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trend onlinezeitung für die alltägliche wut
Nr. 9/1998


Gruppe Neue Einheit
25.9.98
Internet-Statement Nr.8/98

Resultate des Wahlkampfs

Der Wahlkampf ist zu Ende und eine unglaubliche Flut von Phrasen ist auf die Menschen heruntergegangen.

Die meisten ueberlegen, ob sie jemand waehlen sollen, der ihnen am
wenigsten schadet. Wirkliche Ueberzeugung fuer die Parteien des
Parlaments gibt es kaum. Und wir meinen, dass dies sehr bezeichnend
ist fuer den Charakter dieser Wahlen ueberhaupt. Sie liefern
keineswegs eine Legitimation fuer alles und jedes nach der Wahl, so
wie sich die Politiker das vorstellen. Das alleinige Vorhandensein eines
Abstimmungsmodus beweist noch ueberhaupt nichts in puncto
Demokratie. Selbst die Medien, die mit diesen Parteien eng verbunden
sind, sprechen von der Abgehobenheit der Parteien.
Umso wichtiger ist das, was mit diesen "Wahlen" entschieden werden
soll. Viele haben das Gefuehl, dass nach diesen Wahlen das grosse
"Rupfen" beginnt, und fuer eine solche Annahme spricht in der Tat
vieles. Eine weltweite Krise des hochgepriesenenen kapitalistischen
Systems klopft an die Tuere. Deshalb ist vor allem eines wichtig: dass
diese Wahlen keine Legitimation liefern fuer die erpresserischen
Massnahmen, die nach dieser Wahl folgen.

Fast alle Parteien stellen sich als "Steuersenkungspartei"dar, die
Senkung der "Lohnnebenkosten"als ihrer aller erste "Herzensorge".
Aber es ist nicht damit zu rechnen, dass auch nur eine von den Parteien
ernsthafte Schritte unternehmen kann oder auch nur unternehmen will.

In dieser Wahl attackierte die SPD und machte Versprechungen wie
z.B. , sie wuerde bestimmte Einzelentscheidungen (Steuerzuschlage
fuer Nachtarbeit) zuruecknehmen.

CDU, CSU und FDP haben eine Politik der Beguenstigung der
Reichen betrieben, der steuerlichen Verlagerung der Belastungen noch
staerker von den Reichen weg und zu den aermeren und arbeitenden
Schichten hin. Besitzende, Staatsgewinnler , Spekulanten und
Abschreibungskuenstler profitierten davon und bereicherten sich aus
der schon laengst ueberschuldeten Staatskasse in einer unglaublichen
Weise (und zahlreiche Politiker gleich mit ihnen zusammen).

Die SPD begann mit einer sozialen Agitation, dass die Reichen in den
letzten Jahren faktisch keine Steuern mehr zahlen, derweil der Anteil
der Lohnsteuer und der indirekten Steuern, der von der grossen Masse
aufgebracht wird, maechtig gewachsen ist. Und in der Tat ist das ein
Resultat der CDU/CSU und FDP. Die Sache hat zwar eine
jahrzehntelange Vorgeschichte, an der auch die SPD beteiligt war, sie
ist aber erst nach 1990 in einem ganz extremen Mass ausgewuchert
und laesst sich mit Sicherheit nicht vorwiegend auf die Ablehnung der
Steuergesetze durch die SPD im Juni 1997 zurueckfuehren.

Aber die Kohl-Regierung kann durchaus darauf verweisen, was denn
aus der SPD-Politik resultieren wuerde, was denn aus den Oeko-
Programmen etwa in Verbindung mit den Gruenen werden wuerde,
und dass diese beiden Parteien schliesslich gar kein Interesse an einer
wirklichen Steuersenkung haben. Es gibt nicht den geringsten Hinweis,
dass sich unter der SPD irgendetwas in dieser Hinsicht bessern wuerde,
im Gegenteil: schaut man sich die "oekologischen Forderungen" der
SPD und der Gruenen an, dann erkennt man, dass da im Hintergrund
bestialische unsoziale Forderungen lauern, die oekonomisch bis hin zur
voelligen Verarmung der weniger bemittelten Bevoelkerung, zur
weiteren Desindustrialisierung gehen, die in ihrer Folge auch zu einem
politischen Rueckwaerts und einer Entrechtung der Bevoelkerung
fuehren muessen.

