Mit Hans Beimler in Dürrenroth
Leseauszug aus "Verrat in München und Burghausen"

von Max Brym

09/2018

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. . . Pünktlich erschien Hans Beimler im Hotel und fragte, nachdem die Gesellschaft ihre Zimmer bezog, nach dem RA. Müller. Der Wirt geleitete sie persönlich in den Raum. Nachdem der Wirt abzog, lagen sich Hans Beimler und Faber in den Armen. Dann stellte Beimler, Fritz Sperling vor. Aber auch für diesen hieß Faber, Müller. Die Frau ein hübsches Wesen hieß Toni. Offensichtlich war sie die Geliebte von Hans Beimler. Hans Beimler konnte sich seine „Frauengeschichten“ auch in der Emigration nicht abgewöhnen. Obwohl seine Frau Centa immer noch von den Nazis inhaftiert war. Aber das störte Hans Faber nicht. „Der Beimler ist halt so“ dachte Faber. Fritz Sperling war ein schmächtiger intelligenter Genosse. Dann wurde Toni nach oben geschickt, um mit Lore etwas zu unternehmen. Es wurde über die Lage in Deutschland und speziell in Bayern gesprochen. Beimler berichtete ziemlich unverblümt von den Auseinandersetzungen in der Emigration. Ohne jegliche Geheimniskrämerei erzählte Beimler, wie sich auf der einen Seite Schubert und Schulte, mit Ulbricht, Wehner und Pieck zofften. Für Beimler war das mehr als ärgerlich. Am wenigsten traute er Ulbricht und Wehner. Tief bedauerte er die Verhaftung von Jonny Scheer, dem amtlich bestimmten Nachfolger von Ernst Thälmann. Beimler rechnete nicht damit, dass Jonny Scheer noch sehr lange leben würde. Beimler erzählte von der Liquidierung des Verräters Kattner, in Berlin durch Leute vom Abwehrapparat. Nach Meinung von Beimler - aber auch von Sperling - würde das Scheer und andere Genossen büßen müssen. Dann berichtete Hans Faber lang und ausführlich über die Lage in der Nazipartei und den Konflikt zwischen NSDAP und SA. Fritz Sperling fertigte ausführlich Notizen an.

Hans Faber ist Rechtsanwalt, Mitglied des geheimen Abwehrapparates der KPD und als solcher formal Mitglied der NSDAP in München. Am Wochenende aber zieht es ihn meist in seine elterliche Wohnung nach Burghausen an der Salzach. Öfter weilt er auch in Kraiburg am Inn, in der Nähe von Mühldorf, bei seiner Schwester. In der ländlichen Gegend führt er viele geheime Treffen mit Widerstandskämpfern aus ganz Deutschland durch. Sowohl in der Großstadt, als auch in der Provinz erlebt er heldenhaften Widerstand gegen den Faschismus aber auch Niedertracht und Verrat. Er kennt alle Nazigrößen persönlich und sie widern ihn an. Hans Faber arbeitet eng mit der Widerstandsgruppe unter der Leitung von Hermann Frieb aus der Schellingstraße in München zusammen. Der Romanheld Hans Faber lebte im Widerstand gegen Niedertracht und Barbarei. Die anderen Widerstandskämpfer werden dem Vergessen entrissen.

