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trend onlinezeitung für die alltägliche wut
Nr. 9/1998


Wir dokumentieren:

Kampf dem MAI

Seit Anfang diesen Jahres ist in der BRD eine kritische Debatte über ein "Multilaterales Investitionsabkommen (MAI)", über das seit 1995 bei der OECD verhandelt wird, angelaufen. An ihr beteiligen sich zunehmend auch linke Gruppen - meist noch über Stellungnahmen in Zeitungen und Zeitschriften.

Wir sind eine kleine Gruppe aus Hannover, die sich mit dem Siegeszug des Kapitals, seinen strukturellen Veränderungen und deren gesellschaftlichen Auswirkungen beschäftigt, und das seit längerem.

Für die Linke ist es unbedingt notwendig, daß die barbarischen Überlebensstrategien des Kapitalismus wieder mehr ins Blickfeld rücken, besonders in seinen Hochburgen, Ländern in denen wir im Vergleich zu anderen noch recht gut leben.

Das MAI hat den Schutz ausländischer Investitionen zum Inhalt und soll nach den Vorstellungen der OECD die bisher bestehenden mehr als 1500 zweiseitigen Verträge ersetzen.

Neben den Abkommen über IWF/Weltbank, die den weltweiten Finanztransfer regeln, und dem Welthandelsabkommen WTO, zuständig für den ungehinderten Warenverkehr, soll das MAI die dritte Säule, im internationalen Waren-, Dienstleistungs-, und Handelsverkehr werden.

Mit dem MAI ist die Schaffung eines völkerrechtlich verbindlichem Abkommens im Weltmaßstab geplant, das Investoren ein bislang ungekanntes Instrument zur Durchsetzung ihrer Interessen in die Hand gibt. Die multinationalen Wirtschaftskonzerne sind es denn auch, die einen wesentlichen Einfluß auf die offiziellen Verhandlungen nehmen konnten (und können), in die sie über ihre offizielle Vertretung "BIAC" bei der OECD aktiv einbezogen sind.

Was unterscheidet das MAI von den bisher schon bestehenden Abkommen und Verträgen? Auch hier ging es um die systematische Deregulierung, Privatisierung und Flexibilisierung, um die gesamte Menschheit der schrankenlosen Ausbeutung zu unterwerfen. Was NAFTA für die USA, Kanada und Mexiko ist und FTAA (amerikanische Freihandelszone) für ganz Amerika sein soll ist, heißt hier in Europa "Maastrichter Vertrag", und "Amsterdamer Vertrag".

Die EU Verträge von Maastricht und Amsterdam

Der Maastrichter Vertrag bedeutet die rigorose Privatisierung, d.h. die Zerstörung öffentlicher Dienste und öffentlichen Eigentums und ihr Verschleudern an das Privatkapital und seine Profitinteressen. Art. 90 des Maastrichter Vertrages verlangt die Gleichstellung von privaten mit den sich bisher im öffentlichen Besitz befindlichen Betrieben. Er ist der zentrale Hebel für die Privatisierungen bzw. gewinnorientierte Betriebsführungen im öffentlichen Dienst, die alle Bereiche der Infrastruktur erfassen: Strom, Gas, Wasser, öffentlicher Personennahverkehr, Gesundheits- und Sozialwesen, Flughäfen, Post, Bahn, Telefon und ebenso Hochschulen. Mit der Privatisierung von Telekom und Lufthansa z.B. sorgt der deutsche Staat bspw. für neue starke "Global Player", die dem "Standort Deutschland" auch in Zukunft einen ihm angemessenen Platz im Reigen der Großen sichern sollen.

Maastricht insgesamt ist auch der "Stabilitätspakt", der die EU-Staaten veranlaßt hat, die "Konvergenzkriterien" zur Einführung der Einheitswährung zu erfüllen; unter diesem angeblichen Diktat - auch Sachzwang genannt, der der Globalisierung geschuldet sei, treiben die Regierungen ihre sog. Sparpolitik - soziale Demontage voran.

Nichts hat sich daran geändert, daß der Staat als ideeller Gesamtkapitalist und das gewinnorientierte Kapital ideale Partner sind. "Die Funktion des Staates liegt mehr als zuvor darin, im jeweiligen nationalen Rahmen optimale Verwertungsbedingungen für ein international höchst flexibel operierendes Kapital zu schaffen (Joachim Hirsch)". Diesem Ziel dient das Vorantreiben von kapitalgerechten Standortbedingungen.

