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trend onlinezeitung für die alltägliche wut
Nr. 9/1998



Und noch ein seltsamer Tauschring

Wer es auf sich nimmt, die Kleinanzeigen der Zweimonatszeitschrift "Connection" - Eigenwerbung: "Das Magazin fürs Wesentliche" - durchzulesen, der wird in der aktuellen Ausgabe in der Rubrik "Kontakte" auf folgenden Hinweis stoßen:

"Hexenstammtisch monatlich freitags. Tauschringstammtisch monatlich mittwochs. Worms". Es folgt eine Telefonnummer. Auch wenn bei den einschlägigen Tauschringadressen teilweise als Kontaktperson ein Sebastian Keil angegeben wird, so führt
spätestens die Adresse zum eigentlichen Mastermind: Berthold Röth. Röth gilt als Repräsentant der völkischen Richtung der Wicca-Bewegung und war Kontaktperson für den Starmaiden-Earthdream-Coven. Zeitweise versuchte er über die BAG Spirituelle Wege in Wissenschaft und Politik, Einfluß auf Politik und Ideologie der Grünen zu nehmen. Sein Name fand sich auch 1991 im Adressbuch von Michael Kühnen. In der von ihm herausgegebenen Zeitschrift "Mescalito" durfte sich u.a. auch Sigrun Schleipfer ausbreiten, die Vordenkerin des ariosophischen Armanenordens. Nun hat Röth also die Tauschringe als mögliches Einflußfeld erkannt.

Nach Hemmoor ist dies der zweite bekanntgewordene Fall von
Verbindungen nach rechtsaußen. Daß speziell die Anhänger Silvio Gesells, die "Freiwirtschaftler", die Tauschringe als willkommene Vorfeldorganisationen betrachten, ist verständlich. So ist die Kontaktperson für einen der Frankfurter Tauschringe Wera Wendnagel, gleichzeitig zuständig für die deutsche Sektion der an Gesell orientierten Initiative für natürliche Wirtschaftsordnung. Inzwischen bezieht sich auch die NPD, besonders in den neuen Bundesländern, zunehmend auf Gesells Gedankengut. So war bei der konstituierenden Sitzung des Arbeitskreises Wirtschaftspolitik der NPD Ende Juni in Leipzig einer der Referenten Horst Mikonauschke, früher Landesvorsitzender der an Gesell ausgerichteten Freisozialen Union in Schleswig-Holstein. Nicht nur bei den Esoterikern der "Connection", wo die "Zinswirtschaft" in der aktuellen und der kommenden Ausgabe den Schwerpunkt darstellt, findet freiwirtschaftliches Gedankengut Anklang, sondern auch bei den Nationalrevolutionären der Deutsch-Europäischen Studiengesellschaft. In der jüngsten Ausgabe ihres Blättchen "DESG-inform" heißt es unter der Überschrift "Silvio Gesell, der Marx der Anarchisten", einer Rezension des gleichnamigen bei Karin Kramer erschienenen Bandes: "Letztlich wäre es auch wichtig, die Lehren Gesells mit den nationalrevolutionären Theorien eines Henning Eichberg in den Jahren 60 und 70 und mit dem Gedankengut, das eine Zeitschrift wie 'Wir selbst' verbreitet hat, zu vergleichen."

Klaus Schmitt, den Herausgeber des besprochenen Buches, der sich selbst als Anarchisten bezeichnet, werden solche Äußerungen sicherlich nicht gefallen. Reagiert er doch auf ähnliche Aussagen von antifaschistischer Seite mit wüsten Pamphleten ("Entspannen Sie sich Frau Ditfurth!"), in denen er dann auch nicht davor zurückschreckt, die Eugenik zu rechtfertigen, um deren Anhänger Gesell somit zu entlasten.

Eine Prognose sei gewagt: je gravierendere Ausmaße die Demontage des Sozialstaates annimmt, desto stärker wird der Rückgriff auf - an sich positive - Selbsthilfeeinrichtungen wie die vTauschringe sein. Desto stärker wird aber auch der Versuch der Einflußnahme von freiwirtschaftlicher Seite und - zuweilen in Personalunion - von der extremen Rechten sein. Auch hier müssen also dringend Gegenstrategien erarbeitet werden.

o vw

aus: ANTIFASCHISTISCHE NACHRICHTEN  http://www.infolinks.de/an/

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Nr.9/1998