Zur Lage der illegalen KPD in Bayern meinte Beimler: „ Hauptsächlich arbeiten wir über die Rote Hilfe. Massenaktionen sind absolut unmöglich. In München ist ein ehemaliger örtlicher „ Rote Hilfe“-Funktionär, Max Troll aus Giesing, unter dem Namen „Theo“ sehr rührig. Er arbeitet im „ Deutschen Museum“. Ein anderer Genosse hat in der Nähe in der Au ein Radiogeschäft, das Geschäft ist der Anlaufpunkt für auswärtige Genossen, sowie für Materiallieferungen. Max Troll war schon einmal hier in der Schweiz. Er ist keine theoretische Leuchte aber sehr nützlich. Gut ist auch, dass er vor dem Januar nicht sehr bekannt war. In München arbeiten die Genossen maximal in Fünfergruppen. Solche Gruppen gibt es überall in allen Stadtteilen. Betriebsgruppen gibt es noch bei AGFA und bei der Eisenbahn. Das Problem ist seit der Verhaftung von Häbich und Stenzer, dass die „ Neue Zeitung“ kaum mehr erscheint. Um den Parteibetrieb am laufen zu halten, brauchen wir noch mehr Leute vom M- Apparat.“ Dem widersprach Faber entschieden. Hans Faber machte auf die Spitzelgefahr aufmerksam und fragte nach dem Hintergrund von Max Troll. Beimler sprach von einem ehrlichen „ Arbeiter“ usw. Faber sprach sich auch gegen die engere Heranziehung von Fritz Rottmeier in die eigentliche Parteiarbeit aus. Beimler reagierte etwas unwirsch. Er meinte „ihr vom Abwehrapparat wollt immer so arbeiten wie der NKWD“. Daraufhin machte ihm Faber gewisse Vorwürfe bezüglich des Verschleißes der M-Leute durch die Partei. Faber bestand so weit als möglich auf der Unabhängigkeit des M-Apparates. Dann wollte Fritz Sperling noch etwas zu den Fraktionsauseinandersetzungen innerhalb des deutschen Monopolkapitals wissen. Faber meinte: „ Die Junker, sowie die Schwerindustrie stehen absolut hinter Hitler. Er beginnt mit dem Aufrüstungsprogramm. Alle Fraktionen der Bourgeoisie sind damit zufrieden, dass ihre Kapitalverwertungsbedingungen sich durch die Zerschlagung der Arbeiterbewegung schlagartig verbesserten. Teile des Chemie und Elektrokapitals sind jedoch mit der Abenteuerpolitik des Herrn aus Braunau vorläufig unzufrieden. Diese Kapitalfraktionen hoffen auf einen Ausgleich mit der Entente,weil sie meinen, auch friedlich ihre Absatzgebiete im Westen zurückzuerobern. Dieser Gegensatz wird sich allerdings in Luft auflösen, wenn speziell die Chemiebosse einen enormen Auftragsschub im Rahmen des Rüstungsprogramms erhalten. Deshalb beginnt sich auch die Chemie und Elektro-Bourgeoisie von Röhm abzuwenden. Carl Duisberg von der IG Farben hat nur noch ein paar Spenden für notleidende alte Kämpfer der SA hinbekommen. Im Lauf des nächsten Jahres werden sich endgültig alle Fraktionen auf Hitler verständigen. Der lumpenproletarischen SA steht eine blutige Abrechnung bevor. Röhm war nützlich aber jetzt gefährdet er mit seinen Leuten das reibungslose Funktionieren des Staatsapparates. Ein Heines ist nur ein Totschläger, aber kein gelernter Beamter wie Gestapo Müller. Ein Karl Ernst mag zwar der Damenwelt in Berlin gefallen. Aber als Polizeipräsident und preußischer Staatsrat ist er eine Fehlbesetzung. Es ist kein Wunder, dass Hitler den ehemaligen Leiter des Präsidialamtes von Ebert und Hindenburg nicht angreift. Er hat ihm auch den Posten im Falle des Ablebens von Hindenburg bereits garantiert. Oder nehmt den Fall Heinrich Lammers, er ist jetzt Chef der Reichskanzlei. Lammers war in der Weimarer Republik seit 1920 im Innenministerium in der Abteilung 1 beschäftigt. Das war die Behörde, welche Prozesse des Reiches gegen die Länder führte. Das sind die gelernten Typen, welche der bürgerlich faschistische Staatsapparat benötigt. Ähnliches kann in Bayern beobachtet werden. Der Apparat ist fast gleich geblieben. Die SA kommt sich betrogen vor. Aber mit diesen SA Leuten kann man höchstens einen Bürgerkrieg führen, sonst nichts.“ Beimler dankte Faber für seine, auch für ihn zutreffende Analyse. Niemand in dem Kreis sprach vom „ununterbrochenen revolutionärem Aufschwung“, wie es in den offiziellen Komintern Dokumenten noch zu lesen war. Bevor Beimler samt Begleitung gegen 22 Uhr aufbrach, erzählte er Hans Faber noch etwas: „ Hans du kannst dich doch noch an unseren königlich bayerischen Sozialdemokraten Erhard Auer erinnern. Den traf ich kürzlich in Zürich in einem Kaffeehaus. Er lebt jetzt als Rentner seit Juli in der Schweiz. Es geht ihm nicht schlecht. Mit mir wollte er nicht reden. Er sei jetzt Rentner und habe genug von der Politik. Später erfuhren wir noch, dass er mit Hilfe von Reichsstatthalter Ritter von Epp in die Schweiz übersiedeln durfte. Da kann man doch glatt die Parole vom -Sozialfaschismus- ernst nehmen.“ Alle lachten. Mit der Geschichte wollte Hans Beimler andeuten, dass er nicht unbedingt mit der Parteilinie der KPD einverstanden sei. Diese Information war für Hans Faber sehr wichtig.