EU-weit zeigt der Amsterdamer Vertrag wie diese auszusehen haben: Art. l des sog. "Beschäftigungskapitels" fordert die Ausweitung der Flexibilität und die Anpassung der "Arbeitsmärkte" an die "Erfordernisse des wirtschaftlichen Wandels" - Aushöhlung erkämpfter Arbeitnehmerschutzrechte, Öffnung und Auflösung der Flächentarifverträge. In diesem Sinne soll auch Art. 2 wirken, der die Grundzüge der alljährlich festzulegenden Wirtschaftspolitik bestimmt und in 1997 bereits "eine größere Differenzierung in den Tarifverträgen", "eine Senkung der Lohnnebenkosten bei gleichzeitiger Umorganisierung ihrer Finanzierung" und "Einstiegslöhne" für Jugendliche forderte. Das sog. Sozialkapitel fordert in Art. 117 die "Abstimmung der Sozialordnung" in der EU, die Festlegung von "Mindestvorschriften" - übersetzt heißt dies allgemeine Deregulierung und Nivellierung nach unten. Art. 118 schließlich soll die Gewerkschaften in den "sozialen Dialog" einbinden, d. h. sie sollen direkte Instrumente der Umsetzung der EU-Politik in Europa werden. Auf diesem Wege dürfte sich der DGB durchaus schon auskennen, brachte der DGB-Vorsitzende Schulte von seiner Reise durch die USA doch die Erkenntnis mit, daß die Arbeit in Deutschland zu teuer sei.

Schließlich wird mit "Schengen" der Schutz von Flüchtlingen und des Asylrechts untergraben. Mit dem Amsterdamer Vertrag soll außerdem das Asylrecht in Europa "vereinheitlicht " werden, was faktisch seine Abschaffung bedeutet.

Auf diesem Hintergrund sind die Diskussionen um das MAI zu sehen. Der Unterschied zu den bisherigen Abkommen und den generellen Entwicklungen im Prozeß der "Globalisierung" ist keineswegs geringfügig. Er besteht insbesondere darin, daß durch dieses weltumspannende Gesetz diese Tendenzen festgeklopft und unumkehrbar gemacht werden sollen.

Die Inhalte des MAI

1. Ausländische Investoren haben absolutes Niederlassungsrecht in allen Sektoren einer Volkswirtschaft, sowie das Recht auf freien Kapital- und Gewinntransfer. Ihrem Schlüsselpersonal ist jede Art von Freizügigkeit zu gewähren einschließlich Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis für jedes Familienmitglied.

2. Die ausländischen Investoren sind inländischen gleichzustellen, was z. B. Subventionen, Steuerbegünstigungen o. a. betrifft. Ihnen dürfen keine, ihre Tätigkeit einschränkenden Auflagen erteilt werden, außer, die Vertragsländer haben diese vor dem Beitritt zum MAI zur Berücksichtigung angemeldet.

3. Der Investitionsbegriff des MAI ist sehr weitreichend. Darunter fallen alle Formen ausländischer Kapitalanlagen. Dies geht vom Aufbau von Produktionsanlagen über den Besitz von Urheberrechten bis hin zur reinen Geldanlage.

4. Ausländischen Investoren werden besondere Schutzrechte völkerrechtlich garantiert, und zwar unabhängig von der Behandlung inländischer Investoren, Der Staat hat die ausländischen Investitionen in jedem Fall vor Enteignung zu bewahren (hier gilt also das Gleichstellungsprinzip nicht). Mit Enteignung ist allerdings nicht nur die klassische Enteignung der getätigten Investition durch den Staat gemeint (eine heutzutage wohl kaum noch vorkommende Variante), sondern der Enteignungsbegriff geht bis hin zum Verlust künftiger Profite, die durch staatliche Maßnahmen, wie bspw. durch Umweltauflagen auftreten können.

5. Der Investor ist vor inneren Unruhen zu schützen, bzw. bei dadurch entstandenen Verlusten zu entschädigen.

6. Investoren werden im Streitfall erstmalig Staaten gleichgestellt. Ein Staat, der vermeintlich beschränkende Auflagen erläßt kann vom Investor vor einem Schiedsgericht verklagt werden. Die umgekehrte Möglichkeit besteht nicht. Dieses Schiedsgericht kann beispielsweise bei der "Internationalen Handelskammer (ICC)"angesiedelt sein, so daß die Interessen wohl klar auf der Hand liegen

7. Festgelegt ist, daß einschränkende Auflagen nach und nach rückgängig gemacht werden müssen, um zukünftig eine Weltwirtschaftsordnung zu errichten, die bar jeder Regulierung, also vollständig liberalisiert ist. Neue, dem MAI widersprechende Gesetze dürfen nicht erlassen werden. Da das MAI ausländische Direktinvestitionen umfassend regeln soll, ist der Vertag so angelegt, daß alles erlaubt ist, was nicht ausdrücklich im Vertrag selbst untersagt wird (sog. "roll-back", "stand-still" und "top-down" Prinzipien).

