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Zwischen AStA-Prawda und Unabhängigkeit
500 Ausgaben der Bochumer-StudentInnen Zeitung

von Heiko Jansen
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(hej) An der Ruhr-Universität gab und gibt es viele Zeitungen und Zeitschriften, die um die Gunst der LeserInnen buhlen - doch die BSZ ist die älteste und einzige durchgängig erscheinende StudentInnen- Zeitung, nicht nur in Bochum, sondern bundesweit.

Am Anfang stand die Gründung der Ruhr-Universität. Die erste neue Uni nach dem zweiten Weltkrieg wurde 1965 gegründet. Wo heute Unmengen von Beton stehen, waren noch Baustellen und viele Baracken. Eine Zeitung für die Ruhr-Uni gab es auch damals schon: die "Ruhr-Reflexe" nannte sich schon im Untertitel "Zeitschrift der Bochumer Studentenschaft", war aber am Anfang von den Organen der Studierendenschaft unabhängig. Diese wurde zwar kurzzeitig in den Status eines ‚offiziellen Organs' gehoben, nach Streitereien wurde dieser Status aber wieder entzogen.

Die Geburt der BSZ

Der AStA hatte aber vorgesorgt und so erblickte die erste BSZ am 15. Februar 1967 das Licht der Welt. Damals sah sie noch aus wie eine Zeitung, erschien 14tägig und kostete ganze zehn Pfennige. Mitten in der Baustelle Ruhr-Universität zeigte sie sich professionell: Sie sah nicht nur aus wie eine ernstzunehmende Zeitung, auch die Inhalte erinnerten daran: Meldungen aus Presseagenturen wurden veröffentlicht, und es wurden viele Sachen berichtet, die man heute eher in der RUBENS findet: Welche Professoren berufen, weggerufen oder emeritiert wurden - sogar der damalige persönliche Referent des Rektors hatte seine Rubrik. Es gab noch keine erkennbare politische Linie - weder in der BSZ noch im AStA. Das lag wohl vor allem daran, daß es bisher auch noch kein Studierendenparlament gab, der AStA-Vorsitzende wurde durch die Fachschaften gewählt und die StudentInnen, die aktiv waren, hatten sich noch nicht in politischen Gruppen engagiert. Doch das sollte sich schnell ändern.

Die Zeit der Proteste

Im Juli 1967 waren die ersten Studierendenparlamentswahlen an der jungen Ruhr-Universität. Dadurch bildeten sich auch im AStA erste politische Konturen heraus. Die damaligen ASten waren nun eine Zeitlang erstmal links. Gruppen wie der SDS, der Sozialdemokratische Hochschulbund oder MSB/Spartakus bildeten nun den AStA. In der Bevölkerung machten sich Proteste breit: Die Notstandsgesetze, die große Koalition oder auch der Vietnamkrieg führten zu einer Politisierung der Menschen. Gerade an den Universitäten war eine Aufbruchstimmung zu vernehmen: Es ging zuerst darum, die verkrusteten Strukturen der Ordinarienuniversität zu durchbrechen, es ging um Studienreform und Mitbestimmung. Frankfurt wurde vor allem durch seine Schule bekannt, und die Studierenden begannen bald, ein umfassendes gesamtgesellschaftliches Kritikmodell zu entwerfen. Hier hinein fiel auch die BSZ. Sie wandelte sich bald vom braven Uniblatt zu einer politisch engagierten Zeitung. Die BSZ charakterisierte sich im Mai 1968 so: "Die BSZ ist eine vom Vorstand der Studentenschaft herausgegebene politische Zeitung, wenn man will: ein Kampfblatt".

Das Kampfblatt

Die Wandlung zum Kampfblatt begann eigentlich mit dem Tode Benno Ohnesorgs. Zwar gab es auch schon vorher Artikel zu Vietnam und den Notstandsgesetzen, doch dem Rektor, der Kultur und dem Uni-Sport wurde noch mehr Platz eingeräumt. Doch die Schüsse in Berlin veränderten auch die BSZ. Anfänglich eher zurückhaltend, schwappte nun auch die Welle der Empörung und des Protestes bis in die BSZ: Überschriften wie "Revolte gegen Springer!" waren auf der Titelseite gang und gäbe. 1969 wird die BSZ noch kritischer: Der damalige Rektor Kurt Biedenkopf wird zur Zielscheibe, nachdem er sich im Januar für eine Abschaffung der Studierendenschaft als Zwangskörperschaft ausgesprochen hatte. Aber auch Probleme gesamtgesellschaftlich einzuordnen, versuchte die BSZ jetzt. Es ging um den "Schulterschluß zwischen Intelligenz und Arbeiterklasse" und Überschriften wie "Mit der Arbeiterklasse verbünden" oder "Entreißt die Produktivkraft Wissenschaft den Klauen des Kapitals" prägten diesen Schulterschluß. Die Lage in der sogenannten "Dritten Welt" und in den sozialistischen Staaten rückte ebenfalls ins Interesse der BSZ; Berichte über Hochschulpolitik oder über AStA-Arbeit vor Ort rückten zugunsten von Schlagzeilen wie "Hände weg von Vietnam" oder "Kampf dem US-Imperialismus" in den Hintergrund.

