"Gib Antikommunismus keine Chance"*

Der "linke Antikommunist" Gerd Koenen diskutierte mit der MLPD

09/2020

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red. trend / Der vom ZK-Mitglied des KBW(1) nach jahrelangen ideologischen Häutungen zum promovierten Antikommunisten(2) gewandelte Gerd Koenen, der für die Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur und für das deutsche historische Museum die Ausstellung „Der Kommunismus in seinem Zeitalter“ für staatsbürgerkundliche Zwecke konzipierte, betreut und bewirbt, nahm die Einladung zu einer öffentlichen Podiumsdiskussion „Lenin, ein rotes Tuch?“ organisiert vom Kommunalwahlbündnis AUF Gelsenkirchen in Gelsenkirchen am 22.8.2020 an. Mit ihm diskutierten zwei führende Funktionäre der MLPD.

Wir dokumentieren nachfolgend die Eingangsstatements von Stefan Engel, dem Leiter des theoretischen Organs der MLPD „Revolutionäre Weg“ und Dieter Klauth, dem Geschichtsredakteur der „Roten Fahne“, sowie den Veranstaltungsbericht aus den Rote Fahne News vom 27.8.2020.

*) http://www.gibantikommunismuskeinechance.de
1)
https://de.wikipedia.org/wiki/
2) Siehe dazu seine Homepage: http://gerd-koenen.eu/

 

Eingangsstatement von Stefan Engel

 

Werter Gerd Koenen
Werte Veranstaltungs-Teilnehmer
Liebe Genossinnen und Genossen!

Ich begrüße es außerordentlich, dass wir heute ein öffentliches Streitgespräch über die Beurteilung Lenins hier in der Horster Mitte durchführen können.

Es ist eines der wesentlichen Ziele der bundesweiten Bewegung »Gib" Antikommunismus keine Chance!«, dass wir zu einer öffentlichen gleichberechtigten Diskussion über den Kommunismus kommen.

Seit dem KPD Verbot 1956 ist der Antikommunismus regelrecht zur Staatsreligion geworden, über den man gar nicht mehr redet, sondern nach dem man sich verhält, von dem man ausgeht oder sogar mit- oder weiter trägt.

In den bürgerlichen Massenmedien sowie in den Gewerkschaften gibt es Unvereinbarkeitsbeschlüsse gegen Marxisten-Leninisten, um ihnen die Möglichkeit zu nehmen, ihre kommunistische Freiheitsideologie zu verbreiten.

Dass sich Gerd Koenen bereit erklärt hat, sozusagen in der Höhle des Löwen eine solche Diskussion zu führen, findet bei allen grundsätzlichen Meinungsverschiedenheiten meinen aufrichtigen Respekt.

Ich gehe davon aus, dass wir bei aller Leidenschaft, mit der wir unsere Standpunkte vertreten, eine sachliche, wissenschaftlich begründete Streitkultur praktizieren werden.

Es gibt verschiedene Variationen des Antikommunismus, der das Wesensmerkmal der bürgerlichen Ideologie darstellt.

Gerd Koenen vertritt - wie er selbst sagt - einen »demokratischen«, ich sage einen »modernen« Antikommunismus, indem er den Kommunismus nicht vollkommen in Bausch und Bogen verurteilt und der kommunistischen und Arbeiterbewegung durchaus einige Errungenschaften zubilligt.

Das hört man oft bei geläuterten Altlinken, die sich im Laufe ihres Lebens vom Kommunismus abwandten und erklärte Antikommunisten wurden.

Beim Studium Ihrer Texte fallen jedoch eine Reihe von Methoden auf, die sich offensichtlich alle Antikommunisten zu eigen gemacht haben:

1. Der Antikommunismus ist eine geschickte Mischung von Wahrheiten, Halbwahrheiten und Lügen. Je geschickter diese Mischung ausfällt, desto weniger ist er von der Masse der Bevölkerung zu durchschauen und desto mehr bleibt hängen.

