktionsprozeß existieren müssen. Hier
wird das äußerst ernste und profunde Problem des Verhältnisses zwischen
Produktion und Austausch berührt. Wie können wir diese Schwierigkeit lösen?
Einerseits müssen der Wert und die abstrakte Arbeit schon im Produktionsprozeß
existieren, und andererseits sagt Marx an Dutzenden von Stellen, daß der
Austauschprozeß die Voraussetzung für die abstrakte Arbeit ist.
Erlaubt mir, einige Beispiele
anzuführen. Ich möchte zu Franklin zurückkehren. Marx sagt: "Da er aber die im
Tauschwert enthaltene Arbeit nicht als die abstrakt allgemeine, aus der
allseitigen Entäußerung der individuellen Arbeiten entspringende
gesellschaftliche Arbeit entwickelt, ..."usw.
(28) Der
Hauptfehler Franklins bestand folglich darin, daß er nicht zur Kenntnis nahm,
daß die abstrakte Arbeit aus der Entäußerung der individuellen Arbeit
entspringt.
Im gegebenen Fall geht es nicht um einen
einzelnen Satz von Marx. Ich werde selbst zeigen, daß in den letzten Ausgaben
des "Kapitals" Marx immer seltener den Gedanken unterstrich, daß in einer
Warenproduktion nur der Austausch die konkrete Arbeit auf die abstrakte
reduziert.
Ich möchte zu den erwähnten Feststellungen
zurückkehren:
"Die Menschen beziehen also ihre Arbeitsprodukte nicht
aufeinander als Werte, weil diese Sachen ihnen als bloß sachliche Hüllen
gleichartig menschlicher Arbeit gelten. Umgekehrt. Indem sie ihre
verschiedenartigen Produkte einander im Austausch als Werte gleichsetzen, setzen
sie ihre verschiedenen Arbeiten einander als menschliche Arbeit gleich."
(29)
In der ersten Ausgabe des "Kapitals" hatte
dieser Satz einen völlig entgegengesetzten Sinn. Er lautete bei Marx:
"Wenn die Menschen ihre Produkte auf einander als Werte
beziehen, sofern diese Sachen für bloß sachliche Hüllen gleichartig
menschlicher Arbeit gelten
..." usw.(30)
In der zweiten Ausgabe änderte Marx, da er
fürchtete, daß man ihn so verstehen wird, als ob die Menschen im voraus bewußt
ihre Arbeit als abstrakte Arbeit einander angleichen, den Sinn des Satzes
völlig, und unterstrich den Aspekt, daß die Gleichsetzung der Arbeit als
abstrakte nur durch den Austausch der Arbeitsprodukte vor sich geht. Das ist
eine signifikante Änderung von der ersten Ausgabe zur
zweiten. Wie ihr sicher wissen werdet, beschränkte sich Marx
nicht auf die zweite Ausgabe des ersten Bandes des "Kapitals". Er korrigierte in
der Folge den Text für die französische Ausgabe
1875, wobei er
schrieb, daß er hier Korrekturen durchführte, die er in der zweiten deutschen
Ausgabe nicht machen konnte. Auf dieser Basis ordnete er der französischen
Ausgabe des Kapitals einen dem. deutschen Original gleichwertigen eigenständigen
wissenschaftlichen Wert zu.
(31)
In der zweiten Ausgabe des
"Kapitals" kann man den bekannten Satz finden: "Die Gleichheit toto coelo
verschiedener Arbeiten kann nur in einer Abstraktion von ihrer wirklichen
Ungleichheit bestehn, in der Reduktion auf den gemeinsamen Charakter, den sie
als Verausgabung menschlicher Arbeitskraft, abstrakt menschliche Arbeit,
besitzen."
(32)
In der französischen Ausgabe
ersetzt Marx das Ende dieses Satzes durch einen Beistrich und fügt hinzu:
"... und nur der
Austausch erzeugt diese Reduktion, indem er die Produkte der verschiedensten
Arbeiten auf der Basis der Gleichheit aufeinander bezieht."
(33) Diese
Einfügung ist sehr bezeichnend und zeigt klar, wie weit Marx von der
physiologischen Auffassung der abstrakten Arbeit entfernt war. Wie können wir
diese Äußerungen von Marx, deren es Dutzende gibt, mit der Grundthese, daß der
Wert in der Produktion erzeugt wird, in Übereinstimmung bringen?
Das sollte nicht schwierig sein. Es geht darum,
daß die Genossen, die das Problem des Verhältnisses zwischen Austausch und
Produktion diskutierten, meiner Meinung nach nur ungenügend die zwei Begriffe
des Austausches unterschieden. Wir müssen den Austausch als soziale Form des
Reproduktionsprozesses vom Austausch als besonderer Phase dieses
Reproduktionsprozesses unterscheiden, der von der Phase der unmittelbaren
Produktion abgelöst wird.
Auf den ersten Blick scheint uns der Austausch
eine einzelne Phase des Reproduktionsprozesses zu sein. Wir können sehen, daß
zuerst ein Prozeß in der unmittelbaren Produktion vor sich geht, dann tritt die
Phase des Austausches ein. Hier ist der Austausch von der Produktion getrennt
und ihr gegenübergestellt. Aber der Austausch ist nicht nur eine einzelne Phase
des Reproduktionsprozesses, sondern er drückt auch dem ganzen
Reproduktionsprozeß seinen spezifischen Stempel auf, er stellt auch eine
besondere soziale Form des gesellschaftlichen Produktionsprozesses dar.
Produktion, die auf privatem Austausch beruht, mit diesen Worten charakterisierte Marx oft die Warenproduktion.
Damit Euch meine Formulierungen
klarer werden, werde ich aus dem dritten Band der "Theorien über den Mehrwert"
die Worte von Marx anführen, daß "Austausch von Produkten als Waren
... eine bestimmte
Methode (ist), Arbeit auszutauschen, und der Abhängigkeit der Arbeit eines jeden
von der Arbeit des anderen, eine bestimmte Art gesellschaftlicher Arbeit oder
gesellschaftlicher Produktion."
(34) Ebendort
findet Ihr bei Marx eine These, die Euch erklären wird, warum er den Austausch
als soziale Form der Arbeit betrachtet: "Die ganze ökonomische Struktur der
Gesellschaft dreht sich um die Form der Arbeit, d.h. also die Form, worin
der Arbeiter sich seine Lebensmittel aneignet.
"(35) Fragen wir
uns nun, in welcher Form gerade sich der Arbeiter seine Existenzmittel in einer
Warenproduktion aneignet. Ihr werdet bei Marx mehrmals auf diese Frage folgende
Antwort finden: In einer Warenproduktion ist die einzige Form der Aneignung der
Produkte die Form ihrer Entäußerung, und weil die Form der Aneignung der
Produkte die Form der gesellschaftlichen Arbeit ist, so ist die Entäußerung, der
Austausch, eine spezifische Form der gesellschaftlichen Arbeit, die eine
Warenproduktion charakterisiert.
Wenn man in Betracht zieht, daß der Austausch
die soziale Form des Produktionsprozesses selbst ist, die Form, die dem Verlauf
des Produktionsprozesses selbst ihren Stempel aufdrückt, so werden einem viele
Äußerungen von Marx völlig verständlich werden. Wenn Marx ständig wiederholt,
daß die abstrakte Arbeit nur das Resultat des Austausches ist, so heißt das, daß
sie das Resultat einer gegebenen sozialen Form des Produktionsprozesses ist. Nur
in dem Maße, wie der Produktionsprozeß die soziale Form einer Warenproduktion
annimmt, d.h. basierend auf dem Austausch, nimmt die Arbeit die Form einer
abstrakten Arbeit an und die Arbeitsprodukte die Form des Wertes.
Und so ist der Austausch die Form des ganzen
Produktionsprozesses oder die Form der gesellschaftlichen Arbeit. Sobald der
Austausch wirklich zur dominierenden Form des Produktionsprozesses wurde,
drückte er auch der Phase der unmittelbaren Produktion seinen Stempel auf.
Anders ausgedrückt, da die Menschen heute nicht den ersten Tag produzieren, da
der Produzent, nachdem, er in den Akt des Austausches eingetreten war,
produziert, und auch schon ehe er da eingetreten war, so nimmt auch der Prozeß
der unmittelbaren Produktion bestimmte soziale Merkmale an, die der Organisation in einer Warenproduktion auf der
Basis des Austausches entsprechen. Der Warenproduzent, wenn er auch noch bei
sich in seiner Werkstatt ist und im Augenblick noch nicht mit anderen
Mitgliedern der Gesellschaft in ein Tauschverhältnis getreten ist, fühlt schon
den Druck von Seiten aller jener Personen auf sich, die auf dem Markt als seine
Kunden. Konkurrenten oder Personen auftreten, die bei seinen Konkurrenten kaufen
usw., und endlich auch den Druck von Seiten aller Mitglieder der Gesellschaft.
Diese Produktionsverbindung und diese Produktionsverhältnisse, die unmittelbar
im Austausch reguliert werden, setzen ihre Tätigkeit auch nach Aufhören der
bestimmten konkreten Tauschakte fort. Sie drücken sowohl dem Individuum als auch
seiner Arbeit und dem Produkt seiner Arbeit einen klaren sozialen Stempel auf.
Schon im Prozeß der unmittelbaren Produktion selbst tritt der Produzent als
Warenproduzent auf, seine Arbeit nimmt den Charakter der abstrakten Arbeit an
und das Produkt den Charakter des Wertes.