Lange Sätze und nackte Tatsachen

Auch der Schreibstil der BSZ wandelte sich. Der nüchterne Nachrichtenstil verschwand; lange, verschachtelte Sätze, die sogar im Aufmacher zu finden waren, wurden zur Regel und paßten sich somit dem damaligen Zeitgeist an. Neben den langen Sätzen wurde die Sprache provokanter und setzte sich vom "bürgerlichen Sumpf" ab. Der Besuch von US-Präsident Nixon wurde mit "Ha, Ho, He, die Doofen sind okay! Wie im freiheitlichen Berlin der Jubel organisiert wurde" übertitelt. Provokationen jeglicher Art waren an der Tagesordnung und trafen den Nerv der Zeit. Die ab Mai 1968 veröffentlichen Aktfotos können auch zu dieser Rubrik gezählt werden. (Siehe auch Artikel auf Seite 9) Neben dem Stil und den Fotos wurde auch das Layout provokanter. Die Redaktion tobte sich richtig an der BSZ aus. Comics, Zeichnungen oder auch handschrifliche Überschriften sollten das Bild der Zeitung verschönern, das BSZ-Emblem wurde mehrfach verändert, mal glich es dem BILD-Enblem, mal wurde es Rot auf weiß gedruckt und 1970 fand sich sogar Mao im Logo der BSZ wieder.

Das Ende der wilden Zeiten

1969 beruhigte sich das wilde Layout wieder, nun waren vor allem viele Texte auf der Titelseite - die BSZ wurde langsam zur "Bleiwüste". 1971 wurden auch die Spielereien mit dem Logo beendet: Das Stoppschild-Logo zierte von nun an den Kopf der BSZ. Anfang der 70er entwickelten sich nun auch erste Rubriken in der BSZ. Dadurch wirkte sie deutlich strukturierter. Aber auch die StudentInnenbewegung zerfiel. Es gab keine einheitliche Linie, und verschiedenste Theorieansätze prallten immer stärker aufeinander. Eine miserable wirtschaftliche Situation (Ölkrise) machte Reformen unmöglich, und auf die Aktivitäten der Roten Armee Fraktion reagierte der Staatsapperat mit größter Härte: Überwachung, Einschränkungen von Grundrechten und die Verschärfung von gesetzlichen Maßnahmen, die 1972 im Radikalenerlaß mündeten, machten ein linkes politisches Engagement fast unmöglich. Staat, Sicherheit und Ordnung spiegelten die gesellschaftliche Einstellung wider. Die Zeit der StudentInnenbewegung war vorbei. Auch an der Ruhr-Uni spürte man dies. Und so wurde 1973 ein AStA aus Sozialliberalem Hochschulbund und RCDS gebildet. Dadurch änderte sich auch das Profil der BSZ.

Die konservative Zeit

Die Zeiten, in denen die BSZ ein politisches Kampfblatt war, waren jetzt vorbei. An die Stelle von Kritik und persönlichen Stellungnahmen trat eine möglichst neutrale Sachinformation. Kommentare wurden als solche gekennzeichnet, waren aber auch eher selten. Wie in den Anfangstagen der BSZ wurden erneut Agenturmeldungen veröffentlicht. Die allgemeine Politik blieb bis auf wenige Ausnahmen ausgeklammert und im Mittelpunkt standen soziale und kulturelle Fragen. Im hochschulpolitischen Bereich nahm die Berichterstattung ab und es wurde mehr Wert auf soziale Fragen gelegt: Mensa-Preiserhöhungen, BAFöG oder auch Preisvergleiche der nahegelegenen Supermärkte waren Themen der BSZ. Im Kulturbereich wurde das Gewicht mehr auf gesamtuniversitäre Veranstaltungen oder auf städtische Veranstaltungen gelegt. Rein studentische Kultur war eher selten in der Berichterstattung zu finden. Die BSZ glich teilweise eher einer Universitätszeitung wie z.B. heutzutage der RUBENS, denn einer StudentInnenzeitung. Der größte Unterschied war allerdings im Bereich der allgemeinpolitschen, internationalen Themen zu finden. Hier wurde kaum noch berichtet, einzig die Situation in Chile oder Menschenrechtsverletzungen in den USA und der UdSSR wurden veröffentlicht. Der neue sachlich-seriöse Stil fand auch seinen Niederschlag im Layout wieder. Das sozialistisch behaftete Stoppschild-Emblem wurde durch das ursprüngliche BSZ-Logo ersetzt, die politischen Karikaturen mußten weichen für Witzzeichnungen, die man sonst eher in Illustrierten sucht. Die SHL/RCDS-BSZ ging auch keinerlei Konfrontation ein: Jede politische Gruppe - auch Oppositionsgruppen -, jede Fachschaft hatte ein Recht auf je 80 oder 120 Zeilen Beitrag. Dieser war dann auch als solcher gekennzeichnet ("Beitrag der xy-Gruppe"). Die konservative Phase wurde 1976 durch eine linke Fachschaftenliste kurz unterbrochen, im Jahr darauf fand die konservative Koalition jedoch wieder ihre Mehrheiten. Bis 1979 galt dann für die BSZ: Back to the roots. Aus dem Kampfblatt war eine Universitätszeitung geworden.

