Buchbesprechung: Venezuela

von Jörg Finkenberger

09/2020

trend
onlinezeitung

  • Machado, Zibechi: Die Macht ergreifen, um die Welt zu verändern? Eine Bilanz der lateinamerikanischen Linksregierungen, Bertz + Fischer 2019
  • Ciccarellio-Maher, Building the Commune, Radical Democracy in Venzuela, Verso 2016,
  • Ciccarellio-Maher, We Created Chavez, A People’s History of the Venzuelan Revolution, Duke University Press 2014
  • Ellner-Roberts, Rethinking Venezuelan Politics, Class, Conflict and the Chvez Phenomenon, Lynne Rienner Publishers 2010
  • Gallegos, Crude Nation, How Oil Riches Ruined Venezuela, Potomac Books 2017

Von dem „Sozialismus des 21. Jahrhunderts“ ist im 21. Jahrhundert nicht viel übrig geblieben, jedenfalls nicht dort, wo er herkam. Maduro, der Nachfolger von Chavez, regiert nur noch über die zerfallenden Reste der „bolivarischen Revolution“. Der Widerstand gegen ihn kommt nicht mehr nur von den Kräften der Rechten und der alten Eliten, oder ihrem Anhang in der sogenannten Mittelschicht; sondern neuerdings, und viel ominöser, von seiner früheren Machtbasis in den äusseren Stadtteilen.

1.
Venezuela ist vergleichweise früh verstädtert; schon in den 1950ern lebte die Mehrheit in den Städten, am meisten direkt in der Hauptstadt. Aber ausser der Ölförderung ist vergleichsweise wenig Industrie entstanden; und das ist bis heute eine Konstante geblieben. Die Masse der Bevölkerung gehört weder zur Bauernschaft, noch zur Industriearbeiterschaft; sondern es besteht ein grosser Sektor, den man gewöhnlich den informellen Sektor nennt, in dem formell selbständige Erwerbstätigkeit vorherrscht; das heisst aber nichts anderes, als unterordnete Tätigkeit ausserhalb des Schutzes des Arbeits- und Sozialrechts. Strassenhandel, Kurierfahrerei, persönliche Dienstleistungen aller Art; wenig einträgliche Arbeit, durch die nur ein weniges von dem Wohlstand der mittleren Schichten in die unteren einsickert; oder natürlich Erbwerbstätigkeit illegaler Art. Die Segregation in der Hauptstadt ist erstaunlich. Die äusseren Viertel, entweder schlechter oder direkt illegal gebaut, sind Wohngebiet der unteren Schichten, die Innenstadt der mittleren und oberen; und Hautfarbe korrelliert eng mit Klasse.

Das ist bis heute so. 1997 war Chavez an die Macht gekommen. Und man kann sich schon fragen, was für eine Sorte Sozialismus das 23 Jahre gewesen ist, und was diese Sozialisten denn getan haben. Eines haben sie jedenfalls nicht getan, nämlich die Stellung der besitzenden Klasse anzutasten. Der ganze neuere lateinamerikanische Sozialismus scheint überhaupt hauptsächlich darin zu bestehen, die unteren Klassen neu zu organisieren.

Über die verschiedenen Versuche dieser Neuorganisation kann man bei Machado und Zibechi nachlesen; sie sind je nach Land und Regierungspartei unterschiedlich. Die verschiedenen Linksregierungen verfolgen, sagen sie, im Kern den Zweck, neben den engen alten Oberschichten neue Eliten zu installieren; und demgemäss die gesellschaftliche Grundlage umzugestalten, und Teile der unteren Klassen fester an den so veränderten Staat zu binden. Die Art und Weise, wie die brasilianische Linksregierung abgedrängt worden ist, gibt einen Aufschluss darüber, was für Klassenblöcke einander da gegenüberstehen; und auch darüber, dass die unteren Klassen an einem solchen Vorhaben nicht ohne weiteres ein Interesse haben können.

