Editorial
KommunistInnen

von Karl Müller

10/03
 
 
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Die Eine oder der Andere erinnert sich sicherlich noch an den DEFA-Film "Ernst Thälmann - Sohn seiner Klasse", wo dessen "engster Kampfgefährte" Fietje Schulz nach dem Scheitern des Hamburger Aufstands sagt: "Teddy, wir Kommunisten sind doch Tote auf Urlaub." Und dieser ihm mit warmherzigen Blick väterlich entgegnet - so will es die Regie um den Parteiauftrag "Massenerziehung" zu erfüllen: "Nein Fietje, wir Kommunisten sind Geburtshelfer einer neuen Zeit."

Seit der "siegreichen" Oktoberrevolution gibt es weltweit den organisierten Kommunismus, der sich als Geburtshelfer jener neuen Zeit labelt. Doch was darunter zu verstehen ist, darüber sind sich die KommunistInnen seitdem wenig einig. Deshalb gibt es bei ihnen ebenso viele Richtungen, wie der Hund Flöhe hat. Ob "Internationale Kommunisten", "Rätekommunisten", "Linkskommunisten", "Nationalkommunisten", "Trotzkisten", "Maoisten", "Operaisten"... Die Geschichte bringt immer wieder neue "Geburthelfer" hervor. Heute versehen sie sich im deutschsprachigen Raum z.B. mit Attributen wie "antideutsch" oder "wertkritisch".

Der trend begleitet seit 1996 diese neueren Entwicklungen in Sachen Kommunismus gleichsam als ChronistIn, indem wir Texte dieser und anderer Strömungen durch Weiterverbreitung im Internet mit aufbewahren helfen. 

Mögen die LeserInnen sich ihre eigene Meinung zu diesen Texten gebildet haben.

Wir stellen jedoch unsererseits (recht unbescheiden) fest, dass jene antikritischen & wertdeutschen Texte (weitestgehend) wenig von Kenntnissen dessen getrübt sind, was gemeinhin unter KommunistInnen als Theorie verstanden wird - nämlich die Marxsche Kritik der Politischen Ökonomie, inklusive des historischen und dialektischen Materialismus. Vielmehr handelt es sich hier um feuilletonistische Beiträge zur Zeitgeschichte, die befrachtet mit der ranzigen Message, so wie bisher  kann es nicht weitergehen, irgendwie aufrütteln wollen. Wie es jedoch jenseits des Kapitalismus weitergehen kann/soll, d.h. was der Kommunismus ist und warum es sich "lohnt", sich dafür einzusetzen und den Kapitalismus aufzuheben, steht dann in diesen Texten nicht mehr drin. Und wenn sich diese selbsternannten KommunistInnen in Sachen Kommunismus doch mal äußern, hat dies nichts mit der Analyse des realexistierenden Kapitalismus und seiner Aufhebung zu tun, sondern gehört in die Rubrik: Kommunismus in der/ für die Sesamstraße.

Im November 2003 wird es in der BRD einen "Kommunismuskongress" geben.

Entsprechend unserem publizistischen Selbstverständnis unterstützen wir im bzw. mit dem "trend" solche Bemühungen. Aber auch in diesem Fall sind wir wenig hoffnungsvoll, klingt doch der Berliner "Mobilisierungstext" für den Kommunismuskongress mit der Frage aus:

"Was, wann und wo ist der Kommunismus der Gegenwart, wo die wirkliche Bewegung?"

Und die Frankfurter KongressvorbereiterInnen antworten gleichsam auf diese Frage: 

"In Kenntnis der zahlreichen Schwierigkeiten und Aporien beim Bezug auf den Begriff "Kommunismus" verlangen wir von den ReferentInnen und DiskussionspartnerInnen weder ein Bekenntnis zum "Kommunismus", noch überhaupt eine generell antikapitalistische Positionierung."