2. Die Beweisführung für die angeblichen kommunistischen Gräuel ist meist sehr oberflächlich, bedient sich aus dem Zusammenhang gerissenen Zitaten, vermeidet meist den historischen Zusammenhang, indem bestimmte Ereignisse stattgefunden haben und gibt den Tatsachen und Aussagen pauschal einen anderen, zum Teil gegensätzlichen, Gehalt. Als Beispiel möchte ich die Behandlung des von Marx entwickelten Begriffs der Diktatur des Proletariats anführen. Marx kennzeichnete den Kapitalismus als Alleinherrschaft der Bourgeoisie bzw. als Diktatur der Bourgeoisie. Der Sozialismus sollte dagegen von den Besitzlosen, am meisten ausgebeuteten und unterdrückten Arbeitern beherrscht werden. Das nannte er wissenschaftlich Diktatur des Proletariats. Aus dem Zusammenhang gerissen erscheint das so, als wenn Marx diktatorische Verhältnisse im Gegensatz von demokratischen Verhältnissen befürworten würde. Marx sagt aber ausdrücklich, dass der Sozialismus Demokratie für die breiten Massen bedeutet während diese im Kapitalismus nur für die herrschende Bourgeoisie existiert. Im Grunde bauen die Antikommunisten auf die Unkenntnis ihrer Leser und Zuhörer.

3. Statt mit konkreter Analyse arbeitet die antikommunistische Methode mit Stigmatisierung und pauschaler Verunglimpfung. So werden die Kommunisten und Marxisten- Leninisten als Linksextremisten diffamiert, man unterstellt ihnen schlechthin Gewaltbereitschaft und das Ziel einer totalitären Gesellschaftsordnung, in der sich die Masse der Bevölkerung der Meinung der kommunistischen Partei zu unterwerfen habe. Mit solchen Vorurteilen ist natürlich eine sachliche Diskussion kaum möglich.

4. Die Antikommunisten leugnen den Klassencharakter, sowohl des Kapitalismus wie auch das Sozialismus. Während der moderne Antikommunismus durchaus auch kritisch zu einigen Auswüchsen der kapitalistischen Gesellschaftsstellung Stellung nimmt und diese zum Teil sogar als Feigenblatt einer demokratischen Ordnung hochstilisiert, pauschaliert er Fehler und negative Erscheinungen im Sozialismus als systemimmanent. Dabei ist der Sozialismus eine Übergangsgesellschaft, die noch viele Merkmale der bürgerlichen Gesellschaft in sich trägt. Der Sozialismus hat ja gerade die Aufgabe, diese Merkmale aus der alten kapitalistischen Gesellschaft zu überwinden und den Weg frei zu machen für eine klassenlose kommunistischen Gesellschaft in Einheit von Mensch und Natur. Ohne konkrete Analyse werden negative gesellschaftliche Erscheinungen, wie einzelne Verbrechen gegen die Menschlichkeit, einfach Lenin oder Stalin unterstellt, obwohl sie von kleinbürgerlichen Bürokraten mit dem Parteibuch in der Tasche begangen wurden, gegen die Lenin und Stalin zeitlebens gekämpft haben.

5. Eine der beliebtesten Methoden des Antikommunismus ist die Ignoranz der gesellschaftlichen Veränderungen in den ehemals sozialistischen Ländern zu einem bürokratischen Monopolkapitalismus seit dem 20. Parteitag der KPdSU in der Sowjetunion. Die Ausstellung gegenüber im Schloss Horst bringt es sogar fertig, die bürokratisch-kapitalistischen Verhältnisse der DDR Lenin anzukreiden, obwohl Lenin bereits 1924 verstorben ist und die DDR Führung spätestens seit dem Mauerbau die Leitlinie des Marxismus-Leninismus verlassen und durch einen modernen Revisionismus ersetzt hat. Insbesondere Gerd Koenen, der selbst ein Spitzenfunktionär des KBW (Kommunistischer Bund Westdeutschlands) Anfang der siebziger Jahre war, ist dieser gesellschaftliche Bruch wohlbekannt. Trotzdem passt er sich dieser antikommunistischen Methode kritiklos an.

6. Nicht zuletzt verschweigt und bestreitet der Antikommunismus den gewaltigen gesellschaftlichen Fortschritt, den der Sozialismus gegenüber dem russischen Imperialismus und der Zarenherrschaft darstellte:

Lenin beendete die Teilnahme Russlands am Ersten Weltkrieg und löste damit als einzige Partei der zweiten Sozialistischen Internationale die gemeinsame Resolution von 1910 ein, dass im bevorstehenden Krieg kein Arbeiter auf Arbeiter schießen soll.