Fuer einen kurzen Moment flackerte dieser Gegensatz auf, als die
Gruenen mit ihrer 5-DM-Forderung fuer den Liter Benzin ihr Wesen
offenlegten, und eine Welle der Empoerung durch das Land ging.

Am meisten klafft naemlich die schoenfaerberische
Steuererleichterungspropaganda mit dem realen und grundsaetzlichen
Programm der Gruenen auseinander. Auf den Schlag verdeutlichte
diese Forderung vielen Menschen, was gruene Politik in der konkreten
Praxis bedeutet. Die Gruenen betrieben seitdem einen verlogenen
Wahlkampf, bei dem sie ihre eigentlichen essentiellen Forderungen
nach hinten stellten, und stattdessen mit lauter sozialen Losungen
ankamen.("die kleinen und mittleren Einkommen entlasten", "die
sozialen Abgaben senken", "Arbeit wieder billiger machen und das bei
steigendem Nettoeinkommen")
In Wirklichkeit haben die Gruenen nicht nur die 5-DM-Forderung in
der Tasche. Auf fast allen Gebieten versuchen sie durch die sog.
Energiespargesetze die Bevoelkerung mit Ausnahme der wirklich
Reichen zu knebeln, das Leben durch oekonomische Bedingungen
vollkommen einzuengen und zu einem einzigen Gefaengnis innerhalb
der Staatsbuerokratie zu machen. Ihr Umweltschutz, ihre angebliche
Sorge um die Natur ist nichts als Vorwand. Von ihnen haben andere
Parteien wie die SPD, aber auch die CDU und die FDP derartige
Programme in leichten Variationen uebernommen.

Auf dem Gebiet des Haeuserbaus und der Renovierung von alten
Haeusern und Wohnungen haben sie Vorschlaege in der Tasche, die
genau wie bei der 5-DM-Forderung das Mieten oder den Unterhalt zu
einer noch viel kostspieligeren Angelegenheit als bisher machen. Die
aermere Bevoelkerung waere nur damit beschaeftigt, die Schulden und
Belastungen abzutragen. Macht man den Gruenen Vorhaltungen, wer
eigentlich das alles bezahlen soll, dann kommen sie mit der
Argumentation, fuer Haertefalle muesse ein sozialer Ausgleich
geschaffen werden, man duerfe dann irgendwo einen Antrag stellen.
Die Laehmung der Verkehrssysteme steht auf ihrem Programm, die das
allgemeine Preisniveau nach oben treiben wird.
Es wird uebrigens zu untersuchen sein, warum andere revolutionaere
Organisationen diese ultrareaktionaere Substanz der Gruenen
ungeschoren lassen oder aber sich dem sogar noch anpassen. Wir
jedenfalls werden uns den Mund darueber nicht verbieten lassen.
Die SPD hat fast alle Programmpunkte der Gruenen angepasst
mituebernommen. Was will eine solche Koalition nun als Verbesserung
bringen?
Die Bevoelkerung will die alte Regierung nicht mehr haben, aber als
Alternative stellt sich etwas, was sie noch mehr ausnehmen wuerde, ja
etwas grundsaetzlich vollkommen Unakzeptierbares.
E i n e s o l c h e W a h l i s t e i n e E r p r e s s u n g.


    Verdraengung wichtiger Fragen

Bei allen Diskussionen in der letzten Zeit war es auffaellig, welch
geringe Bedeutung der Staatschuldenfrage beigemessen wurde. Kein
Wunder, denn daran sind alle diese Parteien eng beteiligt.

