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Editorial 9/99

Revolte für Rechts

von Karl Müller

9/99
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Im Verlag Graswurzelrevolution erschien - "für alle, die auf der Suche nach ungewöhnlichen politischen Ansätzen sind" - unlängst ein Buch, worin Albert Camus mit dem Anarchismus in Verbindung gebracht wird. Seine politischen und philosophischen Gedanken werden dort in die Nähe von libertären und anarchosyndikalistischen Ideen gerückt.

Diese Neubewertung der schriftstellerischen und theoretischen Leistungen des französischen Nobelpreisträgers des Jahres 1957 mag so recht in unsere Zeit passen, wo das Zusichkommen des bürgerlichen Individuums im historischen Prozeß nur noch als ein Bewußtwerdungsprozeß einer bürgerlichen Monade gedacht werden kann. Stehen wir vor einem Camus-Revival?

Stefan Pribnow, "der aufstrebende, pfiffige Blattmacher" (Berliner Zeitung v. 07.06.1999), der sich darauf spezialisiert hat, geistige Ergüsse Dritter in seiner Zeitung "Kalaschnikow" gewinnbringend zweitzuverwerten ("15 000 Mark pro Heft allein aus der Werbung"), schien so gedacht zu haben. Im August eröffnete er mit Unterstützung des Berliner PDS-Hausproviders www.ipn.de im Internet eine eigene Domain namens Revolte.net. Dort wird der Surfer vom Konterfei des Zigarette rauchenden Camus nebst dessen Zitat begrüßt. Doch Revolte im Sinne des Albert Camus betreiben zu wollen, scheint mehr als nur ein neuer Werbegag des Pribnow zu sein.

Camus galt, bis er im Herbst 1951 sein Konvolut "Der Mensch in der Revolte" (dt. Reinbek 1953) herausgab, als gestandener Antifaschist. Nun spendete allein die französische Rechte Beifall. Camus, der Nietzsche-Fan, hatte sich mit diesem Buch geoutet: Hitler wurde mit Stalin gleichgesetzt. Die revolutionäre Bewegung, die sich auf Marx und Bakunin bezog, wurde als "historische Revolte" einzelner, die nur nach persönlicher Macht streben, denunziert. Konsequenterweise erteilte ihm die von Sartre redigierte Zeitschrift "Les Temps modernes" eine klare Absage. Dort hieß es: Camus Beschäftigung mit der "revoltierenden Seele" sei allein dazu nutze, den Kapitalismus zu stabilisieren. Die persönlich engen Beziehungen zwischen Sartre und Camus zerbrachen. Camus bezog fortan rechts von der Mitte Position. Seine antisozialistischen Statements zum 17. Juni 1953 in der DDR und zum Ungarnaufstand 1956 sowie seine affirmative Haltung zum französischen Kolonialismus in der Algerienfrage zahlten sich aus. 1957 erhielt Albert Camus den Nobelpreis.

Pribnow bekanntermaßen wenig bescheiden ("Warum nicht auch mal Schröder und Fischer interviewen?"), kennt natürlich Camus Vita. Den Internetauftritt mit Camus zu labeln, erweckt gezielt den Eindruck, schaut her: Mir und meinem Blättchen geht´s politisch wie Camus. Ich, nonkormistischer Querdenker wurde von der linken Gedankenpolizei ausgrenzt. Und damit sich dieser Eindruck beim Durchwandern der einzeln Websiten der Revolte-Domain nicht verflüchtigt, wird beständig darauf verwiesen: Durch Laufschriften, selbstverfaßte oder in Auftrag gegebene diesbezügliche Erklärungen. Darüber hinaus möchte Pribnow das Revolte.net zum Erben des Partisan.net stilisieren. Oder ist es Faulheit und Unvermögen geschuldet, wenn es sich bei den meisten Seiten des Revolte.net nur um geklaute oder geklonte Partisan.net Seiten handelt?

Doch Pribnows virtuell inszenierter Vergleich mit Camus hinkt. Nicht nur weil zwischen beiden intellektuelle Welten liegen, sondern weil die politisch-publizistische Rolle, die Pribnow gegenüber den Rechten einnimmt, eine völlig andere ist. Camus Affirmierung rechten Gedankenguts ist Ergebnis jahrelanger intellektueller Anstrengungen. Beifall von rechts war dabei nicht im Kalkül. Bei Pribnow ist es genau umgekehrt. Zustimmung von rechts ist fest einkalkuliert. Theoretische Unkosten entspringen  - wenn überhaupt - der Betriebswirtschaftslehre.

Das rechtsextremistische Comingout vergreisender Intellektueller verlegerisch zu vermarkten, die wie Rabehl schreibender Weise nur braunes Stammtischgeraune zustandebringen, scheint sich für Pribnow ("Wir haben den Sprung vom reinen Studentenblatt zur Publikumszeitschrift geschafft.") zu rechnen. Die nächste Ausgabe seines Blättchens wird ausschließlich diesem Zwecke dienen.

Und - Das Revolte.net ist genuiner Teil dieser Promotion für Rechts. Alle braunen Rabehl-Texte, die zum Rausschmiß des Pribnow aus dem Partisan.net führten, sind dort wieder online. Desweiteren Texte von den Deutschen Anarchisten, einem Sleipnir-Projekt, und dem rechtsextremen "Bund gegen Anpassung". Daher ließ es sich die Junge Freiheit in ihrer Ausgabe vom 2.7.1999 auch nicht nehmen, über Pribnows Rausschmiß aus dem Partisan.net zu berichten.

Was jetzt noch in Sachen Revolte.net fehlt, ist ein Exklusivinterview bei der Jungen Freiheit. Wer - wie Pribnow - auf seiner Website kommerzielle Bannerwerbung ("Beschweren Sie sich hier"), die zu Pornoseiten führt, plaziert, dem ist auch das noch zuzutrauen.

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