Zurück zur Basis

Ende der Siebziger Jahre spitzte sich die gesellschaftliche Situation zu. Ein schießwütiger ehemaliger Schauspieler wurde Präsident der USA, die NATO verabschiedete ihren Doppelbeschluß: Das Ost- West-Klima wurde angespannter, die Gefahr eines Atomkrieges lag in der Luft. Umweltfragen wurden aufgeworfen, die zunehmende ökologische Zerstörung wurde immer sichtbarer. Dies war die Zeit der "Neuen Sozialen Bewegung". Friedensbewegung, Anti-AKW- und Ökologiebewegung sowie die Frauenbewegung fanden großen Zulauf. Diese Bewegungen fanden ihre Etablierung in der Politik durch die Gründung der GRÜNEN, die Friedensbewegung wurde mit den größten Demos in der bisherigen Geschichte der BRD zur Massenbewegung. All dies war nun auch an der Ruhr-Uni zu spüren. 1978 erhielten die Basisgruppen die Mehrheit im Studierendenparlament. Die "Neue Soziale Bewegung" war an der Ruhr-Uni angekommen und prägte nun auch das Bild der BSZ.

Bewegte Zeiten

Die BSZ hatte sich in der Zeit der Undogmatisch-Alternativen zu einer Zeitung mit einer breiten Themenpalette entwickelt. So fanden "allgemeinpolitische" Themen wie die internationale Lage, Ökologie, Frieden und Antifaschismus wieder Platz in der BSZ. Im Bereich Ökologie ging es neben dem Waldsterben vor allem um den Bereich Atomkraft und die Frage, ob es überhaupt eine friedliche Nutzung der Kernkraft gäbe und welche Risiken mit einer solchen verbunden wären. Es wurde aber auch viel Wert auf innenpolitische Themen gelegt: Ob Obdachlosigkeit, Städteplanung, Hausbesetzungen, Berufsverbote, Volkszählung oder Bundestagswahl, die BSZ bot auch hier ein breites Spektrum an. Zum ersten Mal fanden sich auch eine Vielzahl von Frauenthemen in der BSZ. Dies lag weniger an der Redaktion (die bekam 1979 den "goldenen Phallus" für ihr unkritisches Frauenbild verliehen), als am Engagement des neugegründeten autonomen Frauenreferates.
Aber auch die Kultur kam nicht zu kurz. Nur wurde im Gegensatz zur konservativen BSZ wieder mehr Wert auf studentische Kultur gelegt. Auch die stark erweiterte AStA-Kulturarbeit nahm einen breiten Raum ein. Nicht nur die AStA-Kulturarbeit, sondern die gesamte AStA-Arbeit rückte ins Interesse der BSZ. So wurde viel über die Aktivitäten der einzelnen Referate berichtet, die AStA-Arbeit sollte insgesamt transparenter werden. So ließ es sich die BSZ-Redaktion auch nicht nehmen, kritisch über den AStA zu berichten. 1980 wurde unter der Überschrift "Von Menschen und Mauschlern" aus dem Innenleben der damaligen AStA-Koalition berichtet.
Vom Stil her entfernte sich die BSZ vom sachlich-seriösen Stil und fand zu einem krischen, phantasievollen Stil, der mit der damaligen neuen TAZ oder der "Titanic" vergleichbar war. So wurden 1981 die aus der alten TAZ bekannten Säzzer-Kommentare eingeführt, in denen die SetzerInnen der Zeitung ihren Senf zu den Artikeln beitrugen. 1979 erschien der erste Unsymp in der BSZ, mehr hierzu im Artikel auf SEITE 9. Auch im Layout entfernte sich die BSZ vom sachlichen Stil und wurde ein wenig aufgelockerter und auch bunter. Seit 1984 wird das Logo in wechselnder Farbe präsentiert.