Hier muß ich mich jedoch gegen einen Fehler
verwahren, der von vielen Genossen gemacht wird. Viele glauben, weil der Prozeß
der unmittelbaren Produktion schon eine gewisse soziale Charakteristik hat, daß
auch die Arbeitsprodukte und die Arbeit in der Phase der unmittelbaren
Produktion genau solche sozialen Merkmale besitzen müßten, die sie in der
Austauschphase haben. Eine solche Annahme ist in höchstem Maße falsch, obwohl
beide Phasen (die Produktions- und die Tauschphase) eng miteinander verbunden
sind, aber nichtsdestoweniger wird die Produktionsphase nicht zur Tauschphase.
Zwischen den beiden Phasen gibt es nicht nur eine gewisse Ähnlichkeit, sondern
es bleibt auch ein gewisser Unterschied erhalten. Anders ausgedrückt, einerseits
anerkennen wir. daß von dem Augenblick an, wo der Austausch zur vorherrschenden
Form der gesellschaftlichen Arbeit wird, die Menschen speziell für den Austausch
produzieren, also schon in der Phase der unmittelbaren Produktion der Charakter
der Arbeitsprodukte als Werte beobachtet werden kann. Aber dieses Merkmal der
Arbeitsprodukte als Werte ist noch nicht jenes, das sie annehmen, wenn sie
wirklich gegen Geld ausgetauscht werden, wenn sich ihr, wie Marx es ausdrückt,
"ideeller" Wert in einen "wirklichen" verwandelt hat, und die soziale Form der
Ware durch die soziale Form des Geldes ersetzt wird.
Das gleiche gilt auch für die Arbeit. Wir
anerkennen, daß die Warenbesitzer in ihren Arbeitsakten im Prozeß der unmittelbaren Produktion den Zustand von Markt und
Nachfrage zur Kenntnis nehmen und von vornherein ausschließlich dafür
produzieren, um ihr Produkt in Geld umzuwandeln und damit auch ihre private und
konkrete Arbeit in gesellschaftliche und allgemeine. Aber diese Einbeziehung der
Arbeit eines einzelnen in den Arbeitsmechanismus der ganzen Gesellschaft ist nur
eine vorläufige und eine mutmaßliche. Sie wird im Tauschprozeß noch einer
strengen Überprüfung unterzogen, die für einen bestimmten Warenproduzenten
positive oder negative Resultate haben kann. So ist die Arbeitstätigkeit der
Warenproduzenten in der Produktionsphase unmittelbar private und konkrete Arbeit
und nur mittelbar, indirekt oder latent, wie Marx sich ausdrückt,
gesellschaftliche.
Deshalb, wenn wir Marx lesen,
insbesondere seine Äußerungen darüber, wie der Austausch den Wert und die
abstrakte Arbeit beeinflußt, müssen wir uns immer fragen, was Marx im gegebenen
Fall damit meint
- den Austausch als
Form des Produktionsprozesses selbst, oder den Austausch als einzelne Phase, die
der Produktionsphase gegenübersteht.
Sofern man vom Austausch als Form des
Produktionsprozesses spricht, erklärt Marx entschieden, daß es ohne Austausch
keine abstrakte Arbeit, keinen Wert gibt; daß die Arbeit nur mit der Entwicklung
des Austauschs den Charakter der abstrakten Arbeit annimmt. Gerade diese
eindeutigen Thesen von Marx habe ich auch in meinem Buch entwickelt.
Dort, wo vom Austausch als von
einer einzelnen Phase die Rede ist, die der Produktion gegenübersteht, sagt
Marx, daß die Arbeit und das Arbeitsprodukt noch bis zum Austauschprozeß einen
bestimmten sozialen Charakter besitzen, dieser Charakter im Austauschprozeß aber
erst noch realisiert werden muß. Im unmittelbaren Produktionsprozeß ist die
Arbeit keine abstrakte im vollen Sinn des Wortes, sondern wird erst zur
abstrakten. Und solche Äußerungen kann man in großer Zahl bei Marx finden. Ich
möchte hier nur zwei Zitate aus der "Kritik" anführen. "Aber in der Tat werden
die individuellen Arbeiten, die sich in diesen besonderen Gebrauchswerten
darstellen, nur zu allgemeiner und in dieser Form zu gesellschaftlicher Arbeit,
indem sie sich wirklich gegeneinander austauschen im Verhältnis der Zeitdauer
der in ihnen enthaltenen Arbeit.
"(36) An anderer
Stelle schreibt Marx: "Die Waren treten sich jetzt als Doppelexistenzen
gegenüber, wirklich als Gebrauchswerte, ideell als Tauschwerte. Die Doppelform
der Arbeit, die in ihnen enthalten ist, stellen sie jetzt füreinander dar, indem
die besondere reale Arbeit als ihr Gebrauchswert wirklich da ist,
während die allgemeine abstrakte Arbeitszeit in ihrem Preise ein vorgestelltes
Dasein erhält
..." (37)
Marx behauptet, daß Ware und Geld
ihre Verschiedenheiten nicht dadurch verlieren, daß jede Ware unbedingt in Geld
umgewandelt werden muß. Jede von ihnen ist so real, wie die andere ideell ist,
und so ideell wie die andere real. All diese Feststellungen von Marx beweisen,
daß wir in diesem Punkt nicht zu gradlinig denken müssen. Wir sollen nicht
glauben, daß wenn die Warenproduzenten schon einmal im unmittelbaren
Produktionsprozeß durch bestimmte soziale Verhältnisse miteinander verbunden
sind, ihre Produkte und ihre Arbeit schon einen unmittelbar gesellschaftlichen
Charakter haben. Die Arbeit eines Warenproduzenten ist eine unmittelbar private
und konkrete, aber gemeinsam damit bekommt sie eine zusätzliche "ideelle" oder
"latente" Charakteristik als abstrakt allgemeine und gesellschaftliche Arbeit.
Marx amüsierte sich immer über die Utopisten, die von der Vernichtung des Geldes
träumten und an das Dogma glaubten, daß "die in (der Ware) enthaltene
Sonderarbeit des Privatindividuums unmittelbar gesellschaftliche Arbeit ist".
(38)
So kommen wir zu folgenden Schlüssen: Die
abstrakte Arbeit und der Wert werden geschaffen oder "werden" im Prozeß der
unmittelbaren Produktion (Marx verwendet den Ausdruck "werden" öfter für diesen
Prozeß) und werden nur im Austauschprozeß realisiert.
III.
Bis jetzt habe ich von der abstrakten Arbeit
gesprochen. Nun möchte ich zum Wert übergehen. Was das Problem des Wertes
betrifft, so ist meine Aufgabe die gleiche wie auch bei der abstrakten Arbeit.
Ich bemühte mich zu beweisen, daß wir in den Begriff der abstrakten Arbeit auch
die Merkmale der sozialen Organisation der Arbeit in einer Warenproduktion
miteinschließen müssen. Genau so möchte ich auch beweisen, daß wir in den
Begriff des Wertes unbedingt die soziale Form des Wertes miteinbe ziehen müssen,
die soziale Form, die die Arbeitsprodukte in einer Warenproduktion annehmen.
Die soziale Form in den Begriff der abstrakten
Arbeit und in den Begriff des Wertes einzuführen, ist die Aufgabe, die nun vor
uns liegt.
Wie wird der Wert gewöhnlich zum Unterschied vom
Tauschwert definiert?
Wenn wir die populärsten und am weitesten
verbreiteten Auffassungen hernehmen, so kann man wohl sagen, daß man unter Wert
gewöhnlich die Arbeit versteht, die für die Produktion einer bestimmten Ware
notwendig aufgewandt werden muß. Unter dem Tauschwert einer bestimmten Ware
versteht man jenes andere Produkt oder jene andere Summe Geldes, gegen die eine
bestimmte Ware ausgetauscht wird. Wenn ein bestimmter Tisch in dreistündiger
Arbeit erzeugt wurde und gegen drei Stühle ausgetauscht wird, so sagt man
gewöhnlich, daß der Wert des Tisches gleich drei Stunden Arbeit ist, seinen
Ausdruck in einem anderen Produkt findet, das vom. Tisch selbst verschieden ist,
eben in diesen drei Stühlen. Die drei Stühle stellen den Tauschwert des Tisches
dar.
Bei einer solchen populären Definition wird
gewöhnlich nicht ganz klar, ob der Wert durch die Arbeit bestimmt wird, oder
aber der Wert die Arbeit selbst ist. Natürlich ist es vom Standpunkt der
Marxschen Theorie richtig, zu sagen, daß der Wert durch die Arbeit bestimmt
wird. Aber hier stellt sich die Frage: Was ist das, der Wert, der von der Arbeit
bestimmt wird? Auf diese Frage können wir gewöhnlich in
populärwissenschaftlichen Darstellungen keine befriedigende Antwort finden.
Deshalb kommt bei den Lesern die Vorstellung
auf, daß der Wert eines Produktes nichts anderes ist, als die Arbeit, die auf
seine Erzeugung verausgabt werden muß. Hier entsteht der trügerische Eindruck
einer völligen Identität der Arbeit mit dem Wert.
Eine solche Vorstellung ist in der
antimarxistischen Literatur sehr stark verbreitet. Man kann sagen, daß der
Großteil jener Mißverständnisse und Mißinterpretationen, denen wir in der
antimarxistischen Literatur begegnen, auf der falschen Vorstellung beruhen, als
ob bei Marx die Arbeit auch Wert wäre.
Eine solche falsche Vorstellung entspringt oft
dem Unverständnis für die Terminologie und den Gedanken in den Werken von Marx.
Z.B. die bekannten Worte von Marx, daß der Wert "erstarrte" oder
"kristallisierte" Arbeit ist, wird gewöhnlich in dem Sinne ausgelegt, daß die
Arbeit auch Wert ist.
Diese falsche Vorstellung wird
noch durch die Zweideutigkeit des russischen Verbs für "darstellen" begünstigt.
