Keine Toleranz für Nazis! Kein Frieden mit Deutschland!
Nur der Kampf gegen den Kapitalismus ist wirklicher Kampf gegen den Faschismus!!
10/04

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Mit den Wahlerfolgen von DVU in Brandenburg und der NPD in Sachsen vollzog sich das, was bereits im Vorfeld von bürgerlicher Journaille und allerlei Experten vorausgesagt und zu einem bestimmten Grad auch herbeigeschrieben wurde: Die DVU schaffte mit einem Zugewinn von 0, 8 Prozent den Wiedereinzug in den Brandenburger Landtag, während die NPD mit 9.2 % erstmals seit 1968 wieder in einem Landesparlament vertreten ist. In der Entwicklung der faschistischen Bewegung in der BRD ist dies eine neue Qualität. Die in den Medien weitverbreitete Behauptung, dass sich die Nazis mangels Kompetenz und Sachverstand in ihrer parlamentarischen Arbeit bald ad absurdum führen werden, ist nicht nur dumm, sondern politisch höchst gefährlich. Sie abstrahiert von der Tatsache, dass es in etlichen Kommunalparlamenten und Ausschüssen schon seit Jahren eine gedeihliche „Sachzusammenarbeit“ zwischen „Demokraten“ und „Rechtsextremen“ gibt. Es ist davon auszugehen, dass die Nazis sich durch ihren Wahlerfolg politisch wie organisatorisch stärken werden. Besonders die reichliche Wahlkampfkostenrückerstattung bietet den Nazis die Möglichkeit ihren Propaganda- und Organisationsapparat enorm aufzustocken. Die Ankündigung von NPD und DVU, bei den nächsten Wahlen mit einer gemeinsamen Liste anzutreten, zeugt von einem gewachsenen Selbstvertrauen der Nazis. Selbiges gilt für die Ankündigung von Aufmärschen durch vorwiegend migrantische Wohnviertel, die für den Aufbau der Nazis zentral sind, um ihre Anhängerschaft zu sammeln und zu organisieren und ihnen das Gefühl der Stärke zu vermitteln. 

Alles nur Protest?

Allgemein wird nun von den Herrschenden versucht die Wahlerfolge als Folge der sozialen Proteste gegen Hartz IV hinzustellen. Ein Blick auf die Wahlergebnisse zeigt, dass die Nazis besonders in ländlichen Regionen Stimmen gewonnen haben, also gerade da, wo die soziale Protestbewegung am schwächsten ausgeprägt war. Die Nazis konnten nicht von den Ansätzen der Antihartzbewegung profitieren, sondern von noch weit verbreiteter Apathie, Perspektivlosigkeit und Vereinzelung. Das wirksamste Mittel gegen Nazis bleibt nach wie vor die Entwicklung sozialen und solidarischen Widerstandes von unten. Die Wahlerfolge für NPD und DVU sind sicherlich Indikatoren für die Legitimationskrise des politischen Systems. Dennoch greift die gängige Protestwählerthese als Erklärungsansatz zu kurz. Die Stimmen der Nazis sind nicht vom Himmel gefallen. Der Erfolg der NPD in Sachsen ist das Ergebnis einer lange verfolgten Strategie. Es ist ihr gelungen eine Kaderstruktur mit Masseneinfluss aufzubauen und in einigen Regionen Ostdeutschlands eine nationalistische Jugend – und Alltagskultur zu etablieren. Eine verhängnisvolle Entwicklung, die teilweise von Agenten des Verfassungsschutzes aktiv mitgesteuert, aus den Fleischtöpfen sog. „akzeptierender Jugendsozialarbeit“ staatlicherseits alimentiert und auf der Grundlage eines rassistischen Grundkonsenses in dieser Gesellschaft auch toleriert wurde. Diesen Prozess als „Protestwählerverhalten“ abzufrühstücken und im gleichen Atemzug zu „konstruktivem demokratischen Bürgerverhalten und Toleranz“ aufzurufen, ist mehr als infam. Allgemein offenbaren die Wahlerfolge von DVU und NPD die offenkundigen Schwierigkeiten der etablierten Parteien ein rassistisch und nationalistisch orientiertes und autoritär gestricktes Wählerspektrum zu binden. In der Vergangenheit wurden derartige Schwarten von den etablierten Parteien durch Stammtischparolen und rassistische Hetzkampagnen wieder wettgemacht (So z.B. Die Asylrechtsdiskussion in den 90er Jahren) Es bleibt abzuwarten, welche Sündenbockkampagnen ihnen in Zukunft einfallen werden. Fest steht momentan nur, dass die gesellschaftlichen Diskurse zukünftig durch zunehmende politische Polarisierung und Aggressivität geprägt sein werden. Klar sollte sein, dass es vor diesem Hintergrund nichts bringt, „antifaschistische“ Kosmetik zu betreiben oder diese einzufordern. Nach wie vor geht es darum, die Verhältnisse in ihrer Gesamtheit ins Blickfeld zu bekommen, um gegen sie vorgehen zu können. 

