Ich Sachen Friedman
Das Schaf schreibt an Terre des Femmes

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23. September 2003

Sehr geehrte Damen von Terre des Femmes, 

leider habe ich Ihren Offenen Brief  (Der zweite Teil des Skandals, Offener Brief der Frauenrechtsorganisation TERRE DES FEMMES an Michel Friedman - der Säzzer) vom 17. Juli, erst jetzt gelesen, da ich bis gestern noch auf der Alm gegrast habe und heute erst ins Tal hinabgestiegen bin. Hätten Sie mich doch nur dort oben besucht, ich hätte Ihnen einige Informationen geben können, und dann wäre Ihnen dieser peinliche Brief erspart geblieben. 

Wer sind denn Sie, daß Sie großzügig und gönnerhaft begrüßen, daß Michel Friedman seinen Drogenkonsum eingestanden hat? Sind Sie von der US-amerikanischen Drug Enforcement Administration (DEA), der Verwaltung zur Durchsetzung der Drogen, wie schaf wörtlich übersetzt, sind Sie Bischöfinnen der deutschen protestantischen Kirche  - oder woher stammt Ihre Legitimation? 

Wer sagt Ihnen denn, daß Drogenkonsum eine Untat, laut Duden ein Verbrechen (!) ist? Ich habe ja Michel Friedman hin und wieder im Fernsehen sich mit Langweilern wie Alice Schwarzer und Friedbert Pflüger abplagen gesehen, Untaten, also Verbrechen, hat er ihnen nie vorgeworfen, nur Heuchelei und Inkonsequenz - die gelten in Deutschland bislang nicht als Verbrechen. 

Wer sind denn Sie, daß Sie Michel Friedman etwas hoch anrechnen, etwa, daß er seine moralischen Maßstäbe auch an sich selbst anlegt, und daß er Konsequenzen seines "Fehltritts" trägt? Sie also bestimmen, er habe einen Fehltritt begangen, Sie maßen sich an, ihm etwas hoch anzurechnen! 

Bis hierher halten Sie seine Verfehlungen also schon für einen Skandal.  

Jemand, der die Deutschen immer wieder auf ihre Verantwortung für die Verbrechen Nazideutschlands sowie auf heutige Irrungen und Wirrungen hinweist, der darf solches nicht, wenn er einige Gramm Kokain konsumiert? Oder andersrum: der darf kein Kokain konsumieren, sonst werden seine Äußerungen hinfällig? 

Meine Damen, vermengen Sie hier nicht etwas unzulässigerweise? 

Jetzt geht es aber gleich weiter mit Ihren massiven Anschuldigungen. Sie entdecken einen zweiten Skandal, der förmlich in den Hintergrund gedrängt worden sei: die Benutzung von osteuropäischen durch brutale Menschenhändlerringe nach Deutschland verschleppten Prostituierten durch Prominente. Ihre Besorgnis rührt mich einfaches Schaf zu Tränen! 

Sie setzen sich also für diese armen unter falschen Versprechungen nach Deutschland gelockten Damen ein, von denen 80 Prozent aus Mittel- und Osteuropa seien? Ich bin ja nur ein einfaches Schaf, aber ich finde es schon ungeheuerlich, daß Sie die Frauen aus Mittel- und Osteuropa hier in Schafesnähe rücken. Die sind doch nicht doof, dort drüben!  

Vergewaltigungen, Drohungen, Schläge, wann setzen die denn ein? Doch nicht, wenn Klein-Ivana bei Oma zu Hause auf der Couch sitzt, sondern dann, wenn diese Damen sich wissentlich schutzlos einem Zuhälter in die Hand gegeben haben. Wenn ihnen keiner mehr helfen kann aus Familie und Dorf, dann sind sie ausgeliefert. Das haben sie sich selbst zuzuschreiben. Sie meinen, einen schnellen Euro machen zu können und fallen wie Millionen in anderen Bereichen, wie die vielen, die beispielsweise in die Selbständigkeit gedrängt wurden, darauf rein. 

Ihr "Herr Friedman" muß nun herhalten für alles Übel dieser Gesellschaft. Diesen Übermenschen fordern Sie auf, dem Skandal ein Ende zu setzen, es bestehe Handlungsbedarf. Er soll sich deutsche Mädels anschaffen, die was vertragen können und nicht beim ersten Kuß gleich sterben müssen, oder wie? 

Ja, und daß er Sie als Geliebte und Freundinnen verschmäht und sich einer Bärbel Schäfer zuwendet, die Ihnen das Wasser nicht reichen kann, das ärgert Sie doch am allermeisten, oder? 

Sie arbeiten an der Sensibilisierung von Freiern? Für was sollen diese, wie Sie selbst sagen, eine Million, die täglich den Dienst von Prostituierten in Anspruch nehmen, denn sensibilisiert werden? Die bewegen sich im Raum der kapitalistischen Angebot- und Nachfrage-Szene. Die Frauen selbst solidarisieren sich nicht untereinander, sie sind die ersten, die über ihre Konkurrentinnen herfallen. Ich Schaf kenne da einige Mädels. Freundschaft können die nicht halten, nur kurzfristige Zweckbündnisse eingehen, wie die Mädels, die Michel Friedman verpfiffen haben (wenn's denn Mädels waren). Sie aber, Sie wollen sich mit ihnen solidarisieren, mit den Opfern, und von Michel Friedman verlangen Sie das ebenso? 

Ich meine, Sie sollten mal ausspannen und auf meine Alm hochkraxeln. Dort ist jetzt in der Nachsaison viel Platz, und vielleicht werden Sie ja eingeschneit und können einen ganzen Winter lang keine solche moralinsauren Aktionen mehr starten wie diese hier. Ich würde mich für Sie einsetzen, daß man Ihnen von Hubschraubern Nahrungsmittel und gute Getränke abwirft und Sie gut behandelt. Freiern und Zuhältern würde ich nichts von Ihrem Aufenthaltsort sagen - und Michel Friedman erst recht nicht, auch wenn Sie dann vor Sehnsucht nach ihm vergehen! 

Mit freundlichen Grüßen

Ihr Schaf

Editorische Anmerkungen

Wir erhielten diesen Brief am 23.9.2003 als LeserInnenbrief mit der Bitte um "Abdruck".