Der Wert "stellt die Arbeit dar". Aber die russische Übersetzung kann nicht nur
in dem Sinn aufgefaßt werden, daß der Wert der Vertreter oder Ausdruck der
Arbeit ist
- eine Auffassung, die allein der Idee von Marx entspricht
- sondern auch in
dem Sinn, als ob der Wert Arbeit "ist". Eine solche Vorstellung ist in der
kritischen Literatur, die gegen Marx gerichtet ist, weit verbreitet und
natürlich völlig falsch.
Jene Kritiker, die die Worte von Marx, wo er
sagt, daß die Arbeit die Wertsubstanz ausmacht, im Sinne einer völligen
Identität dieser beiden Begriffe auslegten, beachten nicht, daß Marx im
gegebenen Fall die Terminologie bei Hegel entliehen hat. Wer die "Logik" von
Hegel kennt mit ihrer Lehre vom Wesen, wird sich erinnern, daß Hegel, indem er
das Verhältnis zwischen zwei Objekten, dem bestimmenden und dem zu bestimmenden,
klären will, sich verschiedener Termini bedient. Zuerst sagt er, daß ein Objekt
als Wesen des anderen erscheint, dann definiert er es als Grund des letzteren
Objekts, weiter bezeichnet er es als Inhalt im Unterschied zur Form, danach
betrachtet er dieses selbe Objekt als Substanz, als Ursache, und schließlich
geht Hegel zur Betrachtung der Wechselbeziehung zwischen zwei Objekten über. Wir
können hier die interessante Tatsache bemerken, daß man bei Marx diese ganze
Skala von Ausdrücken, denen wir bei Hegel begegnen, angewandt auf die Arbeit
finden können. Die Arbeit wird auch als Wesen des Wertes bezeichnet und als sein
Grund, Inhalt, seine Substanz und seine Ursache. All diese Äußerungen müssen wir
mit jenen methodologischen Prinzipien verbinden, auf denen die Lehre von Hegel
beruht, und dann wird uns klar werden, daß man keinesfalls die These von Marx,
daß die Arbeit die Wertsubstanz ist, im Sinne einer völligen Identität der
beiden auslegen darf.
Eben diese These brachte ich in meinem Buch im
Kapitel über den Inhalt und die Form des Wertes vor. Meine Hauptaufgabe war es,
zu beweisen, daß Arbeit nur Wertsubstanz ist, aber noch keinen Wert darstellt.
Anders ausgedrückt, wenn Marxens Kritiker sagen: "Bei Marx ist die Wertsubstanz
die Arbeit, folglich ist die Arbeit der Wert", so muß ich betonen, daß die
Arbeit nur Wertsubstanz ist, und um den Wert im vollen Sinne des Wortes zu
erhalten, wir zur Arbeit als zur Wertsubstanz noch etwas hinzufügen müssen, eben
die soziale Form des Wertes. Nur dann werden wir den Wertbegriff in dem Sinne
erhalten, wie wir ihn auch bei Marx finden können.
Was stellt der Wert also als Einheit des Inhalts
oder der Substanz (d.h. der Arbeit) und der Wertform dar? Was ist dieser Wert
bei Marx zum Unterschied vom Tauschwert? Um dieses Problem beantworten zu
können, müssen wir uns folgende Frage stellen: Auf welche Weise geht Marx
vom Tauschwert zum Wert über? Warum hält er es für notwendig, gemeinsam mit dem
Tauschwert, der in der Realität im Tauschakt erscheint, einen neuen,
abstrakteren Wertbegriff zu bilden?
Ihr werdet sicher wissen, daß Marx in der
"Kritik der Politischen Ökonomie" noch keine klare Unterscheidung zwischen
Tauschwert und Wert getroffen hatte. In der "Kritik" beginnt Marx seine
Interpretation mit dem Tauschwert, und von da geht er zum Wert über (den er
Tauschwert nennt). Dieser Übergang ist bei ihm sehr unmerklich, glatt und
gleichsam selbstverständlich.
Völlig anders gestaltet Marx
diesen Übergang im "Kapital". und es ist äußerst interessant, die ersten zwei
Seiten der "Kritik" mit denen im "Kapital" zu vergleichen.
(39)
Die ersten zwei Seiten in beiden
Büchern entsprechen einander vollkommen, die Interpretation beginnt in beiden
gleich mit dem Gebrauchswert und geht danach zum Tauschwert über. Den Satz, daß
der Tauschwert zunächst als das quantitative Verhältnis, die Proportion
erscheint, finden wir in beiden Büchern, danach aber beginnt der Text
auseinanderzugehen. Wenn Marx in der "Kritik" unmerklich vom Tauschwert zum Wert
übergeht, so ist es ganz im Gegenteil im "Kapital" so, als ob er auf diesem
Punkt stehenbleiben würde, da er die Einwände von Seiten seiner Gegner
voraussieht. Nach dem oben erwähnten Satz bemerkt Marx: "Der Tauschwert scheint
daher etwas Zufälliges und rein Relatives, ein der Ware innerlicher, immanenter
Tauschwert
. .. also eine
contradictio in adjecto."
(40) Betrachten wir
die Sache einmal näher. Wie Ihr sehen könnt, hatte Marx hier einen Gegner im
Sinne, der beweisen wollte, daß nichts außer dem relativen Tauschwert existiert,
daß der Wertbegriff in der politischen Ökonomie gänzlich überflüssig ist. Wer
war dieser Gegner, auf den Marx hinwies?
Ich möchte mich hier nicht so genau auslassen,
aber ich nehme an, daß dieser Gegner Bailey war, der zu beweisen versuchte, daß
der Wertbegriff überhaupt in der politischen Ökonomie nicht notwendig ist. und
daß wir uns auf die Beobachtung und die Untersuchung einzelner Proportionen
beschränken sollen, in denen die verschiedenen Waren ausgetauscht werden. Bailey
hatte mit seiner oberflächlichen. doch gewitzten Kritik an Ricardo großen Erfolg
und bemühte sich, die Basis für die Arbeitswerttheorie zu zerstören. Er
behauptete, daß wir nicht vom Wert des Tisches sprechen
können, sondern daß wir nur sagen können, daß der Tisch einmal
gegen drei Stühle ausgetauscht wird, das andere Mal gegen
2 Pfund Kaffee usw.
Die Wertgröße des Tisches ist etwas rein Relatives und in verschiedenen Fällen
Verschiedenes. Daraus zog Bailey den Schluß, der ihn zur Aufgabe des
Wertbegriffes in den Fällen führte, in denen der Wert vom relativen Wert eines
bestimmten Produkts in einem bestimmten Tauschakt abweicht. Stellen wir uns
folgenden Fall vor:
Der Wert des Tisches ist gleich drei Stühlen.
Nach einem Jahr wird dieser Tisch gegen sechs Stühle ausgetauscht. Wir glauben
sagen zu können, daß obwohl sich der Tauschwert des Tisches verändert hat. sein
Wert unverändert geblieben ist, und nur der Wert der Stühle ist um das Doppelte
gefallen. Bailey findet diese Behauptung unsinnig. Wenn sich schon das
Tauschverhältnis der Stühle zum Tisch geändert hat, so hat sich auch das
Tauschverhältnis des Tisches zu den Stühlen geändert, und nur darin besteht der
Wert des Tisches.
Um die Lehre von Bailey zu widerlegen, hielt es
Marx für notwendig, im "Kapital" die These zu entwickeln, daß der Tauschwert für
uns nicht verständlich sein kann, wenn er nicht auf eine gewisse Einheit des
Wertes zurückgeführt wird. Der erste Abschnitt des ersten Kapitels im "Kapital"
ist der Begründung dieser Idee gewidmet, dem Übergang vom Tauschwert zum Wert
und vom Wert zur Einheit, der ihm zugrundeliegt. zur Arbeit. Der zweite
Abschnitt ist eine Ergänzung zum ersten, da er nur den Begriff der Arbeit näher
erklärt. Wir können sagen, daß Marx von den Verschiedenheiten, die in der Sphäre
der Tauschwerte zu beobachten sind, zur Einheit übergeht, die allen Tauschwerten
zugrundeliegt, eben zum Wert (und schließlich zur Arbeit). Hier zeigt Marx die
Fehlerhaftigkeit der Ansichten von Bailey über die Möglichkeit, unsere
Untersuchung auf die Sphäre des Tauschwertes zu beschränken. Im dritten
Abschnitt geht Marx den umgekehrten Weg und erklärt, wie sich der einheitliche
Wert eines bestimmten Produkts in seinen verschiedenen Tauschwerten ausdrückt.
Früher ging Marx von den Verschiedenheiten zur
Einheit über, jetzt geht er von der Einheit zu den Differenzen. Früher
widerlegte er die Lehre Baileys. jetzt ergänzt er die Lehre Ricardos, bei der
der Übergang vom Wert zum Tauschwert fehlte. Um die Lehre Baileys zu widerlegen,
war es notwendig, die Theorie von Ricardo weiterzuentwickeln.
Und in der Tat, wurde
die Absicht Baileys, zu beweisen,
daß außer dem Tauschwert kein Wert existiert, durch die
Einseitigkeit Ricardos erleichtert, der nicht beweisen konnte, warum der Wert in
einer bestimmten Wertform erscheint. Deshalb war Marx mit zwei Aufgaben
konfrontiert: l) zu beweisen, daß wir unter dem Tauschwert den Wert aufdecken
müssen, und
2) zu beweisen, daß
der Wert unbedingt zu verschiedenen Erscheinungsformen, zum Tauschwert führt. Im
gegenwärtigen Vortrag möchte ich mich nur mit der ersten dieser zwei Aufgaben
befassen, da mein Anliegen darin besteht, den Wertbegriff zu klären. Die völlige
Klärung der Begriffe des Tauschwertes und des Geldes gehört nicht zu meinem
Thema.