An Dreikönig in Burghausen

Nach knapp zwei Wochen Urlaub in der Schweiz kehrten Hans und Lore gut erholt nach München zurück. Den beiden tat der Urlaub sichtlich gut. Besonders Lore wirkte ausgelassen, zufrieden, war sehr sehr aktiv. Letzteres nicht nur auf der Skipiste. Einen Tag vor „Heilig Drei König“ waren beide wieder in München. Die Grenzkontrollen wurden locker überwunden, denn Hans Faber steckte sich wie üblich an der deutschen Grenzkontrollstelle, sein Nazi Parteiabzeichen an und sprach mit dem Beamten im Ton des altgedienten Leutnants. Während der Zugfahrt dachte Hans Faber immer wieder daran, was im Lore über die Freundin von Hans Beimler erzählte. Die sich so nennende Toni hatte ziemliche Kritik an der Parteilinie der KPD und erwähnte mehrmals den Namen Trotzki. Offensichtlich hatte Beimler ebenfalls Kritik an der Linie, denn bei aller Frauenschwärmerei vergaß Hans Beimler, doch die Politik nicht. Immer wieder hatte er in den Gesprächen in der Schweiz, sich auch lobend über den in der Schweiz internierten Heinz Neumann als „doch sehr klugen Kopf in der ehemaligen KPD Führung“ geäußert In der Schraudolpstr. angekommen sprangen die beiden Turteltauben müde aber nicht völlig energielos ins Bett. Am nächsten Tag wurde wegen der Straßenverhältnisse, die mehrstündige Zugfahrt nach Burghausen zu den Eltern von Hans Faber angetreten. In der elterlichen Wohnung warteten die beiden älteren Fabers auf ihren geliebten Sohn, sowie auf die Schwiegertochter in spe. Auf dem Weg zur Wohnung sah Hans Faber den ehemaligen Leiter der KPD in Burghausen Heinrich Breu. Die Regeln der Konspiration verboten es, sich gegenseitig zu grüßen. Im übrigen wusste Breu gar nicht ,wer Hans Faber in Wirklichkeit war. Georg Faber zog in der Wohnung seinen Sohn sofort in eine Ecke, um mit ihm zu politisieren. Im Burghausen hatte sich auf eine Art von sozialdemokratischer Treff entwickelt. Die ehemaligen oder noch Sozialdemokraten trafen sich zum Kartenspiel zum Kegeln oder sie tranken in irgendwelchen Lokalecken einige Biere. Ähnliches wusste Georg Faber auch über die ehemaligen Kommunisten in Burghausen zu berichten. Er selbst nahm am bestimmten Treffen mit seinen sozialdemokratischen Freunden, aber auch mit Kommunisten teil. Hans Faber ermahnte ihn zur Vorsicht , obwohl er wusste, dass sein Vater von der Politik nicht lassen konnte. Dann wurde die Lage im Land analysiert. Bei der so genannten Reichstagswahl im November 1933 stimmten 90 % der deutschen Bevölkerung für die Regierung Hitler. In den Arbeiterbezirken lag die Zustimmung nur bei etwa 70 %. Dies belegte nach Hans Faber das immer noch vorhandene Klassenbewusstsein in weiten Teilen der deutschen Arbeiterschaft. Fast völlig der Hitler Propaganda erlegen waren hingegen die ganzen Zwischenschichten, das Kleinbürgertum, die meisten Bauern, das Lumpenproletariat, sowie weite Teile der Jugend. Das Bürgertum stand trotz gewisser ästhetischer Abneigungen ebenfalls hinter dem Braunauer. In Burghausen gab der Bürgermeister das Ergebnis der so genannten Volksabstimmung erst gar nicht bekannt. Es wurde nur das Gesamtergebnis für den Landkreis Altötting publiziert. Georg Faber schätzte die Ablehnung bei der Volksabstimmung innerhalb der Arbeiterschaft in Burghausen auf 30-40 % . . .

Editorischer Hinweis

Wir erhielten den Leseauszug vom Autor. Max Brym wurde am 24.09.1957 in Altötting geboren. Er arbeitet und lebt als freier Journalist in München. Max Brym ist Dozent für Philosophie und Geschichte an mehreren nationalen und internationalen Bildungseinrichtungen. Viele Jahre arbeitete er als Gastdozent an der öffentlichen Universität Prishtina in Kosovo. Der Autor schreibt regelmäßig u.a. für jüdische Zeitungen, darunter das Webportal „haGalil“. Vom Autor erschienen viele Artikel, speziell zur Geschichte der Arbeiterbewegung in unterschiedlichen Zeitungen. Für TREND redigiert er die Rubrik "Berichte aus Kosova"

Das Buch erscheint im September 2018, es wird  14,90 € kosten und ca. 280 Seiten haben (ISBN: 978-3-943150-20-9).

Buchbestellungen unter http://www.bookra-verlag.de/b17.html