In Brasilien lief die Politik Linksregierung darauf hinaus, die bisherige Ökonomie der unteren Klassen in das staatliche Sozialsystem einzugliedern; das klingt fortschrittlich, hat aber den Nebeneffekt, dass es sie auch in die Ökonomie des Finanzsystems eingliederte. In der Prosperität sank die Armut, aber die Verschuldung stieg; in der Krise kam die Armut wieder, und die Verschuldung blieb. Was die Ökonomie der unteren Klassen an Resistenz gegen die kapitalistischen Konjunkturen hatte, war niedergerissen. Der Effekt ist Vergrösserung des inneren Markts durch Krise.

Die brasilische Linksregierung ging unter im Kampf um die Zuteilung für Bauaufträge für das staatsnahe Mineralölgeschäft; also darum, durch wessen Unternehmen die erzielte Revenue aus der Rohstoffextraktion geschleust wird. Eine andere Grundlage als die Rohstoffextraktion und Grundstoffproduktion hat keine der Linksregierungen gefunden oder gar gesucht. Die industriellen Zentren haben sich zwar verschoben; neue Zentren der Weltökonomie sind zwar aufgestiegen, aber die Logik des internationalen Ausbeutungssystems bleibt die gleiche. An der untersten Stufe steht der landwirtschaftliche Raubbau, dicht darüber der gewöhnliche mineralische Raubbau. Vergleichsweise privilegiert ist die Situation des Raubbaus an mineralischen Energieträgern. Sie alle sind untergeordnete Zulieferer der globalen Industrie, deren Erzeugnisse wiederum ihr einheimisches Gewerbe fortschreitend entwerten und ihre Abhängigkeit verschärfen. Dieses nennt man den komparativen Kostenvorteil oder auch den Reichtum der Nationen. Auf dieses famose System ist die heutige Gesellschaft sehr stolz; um so stolzer, je näher ihre einzelnen Glieder daran beteiligt sind.

2.
Im venezolanischen Fall ist das, was wir gerade Neuorgansierung genannt haben, am wörtlichsten zu verstehen; für die anderen lateinamerikanischen Staaten ist das Wort vielleicht eher eine Metapher. Die spezifische Strategie des Chavismus ist gewesen, sich direkt auf lokale Organisationen zu stützen, patriotische Komittees, bolivarische Zirkel, die sogenannten Kollektive, die über die Jahre in immer neuen Anläufen gebildet wurden, zuletzt die sogenannten consejos comunales, denen 2006 wirkliche Verwaltungsbefugnis übertragen worden ist.

Diese Organisationen sind natürlich nicht allesamt durch präsidentielles Dekret entstanden; ebensowenig sind sie aber reine Formen der spontanen Organisierung. Das erste wäre ein Ding der Unmöglichkeit; das zweite ist eine Abstraktion, die unter dem Himmel nie vorgekommen ist. Wessen Werkzeug sind sie also, fragen sich die Theoretiker? Eins des Regimes, was eine Abstraktion ist, oder der Massen, was ebenso eine Abstraktion ist?

Auf dieser Ebene ist die Frage natürlich nicht zu beantworten. Der wirkliche Verlauf hilft vielleicht weiter. 1989 hatte ein grosser Aufstand, der sogenannte Caracazo, das bisherige Gefüge der Gesellschaft ins Wackeln gebracht. Die bewaffneten Organe haben ihn niedergeschlagen, über die genaue Rolle des Militärs ist bis heute nicht alles bekannt; das mag damit zu tun haben, dass zu den eingesetzten Truppen womöglich auch ein Offizier namens Chavez gehört hatte. Die Idee zu der Doktrin, die man später Chavismus nennt, ist in den Jahren darauf in Militärkreisen aufgekommen; 1992 haben Offiziere um Chavez zweimal den Staatsstreich versucht.

Ihre Ideen, die sie selbst bolivarische Ideen nannten, tun vielleicht streng genommen nicht viel zur Sache; sie sind nicht viel verschieden von den französischen Revolutionsideen. Die Masse der Bevölkerung soll zum Volk des Staats werden; das war sie offensichtlich nicht. Der Staat muss sich dazu natürlich ändern. Die Bevölkerung natürlich auch.