Wie geht also Marx vom Tauschwert
zum Wert über? Gewöhnlich glauben die Kritiker und Kommentatoren von Marx, daß
sein Hauptargument in dem bekannten Vergleich des Weizens mit dem Eisen auf der
dritten Seite des ersten Bandes des "Kapitals" liegt.
(41) Wenn man
Weizen und Eisen einander gleichsetzt, schließt Marx, so haben beide ein
Gemeinsames von derselben Größe, beide müssen einem Dritten gleich sein, und
dieses Dritte ist ihr Wert. Gewöhnlich wird geglaubt, daß hierin das
Hauptargument von Marx liegt, und gewöhnlich sind alle kritischen Schläge der
Gegner von Marx gegen diese Argumentation gerichtet. Es gibt wohl kein Werk, das
gegen Marx gerichtet ist, in dem nicht darauf hingewiesen würde, daß Marx mit
Hilfe einer rein abstrakten Betrachtung die Notwendigkeit des
Wertbegriffes beweisen will.
Was völlig unbemerkt blieb, ist folgender
Umstand: Der Absatz bei Marx. der den Vergleich des Weizens mit dem Eisen
behandelt, ist nicht mehr als eine Schlußfolgerung aus dem vorhergehenden
Absatz, dem gewöhnlich nicht nur von den Kritikern, sondern auch von den
Kommentatoren von Marx keine Aufmerksamkeit geschenkt wird.
Der vorhergehende Absatz lautet:
"Eine gewisse Ware, ein Quarter Weizen z.B. tauscht sich mit
20 Pfund
Stiefelwichse oder mit
1,5 Meter Seide
oder mit einer halben Unze Gold usw. kurz mit anderen Waren in den
verschiedensten Proportionen. Aber der Tauschwert des Quarters Weizen bleibt
unverändert, und drückt sich nur in der Stiefelwichse, in der Seide und im Gold
aus. Folglich muß der Tauschwert einen von diesen Erscheinungsformen
unterscheidbaren Inhalt haben."
(42) Marx hat den
angeführten Absatz sorgfältig bearbeitet und verschiedene Varianten in
verschiedenen Ausgaben angegeben. Wir führten das Zitat in der russischen
Übersetzung nach der deutschen Ausgabe an, die von K. Kautsky
redigiert wurde. Noch klarer können wir diesen Gedanken in der
zweiten Ausgabe des "Kapitals" verfolgen, wo das Ende des angeführten Absatzes
lautet: "Aber da x Stiefelwichse, ebenso y Seide, ebenso z Gold usw. der
Tauschwert von einem Quarter Weizen ist, müssen x Stiefelwichse, y Seide, z Gold
usw. durch einander ersetzbare oder einander gleich große Tauschwerte sein. Es
folgt daher erstens: Die gültigen Tauschwerte derselben Ware drücken ein
Gleiches aus."
(43)
Anders ausgedrückt, zwei Waren,
die unserer gegebenen Ware, dem Weizen, gleich sind, sind untereinander gleich.
Wenn man diesen Schluß in Betracht zieht, den Marx in der angeführten Variante
unterstrich, so kann man sehen, daß der folgende Absatz eine logische Folge des
angeführten ist. Tatsächlich folgt aus dieser Tatsache, daß ein und dieselbe
Ware in den verschiedensten Gebrauchswerten ausgedrückt werden kann. Marx kommt
in dem zitierten Absatz zu dem Schluß, daß zwei Waren, die gegen ein und
dieselbe Ware ausgetauscht werden, oder einem Dritten gleich sind, untereinander
gleich sind. Daraus folgt mit der Notwendigkeit der Logik auch der umgekehrte
Schluß, zu dem Marx im folgenden Absatz kommt: Wenn zwei Waren untereinander
gleich sind. so sind sie einem Dritten gleich. Eben diesen Gedanken äußert Marx
in dem Absatz, wo er den Weizen mit dem Eisen vergleicht. Und so ist die These
von Marx, daß zwei Waren, die untereinander gleich sind, auch irgend einem
Dritten gleich sein müssen, nur eine Schlußfolgerung aus der vorhergehenden
These, laut der zwei Waren, die einem Dritten gleich sind, untereinander gleich
sind. Nur die Vereinigung der beiden Absätze gibt den wahren Sinn der
Argumentation von Marx wieder. Der Ausgangspunkt seiner ganzen Argumentation
besteht in der Konstatierung einer allen bekannten Tatsache, die einer
Warenproduktion zueigen ist, der Tatsache der allseitigen Gleichsetzung aller
Waren miteinander und der Möglichkeit der Angleichung einer bestimmten Ware an
die unendliche Vielzahl aller anderen Waren. Anders ausgedrückt, der
Ausgangspunkt aller Überlegungen von Marx ist die konkrete Struktur einer
Warenproduktion, und keineswegs die rein logische Vergleichsweise zweier Waren
miteinander
.
Und so geht Marx von der Tatsache der
allseitigen Gleichsetzung aller Waren miteinander aus, oder von der Tatsache,
daß jede Ware an eine Vielzahl anderer Waren angeglichen werden kann. Jedoch ist
diese Voraussetzung für alle Schlußfolgerungen von Marx noch nicht genug. Diesen
liegt noch eine "stille" Voraussetzung zugrunde, die Marx an anderer Stelle
äußerte.
Die
zweite Voraussetzung besteht im folgenden: Wir nehmen an, daß der Austausch
eines Quarters Weizen gegen eine beliebige andere Ware ein Austausch ist, der
einer bekannten Gesetzmäßigkeit unterliegt, und die Gesetzmäßigkeit dieser
Tauschakte besteht in ihrer Abhängigkeit vom Produktionsprozeß. Wir lehnen die
Vermutung ab, daß der Quarter Weizen gegen eine beliebige Menge Eisen, Kaffee
usw. ausgetauscht werden kann. Wir können nicht mit der Annahme übereinstimmen,
daß jedesmal im Tauschakt selbst Proportionen für den Austausch aufgestellt
werden, die völlig zufälligen Charakter haben. Dagegen behaupten wir, daß all
diese Möglichkeiten für eine bestimmte Ware, gegen eine andere ausgetauscht zu
werden, einer bestimmten Gesetzmäßigkeit unterliegen, einer Gesetzmäßigkeit, die
ihre Basis im Produktionsprozeß hat. In diesem Fall nimmt die ganze
Argumentation von Marx folgende Form an:
Marx sagt: Nehmen wir nicht den zufälligen
Austausch zweier Waren, Weizen und Eisen, sondern nehmen wir den Austausch in
der Form an, wie er wirklich in einer Warenproduktion vor sich geht, und da
werden wir sehen, daß jeder Gegenstand allseitig mit allen anderen Gegenständen
gleichgesetzt werden kann; anders ausgedrückt, wir können eine unendliche
Vielzahl von Proportionen des Austauschs eines gegebenen Produkts mit allen
anderen beobachten. Aber diese Austauschproportionen sind keine zufälligen, es
sind gesetzmäßige, und ihre Gesetzmäßigkeit wird durch Ursachen bestimmt, die
dem Produktionsprozeß zugrundeliegen.
So gelangen wir zu dem Schluß, daß unabhängig
davon, daß der Wert eines Quarters Weizen einmal in zwei Pfund Kaffee, ein
anderes Mal in drei Stühlen usw. ausgedrückt wird, dieser Wert eines Quarters
Weizen in allen anderen Fällen ein und derselbe bleibt. Wenn wir annehmen
würden, daß in jeder der unzähligen Austauschproportionen ein Quarter Weizen
einen anderen Wert hat, und die Behauptungen von Bailey laufen darauf hinaus, so
würden wir anerkennen, daß ein völliges Chaos in den Erscheinungen der
Preisbildung herrscht, in jener großartigen Erscheinung des Austauschs von
Produkten, durch und vermittels welcher ein allseitiger Zusammenhang aller
Arbeitsarten hergestellt wird.
Aus diesem Gedankengang von Marx, der ihn vom
Tauschwert zum Wert führte, können wir folgende Schlüsse ziehen. Zu einem Schluß
bin ich schon früher gelangt, als ich darauf hinwies, daß Marx die Warenproduktion mit der
ihr eigenen allseitigen Gleichsetzung aller Produkte zum Ausgangspunkt seiner
Untersuchung macht, eine Gleichsetzung, die eng mit dem Ablauf des
Produktionsprozesses verbunden ist. Marx geht nicht vom ausgedachten Beispiel
eines zufälligen Vergleichs von zwei Waren aus und auch nicht von einer rein
logischen Analyse aller Merkmale, die ihnen gemeinsam sein können, sondern von
der realen Form des Austauschs von Produkten, der für eine Warenproduktion
charakteristisch ist. Unsere zweite Schlußfolgerung läuft auf folgendes hinaus:
Wenn Marx Weizen mit Eisen vergleicht, so findet er in beiden
etwas "Gemeinsames", und in diesem "Gemeinsamen" erkennt er den Wert der
Produkte. In der Populärliteratur kann man keine klare Antwort auf die Frage
finden, was das "Gemeinsame" in den austauschbaren Produkten, über das Marx
spricht, ist. Manchmal wird dieses Gemeinsame richtig als Wert betrachtet,
manchmal wird es jedoch mit Arbeit identifiziert. Wenn wir uns nun Marx
zuwenden, so werden wir auf der fünften Seite des "Kapitals" eine klare Antwort
auf diese Frage finden: ''Das Gemeinsame, was sich im Austauschverhältnis oder
Tauschwert der Ware darstellt, ist also ihr Wert."
(44) Marx geht
folglich vom Tauschwert nicht unmittelbar zur Arbeit über. Vom Tauschwert geht
er zum Wertbegriff über und nur mit Hilfe einer weiteren Analyse vom Begriff des
Wertes zur Arbeit. Der Gedankengang von Marx geht streng genommen in drei Stufen
vor sich: vom Tauschwert zum Wert und vom Wert zur Arbeit.
