Wahlen in Berlin

Die PDS im Kampf um die "Neue Mitte"

Ein Artikel aus der Wahlboykottzeitung

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In Berlin haben sich die Umfragewerte der PDS von 14 Prozent im Mai auf 22 Prozent Ende Juli erhöht. Die PDS hat sich mit der Kandidatur von Gysi berlinweit den Hass der Springer-Presse und der konservativ-reaktionären Parteien zugezogen. Dass die BerlinerInnen nach dem Fiasko mit der Berliner Bankgesellschaft und der damit verbundenen Milliardenverschuldung der großen Koalition das Vertrauen entzogen, war absehbar und wird von der PDS, Linksruck, SAV, DKP, MLPD in parlamentarischem Taktieren ausgenutzt. Die PDS erhofft sich durch die Schwächung der großen bürgerlichen Parteien CDU und SPD, langfristig auch bundesweit koalitionsfähig zu werden und damit natürlich auch für das Kapital nach der rot-grünen Bundesregierung zum neuen Wunschpartner zu werden.

Im Wahlkampf versucht die PDS vor allem Stimmen von links denkenden Menschen zu bekommen, indem sie sich als „sozialere“ Alternative zu den etablierten Parteien präsentiert. Gerade Gysi, als populistischer Politiker bekannt, wird dabei nicht müde, vielen vieles zu versprechen, um Illusionen in die PDS zu schüren und um eine Abkehr von den herkömmlichen bürgerlichen Koalitionen herbeizuführen.

Mit Hilfe der „Jobrotation“ möchte die PDS Berlin laut ihrem Wahlprogramm „Miteinander leben“ die Arbeitslosigkeit abbauen. In Wirklichkeit aber werden marktübliche Sklaventreiberfirmen á la Adia Interim u. ä. mit ihren Tarifunterschreitungen auf den Plan gerufen. Das heisst, dass die PDS auf eine Arbeitsmarktpolitik abzielt, die Arbeit für alle um jeden Preis bedeutet und nicht auf eine Arbeitsverteilung nach den Bedürfnissen der Menschen. Des weiteren fordert sie eine forcierte soziale Integration von AusländerInnen, um die Ghettobildung und damit einhergehende gesellschaftliche Polarisierung einzudämmen. Nach Leseart der PDS ist die multikulturelle Gesellschaft nur dann zu befürworten, wenn sich die hierlebenden AusländerInnen einem selektiven Prozess unterwerfen, der die Privilegierung hochgebildeter ImmigrantInnen genauso einschließt wie die Abschiebung des kapitalistisch nichtverwertbaren Rests. Auch die Erhaltung und der Ausbau des Bildungsniveaus liegt der PDS besonders auf dem Herzen. Im PDS-Wahlprogramm wird den Bürgern alles mögliche versprochen, angefangen von Schulsanierungen, kleineren Schulklassen, höherer Chancengleichheit bis hin zu neuen Lernformen, berufsvorbereitenden Maßnahmen in der Schule oder Unterricht von sogenannten „Fachleuten aus der Praxis“ oder die Finanzierung der Hochschulen nach dem Prinzip der Leistungsorientierung. Klar dürfte sein, dass es eher darum gehen soll, für die Wirtschaft brauchbare Arbeitskräfte zu rekrutieren als darum, auf die Bildungsbedürfnisse der SchülerInnen einzugehen.

Der PDS geht es im Wesentlichen nicht um einzelne Verbesserungen innerhalb des Systems geht, sondern sie ist Teil des Systems. Sie ist genauso wie alle anderen bürgerlichen Parteien darauf angewiesen, möglichst viele Menschen vom Parlamentarismus, von den bestehenden Verhältnissen zu überzeugen und den UnternehmerInnen Profite und Wachstum zu sichern um dann bei den Wahlen auch möglichst viele Stimmen zu bekommen.

Es geht um die Befriedung der Bevölkerung und um die Bedienung bereits bestehender Marktverhältnisse und nicht um die Neustrukturierung der Gesellschaft. So zeigt sich, dass es der PDS nicht wirklich um eine radikale Änderung der herrschenden Verhältnisse geht, sondern um eine Zementierung derselben nur unter „sozialeren“ Vorzeichen. Sie erfüllt im Osten längst – und das zeigen ihre kommunalpolitischen Klüngeleien z.B. mit Immobilienfirmen in Friedrichshain – ihre Funktion als bürgerliche Partei.

Die PDS stellt für den Staat keine Gefahr mehr dar, falls sie es jemals war. So beabsichtigt der kurzfristig eingesetzte SPD-Innensenator Körting die Bespitzelung der Kommunistischen Plattform, die er in einem ND-Interview als „salonkommunistischen Debattierclub“ bezeichnete, zu beenden um den möglichen Koalitionspartner PDS nicht zu verschrecken.

Schließlich meinte Herr Gysi unlängst dass die Börse die „phantastischste Erfindung des Kapitalismus ist, weil sie notwendig ist, den Kapitalfluss zu organisieren“. Damit befindet er sich nunmehr in bester Gesellschaft der Brie-Fraktion, die bereits auf dem letzten Landesparteitag den Abschied von jeglicher Fundamentalkritik am kapitalistischen System vollzogen hat. Bisher gefiel sich die PDS im Schüren von Illusionen, dass die ungerechte und zutiefst unsoziale BRD-Gesellschaftsordnung beispielsweise durch Besteuerung von kapitalstarken Unternehmen und multinationalen Konzernen reformierbar sei und die Erträge daraus den sozial Deklassierten zu gute kommen sollen. Davon hat sich die PDS längst verabschiedet. Bei einem angestrebten „rot-roten“ Regierungsbündnis würden solche reformistische Forderungen ohnehin unter den Tisch fallen und das Wahlprogramm ad adsurdum führen.

Um koalitionsfähig zu werden hat sich die PDS auch – gerade noch rechtzeitig vor den Wahlen – vom Mauerbau und von einem Großteil der durchaus kritisierungswürdigen DDR-Historie distanziert und sich somit die Wut ihrer Basis auf sich gezogen.

Es gibt keine parlamentarische Partei, die einen „besseren“ Kapitalismus durchsetzen will oder kann. Selbst begrenzte Verbesserungen innerhalb des Systems wurden bisher immer von der Bevölkerung selber durchgesetzt – auf der Straße, in Betrieben, bei Besetzungen etc. Deshalb kann es uns auch nur um Selbstorganisierung von unten gehen!

Editoriale Anmerkung: In Berlin hat sich eine Initiative linksradikaler Kräfte gebildet, die unter der Parole "Selbstorganisierung statt Parlamentarismus!" zum Wahlboykott aufruft, wenn am 21.10.2001 in Berlin die Abgeordnetenhauswahlen stattfinden, zu denen u.a. PDS-Gysi als Bürgermeisterkandidat antritt. Mehr dazu und vor allem auch Termine und Meetings siehe: www.wahlboykott.f2s.com