Auswirkungen des MAI

"Das MAI zeigt, was immer schon die Wahrheit des Wirtschaftens und der Politik war: Kolonialisierung und Versklavung der Mehrheit weltweit, Unterwerfung der Frauen global, Plünderung der Natur überall und der ‚Militarismus' als ‚Vollstrecker der Kapitalakkumulation' (R. Luxemburg)." (Claudia v. Werlhof)

Es ist sehr schwierig, die konkreten Auswirkungen des MAI auf die Lebensverhältnisse zu beschreiben, da es lediglich ein, wenn auch wichtiger, Ausfluß der aktuellen Kapitalstrategien ist. Viele der folgenden Punkte werden daher mit oder ohne MAI eintreten. Um es noch einmal zu sagen, seine Aufgabe besteht jedoch gerade darin, diese Politik zu beschleunigen und unumkehrbar zu machen.

Die einzelnen Nationalstaaten verpflichten sich mit dem Abkommen, ein günstiges Klima für Investoren zu schaffen. In den Metropolen gehört hierzu einerseits die Aushöhlung des Tarifrechts und der Abbau von Arbeitsschutzmaßnahmen und andererseits die Schaffung von angepaßten Wohn- und Lebensverhältnissen für speziell qualifizierte Arbeitskräfte. In der Folge kommt es neben dauerhafter Massenarbeitslosigkeit zu massenhaft niedrig bezahlten Beschäftigungen bis hin zur Zwangsarbeit. Das bedeutet: zunehmende Spaltung der Gesellschaft und Verarmung breiter Schichten der Bevölkerung.

Daß dies zu Konflikten führt, ist auch den MAI Anhängern bekannt. Mit dem Abschnitt "Schutz vor Unruhen" wurde demzufolge die Verpflichtung der Staaten festgehalten, bei Protesten und Unruhen für ungehinderte Abwicklung der Geschäfte zu sorgen. In Deutschland gehören der Lauschangriff, die Ausweitung der Kompetenzen des BGS ebenso dazu wie die Diskussion um Abschiebung straffälliger junger Ausländer und ihren Familien und um geschlossene Heime.

Repression nach innen, Sicherung und Kontrolle von Investitionsstandorten durch militärische Intervention nach außen bleiben vordringliche Aufgaben der Nationalstaaten und sie werden an Vehemenz noch zunehmen.

Während das Abkommen Staaten verpflichtet, ausländischen Investoren und ihren "Statthaltern" mitsamt ihren Familien die erforderlichen Aufenthalts- und Arbeitserlaubnisse zu erteilen, werden auf der anderen Seite die Grenzen Europas für MigrantInnen immer undurchlässiger. Das Kapital ist mobil - die Menschen werden an den Grenzen zurückgewiesen oder "illegal".

Dies bedeutet, daß eine entscheidende Funktion der nationalstaatlichen Organisation, nämlich die Aufrechterhaltung höchst unterschiedlicher Einkommens- und Lebensbedingungen auf dem Weltmarkt erhalten bleibt. Die damit verbundene Spaltung der Lohnarbeit bildet unverändert eine entscheidende Grundlage des globalen Akkumulations- und Verwertungsprozesses.

Gleichzeitig führen die verschärften Abschottungsmaßnahmen dazu, daß der Teil der MigrantInnen, die es irgendwie geschafft haben, die Grenzen zu überqueren, in den kapitalistischen Metropolen als billige Arbeits-sklaven ohne jegliche politische und soziale Rechte verwertet werden.

Für die Länder des Trikont und deren schwachen Ökonomien bedeutet das MAI das Ende jeder eigenständigen Politik. Der damit verbundene uneingeschränkte Marktzutritt ausländischer Konzerne wird die nicht konkurrenzfähige einheimische Industrie verdrängen. Die IWF/Weltbankauflagen und ihre Strukturanpassungsprogramme werden durch das MAI um eine neue Komponente ergänzt werden: Der Beitritt zum MAI wird in Zukunft zu einem der Vergabekriterien für Kredite werden.