Und sie hatte eine solche Veränderung auch schon begonnen. Nach dem Caraczo entstanden die ersten der neuen Basisorganisationen, in der Tat durch einen Prozess, den man gemeinhin „spontan“ nennt, das heisst auf Inititative von Leuten, die nicht der Staat sind. Was sie wollen, und woraufhin sie zustreben, ist vermutlich nicht allgemein zu sagen. Die Ideen des Bolivarismus trafen durchaus auf Widerhall dort, so wie daneben auch andere Ideen.

Nach der Wahl 1997, und beschleunigt nach dem versuchten Staatsstreich gegen Chavez 2002, begann der Versuch, den Aufbau des neuen Staats und die Versuche der Selbstorganisation der Gesellschaft miteinander zu verbinden. Dieser Versuch ist keineswegs selbstverständlich, und es ist auch nicht ohne weiteres möglich. Beide Systeme haben unterschiedliche Logik und Dynamik; das verführt dazu, sie als logisch scharf getrennt wahrzunehmen.

Das geht nicht so einfach; sie sind in aller bisherigen Geschichte aufeinander bezogen gewesen.Wenn aber die Organisation der Gesellschaft von selbst in den Staat verliefe, und umgekehrt der Staat sich so einfach in die Gesellschaft erstrecken könnte, dann wäre das Problem der gesellschaftlichen Organisation offensichtlich einfach zu lösen, und es hätte sicher schon ein Schlaumeier die Lösung auch gefunden. Es scheint nicht so zu sein.

Die Consejos Comunales sind die am genauesten beschriebenen dieser Formen. Sie sind gesetzlich ermächtigte Stadtteil-Gemeinderäte, die auf Inititative der Einwohner gewählt werden können und denen neben gesetzlichen Befugnissen auch staatliche Zuschüsse zur Verfügung stehen. Sie sind in der Lage, allerhand soziale Dienste zu organisieren, und haben interessante Befugnisse in der Stadtplaung und Bodennutzung; die ähnlich aufgebauten Comités de Tierras Urbanas, städtische Bodenausschüsse, haben zusätzliche bodenrechtliche Befugnisse.

Es ist sehr leichtfertig, solche Dinge abzutun; es wäre unseren heutigen Bodenreformen sehr zu raten, sich diese Dinge sehr genau anzusehen. Das Bodenrecht ist der Kern der gemeindlichen Tätigkeit, und das Bodeneigentum ist der vertrackteste und entscheidende Teil der Eigentumsordnung. Die Eroberung von tauglichen Gesellschaftsorganen, die den Weg zu einer klassenlosen Gesellschaft ermöglichen, hat notwendig hier anzusetzen, und der genossenschaftliche Besitz der Gemeindemitglieder am Boden öffnet dazu überhaupt die erste Tür. Die soziale Bewegung Venzuelas hatte unbedingt Recht, dass sie für das Gesetz über die Gemeinderäte von 2006 agitierte.

Die Consejos sind im Inneren und ihrer Beschlussfassung vom Staat zwar unabhängig, und es liegen keinerlei Beschwerden über ihre direkte Korrumpierung vor. Aber, so viele interessante Beispiele es von ihrer Tätigkeit gibt, sie kranken auf andere Weise an ihrer Unabhängigkeit. Der deformierende Einfluss des Staats liegt gerade in seinem anscheinenden Wohlwollen. Ihre ökonomische Basis sind die Zuschüsse des Staats zu ihrem Budget. Und darin liegt die Gefahr, dass ihre Tätigkeit zur Verteilung des von oben regnenden Reichtums degeneriert. Man muss sich einmal einen Gemeinderat vorstellen, in dem jeden Tag des Jahrs Haushaltsberatung wäre. Diese sind in der kommunalen Praxis ja fast sprichwörtlich für die Rücksichtslosigkeit, mit der die verschiednen Interessen verfochten werden.

Die Consejos haben im Prinzip ausser den Zuschüssen kaum eine eigene Basis; sowenig die gewerbliche Produktion im Land eine grosse Rolle spielt. Und auch wenn die Regierung nicht beinah systematisch das Entstehen einer gewerblichen Produktion verhinderte, wovon kuriose Beispiele bei Gallegos zu finden sind: schon das Vorherrschen des Erdölexports erzeugt Terms of Trade, die die Möglichkeit für einheimische gewerbliche Produktion eigentlich zerstören. In günstigen Zeiten machen sie Importware konkurrenzlos billig; in schlechten bricht der innere Markt einfach zusammen.

