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trend onlinezeitung für die alltägliche wut
Nr. 9/1998


Aus gegebenem Anlaß erinnern wir:

Abschiedsrede
von Jutta Ditfurth auf der Bundesversammlung der Grünen in Neumünster am 26.- 28.4.1991

Eine Mehrheit von Realos und Aufbruch hat auf dieser Bundesversammlung
die Aufhebung der Trennung von Amt und Mandat beschlossen, erstmal
für den Länderrat, das neue Multifunktionärsgremium.
Die Aufhebung der Trennung von Amt und Mandat für den Bundesvorstand
folgt demnächst. Bundesvorstandsmitglieder können nun lebenslänglich
im Amt bleiben, die Rotation gibt es nicht mehr.

Die persöhnliche Bereicherung von ehemaligen grünen Abgeordneten
in Höhe von weit mehr als 2,5 Millionen DM wurde locker abgesegnet.
Die praktizierte Solidarität mit der "Dritten" Welt über den grünen
Soli - Fond will sich diese Partei nur noch 1/10 der eingesackten
Diäten kosten lassen, nur noch 250.000 DM pro Jahr.
Und Parteigremien werden in Zukunft auch für Mitglieder nicht -
öffentliche, geschlossene Veranstaltungen sein können.

Die Grünen sind damit eine autoritäre, dogmatische, hierarchische
Partei. Sie sind kein basisdemokratisches Projekt mehr, nicht einmal
mehr radikaldemokratisch.

Emanzipation in Programm und Struktur ist künftig ein Fremdwort.

Die Grünen haben gestern ihre über lange Jahre beispielhaft entwickelten
feministischen Positionen zu Gunsten von angepassten frauen.- und
familienpolitischen Positionen auf einen Schlag gekippt.
Aus der Forderung nach der sofortigen Stillegung aller Atomanlagen wird
- ohne dass hier heftiger Protest stattfände - teilweise schon die
Akzeptanz von Atomenergie für eine sogenannte Übergangszeit.
Und der Einzug ökofaschistischen und rechtsradikalen Gedankengutes
in die Grünen (siehe z.B. GAL Hamburg) waren diesem Parteitag
keine klare antifaschistische Ablehnung wert.

Die Grünen haben sich auf diese Weise, unter Anführung erfahrener
DogmatikerInnen aus Ex - KBW, Ex - KPD/AO, Revolutionärem Kampf
und ähnlichen dogmatischen Gruppen für eine politische Konstruktion
in der ätzenden Trostlosigkeit zwischen leninistischem Modell und
autoritär bürgerlichem Modell verspätet an die 70er Jahre angepasst.

Die endgültige Zerschlagung der basisdemokratischen Restkultur
in den Grünen schlägt sich auch in den beschlossenen Inhalten nieder.
Auch in den programmatischen Grundlagen bewirkt der Pakt zwischen
Joschka Fischer und Antje Vollmer, der Schulterschluss zwischen Realos
und Aufbruch eine äusserst dramatische Rechtsverschiebung der Grünen
Partei. Der erste öffentliche Höhepunkt ist der Einzug offen
rechtsradikalen Gedankengutes und die Kandidatur von inzwischen
4 ÖDPlern in Hamburg - Harburg - im Namen der Grünen.

Die Leute um Ludger Vollmer spielen nur noch die traurige Übergangsrolle,
ihre objektive Funktion ist es, Aufbruch und Realos zu helfen, den
Medien vorzuspielen, es gäbe noch ein paar Linke.
Es wird sein wie immer in der Geschichte der angepassten Linken:
Ihr seid die Nächsten, die rausgespalten werden und dann werdet ihr
weinen und jammern und Euch noch schneller weiter nach rechts anpassen,
um Eure kleinen, erkungelten Pöstchen nicht zu gefährden.

Die Grünen haben sich heute gegen die Menschen entschieden, die
ökologische, soziale, feministische und basisdemokratische Veränderungen
erarbeiten und erkämpfen wollen.
Linke GewerkschafterInnen, die für Selbstbestimmung und für
Arbeitszeitverkürzung kämpfen, FeministInnen, die gegen Gen.- und
Reproduktionstechniken kämpfen, radikale ÖkologInnen, die die soziale
Frage mit der ökologischen verbinden und wissen, dass wirkliche
ökologische Politik ran an die Produktion muss und Menschen, die
gegen das herrschende System der Ausbeutung, des Trikont und der
Plünderung der Natur weltweit kämpfen - all diesen Menschen und
Initiativen sind die Grünen an diesem Wochenende zur Gegnerin geworden.

Das ist endgültig, das ist nicht mehr rückholbar.

Es wird eine neue ausserparlamentarische Opposition geben,
eine interventionsfähige, feministische, ökologische, basisdemokratische
Linke in der einen oder anderen Form.

Die Grünen sind seit diesem Wochenende für wirkliche gesellschaftliche
Veränderungen verloren. Grüne Politik ist so degeneriert wie das Niveau
der üblichen politischen Sprache. "Politische Verantwortung" bedeutet
nicht Verantwortung für Mensch und Natur, sondern bettelnde Unterwerfung
in die Logik sozialdemokratischer Kabinette.
"Kompromisse" sind nicht das verantwortbare Ergebnis politischer
Auseinandersetzungen, sondern Synonym für ein gebrochenes politisches
Rückgrat und steigende Tendenz zur innergrünen Korruption.
"Reformbereitschaft" hat nichts mit substantiellen Reformen zu tun,
denen eine konkrete Utopie Richtung und Qualität gibt, sondern mit
blinden, kreisförmigen Schrittchen, die ins Nichts führen, allenfalls
bestimmten restgrünen Cliquen Karrieren, Posten und Pensionsberechtigung
verschaffen, trostlos.

Wenn wir gehen, nehmen wir mit, auf was die Grünen freiwillig,
kriminell verantwortungslos, verzichten:
Vielfalt, Lebendigkeit, den ganzen politischen Schatz programmatischer
Erfahrungen und entwickelte basisdemokratischer Strukturen, politische
Kultur, Kontakte und Bündnisse. Wir wünschen Euch mit dem traurigen Rest
viel Vergnügen.

Ihr habt an diesem Wochenende Spaltungsbeschlüsse gegen die Ökologische  Linke gefasst. Wir werden bei unserem bundesweiten Treffen der Ökologischen Linken - zu dem wir alle ähnlich denkende Menschen herzlich einladen - am 11./12. Mai 1991 in Frankfurt die politischen und formalen Konsequenzen ziehen.

Es ist vorbei. Die Grünen sind nicht mehr unsere Partei.

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Nr.9/1998