Mehr noch als in den Metropolen werden sich die Länder im Wettbewerb um die besten Investitionsstandorte gegenseitig unterbieten, sozial- und umweltpolitische Maßnahmen werden ad acta gelegt werden müssen. Da keine Beschränkungen der Gewinntransfers gestattet sind, wird auch wenig von den Profiten im Land bleiben und weil jeder Investor sein Schlüsselpersonal mitbringen darf, wird auch ein Zugewinn von Know-how äußerst begrenzt sein. Der Süden wird vollends zur Kolonie der Metropolenkonzerne werden, die sich ohne Beschränkungen sämtliche Ressourcen aneignen - Land, Boden und Menschen.

Um Mißverständnissen vorzubeugen: Natürlich ist es auch jetzt schon so, daß im Regelfall die einheimischen Eliten sich einen Dreck um das Wohlergehen ihrer Bevölkerung kümmern. Aufgrund der weit größeren Abhängigkeiten vom Weltmarkt verhindert das MAI allerdings von vornherein jegliche Perspektive auf Verbesserung der Lebensbedingungen.

Der Stellenwert des MAI für die Linke

1. Die Regeln des MAI sind Ausdruck der neoliberalen Wirtschaftspolitik, die die Metropolen schon seit Jahren verfolgen. Dieses Modell verfolgt die weltweite Durchdringung der Weltmärkte durch das Kapital, es sollen prinzipiell keine Nischen übrigbleiben, die von diesem Zugriff ausgenommen sind.

2. Das MAI soll bestehende bilaterale Investitionsabkommen ersetzen und so für eine Vereinfachung der Wirtschaftsbeziehungen sorgen. Es ist allerdings mehr als lediglich eine Zusammenfassung bisheriger Regelungen, sondern setzt eindeutig neue Qualitäten ( Konfliktregelungsmechanismus, top down-Ansatz, roll-back und stand-still Prinzipien).

3. Der Abbau der bisherigen Sozial- und Umweltstandards wird durch das MAI neuen Auftrieb bekommen. Dies ist Ausdruck der gewollten neoliberalen Politik der Metropolen. Die Struktur des Abkommens mit unverbindlichen "ethischen" Richtlinien unternehmerischen Handelns einerseits und harten Bedingungen für die Staaten andererseits eröffnet hier allerdings Spielraum für grundsätzliche antikapitalistische politische Argumentationen.

4. Die Sorgen und Nöte der Investoren im Falle von sozialen Unruhen und kriegerischen Auseinandersetzungen sind dem MAI ebenfalls ein Anliegen. Auch hier geht es um Entschädigungen, die der "Gast"-Staat im Falle von Verlusten eventuell zu zahlen hat. Mensch kann sich lebhaft ausrechnen, daß solche internationalen Entschädigungsregeln eine beliebte Argumentation der Nationalstaaten z.B. in Arbeitskämpfen werden können.

5. Die Ignoranz bei vielen Linken gegenüber der Beschäftigung mit Gesetzesverschärfungen oder Verträgen, die aus der Haltung nach dem Motto: "Die machen doch sowieso was sie wollen", resultiert, halten wir für fatal. Völkerrechtliche Fragen waren für linke Politik schon immer bedeutsam. Die Mitarbeit des realsozialistischen Lagers in der UNO hat den Menschenrechtskatalog bereits im Jahr 1948 um wichtige soziale Rechte erweitert, die sonst nie aufgenommen worden wären. Auch wenn diese Rechte nicht real durchgesetzt werden konnten, so schaffen sie doch für Linke wichtige Politikfelder und Argumentationsmöglichkeiten.

6. Linke Politik gegen das MAI sollte die Prinzipien des Kapitalismus angreifen, die durch dieses Abkommen in seltener Klarheit formuliert werden. Sie darf nicht den Stellenwert bekommen, nach dem Motto "Wenn wir es nicht verhindern, dann wird alles ganz furchtbar." Diese Politik birgt mehrere Gefahren: Zum einen ist die Linke bei weitem nicht stark genug, um dieses Abkommen ernsthaft in Gefahr zu bringen und fördert so Resignation, andererseits kann ein Scheitern des MAI (was aus internen Gründen durchaus möglich erscheint) zu verfrühten Siegesfeiern führen und so die nach wie vor vorhandene strukturelle Offensive des Kapitals verschleiern.

