Aus der Geschichte der Arbeiter*innenbewegung
Fünf Jahre
Marxistische Arbeiterschule


von Dr. Johann Schmidt

09/2016

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Vor fünf Jahren, im Winter 1926/27, wurde in Berlin das erste Schuljahr der Marxistischen Arbeiterschu'le eröffnet. Unser Ziel war: eine allgemein zugängliche Lehrstätte zu schaffen, in welcher der werktätigen Bevölkerung Berlins die Möglichkeit gegeben werden sollte, die Grundlehren des unverfälschten Marxismus und ihre An­wendung auf alle Gebiete des proletarischen Lebens und Kampfes zu erlernen.

Viele zweifelten daran, daß es uns gelingen würde, eine solche Schule aufzubauen. Man glaubte nicht, daß wir ohne alle finanziellen Mittel die großen technischen und organisatorischen Schwierigkeiten überwinden könnten. Man izweifelte daran, daß es uns gelingen würde, für alle Lehrfächer Dozenten zu beschaffen.

Die Zweifler ihaben auch diesmal nicht recht behalten. Wenn auch die Anfänge der Masch sehr bescheiden waren und das erste Schuljahr wöchentlich nur zwei Veranstaltungen umfaßte, so wurden doch die folgenden Jahre eine Zeit unaufhaltsamer und stürmischer Aufwärtsentwicklung. Es zeigte sich, daß unsere Schule eine längst schmerzlich empfundene Lücke ausfüllte. Die Anzahl der Hörer wuchs täglich, und wir bewiesen in der Praxis, daß die revolutionäre Arbeiterbewegung sehr wohl in der Lage ist, auf allen nur möglichen Gebieten geeignete Lehrkräfte zur Verfügung zu stellen. Von Woche zu Woche mußten wir unsere Lehrpläne erweitern, neue Kurse er­öffnen, neue Lehrfächer einbeziehen, neue Lehrer heranziehen, um das Sohulungsbedürfnis unserer ständig wachsenden Hörerschaft zu befriedigen. So entwickelte sich die Berliner Marxistische Arbeiterschule in den verflossenen fünf Jahren zu einer wirklichen Hochschule der Werktätigen, in der jährlich Tausende von Arbeitern und Angestellten im Sinne des unverfälschten Marxismus geschult und in die Lage versetzt werden, konsequent klassenbewußt zu denken und zu handeln.

Im Schuljahr 1926/27 wurden 19 Kursusabende von 146 Hörern besucht, im Schuljahr 1930/31 umfaßte unser Lehrplan fast 2000 Kursusabende, die von insgesamt 4000 verschiedenen Hörern besucht wurden. Unser Lehrerstab wuchs in den fünf Jahren von 8 auf 160. Aus dem einen Sohullokal wurden zehn, so daß jetzt das Sohulungs-netz der Masch alle proletarischen Bezirke Berlins umfaßt. Allein im zentralen Schullokal finden an manchen Abenden gleichzeitig 15 Kurse statt. Unser Lehrplan umfaßt nun im fünften Schuljahr des Bestehens der Masch über 30 Lehrfächer, u. a.: 1. Grundfragen des Marxismus-Leninismus; 2. Die Sowjetunion; 3. Geschichte der Arbeiterbewe­gung, Revolutionsgeschichte; 4. Die kapitalistische Wirtschaft, die kapitalistischen Staaten; 5. Imperialismus, Militarismus, Faschismus; 6. Deutsahe Wirtschaft und Politik; 7. Sozial- und Kommunalpolitik; 8. Gewerkschafts- und Genossenschaftsbewegung; 9. Arbeiterinnen­bewegung; 10. Fragen der Arbeiterjugend; 11. Rechtsfragen; 12. Kul­tur- und Weltanschauungsfragen; 13. Schul- und Erziehungsfragen; 14. Presse Und Reportage; 15. Proletarische und bürgerliche Litera­tur; 16. Theater, Film, Musik, Radio; 17. Bildende Künste; 18. bis 23. Naturwissenschaften (Physik, Chemie, Geologie, Biologie, Psycho­logie, Wirtschaftsgeographie); 24. Medizin, Hygiene, Sexualfragen; 25. Sport; 26. Organisationskunde; 27. Politische Zeichnen- und Lino-leumscbnittkurse; 28. Stenographie und Buchhaltung und schließlich 29., Redner- und Sprachkurse (Deutsch, Russisch, Englisch, Franzö­sisch, Esperanto).