Den Schluß, den ich daraus ziehen möchte, läuft
auf das hinaus, worüber ich schon früher gesprochen habe, daß man den Begriff
des Wertes streng vom Begriff der Arbeit unterscheiden muß, obwohl wir geneigt
sind, besonders in populären Interpretationen, diese für identisch zu erklären.
Aber was ist nun dieser Wert, den wir mittels
Abstraktion jener konkreten Austauschproportionen erhielten, in denen unser
Quarter Weizen mit den anderen Produkten gleichgesetzt wird? Obwohl wir jetzt
von jenen konkreten Produkten abstrahieren, gegen die unser Quarter Weizen
ausgetauscht wird, abstrahieren wir trotzdem nicht von der sozialen Form des
Wertes, den dieser Quarter Weizen besitzt, d.h. wir behaupten, daß unser Quarter
Weizen die Fähigkeit hat, in einer bestimmten Proportion gegen ein beliebiges
anderes Produkt ausgetauscht zu werden, das es in der bestimmten Gesellschaft
gibt. Weiter betrachten wir die Fähigkeit einer Ware zum Austausch als ihr
Merkmal, das bestimmten Gesetzen unterworfen ist, und insbesondere eng mit den
Herstellungsbedingungen einer bestimmten Ware verbunden ist. Anders ausgedrückt,
zu unserem Begriff des Wertes des Weizens gehört nicht mehr nur allein der
Begriff der gesellschaftlichen Arbeit, die zu ihrer Herstellung notwendig ist.
Dazu gehört der Begriff der gesellschaftlichen Arbeit, der "Sachform" annimmt,
die Form einer besonderen Eigenschaft eines Produkts. Hierher gehört auch "der
Wertinhalt" und die "Wertform". Um zu beweisen, daß Marx den Wert von der Arbeit
als Wertinhalt unterscheidet, möchte ich nur ein Zitat anführen: "Das
Arbeitsprodukt ist in allen gesellschaftlichen Zuständen Gebrauchsgegenstand,
aber nur eine historisch bestimmte Entwicklungsepoche, welche die in der
Produktion eines Gebrauchsdings verausgabte Arbeit als seine
' gegenständliche'
Eigenschaft darstellt, d.h. als seinen Wert. verwandelt das Arbeitsprodukt in
Ware."
(45) Zum Begriff
des Wertes gehört auf diese Weise auch der Inhalt des Wertes (d.h. die Arbeit)
und die soziale Wertform. Was ist nun diese "Form des Wertes", die zum
Unterschied vom Tauschwert zum Begriff des Wertes selbst gehört?
Ich möchte nur noch eine sehr deutliche
Definition der Wertform aus der ersten Ausgabe des "Kapitals" anführen:
"Gesellschaftliche Form
der Ware und Wertform oder Form der Austauschbarkeit sind also
eins und dasselbe."
(46) Wie zu ersehen
ist, wird als Wertform die Form der Austauschbarkeit oder die soziale Form. des
Arbeitsproduktes bezeichnet, die in sich die Fähigkeit birgt, gegen beliebige
andere Waren ausgetauscht zu werden, sofern diese Fähigkeit durch die Quantität
der Arbeit bestimmt wird, die zur Herstellung einer bestimmten Ware notwendig
ist. Auf diese Weise gingen wir nicht von der sozialen Form des Arbeitsprodukts
ab, als wir vom Tauschwert zum Wert übergingen. Wir abstrahierten nur von jenem
konkreten Produkt, in dem sich der Wert einer Ware ausdrückt, aber wir hatten
dabei immer die soziale Form des Arbeitsprodukts vor Augen.
Unsere Schlußfolgerung kann auch auf folgende
Weise formuliert werden: Marx analysiert die "Wertform" getrennt vom Tauschwert.
Um in den Begriff des Wertes selbst die soziale Form des Arbeitsprodukts
einzuführen, waren wir gezwungen, gleichsam eine Aufspaltung oder eine
Zweiteilung der sozialen Form des Arbeitsprodukts in zwei Formen durchzuführen:
in die Wertform und den Tauschwert, wobei unter der ersten die soziale Form des
Produkts zu verstehen ist, die sich noch nicht in einer bestimmten Sache
konkretisiert hat, sondern gleichsam die abstrakte Eigenschaft einer Ware
darstellt. Gerade diese Unterscheidung der Wertform vom Tauschwert erklärte ich
auch in meinem Buch. Es ist wahr, daß ich die beiden dort als qualitative und
quantitative Seite des Tauschwerts betrachtete. Ich habe das hauptsächlich
deshalb gemacht, weil bei Marx an einigen Stellen die Termini Wertform und
Tauschwert fast nicht voneinander unterschieden werden. Eine völlige
Identifizierung der Wertform mit dem qualitativen Aspekt und des Tauschwertes
mit dem quantitativen kann nicht als richtig angesehen werden, da beide Begriffe
sowohl von ihrer qualitativen als auch von ihrer quantitativen Seite her
betrachtet werden müssen. Diese Frage hat keinen direkten Bezug auf unser Thema
und deshalb werde ich mich hier auch nicht weiter aufhalten. Ich möchte nur
bemerken, daß gerade diese Zweiteilung der sozialen Form des Produkts, die
Wertform und der Tauschwert, in meinem Buch ausführlich behandelt wird, in
Übereinstimmung mit der von mir selbst gestellten Aufgabe. Ich mußte in den
Begriff des Wertes selbst die Merkmale der sozialen Form des Arbeitsprodukts
einführen und damit die Unzulässigkeit einer Identifizierung des Wertbegriffes
mit dem Begriff der Arbeit beweisen, einer Identifizierung, zu der oft
populärwissenschaftliche Darstellungen der Marxschen Lehre greifen. Anders
ausgedrückt: ich mußte beweisen, daß der Wert nicht nur aus der Wertsubstanz
(d.h. der Arbeit), sondern auch aus der "Wertform" besteht, und um die Wertform
in den Begriff des Wertes selbst einzuführen, mußte ich sie vom Tauschwert
unterscheiden, den Marx getrennt vom Wert betrachtet. Ich mußte die soziale Form
des Produkts in zwei Teile gliedern: in die soziale Form, die noch kein
konkretes Aussehen angenommen hatte, und in eben jene Form, die schon eine
konkrete und selbständige Art angenommen hatte.
Jetzt, wo die Unterscheidung zwischen der
Wertform und dem Tauschwert geklärt ist, möchte ich mich dem Begriff des Wertes
zuwenden und das Verhältnis zwischen seinen verschiedenen Aspekten verfolgen:
zwischen dem Wertinhalt oder der Wertsubstanz und der Wertform.
Welches Verhältnis existiert zwischen Arbeit und
jener sozialen Wertform, mit der ich mich befaßte? Die allgemeine Antwort auf
diese Frage lautet: Die Wertform ist die adäquate und genaue Form des Ausdrucks
des Wertgehalts (d.h. der Arbeit). Um diesen Gedanken zu erklären, müssen wir zu
einem früheren Beispiel zurückkehren: Ein Tisch wird gegen drei Stühle
ausgetauscht. Wir sagen, daß dieser Tauschprozeß einer bestimmten Gesetzmäßigkeit
unterworfen ist und von der Entwicklung und den Veränderungen der
Arbeitsproduktivität abhängt. Aber der Tauschwert ist eine solche soziale Form
des Produkts, die nicht nur die Veränderungen der Arbeit ausdrückt, sondern auch
diese Veränderungen verdeckt und verschleiert. Er verdeckt sie aus dem einfachen
Grund. daß der Tauschwert das Verhältnis zwischen zwei Waren ist, zwischen dem
Tisch und den Stühlen, und deshalb sagt uns die Veränderung der Tauschproportion
zwischen diesen zwei Gegenständen nichts darüber, ob die Arbeit sich wirklich
verändert hat, die auf die Herstellung des Tisches aufgewandt wurde. Wenn der
Tisch nach Ablauf von einiger Zeit schon gegen sechs Stühle ausgetauscht werden
kann, hat sich der Tauschwert des Tisches verändert, während der Wert des
Tisches selbst sich vielleicht um keine Jota verändert hat. Um den Prozeß der
Abhängigkeit der Veränderung der sozialen Form des Produkts von der Quantität
der Arbeit, die auf die Herstellung des Produkts aufgewandt wurde, in Reinform
zu untersuchen, mußte Marx die vorhandene Erscheinung in zwei Teile teilen, sie
durchschneiden und sagen, daß wir jene Ursachen getrennt untersuchen müssen, die
den Wert des Tisches bestimmen, und jene, die den Wert der Stühle bestimmen; und
daß ein und dieselbe Erscheinung des Tausches (eben die Tatsache, daß der Tisch
jetzt gegen sechs Stühle anstatt gegen drei ausgetauscht werden kann) entweder
aus Gründen hervorgerufen werden kann, die auf Seiten des Tisches liegen, oder
aus Gründen, die in den Herstellungsbedingungen der Stühle wurzeln. Um die
Tätigkeit jeder dieser kausalen Ketten getrennt zu untersuchen, mußte Marx die
Tatsache der Veränderung des Tauschwertes des Tisches in zwei Teile aufspalten
und annehmen, daß diese Veränderungen ausschließlich aus Gründen hervorgerufen
werden, die auf Seiten des Tisches zur Auswirkung kommen, d.h. durch eine
Veränderung der Produktivität der Arbeit, die zur Herstellung des Tisches
notwendig ist. Anders ausgedrückt, er mußte annehmen, daß alle anderen Waren,
gegen die unser Tisch ausgetauscht wird, ihren früheren Wert bewahren. Nur bei
dieser Annahme folgt die Veränderung des Wertes des Tisches der Veränderung der
Quantität der Arbeit, die zu seiner Herstellung notwendig ist. und die soziale
Form des Wertes erweist sich als ganz genauer und adäquater Ausdruck des
Wertinhalts oder der Wertsubstanz (d.h. der Quantität der Arbeit, die im
Herstellungsprozeß aufgewandt wird).