7. Der Abbau demokratischer Rechte durch das MAI in Verbindung mit seiner Tragweite ist offensichtlich. Völlig in Vergessenheit geraten ist allerdings dabei die linke Kritik an den bürgerlich "demokratischen" Verhältnissen. Das Übergehen der Parlamente und die "Geheimverhandlungen" ist z.B. ein zentraler Kritikpunkt der Nichtregierungsorganisationen (NGO). Ignoriert wird dabei die Funktion dieser Parlamente und ihre Rolle bei der Durchsetzung der gegenwärtigen Verhältnisse. Demokratiekritik muß auch immer eine Kampfansage an ihre derzeitige Organisiertheit beinhalten.

8. Das MAI wird nicht die Konkurrenz der Kapitale aufheben. In einigen Stellungnahmen zum MAI wird die Meinung vertreten, das mit der harten Konkurrenz könne nicht so schlimm sein, sonst säßen die Multis nicht an einem Tisch. Aber auch in Deutschland gibt es einen Arbeitgeberverband, der jedoch Bayer und BASF nicht daran hindert, sich gegenseitig Marktanteile abzujagen. Solche Zusammenschlüsse und Vertragsverhandlungen dienen dazu, die gemeinsamen Interessen gegenüber Beschränkungen (z.B. Handelshemmnisse, staatliche Auflagen, Klassenkämpfe) zu formulieren und durchzusetzen. Verträge wie das MAI setzen die Spielregeln für das Auftreten aller auf den Weltmärkten. Mithilfe dieser Regeln, von denen sich alle Akteure Vorteile versprechen, geht dann die weltweite Jagd aufs große Geld und gegeneinander auf neuer Ebene weiter.

9. Von einer Schwächung des Metropolenstaates bis hin zur Bedeutungslosigkeit gegenüber der Macht der Konzerne - wie einige MAI-KritikerInnen hervorheben und befürchten - kann keine Rede sein. Dies lenkt den Kampf gegen das MAI in die falsche Richtung. Der Staat ist kein potentieller Bündnispartner, den man mit richtigen Argumente überzeugen kann.

  • Der "nationale Wettbewerbsstaat" - wie Joachim Hirsch ihn bezeichnet - ist kein schwacher Staat. Er ist ein durchaus starker, ökonomisch und sozial in erheblichem Maße intervenierender Staat. Wir hatten bereits oben darauf hingewiesen, daß der repressive Charakter immer mehr zum Vorschein kommt und müssen zur Kenntnis nehmen, daß in rasanten Schritten auf der einen Seite soziale Absicherungen beschnitten und auf der anderen Seite Polizei und Überwachung ausgebaut werden. Gleichzeitig werden die Militärpotentiale hochgerüstet zur globalen "Krisenintervention".

10. Die Metropolen treiben das MAI voran, ganz besonders Europa und hier wiederum Deutschland. Eine Kritik des MAI darf daher nicht zum Ziel haben, die Herrschenden davon zu überzeugen, von ihrem bösen Tun abzulassen. Diese wissen sehr genau, was in ihrem Interesse liegt. Für die Linke muß es darum gehen, dieser Politik auf verschiedenen Ebenen entgegenzutreten. Der Souveränität des kapitalistische Nationalstaats vor der Internationale der Konzerne den Vorzug zu geben, muß scheitern. Das MAI wird international verhandelt, soll internationale Verbindlichkeiten schaffen und ist deshalb seitens der Linken auch nur mit einem internationalistischen Ansatz angreifbar. Ängste über die Durchdringung Deutschlands von fremdem Kapital verkennen die Rolle deutscher Multis in der Welt.

Zusammenfassend läßt sich sagen: Eine linke Politik gegen das MAI darf sich nicht in einer reinen Verhinderungskampagne erschöpfen. Sollte es scheitern, was auch aufgrund vieler Meinungsverschiedenheiten in den Metropolen durchaus möglich sein kann, so werden große Teile in anderer Art und Weise wieder auftauchen, da dies den aktuellen neoliberalen Dogmen entspricht. Dieses Abkommen eignet sich daher aufgrund seiner deutlichen Formulierungen vorrangig dazu, die menschenverachtenden Ziele kapitalistischer Politik offenzulegen, um sie dann in all ihren Varianten bekämpfen zu können. Einen Ansatzpunkt hierfür sehen wir an dem Einbringen dieser Inhalte in die Aktivitäten gegen den Weltwirtschafts- und EU-Gipfel im Juni 1999 in Köln.

Hannover, im August 1998

Kontakt:  MAU, c/o Annabee Buchladen, Gerberstr.7, 30169 Hannover

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Nr.9/1998