Neben den Anfängerkursen haben wir auf verschiedenen Ge­bieten auch Kurse und Arbeitsgemeinschaften für Fortgeschrittene durchgeführt. Ueber die Fragen des Marxismus-Leninismus haben wir ferner ab Sommer 1931 ständige Lehrersebulen eingerichtet. Außer den Abendkursen finden neuerdings auch Tageskurse für Er­werbslose und besondere Kurse für die Belegschaften der Großbetriebe statt, die jeweils nach Betriebsschluß in Lokalen abgehalten werden, die in der Nähe der betreffenden Betriebe liegen.

Ferner haben wir unseren Hörern außer diesen eigentlichen Schulen und Kursen Führungen technischer Art durch wichtige Be­triebe (z. B. Druckereien aind Funkstationen), künstlerischer Art durch Museen, naturwissenschaftliche Wanderungen unter Führung von Geologen, Botanikern und Zoologen in der Umgebung Berlins geboten.

Die Berliner Marxistische Arbeitersohule veranstaltet neben den Kursen Am zentralen Schullokal und in den Groß-Berliner Bezirken auch Kurse in vielen größeren und kleineren Ortschaften der Provinz Brandenburg, so unter anderem in Brandenburg a. H., Strausberg,Trebbin, Plaue-Großwusterwitz usw. Die Anzahl dieser Provinzfilialen wächst ständig.

In diesem Sommer wurde das erste Mal ein ununterbrochenes Sommerlehrjahr durchgeführt. Eine ganze Reihe von Wochenend-kursen sowie Achttageschulen über die Grundlebren des Marxismus-Leninismus wurden und werden durchgeführt, dazu besondere Achttageschulen für Fortgeschrittene, für Funktionäre der proletarischen Massenorganisationen und auch eine Achttageschule über die Pro­bleme des sozialistischen Aufbaus in der Sowjetunion.

In diesem Sommer wurde das erstemal ein ununterbrochenes öffnet, um dem großen Mangel der proletarischen Massenorganisatio­nen an Lehrern für die Grundfragen des Marxismus-Leninismus ab­zuhelfen. Viele junge Hörer, die vor ein bis zwei Jahren zur Masch gekommen sind, um die Grundlehren des unverfälschten Marxismus überhaupt erst kennenzulernen, nehmen an dieser Lehrersohule teil und werden im nächsten Herbst bereits .selbst Einführungskurse ab­halten können.

Der Erfolg der Tageskurse für Erwerbslose, die gleichfalls im Sommer 1931 zum erstenmal in den Lehrplan aufgenommen wurden, bewies die Notwendigkeit und Berechtigung dieser besonderen Schulungsarbeit. Ihre Ueberfüllung zwang uns, Parallelkurse ein­zurichten.

Im Winter 1929/30 wurden die ersten Schulen in größeren Städten Deutschlands eröffnet. Im Frühjahr 1931 arbeiteten schon fast 30 Marxistische Arbeitersohulen in Deutschland, und zwar außer Berlin in

Barmen,          Düsseldorf,         Köln a. Rh.,
Bochum,         Elberfeld,            Königsberg,
Brandenburg,   Erfurt,               Leipzig,
Breslau,          Essen,               Nürnberg,
Chemnitz,       Frankfurt a. M.,    Recklinghausen,
Danzig,           Gelsenkirchen,     Remscheid,
Dessau           Hagen/Westf.      Solingen,
Dresden          Halle,                Stuttgart
Duisburg,        Hamburg-Altona

Viele dieser Schulen hatten gleichfalls Filialen in den Provinzstädten ihrer Umgebung. Im Herbst werden weitere Schulen in Eisenach, Gotha, Hannover, Heidelberg, Heilbronn, Jena, Mannheim, München, Stuttgart, Würzburg eröffnet, und wir hoffen, daß im Winter 1931/32 60 Marxistische Arbeiterschulen in Deutschland arbeiten werden.

Es versteht sich von selbst, wir werden bei keinem Erfolg stehen­bleiben, jede gelöste Aufgabe ist uns nur Anlaß zur Stellung von neuen erweiterten Aufgaben!

Unser Ziel ist:

1) In jeder Stadt Deutschlands eine MMasch. Verdoppelung und Verdreifachung der Anzahl der Hörer und der Lehrer.arxistische Arbeiterschule.
2)
Filialschulen jeder Marxistischen Arbeitersohule in den wich­tigsten Orten ihrer Provinz.
3)
Masch-Kurse für die Belegschaften aller Großbetriebe.
4)
Weiterer Ausbau des Lehrplans aller schon bestehenden Marxi­stischen Arbeiterschulen. Errichtung von Fortgeschrittenen- und Lehrerkursen in jeder

Die bisherige Arbeit und die bisherige Entwicklung der Marxi­stischen Arbeiterschule bietet die volle Gewähr dafür, daß wir diese Aufgabe in kurzer Zeit erfüllen werden.


Quelle: Der Marxist, Blätter der marxistischen Abendschule, Berlin, 1931, Heft 1, S. 28-32