Dank der Bestimmung des Wertes als Einheit von
Inhalt (d.h. Arbeit) und sozialer Wertform, gibt es für
uns folgende Vorteile. Wir können sofort mit der weitverbreiteten
Identifizierung des Wertes mit der Arbeit brechen und so richtiger das
Verhältnis des Wertbegriffs zum Arbeitsbegriff bestimmen. Andererseits können
wir auch das Verhältnis Wert und Tauschwert korrekter bestimmen. Früher, als der
Wert einfach als Arbeit betrachtet wurde und noch keine genauere soziale
Charakteristik erhalten hatte, wurde dieser Wert einerseits mit der Arbeit
identifiziert und andererseits vom Tauschwert durch eine Kluft getrennt. Im
Wertbegriff sahen die Ökonomen oft eben nur die Arbeit und konnten von diesem
Begriff nicht zum Begriff des Tauschwertes übergehen. Jetzt, da wir den Wert als
Einheit von Inhalt und Form betrachten, verbinden wir durch den Inhalt den Wert
mit dem vorhergehenden Begriff, mit der Arbeit, aber andererseits verbinden wir
den Wertbegriff durch die Wertform schon mit dem folgenden, dem Tauschwert. In
der Tat, wenn wir behaupten. daß der Wert nicht Arbeit allgemein ist, sondern
Arbeit, die die Form der Austauschbarkeit des Produkts angenommen hat, so müssen
wir vom Wert unbedingt zum Tauschwert übergehen. So ist der Wertbegriff
unzertrennlich einerseits mit dem Arbeitsbegriff und andererseits mit dem
Begriff des Tauschwertes verbunden. Aber diese unzertrennliche Verbindung all
dieser Begriffe sollte nicht zu ihrer Identifizierung führen. Wir betrachten den
Wert als gesellschaftliche Arbeit, die die Form einer "vergegenständlichten"
Eigenschaft des Arbeitsprodukts angenommen hat, oder als Eigenschaft des
Produkts, gegen ein beliebiges anderes Produkt ausgetauscht werden zu können,
insofern diese Eigenschaft des Produkts von der Quantität der gesellschaftlichen
Arbeit, die zu seiner Herstellung notwendig ist, abhängt.
Zum Abschluß möchte ich noch feststellen, daß
die Fähigkeit der Aufspaltung der sozialen Form des Produkts in zwei Teile (die
Wertform und den Tauschwert, von denen die erste selbst zum Wertbegriff gehört,
während der Tauschwert nur eine Erscheinungsform des Wertes ist), vielleicht an
ein ana-*loges Verfahren bei Hegel erinnert. Obwohl Marx im gegebenen Fall
nirgends auf einen Zusammenhang seines Konzepts mit der Philosophie Hegels
hinweist, kann man eine wesentliche Ähnlichkeit zwischen der Aufspaltung der
sozialen Form des Produkts bei Marx und der Lehre Hegels über die "Verdoppelung
der Form" finden. Ich möchte hier einige Zeilen aus der sogenannten kleinen
"Logik" von Hegel anführen: "Bei dem Gegensatz von Form und Inhalt ist
wesentlich festzuhalten, daß der Inhalt nicht formlos ist, sondern eben sowohl die
Form in ihm selbst hat, als sie ihm ein Äußerliches ist. Es ist die
Verdoppelung der Form vorhanden, die das eine mal als in sich reflektiert den
Inhalt, das andere mal als in sich reflektiert die äußerliche dem Inhalt
gleichgültige Existenz ist."
(47)
Ich glaube, daß die von Marx durchgeführte Unterscheidung zwischen "Wertform",
die im Wert selbst eingeschlossen ist, und "Tauschwert", der etwas
'Äußerliches", "Unbestimmtes" in bezug auf den Wert darstellt, Ähnlichkeit mit
der Verdopplung der Form hat, die uns bei Hegel begegnet.
Jetzt möchte ich zum letzten Teil
meines Vertrages übergehen, zur Frage über den Inhalt oder die Substanz des
Wertes. Alle Marxisten stimmen darin überein, daß die Arbeit den Inhalt des
Wertes bildet, aber das Problem liegt darin, von welcher Arbeit denn hier die
Rede ist. Schon aus dem vorhergehenden Teil des Vertrages kann man sich davon
überzeugen, welche unterschiedlichen Begriffe sich hinter dem Wort "Arbeit"
verbergen können. Welche Arbeit also bildet den Inhalt des Wertes? Die Mehrheit
der Leser wird mich in dem Sinn aufgefaßt haben, daß ich unter dem Inhalt des
Wertes die Arbeit in ihrer materiell technischen Form verstehe. Ich gebe zu, daß
man mich so verstehen könnte, da in meinem Buch "Studien zur Marxschen
Werttheorie" ungefähr solche Formulierungen zu finden sind. Nichtsdestoweniger
muß ich festhalten, daß in meinem Buch in ein und demselben Kapitel über den
Inhalt und die Form des Wertes nicht einmal, sondern dreimal Formulierungen zu
finden sind, die zeigen könnten, daß ich auf jeden Fall unter dem Inhalt des
Wertes nicht die Arbeit verstand, die ausschließlich von ihrer materiell
technischen Seite untersucht wird.
(48) Auf den Seiten
89 - 9o schrieb
ich: "Die Arbeit als Wertsubstanz wird von Marx nicht als bestimmte Quantität
von Arbeit betrachtet, als sich selbst genommen, sondern als etwas
"Eigenständiges und Absolutes", als etwas im Produkt Angesammeltes und materiell
Vergegenständlichtes. Diese Arbeit wird vom Standpunkt des Teilungsprozesses der
gesellschaftlichen Arbeit zwischen den einzelnen Produktionszweigen untersucht
und als Teil der gesamten gesellschaftlichen Arbeit genommen, in ihrem
Verhältnis zur letzteren wie zum Ganzen." An anderer Stelle (S.
85) zitiere ich die
Worte von Marx über den Wert als "Form, in der sich die proportionale Teilung
der Arbeit äußert." Schließlich, der endgültige Schluß, zu dem ich im erwähnten
Kapitel komme, lautet: "Von der qualitativen Seite her betrachtet, bedeutet das
Verhältnis zwischen Arbeit als "Wertsubstanz" und "Wertform" das Verhältnis zwischen
dem Teilungsprozeß der Arbeit und seiner spezifischen, sozialen und eben
"Warenform". (S.
91). Die
angeführten Zitate geben mir das Recht zu behaupten, daß ich mit dem Inhalt des
Wertes wirklich nicht die Arbeit meinte, die ausschließlich von der materiell
technischen Seite betrachtet wird, sondern meine Idee näherte sich an jenen
Begriff der sozial gleichgesetzten und geteilten Arbeit an, über den ich früher
sprach. Unter dem Wertinhalt verstand ich Arbeit, die als Teil der gesamten
gesellschaftlichen gleichgesetzten und geteilten Arbeit aufgefaßt wird. Aber
dieser Begriff, den man an vielen Stellen in meinem Buch finden kann, wurde von
mir nicht genügend ausgeführt und bedurfte einer ernstlichen Korrektur. Erst im
gegenwärtigen Vortrag nahm ich eine scharfe Abgrenzung zwischen der sozial
gleichgesetzten Arbeit allgemein (die nicht nur in einer Warenproduktion,
sondern auch z.B. im Sozialismus existiert) und der abstrakt allgemeinen Arbeit
vor, als Arbeit, die in der spezifischen Form. die einer Warenproduktion zueigen
ist, gleichgesetzt ist. Jetzt möchte ich die Frage stellen: Versteht Marx unter
dem Inhalt des Wertes die sozial gleichgesetzte Arbeit allgemein oder aber die
abstrakt allgemeine? Mit anderen Worten, wenn wir von der Arbeit als vom Inhalt
des Wertes sprechen, schließen wir in den Begriff der Arbeit alle jene Merkmale
ein, die ich weiter oben in den Begriff der abstrakten Arbeit mit-einbezog, oder
fassen wir die Arbeit im Sinne der sozial gleichgesetzten Arbeit auf, die in
sich nicht jene Merkmale einschließt, die die soziale Organisation der Arbeit in
einer Warenproduktion charakterisieren. Fällt der Begriff der Arbeit als Inhalt
des Wertes mit dem Begriff der abstrakten Arbeit, die den Wert bildet, zusammen,
oder aber hat der erste Begriff einen breiteren Charakter? Auf den ersten Blick
wird man bei Marx Argumente zugunsten beider Bedeutungen des "Wertinhalts"
finden. Einerseits wird man Argumente finden, die schembar besagen, daß wir
unter Arbeit als den Inhalt des Wertes etwas Geringeres als die abstrakte Arbeit
verstehen müßen, d.h. die Arbeit außerhalb aller jener sozialen Merkmale, die
ihr in einer Warenproduktion zueigen sind.
Welche Argumente können wir finden, die für eine
solche Lösung des Problems sprechen?
Man kann oft finden, daß Marx unter dem Inhalt
des Wertes etwas versteht, das nicht nur die soziale Form des Wertes annehmen
kann, sondern auch eine andere soziale Form.
Unter dem Inhalt wird etwas verstanden, das
fähig ist, unterschiedlich soziale Formen anzunehmen. Durch eben eine solche
Fähigkeit zeichnet sich die sozial gleichgesetzte Arbeit aus, aber nicht die
abstrakte, d.h. die Arbeit, die schon eine gewisse soziale Form angenommen hat.