Die großen Produktionsmittel wurden vergesellschaftet und die Ausbeutung der Lohnarbeit beendet. Das Land wurde denen gegeben, die es bebauen. Die feudale Fronwirtschaft auf dem Land wurde beseitigt. Die Industrialisierung der Landwirtschaft beseitigte den Hunger der breiten Massen und die Armut der kleinen Bauern. Der sozialistische Aufbau war trotz ungeheurer Armut, Zerrüttung und Rückschritte nach der Oktoberrevolution eine solche Erfolgsgeschichte, dass die Sowjetunion in den fünfziger Jahren zur zweitgrößten Wirtschaftsnation der Welt aufstieg.

Vor der Oktoberrevolution grassierte unter der Masse der Bevölkerung das Analphabetentum. Nur 5 % konnten lesen und schreiben. Keine 25 Jahre später war das Analphabetentum weitgehend besiegt. Der Sozialismus konnte nur durch selbstständig denkende und handelnde Menschen mit einer großen Überzeugung aufgebaut werden. Systematisch wurde das Kulturniveau der breiten Masse der Bevölkerung erhöht.

Den Frauen wurden sehr weitgehende Rechte eingeräumt, was es in keinem anderen Land der Welt gab. Wenn diese zum Teil aufgrund des Drucks der Kirche wieder eingeschränkt wurden, so war das in erster Linie ein Kompromiss, um die Kirche als Bündnispartner im großen vaterländischen Krieg gegen den Faschismus zu gewinnen.

Russland, und ab 1924 die Sowjetunion, war ein Vielvölkerstaat. Im Sozialismus wurden die Nationalitäten gleichberechtigt behandelt und in den einzelnen Sowjetrepubliken auch der Schulunterricht in den jeweiligen Nationalsprachen gegeben. Auch die Juden bekamen als erstes ein eigenes Territorium und wurden nicht, wie in den kapitalistischen Ländern, systematisch verfolgt und gedemütigt.

In einem Dekret nach der Oktoberrevolution wurde in Russland, als einem der ersten Länder der Welt, die Todesstrafe aufgehoben. Dass sie später in der Zeit des weißen Terrors und des Verteidigungskrieges gegen die Intervention von 14 ausländischen Mächten wieder eingeführt werden musste, war allein dem Kriegszustand geschuldet. Es war ein Fehler unter Führung Stalins, dass nach dem Krieg die Todesstrafe nicht wieder abgeschafft wurde.

Mit der Gründung der kommunistischen Internationale 1919 verwirklichte Russland und die Sowjetunion den proletarischen Internationalismus. Sie unterstützte die revolutionäre Arbeiterbewegung in der ganzen Welt, beflügelte den nationalen und sozialen Befreiungskampf in den kolonial und neokolonial abhängigen Ländern in China und vielen Ländern in Asien, Afrika und Lateinamerika. So wurde die Losung von Marx und Engels »Proletarier aller Länder vereinigt euch!« Wirklichkeit. Nach dem Zweiten Weltkrieg entstand so das sozialistische Lager. Ein Drittel der Erde war vom Kapitalismus befreit und das alte Kolonialreich der Imperialisten wurde zerschlagen.

Der Antikommunismus ist eine zutiefst undemokratische, intolerante und reaktionäre Weltanschauung. Ohne diese zu überwinden wird es keine sozialistische Revolution und keinen Sieg über den Kapitalismus geben.

Quelle: https://www.mlpd.de/theoretisches-organ-revolutionaerer-weg/eingangsstatement-von-dieter-klauth-bei-lenin-ein-rotes-tuch

Eingangsstatement von Dieter Klauth

Für die Einladung von AUF Gelsenkirchen und die Gelegenheit hier sprechen zu können, möchte ich mich herzlich bedanken.

Die MLPD hat mit der Aufstellung der Lenin-Statue dokumentiert, dass sie in Lenin ein Vorbild sieht. Dass sie einen Revolutionsführer, der unbeirrt und konsequent gegen den imperialistischen Krieg und für den Sturz der kapitalistischen Kriegsverursacher eintrat, in der heutigen Situation aufs Podest hebt, hat ganz offensichtlich einen Nerv getroffen.

