Ein Nachrichtensystem
mit einem perfekt geölten Räderwerk steht unter der Kontrolle der
Deutschen und ist in Brüssel stationiert.
„Wer das
Informationsnetz in der Hand hat, der hat die Macht“, so sagen alle,
die sich mit der Politik der Kommunikation auskennen. Deren
Instrumente werden nicht bloß bei Wahlkampagnen eingesetzt. Da geht´s
um viel mehr. In der Europäischen Union folgt die
Entscheidungskompetenz nicht ausschließlich den Impulsen der
Wirtschaft, sondern sie hängt auch davon ab, wie man die großen
internationalen Medien im Griff hat.
Es ist übrigens in
Brüssel kein Geheimnis, daß sich in den letzten Jahren, insbesondere
seit dem Ausbruch der Krise im Jahre 2008, ein perfekt geöltes
Nachrichtensystem etabliert hat, das imstande ist, innerhalb von
wenigen Stunden Informationen zu organisieren, zu sammeln und sie
allen Medien des Kontinents zukommen zu lassen.
Dieser Mechanismus
stützt sich auf den journalistischen Quellenschutz, eines der
sakrosankten Prinzipien journalistischer Arbeit. Allerdings wird er
hier im gegenteiligen Sinn verwendet: es werden nämlich die
Mechanismen geschützt, die öffentlichkeitsentzogen ablaufen. Und es
gibt in der belgischen Hauptstadt keinen Journalisten, der seinen
Posten aufs Spiel setzen will, und damit trägt er bei zur
Beibehaltung der omertà.
Der harte Kern.
Der Mechanismus
besteht zuallererst aus dem harten Kern der Eurozone, mit anderen
Worten, der deutschen Delegation in Brüssel, die von Teams kleinerer
Länder unterstützt wird, wie von Spanien, Portugal, der Slowakei und
den baltischen Staaten, bei denen es sich hauptsächlich um politische
und wirtschaftliche Satelliten Deutschlands handelt. Frankreich und
Italien haben ganz eindeutig weniger Zugang zu diesem Bereich.
Für die Sammlung der
Nachrichten und deren Übermittlung sind drei Akteure zuständig. Es
sind drei große Medien, die europaweit rezipiert werden: die Agentur Reuters, Bloomberg
und die
Zeitung
Financial Times.
Sie stellen Leitprogramme her, die von allen europäischen Medien
eifrig reproduziert werden, indem sie, sei´s mit Absicht oder nicht,
die ihnen zugekommenen Informationen und Berichte weitergeben.
Die Beistellung der
Informationen, die am Ende reproduziert werden, erfolgt auf drei
Ebenen: Durch die Angestellten der EU-Bürokratie, von denen die
wichtigsten Treffen überwacht werden (Dolmetscher und
Verwaltungspersonal), durch die Politiker und deren enge Mitarbeiter
und durch hohe Beamte der Europäischen Union.
Diese drei Ebenen
kommen zum Einsatz, damit die „erforderliche“ schnelle und exklusive
Verbreitung von Nachrichten gewährleistet werden kann. Dadurch
entsteht unter den Journalisten harte Konkurrenz, da sie darauf aus
sind, Informationen über das zu erhalten, was auf den Treffen
geäußert wurde.
Für
Nachrichtenübermittlung wird grundsätzlich ein SMS verwendet, für die
gesteuerten Leaks aber, die für die Analyse wichtig sind, gibt es
seit einigen Monaten ein informelles Treffen, an dem die Journalisten
der obenerwähnten drei großen Medien teilnehmen, und andere: in der
Hauptsache sind es Deutsche und Briten.
Auf diesen Treffen ist
für den neuesten Stand der Nachrichten der Beamte des Pressebüros der
Europäischen Kommission zuständig, der aus Deutschland kommt und der
ein wenig aus dem gebotenen europäischen Verhaltensmuster fällt und
sich über die ansonsten übliche neutrale Rolle, die er einzunehmen
hätte, hinweghebt.
Am effektivsten kam
dieser Mechanismus bei der Sitzung der Euro-Gruppe in Riga zum
Tragen. … Am Montag den 23. April war der griechische Finanzminister
mit seinen Ressortkollegen bei einem Abendessen …, auf dem die
Diskussion des folgenden Tages hätte vorbereitet werden sollen. Alles
schien wie gewohnt abzulaufen. Aber am 24. April sollte gegen den
griechischen Finanzminister extrem aggressiv vorgegangen werden.
Der Außerirdische.
Der verantwortliche
Angestellte der Europäischen Kommission hat einige Minuten nach Ende
der Sitzung der Euro-Gruppe 8 Journalisten zum regelmäßigen
informellen Treffen eingeladen „Er verhielt sich extrem aggressiv
gegenüber der griechischen Delegation.“ berichtete ein in Brüssel
stationierter Journalist, der anonym bleiben möchte, gegenüber Efimerida ton
Sintakton :
. „Als wir fragten, was Varoufakis bei dem Treffen gesagt hatte,
meinte der Verantwortliche der Kommission: „Der lebt völlig in einer
anderen Welt.“ Und das begleitete er mit einer abschätzigen Geste.
Ein solches Verhalten waren wir nicht gewohnt, weder von den Beamten
der europäischen Bürokratie, noch von dem genannten
Verantwortlichen.“
Eine nochmalige
„Klarstellung“ erfolgte durch zwei weitere Angestellte, einer war von
der Euro-Gruppe, der andere gehörte zu einer diplomatischen Mission
eines südeuropäischen Landes. „Sie verhielten sich ebenso aggressiv,
sie versuchten, Varoufakis als einen „Außerirdischen“ herzustellen“,
berichtet uns der Journalist, der an den Diskussionen teilgenommen
hatte. Und weiter erklärte er: Wenn es um komplexe Fragen ging, die
die griechische Wirtschaft betrafen, wollten sich seine „Quellen“
dazu überhaupt nicht äußern. Varoufakis haben sie bloß angegriffen.
Dann gab’s harte Erklärungen derjenigen Minister, die auf der Linie
der deutschen Regierung waren, das erfolgte alles im selben Stil.
Die griechische
Mission hat darauf beschlossen, daß Yanis Varoufakis an dem
Abendessen nicht teilnehmen würde, damit haben sie ihr Mißfallen
daran ausgedrückt, wie seine Kollegen ihn und auch Griechenland
selbst behandeln.
Das aggressive
Verhalten der Minister, der hohen Funktionäre und der Medien ging
aber weiter. Ja die Agentur Reuters bezeichnete Yanis Varoufakis als
„isoliert“ und hat sich nicht die Mühe gemacht, bei der griechischen
Seite nachzufragen, warum Varoufakis nicht am Abendessen teilgenommen
hat, aber sehr wohl haben sie darauf aufmerksam gemacht, daß er der
einzige Minister war, der keine Krawatte trug. …
Die Mauer.
Im vergangenen Februar
hat die griechische Regierung anläßlich der Treffen der Euro-Gruppe
versucht, als sie sah, daß sich um sie eine Mauer der
Verständnislosigkeit aufbaute, ihrerseits kleine „Risse“ zu
provozieren. Daß Jeroen Dijsselbloem Opfer von Leaks war, die von der
griechischen Mission kamen, das hat die ganzen Diskussionen
durcheinandergebracht, und zahlreiche Personen in Brüssel waren
wütend darüber“ , berichtet der Journalist. „Daraufhin begann ein
(regelrechter) Krieg, und wiederholte Leaks der griechischen Seite
gingen an Peter Spiegel von Financial Times.“
Der Journalist hat uns
in Brüssel eine typische Frage gestellt: „Wird Varoufakis den Druck
aushalten?“ Wir antworteten darauf: „Er hat zumindest noch das
Vertrauen von Alexis Tsipras“. Und darauf hat er uns geantwortet:
„Dann sagt eurer Regierung und der ganzen Welt, daß sie sich auf noch
härtere Terrorszenarien einstellen müssen.“
Editorische Hinweise
Nikos Sverkos: Des
machinations politiques par le biais des médias internationaux, Syriza France,
29. 4.
2015, Übersetzung aus der Efimerida ton
Sintakton;
Übersetzung aus dem Französischen von AuO.
|