Die sozial gleichgesetzte Arbeit kann die Form von Arbeit annehmen, die in einer
Warenproduktion organisiert wurde, und die Form von Arbeit, die z.B. die in
einer sozialistischen Produktion organisiert ist. Anders ausgedrückt, im
gegebenen Fall fassen wir die sozial gleichgesetzte Arbeit in ihrer abstrakten
Form auf und lassen jene Modifikationen beiseite. die im Inhalt selbst (d.h. in
der Arbeit) durch die eine oder andere seiner Form hervorgerufen werden.
Gibt es bei Marx den Begriff des
Wertinhalts in diesem Sinn? Wir können diese Frage nun positiv beantworten.
Denken wir z.B. an die Worte von Marx, wo er sagt, daß der "Tauschwert eine
bestimmte gesellschaftliche Manier ist, die auf ein Ding verwandte Arbeit
auszudrücken."
(49) Offensichtlich
wird hier die Arbeit als abstrakter Inhalt betrachtet. der die eine oder andere
soziale Form annehmen kann. Wenn Marx in dem bekannten Brief an Kugelmann vom
11. Juli
1868 sagt, daß die
gesellschaftliche Teilung der Arbeit sich in einer Warenproduktion in Form des
Wertes äußert, betrachtet er wiederum die gesellschaftlich geteilte Arbeit als
Inhalt, der diese oder jene soziale Form annehmen kann.
Im zweiten Absatz des Abschnitts über den
Warenfetischismus erklärt Marx geradezu, daß wir den "Inhalt der
Wertbestimmungen" nicht nur in einer Warenproduktion finden können, sondern auch
z.B. in einer patriarchalischen Familie oder auf einem mittelalterlichen Gut.
Und hier stellt die Arbeit, wie wir sehen, einen Inhalt dar, der verschiedene
soziale Formen annehmen kann.
Ich möchte jetzt ein Argument zugunsten der
gegenteiligen These anführen, laut der wir unter dem Inhalt des Wertes die
abstrakte Arbeit verstehen müssen.
Erstens werden wir bei Marx
einige Äußerungen finden, die das bestätigen. z.B. folgende: "Sie (die Waren)
beziehen sich damit zugleich auf die abstrakte menschliche Arbeit als ihre
gemeinsame gesellschaftliche Substanz."
(50) Diese
Feststellung läßt keinen Zweifel darüber zu, daß die abstrakte Arbeit nicht nur
ein Werterzeuger ist, sondern auch Wertsubstanz oder Inhalt des Wertes. Zu
diesem Schluß gelangen wir aufgrund methodologischer Überlegungen.
Ich habe früher bewiesen, daß die sozial
gleichgesetzte Arbeit in einer Warenproduktion die Form der abstrakten Arbeit
annimmt, und nur aus dieser abstrakten Arbeit entspringt notwendigerweise der
Wert als soziale Form der Arbeitsprodukte. Daraus folgt, daß der Begriff der
abstrakten Arbeit in unserem System unmittelbar dem Wertbegriff vorangegangen
war, und das würde beweisen, daß wir gerade diesen Begriff der abstrakten Arbeit
als Basis, Inhalt oder Substanz des Wertes auffassen müssen. Aber man darf auch
nicht vergessen, daß Marx in der Frage des Verhältnisses zwischen Inhalt und
Form auf dem Standpunkt Hegels stand und nicht auf dem Kants. Kant betrachtet
die Form als etwas Äußerliches in bezug auf den Inhalt und etwas, das sich von
außen an ihn anschließt. Vom Standpunkt der Hegeischen Philosophie aus, stellt
der Inhalt nicht etwas dar, an das sich die Form von außen anschließt, sondern
der Inhalt selbst, indem er sich entwickelt, gebiert diese Form, die in eben
diesem Inhalt in versteckter Form enthalten war. Die Form entspringt
notwendigerweise dem Inhalt selbst.
Das ist die Hauptthese der Hegeischen und
Marxschen Methodologie, eine These, die zur Kantianischen Methodologie im
Widerspruch steht. Von diesem Standpunkt aus muß aus der Wertsubstanz
notgedrungen auch die Wertform entspringen, und folglich müssen wir die
abstrakte Arbeit als die Wertsubstanz ansehen, in der ganzen Fülle ihrer
sozialen Bestimmtheiten, die für eine Warenproduktion charakteristisch sind. Und
schließlich, als letztes Argument, wollen wir darauf hinweisen, daß, wenn wir
die abstrakte Arbeit als den Inhalt des Wertes betrachten, damit eine
wesentliche Vereinfachung des ganzen Marxschen Systems erreichen werden, da in
diesem Fall die Arbeit als Inhalt des Wertes nicht von der Arbeit unterschieden
wird. die den Wert bildet.
Wir haben das paradoxe Resultat erreicht, daß
Marx als Inhalt des Wertes einmal die sozial gleichgesetzte Arbeit anerkennt,
ein anderes Mal die abstrakte Arbeit.
Wie können wir diesen
Widerspruch auflösen?
Mir scheint, daß dieser Widerspruch
verschwindet, wenn wir uns an den Gegensatz zwischen den beiden Methoden, der
analytischen und der dialektischen, erinnern, über die ich am Beginn meines
Vertrages sprach. Wenn wir vom Wert ausgehen, als von einer bestimmten sozialen
Form, und uns die Frage stellen, was der Inhalt dieser Form ist, so wird sich
zeigen, daß diese Form nur allgemein die Tatsache ausdrückt, daß
gesellschaftliche Arbeit verausgabt wurde: der Wert erweist sich als Form, die die Tatsache der
sozialen Gleichsetzung der Arbeit ausdrückt, als Tatsache, die nicht nur in
einer Warenproduktion vorkommt, sondern auch in einer anderen Produktion vor
sich gehen kann. Indem wir uns auf analytischem Wege von der fertigen Form zu
ihrem Inhalt begeben haben, finden wir die sozial gleichgesetzte Arbeit als
Inhalt des Wertes. Aber wir gelangen zu einem anderen Schluß, wenn wir nicht die
fertige Form zum Ausgangspunkt unserer Untersuchung nehmen, sondern den Inhalt
selbst (d.h. die Arbeit), aus dem notwendig die Form (der Wert) entspringen muß.
Um von der Arbeit, die als Inhalt betrachtet wird, zum Wert überzugehen, als zur
Form, müssen wir in den Begriff der Arbeit die soziale Form ihrer Organisation
in einer Warenproduktion miteinschließen, d.h. die abstrakt allgemeine Arbeit
als Inhalt des Wertes erkennen. Es ist möglich, daß gerade durch die
Unterscheidung dieser beiden Methoden sich auch der scheinbare Widerspruch in
der Definition des Wertinhalts erklärt, dem wir bei Marx begegnen.
Wenn wir die weiter oben in
unserem Vortrag erwähnte Darlegung zusammenfassen, so können wir sagen, daß die
Grundbegriffe, auf denen die Marxsche Wert- und Geldtheorie beruht, aus
folgenden fünf Begriffen bestehen: 1) die Produktionsverhältnisse der
Warenproduzenten,
2) die abstrakte
Arbeit,
3) der Wert,
4) der Tauschwert
und 5)
das Geld.
Engels wies in seinem Artikel
über die "Kritik der Politischen Ökonomie" von Marx darauf hin, daß das
Verdienst von Marx darin besteht, daß er uns das ganze System der bürgerlichen
Ökonomie in seinem inneren Zusammenhang zeigte.
(51) Angewandt auf
die fünf aufgezählten Kategorien besteht das Verdienst von Marx darin, daß er
uns den inneren unzertrennlichen Zusammenhang aller dieser Kategorien zeigte.
Leider entglitt dieser Zusammenhang oft der Aufmerksamkeit der Leser, und die
aufgezählten Kategorien wurden jede einzeln betrachtet. Erinnern wir uns, wie
man sich gewöhnlich das Verhältnis zwischen den aufgezählten fünf Kategorien
vorstellte
.
Beginnen wir mit den Produktionsverhältnissen
der Warenproduzenten. Das war ein Begriff, der jedem Marxisten bekannt war. Alle
wußten, daß die Lehre von den Produktionsverhältnissen der Menschen die Basis
der Marxschen ökonomischen Theorie ist. Es wurde dabei jedoch nicht klar genug
versucht zu zeigen, wie aus den menschlichen Produktionsverhältnissen jene
Kategorien entsprangen, über die ich sprach. Deshalb kam es, als ich zur
abstrakten Arbeit überging, zu einem völligen Bruch zwischen dem ersten und dem
zweiten Begriff. Die abstrakte Arbeit wurde als physiologisch gleiche Arbeit
bestimmt, d.h. die Form der Produktionsverhältnisse der Menschen als
Warenbesitzer war völlig verworfen worden. Diese Form war von uns vergessen
worden, und wir befanden uns plötzlich in der Sphäre der physiologisch
gleichen Arbeit, die für alle historischen Epochen die gleiche ist.
Indem wir vom Begriff der abstrakten Arbeit zum
Begriff des Wertes übergingen, muß ich sagen, daß diese zwei Begriffe in der
marxistischen Literatur immer eng miteinander verbunden waren. Es wäre wirklich
höchst seltsam, wenn die Anhänger der Arbeitswerttheorie den Begriff der Arbeit
nicht mit dem Wertbegriff verbinden würden. Aber diese Verbindung ist eben
dadurch teuer erkauft worden, daß der Wert fast mit der Arbeit identifiziert
wurde, und es war nicht klar, wodurch sich eigentlich der Wert von der
Arbeit unterscheidet. Beim. weiteren Übergang vom Wert zum Tauschwert gab es
wieder einen Bruch. Der Wert wurde mit der Arbeit identifiziert, und deshalb wußten wir auch nicht, wie der Tauschwert aus dem Wert entsteht. Endlich, der
Zusammenhang zwischen dem Begriff des Tauschwertes und dem des Geldes war in der
marxistischen Literatur schon immer ein sehr beständiger, da Marx diesen
Zusammenhang unterstrich und ihn besonders bekräftigte. Auf diese Weise wurden
die oben aufgezählten fünf Kategorien in drei Gruppen aufgespalten. In der
ersten Gruppe waren die Produktionsverhältnisse der Warenproduzenten, in der
zweiten die abstrakte Arbeit Und der Wert und in der dritten der Tauschwert und
das Geld. Das System der aufgezählten fünf Kategorien war nur an zwei Stellen
unterbrochen, und zwar an der Stelle, wo wir von den Produktionsverhältnissen
zur abstrakten Arbeit, und dort, wo wir vom. Wert zum Tauschwert übergehen
mußten.