Die Stadt hat eine von Gerd Koenen konzipierte antikommunistische Ausstellung ins Schloss Horst geholt und ihn zu einem gegen Lenin gerichteten Vortrag eingeladen, der gestern stattfand.

In seinem Buch „Die Farbe Rot", das die Grundlage der Ausstellung darstellt, behauptet er nicht weniger, als dass die Geschichte genau umgekehrt verlaufen sei, wie sie uns bisher bekannt war: Lenin wäre demnach der Kriegstreiber gewesen, die Bolschewiki Terroristen und verantwortlich für Tod, Hunger und Elend.

Wie funktioniert das?

Mit zwei einfachen Tricks:

1. Der Imperialismus wird reingewaschen, er war gar kein Imperialismus

2. Der Friedensschluss durch die Bolschewiki war gar kein solcher, sondern nur der Vorwand Lenins für die Entfesselung des Terrors und einen neuen, viel brutaleren Krieg.

Nach dem Sturz des Zaren durch die Februarrevolution von 1917 war in Russland eine Doppelherrschaft entstanden: Es gab eine bürgerliche, die „provisorische Regierung", die das Land führte und es gab die Sowjets, die Soldaten- und Arbeiterräte. Die Bolschewiki traten für Brot, Frieden und Arbeiterkontrolle ein -die bürgerliche Kerenskiregierung wollte jedoch den Großgrundbesitz nicht an die Bauern verteilen, die Großbetriebe nicht enteignen und den Krieg weiterführen.

Im Juli 1917 kam es zu einem Aufstand der Arbeiter in Petrograd, die sich gegen die unerträgliche Lage der Massen und die Weiterführung des Kriegs erhoben. Die Bolschewiki wurden dafür verantwortlich gemacht -ihre Partei wurde verboten, gegen Lenin Haftbefehl erlassen. Die Doppelherrschaft war zuende - zugunsten der Bourgeoisie. Menschewiki und Sozialrevolutionäre stellten sich offen an ihre Seite. Kerenski drohte im August, er werde jede revolutionären Bewegung, auch Versuche der Besetzung von Gutsbesitzerländereien durch die Bauern, „mit Blut und Eisen" niederschlagen.

Durch einen Militärputsch, den General Kornilow in Absprache mit Kerenski vorbereitete, sollten die Sowjets der Arbeiter und Bauern vollends beseitigt werden. Die Bolschewiki mobilisierten die Arbeiter zur Niederschlagung dieses Putsches und zeigten mit ihrem Erfolg die sich verändernden Kräfteverhältnisse auf: Der revolutionäre Aufschwung zur Oktoberrevolution setzte ein.

Im Juni 1917 hatte Kerenski eine neue militärische Offensive an der Front gestartet. Gerd Koenen schreibt dazu: „Eine imperialistische Logik war es nicht... Das Ziel dieser Offensive waren nicht Rückeroberungen, sondern es ging darum, deutsche Divisionen an der Ostfront zu binden, um den drohenden Zusammenbruch Frankreichs zu verhindern und gleichzeitig, die Reste der eigenen Armee zu stabilisieren und den vollständigen Zerfall des Landes zu stoppen" („Die Farbe Rot", München 2017, S. 733)

Wenn die imperialistische Kriegsführung in die Defensive gerät, hat sie also keine imperialistische Logik mehr? Das eigene imperialistische Land vor dem Zerfall zu bewahren ist auch keine imperialistische Logik? Die Drohung Kerenskis gegen die Arbeiter und Bauern war ebenfalls kein Ausdruck imperialistischer Politik? Der ganze Imperialismus ist eine Einbildung?

Blauäugig versichert uns Koenen: „Umgekehrt hätte Lenins Regime, wenn es sich den Mittelmächten verweigert hätte (also keinen Frieden mit Deutschland geschlossen hätte), die Unterstützung der Menschewiki und selbst der meisten Sozialrevolutionäre zurückgewinnen können, und darüber hinaus die Loyalität der städtischen Bürgerschaften" (ebd., S. 792-793)

Lenin hätte also gemeinsam mit den Herrschenden Krieg führen müssen, so wie es die SPD-Führung in Deutschland tat - schon wäre er kein Terrorist und Massenmörder mehr!