Neuer AStA - alte BSZ

In Bonn hatte sich die Wende 1982 vollzogen. Solidarität war out und Leistung war wieder in. Die großen sozialen Bewegungen zerfielen. Trotz der Proteste wurden amerikanische Raketen stationiert, andere Bereiche (Ökologie, Frauen) wurden von den etablierten Parteien aufgenommen und schienen für die breite Masse als "erledigt". Im Ost-West-Verhältnis zeigten sich mit Gorbatschow erste Entspannungen, die im ökonomischen Zusammenbruch der sozialistischen Staaten und der deutschen Wiedervereinigung endeten. Der Zerfall der Neuen Sozialen Bewegung und die Ausrichtung auf das Leistungsprinzip machte sich auch an der Ruhr-Uni bemerkbar. Abbau der BAföG-Förderung, volle Hörsäle und zuwenig Wohnungen waren konkrete Probleme an der RUB. Von Reformen war nirgendwo mehr die Rede, eher von Zweiklassenstudium und Studiengebühren.
So verloren an der Ruhr-Uni die linken Basisgruppen (Buntspechte) immer mehr an Boden und gewerkschaftlich-orientierte Gruppen wie der SHB (jetzt: Sozialistischer Hochschulbund) und der MSB-Spartakus übernahmen die Führung im AStA. Doch an der BSZ änderte dies nicht viel. Die Themen und die Gestaltung der BSZ änderte sich auch in den nächsten Jahren nicht großartig. Es wurde nur mehr Wert auf Beiträge aus dem Hochschulleben gelegt, also Berichte über Fachschaften, studentischen Gremien oder die täglichen Probleme an der RUB (Mensa, Asbest, Wohnen, BAföG). Eins konnte man jedoch sehen: die BSZ wurde immer mehr zum Spielball der linken Listen, harte Profilierungskämpfe wurden ausgetragen. Die Redaktion forderte immer häufiger Autonomie und wollte sich nicht durch die Streitigkeiten im AStA lähmen lassen. Ein Redaktionsstatut sollte diese Entwicklung seit 1987 fördern. So arbeitete die Redaktion auch eine Zeitlang vom AStA unabhängig. 1990 fand der AStA-Streit um die BSZ seinen vorläufigen Höhepunkt.

Der Streit um die BSZ

Im Jahre 1990 gelang es der TuWas!-Liste, die absolute Mehrheit zu erlangen. Die bisher paritätisch besetzte Redaktion wurde danach von sechs TuWas!-RedakteurInnen und einem FSVK-(sprich: Fachschaften)-Redakteur besetzt. Die alte - entlassene - Redaktion druckte daraufhin eine Gegen- BSZ mit offiziellem BSZ-Logo in der der TuWas!-Liste nicht nur "Rausschmiß" vorgeworfen wurde, sondern auch, daß redaktionelle Grundsätze außer Kraft gesetzt wurden. Um dem Vorwurf entgegenzutreten, die BSZ sei ein reines AStA-Propaganda-Instrument wurden nun drei FSVK-Stellen eingerichtet, die nun endlich den Fachschaften die Möglichkeit gab, sich an der BSZ zu beteiligen.

Die Zeitschrift

Die letzte große Verwandlung machte die BSZ nun 1996 durch. Seit ihrem Erscheinen hatte sie ein typisches Zeitungsformat, doch dies änderte sich nun. Ab sofort war sie eine 16-seitige Zeitschrift im B4-Format (zwischen A3 und A4). Es gab noch einige kleinere Änderungen im Layout, aber die BSZ hat sich optisch von 1996 bis heute nicht großartig verändert. Auch inhaltlich gab es seitdem keine großen Änderungen, die Themen sind zum größten Teil immer noch die gleichen wie vor zehn oder fünfzehn Jahren.
Die BSZ hat nun 500 Ausgaben hinter sich, das sind über 30 Jahre studentische Geschichte an der Ruhr-Universität. Eine solche Kontinuität kann keine andere StudentInnenzeitung vorweisen, keine andere StudentInnenzeitung kann soviel erzählen. Hoffen wir darauf, daß auch die nächsten 500 Ausgaben spannend werden und die BSZ noch lange das Bild der Ruhr-Uni mitprägen wird.

Die Informationen stammen größtenteils aus der Magisterarbeit an der Sektion für Publizistik und Kommunikation: Kirsten Husemann: Strukturwandel der Studentenpresse unter besonderer Berücksichtigung des Abhängigkeitsverhältnisses zwischen Redaktion und Herausgeber - dargelegt am Beispiel der "Bochumer Studentenzeitung (BSZ)" von 1967-1991, Bochum 1992