Möllemann kontra Westerwelle
Warum "freidemokratischer" FDP Showdown in NRW?

von Max Brym

10/02   trend onlinezeitung Briefe oder Artikel info@trend.partisan.net ODER per Snail: trend c/o Anti-Quariat 610610 Postfach 10937 Berlin

Am 22. September dem Wahlabend wurde auf allen Kanälen vom "Faktor-Möllemann" gesprochen. Statt der bombastisch angekündigten 18% erreichte die FDP nur bescheidene 7,4% der abgegebenen Stimmen. Für jede liberal-konservative Charaktermaske trug dafür der fallschirmspringende Möllemann die Verantwortung. Es war von Vertrauensbruch und ähnlichem die Rede. Am Sonntag dem 23.09.2002 verkündete Möllemann seinen Rücktritt als stellvertretender FDP-Bundesvorsitzender. Jetzt versucht Westerwelle ihn auch als Chef des mächtigen FDP-NRW-Landesverbandes zu verdrängen. Attestiert wird das Ganze von altbe-kannten FDP-Politgranden wie Wolfgang Gerhard, Klaus Kinkel und sogar von dem Ziehvater Möllemann`s Hans Dietrich Genscher.

Was sind ihre Argumente?

Die Argumente gegen Möllemann bewegen sich auf der Ebene des Hauen und Ste-chens in einem Fußballverein, der in der Krise steckt. Ein Herr Solms sprach von dem Quartalsirren Möllemann, und ein bekannter FDP-Graf zweifelte am Geisteszu-stand Möllemanns . In der Medienlandschaft wird das Ganze dargestellt, wie ein gro-ßer Showdown indem sich am kommenden Wochenende zwei Boxer namens Möl-lemann und Westerwelle gegenüberstehen. In der medialen Berichterstattung fällt auf, daß im Gegensatz zu einem Bundesligaspiel kein inhaltlicher Grund für die Aus-einandersetzung präsentiert wird. Es wird höchstens angedeutet, daß Möllemann die FDP nach rechts drängen will (dies trifft ausnahmsweise zu). Meist wird der starke Mann aus NRW, der in den 80-er Jahren von einem bekannten Politiker als Riesen-staatsmann "Mümmelmann" belobigt wurde, wegen mangelnder Teamfähigkeit atta-ckiert. Einzig die große alte Dame der FDP Hildegard Hamm-Brücher brachte die Sache auf den Punkt. Sie trat nach über 50-jähriger Mitgliedschaft aus der FDP aus, mit der Begründung: "Die FDP ist nicht mehr meine Partei, sie wird rechtslastig und hat antisemitische Tendenzen." In einem Brief an Westerwelle erklärte sie, "Sie ha-ben lange die rechten und antisemitischen Tendenzen innerhalb der FDP gedeckt. Die FDP ist nicht mehr meine Partei." Damit näherte sich Hildegard Hamm-Brücher der gegebenen Realität innerhalb der FDP stark an. Denn Westerwelle beabsichtigt nicht den Antisemitismus seines Widersachers Möllemann entschieden zu bekämp-fen, im Gegenteil zwischen den Beiden "Parteifreunden" findet ein Kampf um die Frage statt: Wie altbacken oder modernistisch aufgemotzt darf den Antisemitismus daherkommen.

Zur Erinnerung

Im Frühjahr dieses Jahres griff Möllemann den stellvertretenden Zentralratsvorsitzenden der Juden in Deutschland Michel Friedman diffamierend an. Er behauptete, das "Friedman durch seine arrogante und gehässige Art, den Antisemitismus in Deutschland fördere". Ergo Michel Friedman wurde nicht argumentativ angegriffen als Person Friedman, sondern als Jude. Im gleichen Zusammenhang wurde der ge-genwärtig steigende Antisemitismus in Deutschland mit der Person Ariel Sharon in Verbindung gebracht. Auf gut deutsch hieß das, "die Juden haben den Antisemitis-mus selbst zu verantworten". Es gab das Theater um den Ex-Grünen Karsli, den Möl-lemann in die FDP-Landtagsfraktion in NRW aufnahm. Jener Karsli gab kurz vorher der rechtsradikalen "Jungen Freiheit" ein Interview, in welchem er von einer "allmäch-tigen, weltweit tätigen, zionistischen Lobby" sprach . Vorher bereits bekundete der Vorsitzende der deutsch-arabischen Gesellschaft Jürgen Möllemann Verständnis für die faschistoiden Selbstmordattentate auf Zivilisten in Israel. Westerwelle rang sich nie zu einer Entschuldigung gegenüber der Öffentlichkeit und gegenüber dem Zent-raltat der Juden durch. Er deckte das antisemitischen Treiben in der FDP. Er duldete die antisemitische Tiraden seines Stellvertreters. In einem Schreiben an den Zentral-rat der Juden bedauerte er nur einige Mißverständnisse, was die Sache nicht besser sondern schlimmer machte. Ab Juni wurde Möllemann dazu gedrängt, ohne irgend etwas zurücknehmen zu müssen, doch gefälligst vorläufig dezent zu Schweigen. Es ist durchaus annehmbar, daß in dem "postmodernen" Kopf Westerwelles das anti-semitische Vorurteil "auch heute noch ist der Einfluß der Juden zu groß" eine Rolle spielte. Diese Haltung vertreten nach dem Meinungsforschungsinstitut Usuma gegenwärtig 31% der befragten Westdeutschen. Dieses antisemitische Vorurteil, daß in West-Deutschland dramatisch zunahm und zwar von 14% im Jahr 1998 auf 31% im September 2002, dürfte auch Jürgen Möllemann gängig sein. Nichts desto trotz sieht sich Möllemann selbst, nicht nur als Politegozentriker sondern auch als starken Mann. Einige Tage vor der Wahl ließ er ein Faltblatt in NRW verteilen, mit dem Titel "Klartext - Mut - Möllemann". Neben seiner Portraitaufnahme befinden sich in dem Werbematerial unvorteilhaft abgelichtete Fotos von Ariel Sharon und Michel Friedman. Es ist nicht klar, ob Möllemann bewußt mit den Begrifflichkeiten Klartext und Mut auf real existierende neonazistische Zeitschriften bezug nahm. Tatsache ist jedoch, daß das Naziorgan Signal aus Köln jetzt auf seinen Internetseiten unter der Parole www.möllemannmussbleiben.de  aktiv für den fallschirmspringenden Hardliner Partei ergreift.

Resümee

Es fällt auf, daß Westerwelle und sein Anhang zum Landesparteitag in NRW nicht mobilisieren, um dem antisemitischen Treiben Möllemanns ein Ende zu setzen. Nein, sie mobilisieren gegen den Querulanten, gegen den der sich nicht "einbinden läßt" und der ihnen vielleicht, obwohl es nicht gesagt wird, den Antisemitismus zu offen herauskotzt. Es besteht der begründete Verdacht, daß Westerwelle nicht vor hat, mit dem Projekt Möllemanns die FDP zu rechten Volkspartei zu machen, brechen will, sondern nur seinen Quälgeist loswerden will. Eine Absage an den in der bundes-deutschen Gesellschaft stärker werdenden Antisemitismus, ist seitens der FDP-Spitze nicht gedacht. Höchstens an einen etwas "moderner" daher kommenden Antisemitismus, ob ihnen das gelingt ist noch offen.

Editorische Anmerkung

Max Brym ist freier Autor, dessen Artikel wir gerne verbreiten, weil er er konsequent gegen antisemitische Tenzenden journalistisch ankämpft - auch bei "Linken", wie dem Querfrontmagazin "Kalaschnikow".

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