Das am 26. Oktober 1917 vom II. Sowjetkongress verkündete Dekret über den Frieden hatte „allen kriegführenden Völkern und ihren Regierungen" vorgeschlagen, „sofort Verhandlungen über einen gerechten demokratischen Frieden aufzunehmen".

Die ungeheuren Leiden des Volkes, Hunger und Verelendung, führten zu einer verbitterten Kriegsgegnerschaft der Massen. Doch Koenen bezeichnet allen Ernstes die Weiterführung des Krieges an der Seite Frankreichs als die damals richtige Entscheidung!

Aus dem Brest-Litowsker Friedensschluss mit Deutschland macht er eine besondere Perfidie Lenins: „...gerade Brest-Litowsk lieferte Lenin erst die entscheidenden Instrumente und Vorwände zur Totalisierung seiner Herrschaft", denn nun konnte er die Rote Armee aufbauen und das Land unter Kriegsrecht stellen („Die Farbe Rot", S. 792, 793).

Tatsächlich war es so, dass Trotzki als Verhandlungsführer entgegen den Anweisungen die Verhandlungen mit den Deutschen abgebrochen hatte, den Friedensvertrag nicht unterschrieb, aber zugleich versicherte, die russischen Truppen würden nicht mehr kämpfen. Die Deutschen nahmen das zum Anlass, weiter vorzuschreiten und die schließlichen Friedensbedingungen beim Abschluss waren für die Sowjetrepublik noch schlechtere. Der Tag des Friedensabschluss, der 23. Februar 1918, war zugleich der Tag der Gründung der Roten Armee.

Zu diesem Zeitpunkt hatte längst der Bürgerkrieg begonnen und zwar keineswegs auf Geheiß Lenins, sondern dadurch, dass die Gutsbesitzer und Monopolkapitalisten, unterstützt auch vom Klerus, konterrevolutionäre „weiße Armeen" aufgestellt hatten.

Die erste dieser weißen Armeen war das Kosakenheer unter General Krassnow, mit dem Kerenski wenige Tage nach der Oktoberrevolution versuchte, die Sowjetmacht zu stürzen. Es wurde geschlagen, Krassnow verhaftet, nach Abgabe seines „Ehrenwortes", keine Kampfhandlungen mehr zu unternehmen, wurde er freigelassen. Das „Ehrenwort" war Schall und Rauch...

Die militärische Intervention ausländischer Mächte auf Seiten der Weißen hatte ebenfalls begonnen - ihr Zweck: der militärische Sturz der Sowjetherrschaft! Der Bürgerkrieg war keine rein inländische Angelegenheit, die Konterrevolution war mit den verschiedenen imperialistischen Kräften verknüpft!

Der weiße Terror richtete sich gegen die Massen, die die Revolution unterstützten, sollte die Bauern einschüchtern und sie davon abhalten, sich ihr anzuschließen. Mindestens 100 000 fielen ihm zum Opfer, 150 000 Jüdinnen und Juden wurden darüber hinaus Opfer der von den Weißen inszenierten Judenpogrome. Allein im Juli 1918 gab es in 22 Gouvernements der Sowjetrepublik 414 Terrorakte gegen Vertreter der Sowjetmacht. Am 30. August wurde ein Attentat auf Lenin verübt.

Am 5. September 1918 erliess der Rat der Volkskommissare als Reaktion den Beschluss zur Bekämpfung des weißen Terrors und war übereingekommen, „dass es in der bestehenden Situation unmittelbar notwendig ist, die Sicherheit des Hinterlandes mittels des Terrors zu gewährleisten." ( https://www.1000dokumente.de/index.html)

Dieser „rote Terror", der Lenin vorgeworfen wird, war die notwendige Antwort auf die mit der Intervention von außen verbundene konterrevolutionäre Gewalt. Der Antikommunismus erklärt das zum Verbrechen und spricht den Kommunisten damit selbst die bürgerlichen Rechte ab!

Nach Art. 51 der UN-Konvention existiert ausdrücklich ein Recht zur Selbstverteidigung gegen bewaffnete Aggression - bei den damaligen Angriffen auf die Sowjetrepublik handelte es sich ohne Zweifel um „militärische Interventionen".