Entgegen den frueheren Versprechungen der CDU/CSU und FDP sind
die Staatsschulden waehrend ihrer Regierungszeit ins Gigantische
gewachsen. Wenn jetzt die SPD die Rolle des sozialen Anklaegers
gegenueber den Missstaenden der Regierung spielt, muss man
allerdings daran erinnern, dass es die SPD war, die in der
Regierungszeit des Kanzlers Schmidt 1974- 82 mit den horrenden
Staatsschulden angefangen hat. Die CDU hat in der Zeit von 1982 bis
89 die Staatschulden nur geringfuegig vermindert. Fuer die heutige
Hoehe von mindestens 2, 5 Billionen Mark kann die Vereinigung nicht
als vorwiegende Rechtfertigung herhalten, denn die Regierung hat
enorme Steuermittel an Reiche verschwendet und in grossem Umfang
Industrie zerstoert, die durchaus noch haette modernisiert werden
koennen, die aber der westlichen Konkurrenz im Wege lag. Die
Menschen in den neuen Bundeslaendern wissen dies und deshalb
wollen sie auch nicht erneut CDU waehlen.
Es ist der beruehmte Tropf, an dem die Ex-DDR haengt, der u. a. die
gewaltigen Steuerlasten ausmacht. Alles wird getan, um die
Widersprueche, die den Handlungen dieses Staates anhaengen, den
Buergern soweit wie moeglich nicht zu Gesicht kommen zu lassen, die
sog. Stabilitaet zu wahren, waehrend die Substanz des ganzen Landes,
der ganzen Nation ausgehoehlt wird.
Die Buerger der neuen Bundeslaender haben uebrigens nicht nur die
Unterstuetzung der alten Bundesrepublik geerbt, sondern auch die
Staatsschulden der alten Bundesrepublik, die schon zum Zeitpunkt
1989 eine Billion Mark betrugen (nachdem bereits die Industrie hier
schon zu erheblichen Teilen ins Ausland verlagert worden war). Die
DDR war obendrein in ihrer Verfallszeit seit ca. 1970 auch ein
ausgesprochener Billiglieferant an westdeutsche Firmen. Es ist erst
etwas mehr als zehn Jahre her, da drohte man den Arbeitern mancher
westdeutscher Betriebe, wenn sie mit ihren Forderungen nicht
stillhalten, dann verlagere man die Produktion in die DDR oder nach
Polen. Dies muss man bei dem spaeteren Verfall der DDR-Industrie
auch beruecksichtigen.

Was die PDS angeht, so ist ihr Programm in vielem deckungsgleich mit
dem der Gruenen und der SPD. Es ist nicht erkennbar, dass sie
irgendeine Konzeption zur Verbesserung der Lage der Bevoelkerung
hat. Was ihre Hauptlinie angeht, so dienert sie sich diesen Parteien
regelrecht an, und versucht, sich als "Musterschueler" des
Grundgesetzes auszugeben. Allein dass sie aus dem Osten stammt,
beweist noch lange nicht, dass sie auch die Interessen der
Bevoelkerungsmehrheit dort wahrnehmen kann. Sollten SPD und
Gruene an die Regierung kommen, wird sie die Beutelung der
Bevoelkerung durch diese mittragen.
In den Schubladen dieser Parteien (SPD, Gruene) liegen auch noch
andere Gesetze, wie die der sog. "Homosexuellenemanzipation", die
einen tiefsten Einschnitt in das gesamte sittliche Leben bedeuten, die
aber in der Wahlpropaganda keine Rolle spielen (mit Ausnahme ganz
vereinzelter Wahlbezirke). Wenn dies im Programm dieser Parteien ist,
weshalb tischen sie es im ueberregionalen Wahlkampf nicht offen auf?
Dieses beleidigende und an extrem reaktionaeren Traditionen
anknuepfende Programm (von wegen "Emanzipation"!) soll hinterher
offenbar auch durch die Wahl als legitimiert gelten. Es ist ein Betrug,
der der Bevoelkerung unter die Weste gejubelt werden soll.

Wir meinen, dass es gegenwaertig keine Partei gibt, die nur irgendwie
die fundamentalen Interessen der Mehrheit dieses Landes repraesentiert
oder auch nur eine irgendwie ausreichende Konzeption vertritt. Wir
meinen, dass solch eine Partei erst noch ansteht zu schaffen. Die zu
erwartenden Konvulsionen nach der Wahl werden vielen Menschen
verdeutlichen, dass hier etwas Neues entstehen muss. Man kann zur
Zeit hier nur seine Stimme einer derartigen Wahl verweigern.

Was die kleineren Parteien angeht, so vetreten die meisten Positionen,
die denen der Gruenen nahestehen oder die nur einen einzigen
Programmpunkt ausmachen, oder ganz rechte, historisch vollkommen
ueberholte und hoechst gefaehrliche und faschistische Positionen, die
auf das ganze Land zurueckfallen koennen. Sie sind unakzeptierbar.
Die Letztgenannten kanalisieren die Verzweiflung ueber die
Bundestagsparteien in eine rueckstaendige und zerstoererische
Richtung. Die Bekaempfung und Enttarnung ihrer
Anknuepfungspunkte und damit ihrer Demagogie wird noch eine der
wesentliche Aufgaben fuer die unmittelbare Zukunft sein.

neue einheit
Zeitschrift fuer Politik. Oekonomie und Kultur
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