Ein Rückblick in den April 2015
Politische Manipulation mit Hilfe der internationalen Medien

Von Nikos Sverkos, Efimerida ton Sintaktón („Tageszeitung der Redakteure“)

09/2015

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Ein Nachrichtensystem mit einem perfekt geölten Räderwerk steht unter der Kontrolle der Deutschen und ist in Brüssel stationiert.

„Wer das Informationsnetz in der Hand hat, der hat die Macht“, so sagen alle, die sich mit der Politik der Kommunikation auskennen. Deren Instrumente werden nicht bloß bei Wahlkampagnen eingesetzt. Da geht´s um viel mehr. In der Europäischen Union folgt die Entscheidungskompetenz nicht ausschließlich den Impulsen der Wirtschaft, sondern sie hängt auch davon ab, wie man die großen internationalen Medien im Griff hat.

Es ist übrigens in Brüssel kein Geheimnis, daß sich in den letzten Jahren, insbesondere seit dem Ausbruch der Krise im Jahre 2008, ein perfekt geöltes Nachrichtensystem etabliert hat, das imstande ist, innerhalb von wenigen Stunden Informationen zu organisieren, zu sammeln und sie allen Medien des Kontinents zukommen zu lassen.

Dieser Mechanismus stützt sich auf den journalistischen Quellenschutz, eines der sakrosankten Prinzipien journalistischer Arbeit. Allerdings wird er hier im gegenteiligen Sinn verwendet: es werden nämlich die Mechanismen geschützt, die öffentlichkeitsentzogen ablaufen. Und es gibt in der belgischen Hauptstadt keinen Journalisten, der seinen Posten aufs Spiel setzen will, und damit trägt er bei zur Beibehaltung der omertà.

Der harte Kern.

Der Mechanismus besteht zuallererst aus dem harten Kern der Eurozone, mit anderen Worten, der deutschen Delegation in Brüssel, die von Teams kleinerer Länder unterstützt wird, wie von Spanien, Portugal, der Slowakei und den baltischen Staaten, bei denen es sich hauptsächlich um politische und wirtschaftliche Satelliten Deutschlands handelt. Frankreich und Italien haben ganz eindeutig weniger Zugang zu diesem Bereich.

Für die Sammlung der Nachrichten und deren Übermittlung sind drei Akteure zuständig. Es sind drei große Medien, die europaweit rezipiert werden: die Agentur Reuters, Bloomberg und die Zeitung Financial Times. Sie stellen Leitprogramme her, die von allen europäischen Medien eifrig reproduziert werden, indem sie, sei´s mit Absicht oder nicht, die ihnen zugekommenen Informationen und Berichte weitergeben.

Die Beistellung der Informationen, die am Ende reproduziert werden, erfolgt auf drei Ebenen: Durch die Angestellten der EU-Bürokratie, von denen die wichtigsten Treffen überwacht werden (Dolmetscher und Verwaltungspersonal), durch die Politiker und deren enge Mitarbeiter und durch hohe Beamte der Europäischen Union.

Diese drei Ebenen kommen zum Einsatz, damit die „erforderliche“ schnelle und exklusive Verbreitung von Nachrichten gewährleistet werden kann. Dadurch entsteht unter den Journalisten harte Konkurrenz, da sie darauf aus sind, Informationen über das zu erhalten, was auf den Treffen geäußert wurde.

Für Nachrichtenübermittlung wird grundsätzlich ein SMS verwendet, für die gesteuerten Leaks aber, die für die Analyse wichtig sind, gibt es seit einigen Monaten ein informelles Treffen, an dem die Journalisten der obenerwähnten drei großen Medien teilnehmen, und andere: in der Hauptsache sind es Deutsche und Briten.

Auf diesen Treffen ist für den neuesten Stand der Nachrichten der Beamte des Pressebüros der Europäischen Kommission zuständig, der aus Deutschland kommt und der ein wenig aus dem gebotenen europäischen Verhaltensmuster fällt und sich über die ansonsten übliche neutrale Rolle, die er einzunehmen hätte, hinweghebt.

Am effektivsten kam dieser Mechanismus bei der Sitzung der Euro-Gruppe in Riga zum Tragen. … Am Montag den 23. April war der griechische Finanzminister mit seinen Ressortkollegen bei einem Abendessen …, auf dem die Diskussion des folgenden Tages hätte vorbereitet werden sollen. Alles schien wie gewohnt abzulaufen. Aber am 24. April sollte gegen den griechischen Finanzminister extrem aggressiv vorgegangen werden.

Der Außerirdische.

Der verantwortliche Angestellte der Europäischen Kommission hat einige Minuten nach Ende der Sitzung der Euro-Gruppe 8 Journalisten zum regelmäßigen informellen Treffen eingeladen „Er verhielt sich extrem aggressiv gegenüber der griechischen Delegation.“ berichtete ein in Brüssel stationierter Journalist, der anonym bleiben möchte, gegenüber Efimerida ton Sintakton : . „Als wir fragten, was Varoufakis bei dem Treffen gesagt hatte, meinte der Verantwortliche der Kommission: „Der lebt völlig in einer anderen Welt.“ Und das begleitete er mit einer abschätzigen Geste. Ein solches Verhalten waren wir nicht gewohnt, weder von den Beamten der europäischen Bürokratie, noch von dem genannten Verantwortlichen.“

Eine nochmalige „Klarstellung“ erfolgte durch zwei weitere Angestellte, einer war von der Euro-Gruppe, der andere gehörte zu einer diplomatischen Mission eines südeuropäischen Landes. „Sie verhielten sich ebenso aggressiv, sie versuchten, Varoufakis als einen „Außerirdischen“ herzustellen“, berichtet uns der Journalist, der an den Diskussionen teilgenommen hatte. Und weiter erklärte er: Wenn es um komplexe Fragen ging, die die griechische Wirtschaft betrafen, wollten sich seine „Quellen“ dazu überhaupt nicht äußern. Varoufakis haben sie bloß angegriffen. Dann gab’s harte Erklärungen derjenigen Minister, die auf der Linie der deutschen Regierung waren, das erfolgte alles im selben Stil.

Die griechische Mission hat darauf beschlossen, daß Yanis Varoufakis an dem Abendessen nicht teilnehmen würde, damit haben sie ihr Mißfallen daran ausgedrückt, wie seine Kollegen ihn und auch Griechenland selbst behandeln.

Das aggressive Verhalten der Minister, der hohen Funktionäre und der Medien ging aber weiter. Ja die Agentur Reuters bezeichnete Yanis Varoufakis als „isoliert“ und hat sich nicht die Mühe gemacht, bei der griechischen Seite nachzufragen, warum Varoufakis nicht am Abendessen teilgenommen hat, aber sehr wohl haben sie darauf aufmerksam gemacht, daß er der einzige Minister war, der keine Krawatte trug. …

Die Mauer.

Im vergangenen Februar hat die griechische Regierung anläßlich der Treffen der Euro-Gruppe versucht, als sie sah, daß sich um sie eine Mauer der Verständnislosigkeit aufbaute, ihrerseits kleine „Risse“ zu provozieren. Daß Jeroen Dijsselbloem Opfer von Leaks war, die von der griechischen Mission kamen, das hat die ganzen Diskussionen durcheinandergebracht, und zahlreiche Personen in Brüssel waren wütend darüber“ , berichtet der Journalist. „Daraufhin begann ein (regelrechter) Krieg, und wiederholte Leaks der griechischen Seite gingen an Peter Spiegel von Financial Times.“

Der Journalist hat uns in Brüssel eine typische Frage gestellt: „Wird Varoufakis den Druck aushalten?“ Wir antworteten darauf: „Er hat zumindest noch das Vertrauen von Alexis Tsipras“. Und darauf hat er uns geantwortet: „Dann sagt eurer Regierung und der ganzen Welt, daß sie sich auf noch härtere Terrorszenarien einstellen müssen.“

Editorische Hinweise

Nikos Sverkos: Des machinations politiques par le biais des médias internationaux, Syriza France, 29. 4. 2015, Übersetzung aus der Efimerida ton Sintakton; Übersetzung aus dem Französischen von AuO.