Der revolutionären russischen Regierung stand auch ein Notwehrrecht zu, wie es z. B. im bürgerlichen deutschen Straf- und Privatrecht enthalten ist. Auch im Strafgesetzbuch (StGB) und im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) ist das Notwehrrecht festgeschrieben. Es gestattet ausdrücklich auch die Verletzung von Rechtsgütern des Angreifers. Die durch Notwehr gerechtfertigte Handlung stellt kein Unrecht dar - das Notwehrrecht ist historisch entstanden und war bereits im römischen Recht enthalten: „Gewalt darf mit Gewalt erwidert werden".

Für den Antikommunismus genügt es aber offensichtlich Kommunist zu sein, um aller Rechte entledigt zu werden!

Wegen der Ausübung des Notwehrrechts wird Lenin als Massenmörder beschimpft und natürlich soll damit der eigentliche Verursacher des Krieges reingewaschen und versteckt sowie der revolutionäre Ausweg verdammt werden. Das steckt hinter den antikommunistischen Angriffen und macht es heute so wichtig, dagegen anzugehen!

Quelle: https://www.mlpd.de/theoretisches-organ-revolutionaerer-weg/eingangsstatement-von-dieter-klauth-bei-lenin-ein-rotes-tuech

Veranstaltungsbericht aus den Rote Fahne News
Spannende Podiumsdiskussion:
"Lenin, ein rotes Tuch"

„Hart, aber fair“ war am 22. August bei der streitbaren Podiumsdiskussion „Lenin, ein rotes Tuch?“ das Leitmotiv der Veranstalter

Etwa 100 Teilnehmerinnen und Teilnehmer zählte die Veranstaltung, die auf Initiative des Kommunalwahlbündnisses AUF Gelsenkirchen im Kultursaal „Horster Mitte“ in Gelsenkirchen unter strikten Corona-Auflagen für alle Anwesenden organisiert worden war. Darunter waren auffallend viele junge Menschen. Der Moderator und Stadtverordnete des Wahlbündnisses AUF Gelsenkirchen, Jan Specht, konnte Gerd Koenen, Autor der Ausstellung „Der Kommunismus in seinem Zeitalter“, Stefan Engel, Mitinitiator der Bewegung „Gib Antikommunismus keine Chance!“, und Dieter Klauth, Geschichtsredakteur des Magazins Rote Fahne, begrüßen. Daniel Schmidt vom Institut für Stadtgeschichte hatte für die Stadt Gelsenkirchen schriftlich abgesagt. Die Veranstaltung läge zu nahe am Kommunalwahlkampf … 

Gerd Koenen betonte in seinem Eingangsstatement, dass es für ihn zu einer demokratischen Kultur dazugehört, sich demokratisch auszutauschen. Inhaltlich präsentierte er als – wie er selbst von sich sagt – „linker Antikommunist“ seine Lenin grundsätzlich ablehnenden Standpunkte. Lenin hätte den I. Weltkrieg mit all seinen Verwerfungen begrüßt, um so den revolutionären Prozess zu beschleunigen. Er wäre ein „Putschist“ gewesen. Statt 1918 dem Frieden von Brest-Litowsk zuzustimmen, hätte man den Krieg gegen Deutschland weiterführen sollen. Lenin unterstellte er „imperiale Motive“. Stefan Engel formulierte in sieben Thesen seine Kritiken an den Methoden des Antikommunismus, wie die geschickte Mischung aus Wahrheiten, Halbheiten und Lügen. Oder auch die Methode, „Beweise“ für angebliche kommunistische Gräueltaten aus dem Zusammenhang zu reißen oder Zitate ohne historischen Zusammenhang darzustellen. Sein Beitrag ist, wie der von Dieter Klauth, im Volltext auf der Homepage der Redaktion REVOLUTIONÄRER WEG abrufbar. 

Dieter Klauth kritisierte Koenens These von dem angeblich durch Lenin entfesselten Bürgerkrieg. Konsens bestand auf dem Podium, dass die Oktoberrevolution eine der unblutigsten Revolutionen der Geschichte war. Doch dann wurde der reaktionäre weiße Terror „entfesselt“. Allein bei Judenpogromen wurden 150 000 Menschen umgebracht. 14 kapitalistische Länder intervenierten im jungen Sowjetrussland. Dass sich das sozialistische Land dagegen unter Lenins Führung und unter Aufbietung aller Kräfte erfolgreich wehrte, ist auch durch das völkerrechtliche Selbstverteidigungsrecht gedeckt. 