Diese Unterbrechungen verschwinden, wenn wir die
abstrakte Arbeit als Arbeit betrachten, die eine bestimmte soziale Form besitzt,
und wenn wir unter dem Wert die Einheit von Inhalt und Form verstehen.
Durch diese zwei Umformungen erhalten wir einen
ununterbrochenen logischen Zusammenhang aller aufgezählten Kategorien. Aus einer
bestimmten Form der Produktionsverhältnisse der Menschen als Warenproduzenten
entspringt der Begriff der abstrakten Arbeit. Aus der abstrakten Arbeit, die
nicht als physiologisch gleiche Arbeit, sondern als in einer spezifischen Form
sozial gleichgesetzte angesehen wird, die einer Warenproduktion zueigen ist,
entspringt notwendigerweise der Wertbegriff. Der Wertbegriff, der als
Einheit von Inhalt und Form betrachtet wird, ist durch seinen Inhalt mit dem
vorhergehenden Begriff der abstrakten Arbeit und durch seine Form mit dem
folgenden Begriff des Tauschwerts verbunden. Endlich, führt die Entwicklung des
Tauschwerts notgedrungen zum Geld.
Es wäre nicht in meinem Sinne,
wenn der von mir erwähnte Zusammenhang all dieser Kategorien sich Euch als
irgendeine logische Eigenbewegung der Begriffe darstellt, die einander
erzeugen. Der erwähnte enge Zusammenhang der Begriffe, die logisch einer aus dem
anderen folgen, ist dadurch zu erklären, daß alle diese Begriffe auf den Begriff
der Produktionsverhältnisse der Menschen als Warenbesitzer aufgebaut sind.
Dieser Begriff birgt eine Vielfalt von realen gesellschaftlichen Verhältnissen
der Menschen in sich, die ständig aneinander geraten und sich ununterbrochen
entwickeln. Die ökonomischen Kategorien drücken "Daseinsformen,
Existenzbestimmungen, oft nur einzelne Seiten dieser bestimmten Gesellschaft"
aus.
(52) Die logische
Einheit der ökonomischen Kategorien erklärt sich durch die reale Einheit dieser
Gesellschaft, des eigentlichen Gegenstandes unserer Untersuchung
.
Anmerkungen
(1) Es
handelt sich bei diesem Text um die korrigierte stenographische Mitschrift eines
Vortrags, der auf der Sitzung der Allgemeinen Wirtschaftssektion des Instituts
für Ökonomie im Mai und Juni
1927 verlesen
wurde. Die Redaktion von "Pod Znamenem Marksizma" (Unter dem Banner des
Marxismus) bezeichnet ihn als "Diskussionsbeitrag".
(1a) Er meint
hier die Einleitung aus den "Grundrissen der Kritik der Politischen Ökonomie",
die schon lange vor dem Haupttext veröffentlicht worden war. Im folgenden
spricht Rubin häufiger von der "Kritik", es ist damit das Marxsche Werk "Zur
Kritik der Politischen Ökonomie" von
1857 gemeint.
(2) K. Marx. Das
Kapital, Bd. l, in: Marx-Engels-Werke (MEW) Berlin
1956 ff.. Bd.
23. S.
94 f.
(3) ebenda. S.
107
(4) vgl.
ebenda, S. 393
(5) ebenda. S.
56 ff.
(6) ebenda. S.
371 ff.
(7) K. Marx, Das
Kapital, l. Aufl.
(1867). in:
Marx-Engels-Studienausgabe. Frankfurt/M.
1966. Bd.
2. S.
238 (im folgenden
zitiert als: Studienausgabe)
(8) K. Marx, Zur
Kritik der Politischen Ökonomie, in: MEW
13.
S. 21
(9) K. Marx.
Das Kapital. Bd. l. a.a.O.. S. 88
(10)
Studienausgabe. S. 24o
(11) K. Marx. Das
Kapital, Bd. l, a.a.O.. S. 85
f.
(12) ebenda. S.
86
(13) Der
Wertsubstanz ist ein ganzer Absatz gewidmet, der mit den Worten beginnt: "Die
Menschen beziehen also ihre Arbeitsprodukte nicht aufeinander als Werte, weil
diese Sachen ihnen als bloß sachliche Hüllen gleichartig menschlicher Arbeit
gelten" usw. (vgl. ebenda, S.
88). Der folgende
Absatz ist der Wertgröße gewidmet, und ein weiterer der Wertform.
(14) K. Marx. Zur
Kritik der Politischen Ökonomie, a.a.O.. S.
42
(15) Siehe dazu
1.1. Rubin. Studien
zur Marxschen Werttheorie, Frankfurt/M.
1973. Diese Ausgabe
ist allerdings um die ersten Kapitel des russischen Originals gekürzt, in denen
Rubin die Grundzüge der Arbeitswerttheorie und die objektiven Voraussetzungen
des Warenfetischismus entwickelt.
(16) K. Marx, Zur
Kritik der Politischen Ökonomie. a.a.O.,
S.
17
(17) ebenda. S.
19
(18) ebenda, S.
21
(19) ebenda, S.
20
(20) ebenda
(21) vgl. ebenda
(22) K. Marx. Das
Kapital, Bd. l. l. Aufl. (1867).
Anhang
zu Kapitel
1.1. Die Wertform,
S. 771
(Neuausgabe: AOKI-SHOTEN. Tokio
1959)
(23)
Studienausgabe, S. 234
(24) K. Marx. Zur
Kritik der Politischen Ökonomie, a.a.O., S.
20
(25) vgl.
Marx/Engels, Die deutsche Ideologie, MEW
3, S.
47 f.
(26) I. Daschkowski,
Abstraktuy trud i ekonomitscheskije kategorü Marksa (Abstrakte Arbeit und
ökonomische Kategorien bei Marx), in: Pod Znamenem Marksizma (Unter dem Banner
des Marxismus), Heft
6, Moskau
1926
(27) K. Marx, Zur
Kritik der Politischen Ökonomie, a.a.O.. S.
24
(28) ebenda, S.
42
(29) K. Marx. Das
Kapital, Bd. l, a.a.O., S. 88
(30)
Studienausgabe. S. 242
(31) vgl. K.
Marx, Das Kapital. Bd. l, a.a.O., S. 32
(32) ebenda. S.
87 t.
(33) K. Marx, Le
Capital. livre l. Paris
1969 (edition
Garnier-Flammarion), S.
70 (Übersetzung aus
dem Französischen :d, dt. Herausgeber; im Original lautet die Stelle: "....et
c'est l'echange seul qui opere cette Reduction en mettant en presence les uns
des autres sur un pied d* egalite les produits des travaux les plus divers.")
(34) K. Marx.
Theorien über den Mehrwert, Bd.
3, MEW
26.3.
S. 127
(35) ebenda, S.
4o5
(36) K. Marx. Zur
Kritik der Politischen Ökonomie, a.a.O., S. 3TI
(37) ebenda. S.
53
(38) ebenda. S.
68
(39) vgl. dazu:
ebenda, S.
16 und ders.: Das
Kapital. Bd. l, a.a.O., S,
50
(40) ebenda. S.
50 f.
(41) vgl. ebenda
S. 51
(42) K. Marx. Das
Kapital, Bd. l. (russ.) Moskau
1923, S.
3 (Rückübersetzung
aus der russischen Ausgabe)
(43) K. Marx, Das
Kapital, Bd. l, a.a.O., S. 51
(44) ebenda, S.
53
(45) ebenda, S.
76
(46)
Studienausgabe, S. 235
(47) vgl. G. W. F.
Hegel, Werke in zwanzig Bänden, Frankfurt/Main
1970. Bd.
8, S.
264 ff,,
§ 133
(48) Diese Stellen
konnten in der deutschen Ausgabe der "Studien zur Marxschen Werttheorie", a.a.O..
nicht aufgefunden werden. Sie sind daher aus der russischen Ausgabe
rückübersetzt (Anmerkung der Herausgeber).
(49) K. Marx. Das
Kapital, Bd. l, a.a.O.. S. 97
(50)
Studienausgabe. S. 235
(51) vgl. F.
Engels/K. Marx: "Zur Kritik der Politischen Ökonomie". MEW 13,
S. 468
ff.
(52) K. Marx,
Einleitung zur Kritik der Politischen Ökonomie. MEW
13. S.
637.
Editorische Anmerkungen
Rubins Aufsatz,
Abstrakte Arbeit und Wert im Marxschen System, erschien
auf Russisch unter dem Titel: Abstraktny trud i stoimost w Systeme
Marksa, in: Pod Znamenem Marksizma
In der Zeitschrift:
Unter dem Banner des Marxismus, Moskva 1927, Heft
6, S. 88 - 119
Aus dem Russischen wurde er von
von Eva Mayer unter Mitarbeit von
Peter Gerlinghoff übersetzt und zwar für die eine Fassung, die
1975 in Westberlin vom Projekt Klassenanalyse herausgegeben wurde.
Diese Ausgabe diente als Scan-Vorlage.
OCR-Scan by red. trend.
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