Antideutsches
"Lang lebe Israel" - eine Provokation?

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Die böse Ahnung, daß es zum Eklat kommen würde, war im Vorhinein vorhanden. "Dieses Transparent widerspricht dem Charakter unserer Demonstration", tönte denn auch Frank Laubenburg (PDS, Mitveranstalter der Demonstration) (siehe Fußnote/Richtigstellung - Red. trend) und sprach damit, ob er nun wollte oder nicht, nicht nur durchaus zutreffend die allgemeine Ablehnung der versammelten Kriegsgegner(innen), die sich an jenem denkwürdigen "Tag X" in Düsseldorf versammelt hatten, sondern auch das tiefere Geheimnis des Ekels, den der Anblick der Symbole des Staates Israel auch bei Linken offenbar reflexartig hervorruft, aus. Ein Mitveranstalter begründete den offiziellen Ausschluß der knapp 20 proisraelischen Aktivist(inn)en von der Demonstration damit, daß das Schwenken der mitgebrachten Israel-Fahne eine "Parteiergreifung in diesem Krieg" sei - was exakt der Logik von Bin Ladens Diktum entspricht, der Krieg gegen Amerikaner und Juden habe begonnen.
Der Antifa-KOK (Koordinationskreis antifaschistischer Gruppen in Düsseldorf) versuchte noch im Vorfeld dem Vorwurf der Verbreitung antisemitischer Hetze dadurch zu entgehen, indem er einen antizionistischen Text anlässlich des Massakers von New York von der eigenen Homepage entfernte und im daraufhin folgenden eigenen Antikriegsaufruf jeden offenen Bezug auf Israel vermied und überdies das Vorgehen der Attentäter als "menschenverachtend" verurteilte. Freilich können diese "kosmetischen" Maßnahmen nicht darüber hinweg täuschen, daß von der Argumentationsstruktur her die Motive der Täter - identisch zum genannten vorherigen Text - rationalisiert, d.h. mit Vernunft ausgestattet werden, wo diese nicht vorhanden ist. Die Mörder hätten "die gleiche Skrupellosigkeit, mit der auch die USA und EUROPA agieren, um ihre weltpolitischen Interessen durchzusetzen." Die kalte instrumentelle Rationalität der USA, mit der auch schon mal diktatorische Regime unterstützt werden, um ihre letztlich ökonomisch vermittelten, weltpolitischen Interessen durchzusetzen - darin ganz Charaktermaske nationaler Kapitalverwertung -, ist bei amoklaufenden Antisemiten, seien es nun Islamisten oder "westliche" Faschisten, bereits in die Raserei von Subjekten umgeschlagen, die überhaupt kein eigentliches "Interesse" (als bürgerliche Kategorie von individueller Selbstbehauptung) mehr geltend machen. Gerade im Nahen und Mittleren Osten ist nach dem Scheitern der nachholenden Modernisierung der 50er und 60er Jahre gesamtgesellschaftlich jede Perspektive auf Wohlstand und individuelle Emanzipation im bürgerlichen Sinne ökonomisch obsolet geworden ist.
An der Identifizierung von Imperialismus und dem Nationalsozialismus blamierte sich bereits der ML der 30er Jahre, der wohl auch beim KOK Pate gestanden hat. Wer das Kernstück des NS, den Antisemitismus, nicht als Zuspitzung der substantiell spontanen Ideologiebildung von Warensubjekten versteht, welche die negativen Folgen kapitalistischer Modernisierung aufgrund der "Naturgesetzlichkeit" der Warenform notwendig nach außen projizieren, sondern stattdessen lediglich als Manipulationsinstrument der Herrschenden, um die Unterdrückten vom Klassenkampf abzuhalten, dem müssen prinzipiell die Handlungen von "Menschen, die sich nicht der kapitalistischen Verwertungslogik unterordnen wollen," als eigentlich antikapitalistisch und durch die "wenigen, reichen Staaten" verantwortet erscheinen.
Und seien es Massaker islamistischer Antisemiten.
Während der Zusammenhang zwischen dem Reichtum des Westens, der Verelendung großer Teile der Weltbevölkerung und antizivilisatorischem Haß seine Wahrheit daran hat, daß er in der Totalität der warenproduzierenden Gesellschaft begründet ist, so wird mit der Rede von "Israels blutiger Besatzungspolitik" (erster Text auf der KOK-Homepage) als "Ursache" für die Anschläge die (Un)Logik des (strukturellen) Antisemitismus nur noch auf die Spitze getrieben, indem die Juden in der Gestalt Israels sowohl bei einigen Linken, als auch bei Islamisten für die Übel in der Welt haftbar gemacht werden.
Weshalb nun aber gerade eine Solidarisierung mit Israel als historisch "positivem" Resultat der Judenverfolgung in (heutigen) Zeiten permanenter arabisch-nationalistischer und islamistischer Angriffe selbst Leute vom KOK, von denen vielleicht zu erwarten war, daß sie das vielbeschworene "Existenzrecht Israels" anerkennen, bis aufs Blut reizt, traut man sich gar nicht auszusprechen. 
Nicht der antiisraelische Grundkonsens von der DKP bis zu den Autonomen, nicht das symbolische Anzünden des Israel-Solidaritäts-Transparentes, die Gleichsetzung von Israelis mit Nazis, war an jenem "Tag X" für gewisse "Linke" ungeheuerlich, sondern das ausdrückliche Eintreten für das eigentlich Selbstverständliche: nämlich dafür, daß solange eine Welt existiert, in der die lange fällige Beseitigung von Kapital und Staat, gemeinsam Bedingung der Möglichkeit für Antisemitismus, nicht gelang, mit dem Staat Israel für Juden eine wehrhafte Möglichkeit des Überlebens im Sinne eines kategorischen Imperativs vorhanden sein muß.
Eine erschreckende Koinzidenz an jenem Tag des linken Ressentiments gegen Israel: Im Berufungsverfahren gegen die Synagogenattentäter von Düsseldorf rechtfertigte die Verteidigung den Brandanschlag in ihrem Plädoyer mit "gerechtem Zorn". Die Staatsanwaltschaft hingegen kennzeichnete die Tat richtig als "Terror im Kleinen".

Antideutsche Gruppe Wuppertal, 10.10.01

 

Fußnote/Richtigstellung v. Red. trend

Frank Laubenburg schrieb:

Date sent: Mon, 29 Oct 2001 12:50:19 +0100
To:
info@trend.partisan.net
From:
Frank Laubenburg
Subject:
Falschmeldungen

Liebe Leute,
der unter http://www.trend.partisan.net/trd1001/t201001.html
bei Euch veröffentlichte Artikel enthält zwei falsche Behauptungen über mich:

1. war ich nicht Mitveranstalter der Demonstration

2. habe ich Dir mir zugeschriebene Äußung nicht gemacht.

Ich fordere euch daher auf, den Text der Antideutschen Gruppe Wuppertal mit entsprechenden Änderungen zu versehen.

Frank Laubenburg