Nach einer Diskussionsrunde auf dem Podium und einer Pause ging es gemeinsam mit dem Publikum streitbar weiter. Ein Arbeiter führte aus: „Sie, Herr Koenen, sagen, die international unterschiedlichen Gesellschaften könne man deshalb nicht als Kapitalismus bezeichnen. Dann gehen Sie mit einem Industriearbeiter in Indien im GM-Werk arbeiten oder machen das in Sankt Petersburg oder in Brasilien … Überall treffen sie auf den Kapitalismus. Aus der Vielfalt von Erscheinungsformen zu schließen, es gebe keinen Kapitalismus, das ist typisch positivistisch.“ Auf vielfältige Kritik stieß die provokante These Koenens, dass die Bewegung „Gib Antikommunismus keine Chance!“ „peinlich“ wäre und der Antikommunismus heute keine besondere Rolle spielen würde. 

Monika Gärtner-Engel wandte sich an Herrn Koenen: „Sie hatten sinngemäß geschrieben, sie möchten sich nicht in die kommunalpolitischen Scharmützel einmischen. Sie sind aber mittendrin in diesen Scharmützeln, um nicht zu sagen, vornedran. In den 20 Jahren, in denen ich im Stadtrat war, habe ich keine Sitzung erlebt, in der ich nicht antikommunistisch attackiert wurde. Die AfD oder die offenen Faschisten wurden unter der Leitlinie, sie ‚nicht aufzuwerten‘, in Ruhe gelassen. Dass die AfD in Gelsenkirchen so stark geworden ist, hat wesentlich mit diesem Antikommunismus zu tun.“ 

Gabi Fechtner, Parteivorsitzende der MLPD, kritisierte die Methode Koenens, positiv besetzte Begriffe zu verwenden und ihres eigentlichen Inhalts zu berauben: „Sie sagen, sie verteidigen den Kommunismus. Uns dagegen sprechen sie das Recht ab, uns auf den Kommunismus zu beziehen. Sie werfen uns vor, dass wir die Klassenkämpfe unterstützen und uns in diesen harten Klassenkämpfen auf Seiten der Unterdrückten, der Arbeiterklasse positionieren. Deshalb hätten wir nicht das Recht, im Namen des Kommunismus zu sprechen. Das entkleidet den Kommunismus seines Inhalts. Wenn man für den Kommunismus eintritt, dann muss man auch den Klassenkampf, mit dem er erkämpft werden muss, verteidigen und unterstützen.“ 

Stefan Engel entgegnete Koenen: „Sie sagen, dass Lenin in einer Minderheitenposition war und deshalb bei der Oktoberrevolution einen Putsch machen musste. Lenins revolutionäre Ansichten waren vor dem I. Weltkrieg die Mehrheitsmeinung der II. Internationale, als die Sozialdemokratie noch revolutionär war. Als die SPD dann die Farbe gewechselt und den Kriegskrediten zugestimmt hatte, da wurde von oben jede demokratische Diskussion an der Basis unterdrückt. Das lief putschartig ab. Die Oktoberrevolution war kein Putsch, sie hat stattgefunden, nachdem die Bolschewiki die Mehrheit der Arbeiter- und Soldatenräte erobert hatten.“ 

Manche Beiträge von Koenen waren starker Tobak, so wenn er die Diskussion als Beleg für die „Sektenartigkeit“ der MLPD heranzog. Oder wenn er sich herablassend über das „rührende“ und „vereinfachende“ Weltbild aller Diskutierenden lustig machen wollte. Parteilose Veranstaltungsteilnehmer kritisierten, wie er alle im Saal in einen Topf angeblicher MLPD-Mitglieder warf. „Ein kluges Wort, schon ist man (bei Koenen) Kommunist“, meinte einer von ihnen später. 

Aber die Diskussion war wertvoll, schärfte die unterschiedlichen Argumente und machte sehr grundsätzlich unterschiedliche Herangehensweisen deutlich. Am Ende war man sich in einem Fazit Koenens einig: Wir sind uns einig, dass wir uns nicht einig
sind …

Quelle: https://www.rf-news.de/rote-fahne/2020/nr18/lenin-ein-rotes-tuch