Es gibt natürlich auch Ansätze dazu, sich eine eigene gesellschaftliche produktive Basis zu schaffen; es sind Produktivgenossenschaften entstanden, die schon beginnen, einen aber noch zu kleinen genossenschaftlichen Sektor zu bilden; die Umstände sind ihm nicht günstig. Die Aussenhandels- und Geldpolitik des Staats lässt wenig Raum der Autonomie. Sie hat das Aufkommen eines gewerblichen bürgerlichen Mittelstands behindert; aber sie behindert ebenso das Aufkommen von proletarisch genossenschaftlichem Gewerbe.

Ohne eigene gewerbliche Produktion können die unteren Klassen nicht zu ihrer Befreiung kommen. Es ist kein Zufall, dass die Form, nach denen sie in Phasen der Revolution fast von alleine zu streben scheinen, die der Arbeiterräte, im Kern nichts ist als die Verstetigung ihrer prekären Produktionsmacht. Die institutionelle Trennung der Verwaltung des Produkts von der Produktion selbst, das ist der Beginn der Entrechtung der arbeitenden Klasse und der Beginn der Konterrevolution.

So wird das öffentliche Leben der Räte zu einem, wie Rosa Luxemburg es nannte, Scheinleben auch bei vollster Unabhängigkeit, noch ganz abgesehen von der repressiven Gewalt; aber die Zeit, wo man von deren Realität absehen konnte, ist schon lange vorbei. Zu den chavistischen Gründungen gehören auch die Vielzahl verschiedener Gattungen von bewaffneten Revolutionsausschüssen, unter diesen die bedeutendsten die sogenannten Collectivos, die natürlich in ihrer Ausrichtung so verschieden als nur möglich sind; es ist auch hier völliger Unfug, sie säuberlich zwischen guter authentischer Volksbewaffnung und schlechtem Bandenwesen scheiden zu wollen. Die Logik der Sache verhindert eine solche Scheidung genausogut, wie es im zivilen Staat kaum möglich ist, etwa eine klare Grenze zwischen Bekämpfung und Begünstigung des organisierten Verbrechens zu ziehen.

Die Collectivos, was auch immer ihre Ausrichtung, rivalisieren notwendig um Einfluss, um Gebiet, um Staatsmittel, und vor allem halten sie sich zivile Konkurrenz genauso vom Halse wie kriminelle; was natürlich schwer zu trennen ist davon, in das Tätigkeitsgebiet der zivilen wie der kriminellen Konkurrenz auszugreifen, selbst wo sie noch so korrekt vorgehen wollen. Die Realität des „Volks unter Waffen“ tendiert dazu, auszusehen wie Bandenkrieg. Die Revolutionsausschüsse machen in der Tat ihre Arbeit, sie verteidigen die Errungenschaften der Revolution, aber umgekehrt zementieren sie auch deren Stagnation. Ihre eigene Stellung hängt an dieser. Der Aufbau einer gesunden Basis der kommunalen Organisation, und die völlige Umbildung der Wirtschaft des Landes, entzöge ihnen den wirtschaftlichen Boden und zwänge sie, sich den kommunalen Organisationen zu unterstellen. Derselbe von oben regnende Segen, der die Organisationen der Basis trägt, hält sie in Abhängigkeit.

3
Das klingt selbst alles sehr schlaumeierisch, wenn man es liest, aber es ist eigentlich ein Kondensat aus den verschiedensten Aussagen von Aktiven in Venezuela selbst, die in den oben genannten Büchern zitiert werden. Ich habe behutsam versucht, sie in unsere Sprache, die der Schlaumeier, zu übersetzen. Ich finde die Stelle nicht mehr, in irgendeinem der Bücher wird die Aussage einer Frau zitiert: „Und auch wenn das Regime irgendwann abtritt, behalten wir dennoch die Consejos Comunales.“ Ob das stimmt oder nicht, weiss man natürlich nicht. Aber das ist ja doch die Frage: lässt sich aus dem jetzigen Zustand etwas Sinnvolles erhalten? Trägt alles das zu einer wirklichen Veränderung bei? Ehrlich gesagt beschäftigt man sich doch mit Venezuela, wenn man da nicht Verwandte hat, überall auf der Welt genau aus diesem Grund.