Rechts ist die deutsche Mitte

Immer dann, wenn Nazis bei Wahlen punkten können, dürfen jene bezahlten Gutmenschen nicht fehlen, die sich medienwirksam Sorgen um die Demokratie machen. Jeder, der als „Demokrat“ etwas auf sich hält, gibt sich nun „tief betroffen“, ergeht sich in gekünstelten Abgrenzungsritualen und macht sich selbstverständlich Sorgen um die „Investitionsbereitschaft der Unternehmen“ in Ostdeutschland. Ihre einhellige Message ist ziemlich simpel: Um zu verhindern, dass die „Extremisten aller Couleur“ weiter an Boden gewinnen, sollen wir auf die sachgemäße Umsetzung der „Sozialreformen“ durch die etablierten demokratischen Parteien vertrauen. Um „geschwundenes Vertauen in die Demokratie“ wiederzugewinnen, wird nun parteiübergreifend „Aufklärung“, „Zivilcourage“ und Bürgerverantwortung eingefordert. So ziemlich alle Hebel der Meinungsmacherindustrie werden in Bewegung gesetzt um „dem Volk“ die Beteiligung am parlamentarischen Spektakel wieder schmackhaft zu machen und die viel beschworene „Demokratie“ als vermeintlich annehmbarste Form der Ausbeutung und des Arbeitszwangs zu verkaufen. Besonders penetrante Philanthropen rufen in diesen Sinne noch lauter nach einer „wählbaren linken Alternative“, was für sie nicht mehr und nicht weniger bedeutet als auf der Grundlage der politischen Akzeptanz der kapitalistischen Gesellschaft „Arbeit und soziale Gerechtigkeit“ einzuklagen. Dieser antifaschistische Ruf nach dem Staat, nach Arbeit, Gemeinschafts- und Gerechtigkeitssinn passt sich hervorragend in die gängigen nationalistischen Verzichtsdiskurse der Herrschenden ein. Zum Wohle des Standortes und im Sinne der nationalen Konkurrenzfähigkeit wird nach wie vor Verzicht, Flexibilität und Leistungsbereitschaft gefordert, bestimmen Chauvinismus und Rassismus die „öffentliche Meinung“. Während Bundesinnenminister Schily sich mit der Forderung nach Auffanglagern für Flüchtlinge in Nordafrika profiliert, ergehen sich die Medien in kulturalistischen Zuschreibungen und Überlegungen über die „Mentalitätsstrukturen von Menschen mit islamischem Migrationshintergrund.“ Einhellig macht man sich dabei Sorgen über die „Integrationsfähigkeit unserer Gesellschaft“, die sich im Endeffekt immer an den Verwertungsinteressen des Kapitals, bzw. „dem Arbeitskräftebedarfs unserer Volkswirtschaft“ zu orientieren habe. 

Gegen die Nazis – aber nicht nur gegen die!

Die Nazis stehen nicht außerhalb dieser nationalistischen und autoritären Formierung der bürgerlichen Gesellschaft, sie sind ein integraler Teil von ihr. Nazis verkörpern weder Protest noch Opposition gegen die Verhältnisse, sie radikalisieren lediglich die tagtäglich gestreuten Ideologien und Stammtischparolen der Herrschenden in ihrem Sinne. Nazis sind nicht als der „Demokratie“ äußerliches Extrem zu bekämpfen, sondern als radikale Protagonisten bürgerlicher Ideologien und Sichtweisen. Angesichts der gefährlichen Mischung aus Rassismus, Antisemitismus und sozialer Demagogie, mit der die Nazis auf Stimmenfang gehen, erweist sich das Gejammer der bürgerlichen Linken über die Machenschaften „internationaler Konzerne“, des „globalisierten Kapitals“, der Ruf nach dem Staat und „sicheren Beschäftigungsverhältnissen“ als Schwert aus Pappe. Unser Problem mit diesen reformistischen Wunschprogrammen ist nicht, dass sie nicht weit genug gingen, sondern das sie schlicht und einfach kapitalistisch sind. Eine oberflächliche und verkürzte Kritik der „Globalisierung“ oder des sog. „Finanzkapitals“ eröffnet immer Freiräume, in denen linke und rechte Ansätze zugunsten letzterer vermischt werden können: „Jeder Antikapitalismus, der die unmittelbare Negation des Abstrakten versucht und das Konkrete verklärt – anstatt praktische und theoretische Überlegungen darüber anzustellen, was die historische Überwindung von beiden bedeuten könnte – kann angesichts des Kapitals bestenfalls gesellschaftlich unwirksam bleiben. Schlimmstenfalls wird es jedoch politisch gefährlich; selbst dann, wenn die Bedürfnisse, die der Antikapitalismus ausdrückt, als emanzipatorische interpretiert werden können. Die Linke machte einmal den Fehler, zu denken, dass sie ein Monopol auf Antikapitalismus hätte oder umgekehrt, dass alle Formen des Antikapitalismus zumindestens fortschrittlich seien. Dieser Fehler war verhängnisvoll, nicht zuletzt für die Linke selbst.“ (Moishe Postone: Antisemitismus und Nationalsozialismus) 

Antifa bringt nix! Für den Kampf ums Ganze!

Spätestens seit der antifaschistischen Legitimierung des Jugoslawienkriegs durch die Bundesregierung und des kurze Zeit darauf von Bundeskanzler Schröder proklamierten Aufstandes der Anständigen hat sich das „Konzept Antifa“ als einigendes und sammelndes Verbindungselement der radikalen Linken blamiert. Antifastrukturen und -zusammenhänge sind geschrumpft, zerfallen oder haben sich in diverse Bestanteile aufgespalten. Die Ideologie des Antifaschismus und ihr konstitutives Element, die berühmt berüchtigte Logik des kleineren Übels sind jedoch nach wie vor fest in der „linken Vorstellungswelt“ verankert. Deutlich wird dies nicht zuletzt am notorischen Gezänk zwischen „Antideutschen“ und Antiimps, einem Streit, bei dem es im wesentlichen um die korrekte „antifaschistische Positionierung“ in den innerimperialistischen Auseinandersetzungen geht, was nach unserem Verständnis mit einer linken Orientierung rein gar nichts zu tun hat. Klar, angesichts der jetzigen Entwicklung ist es notwendig etwas gegen die Nazis zu unternehmen, ihre Aufmärsche zu verhindern, und schonungslos gegen rassistische und nationalistische Argumentationsmuster vorzugehen. Dafür muss man sich jedoch nicht „antifaschistisch“ in der „Zivilgesellschaft verorten oder sonst wie positiv auf die bürgerliche Demokratie beziehen. Es fällt uns nicht im Traum ein mit unserer Kritik an den Verhältnissen hinter dem Berg zu halten, unseren Frieden mit Stalinisten und Sozialdemokraten zu machen, oder gar die Staatsfetischisten von Attac als Bündnispartner anzusehen. Wir rufen dazu auf, eine „antifaschistische Einheit“ zu brechen, die darauf abzielt auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner im extrabreiten Bündnis die bürgerliche Demokratie zu verteidigen bzw. als annehmbarste Form kapitalistischer Vergesellschaftung zu verklären. Wir wenden uns nicht nur gegen die Nazis sondern gegen die gesellschaftlichen Zustände, die sie hervorbringen und stark machen. Unser Widerstand richtet sich gegen Herrschaftsverhältnisse die tagtäglich Ausbeutung, Rassismus und Gewalt reproduzieren. Das einzig realistische Minimalprogramm gegen den Wahnsinn der kapitalistischen Gesellschaft heißt nach wie vor Kommunismus. Darunter läuft für uns nichts! 

Das Vaterland verraten! Nieder mit dem Lohnsystem!
Für die Staaten- und klassenlose Gesellschaft!

Gruppe Internationaler SozialistInnen (September 2004)

Editorische Anmerkungen

Der Artikel wurde uns von den AutorInnen am 25.9.2004 zur Veröffentlichung zugeschickt. Kontakt zur Gruppe über http://intersoz.piranho.com