Es gibt vielleicht eine Parallele im Regime Ghaddhafis in Libyen. Das hat es auch für sinnvoll gehalten, den Staat auf die Beine von ganz ähnlichen Basisorganen zu setzen, und nach allem, was man hört, hat das ganz ähnlich ausgesehen. Der offizielle Staat wurde, das ganze hielt sich ja bedeutend länger, nach und nach in seiner äusseren Form umgegründet, und dem Bild eines auf direkte Demokratie gegründeten Gemeinwesens dem Aussehen nach angeglichen, wie man es in Venezuela auch beobachten kann. Nach seiner äusseren Form, natürlich; nach der äusseren Form war Ghaddhafi ja auch Zeit seines Lebens nur Oberst im Ruhestand. Die Staatsämter, blosse Namen für die Verrichtungen, hatten unbekannte Leute inne. Im Inneren des Gemeinwesens wohnt aber, nach den Doktrinen solcher Staatsrevolutionen, der politische Wille, und sein Träger, die sogenannten revolutionären Organisationen; die Partei oder die örtlichen Revolutionsauschüsse, das ist eigentlich gleich. Und diese Organe herrschen natürlich über den Staat und damit durch den Staat hindurch.

Die spezifische Idee, das ganze ernsthaft in die Form eines direkt-demokratischen Staatsaufbaus zu kleiden, ist, wie man sieht, in Venezuela nicht zum ersten Mal aufgekommen, und man muss sagen, dass nur ein Staat, der von wertvollen Bodenschätzen statt gewerblicher Produktion abhängt, auf so eine Idee überhaupt verfallen kann. In jeder anderen Ökonomie wäre das für den Staat vielleicht keine gute Idee. Aber es hat ja in Libyen auch nicht gehalten, es hat dem Regime offensichtlich nicht den Rückhalt verschafft, den es gebraucht hätte; und ich habe bisher keine Leute aus Libyen fragen können, ob die Jamahiriyya, wie sich das hybride System nannte, etwas positives, nützliches hinterlassen habe, das den Leuten als Mittel der Organisierung in der Hand geblieben wäre. Oder besser, ich habe es nicht gewagt zu fragen, weil sie mir vorher so viel über den alltäglichen Terror durch die sogenannten revolutionären Organe erzählt hatten, dass ich fürchten musste, mich lächerlich zu machen.

Das Regime in Venezuela und sein Versuch, die unteren Klassen einzubinden, hat die Konstellation, in der es entstehen konnte, schon überlebt; es ist mit seinen Voraussetzungen in Gegensatz geraten, seine Basis ist seit 2017 eigentlich verdampft. Es ist ja nicht gesagt, dass es ausgeht wie in Libyen, es ist auch nicht so alt und die Organe der Bevölkerung vielleicht noch nicht ganz so korrumpiert von den Organen der sogenannten Revolution. Der Kampf zwischen der alten und der neuen Elite wird, wie in Brasilien, mit aller Härte geführt werden; wie wird sich die Bevölkerung verhalten? Was hat sie von den beiden Seiten zu erwarten?

Die alte Rechte wird versuchen, die Organe, die sie nicht einbeziehen kann, zu zerschlagen, aber wird sie ernsthaft den alten Kampf von 1989 neu aufnehmen? Aber es sind in unseren Zeiten schon viele Dinge vorgekommen, die niemand vorher für möglich gehalten hätte.

Die Gesellschaft scheint tatsächlich die Aktivitäten beider Seiten passiv hinzunehmen, wie man ein Unwetter hinnehmen muss. Wird sie vielleicht in der Lage sein, von ihnen unabhängig auch zu agieren, oder wird sie ihnen die Initiative überlassen? Eigentlich hängt die ganze Antwort vor allem davon ab.

Editorische Hinweise

Der Beitrag wurde erstveröffentlicht auf der Website "Das grosse Thier" am 26.8.2020.

Bei TREND bisher erschienene Artikel von Jörg Finkenberger: