Stadtumbau & Stadtteilkämpfe
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Kinderpoliklinik ins Bethanien - Kein Künstlerzentrum

Agitationsbroschüre / Kampfkomitee Bethanien [West-Berlin 1974]

09/2015

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Das 1847 erbaute evangelische Krankenhaus am Berlin-Kreuzberger Mariannenplatz  wurde 1929/30 umgebaut und erweitert(1). Es überstand bis auf wenige Beschädigungen den 2. Weltkrieg und wandelte sich 1956 zu einem öffentlichen Krankenhaus.

1966 gab die evangelische Kirche das Krankenhaus auf und der westberliner Senat beschloss den Bau des Urbankrankenhauses. Das Bethanien wurde Objekt immoblienkapitalistischer Begierde. Unter der Beteiligung der Neuen Heimat sollte das Bethanien bis auf  Hauptrakt, der unter Denkmalsschutz stand, abgerissen werden. Auf dem Gelände zwischen Waldemar-, Adalbertstrasse und  Bethaniendamm sollte ein 50-Millionen-Projekt mit elfgeschossigen Wohnhäusern für ca. 1200 Wohnungen entstehen. Dagegen gab es massenhafte Proteste, die zwar zum Rückkauf der Liegenschaft durch den Senat führten, aber auch die spätere Schließung des Krankenhauses  am 24.3.1970 einleiteten. Stattdessen sollte nun folgende Nutzung greifen:  Lehrerbibliothek, Heimatmuseum, Sammelklassen des Schulpsychologischen Dienstes, Internat des Staats- und Domchores,  ein Senioren-Zentrum, eine Zweigstelle der Stadtbücherei und die „Fontane-Apotheke“ sowie Atelierräume.

Im Dezember 1971 besetzten Trebegänger das Maria-Martha-Haus für selbstorganisiertes Wohen und benannten es in Georg von Rauch-Haus(2) um.

1973 lag das endgültige Nutzungskonzept für das Bethanien vor: Ein Künstlerhaus, getragen vom Deutschem Akademischem Austauschdienst, von der Akademie der Künste und dem Berufsverband der Bildenden Künste Berlin.

Gegen den Senatsbeschluss reagierten Teile der Bevölkerung sowie Ärzte und Pflegekräfte  im Oktober 1973 mit Protestveranstaltungen und einer Unterschriftenaktion im Urban-Krankenhaus. Es entstand das  „Kampfkomitee Bethanien“, dessen Broschüre wir nun wieder zugänglich machen.


Die Broschüre als PdF-Datei herunterladen (5 Mb)

Trotz der Unterstützung breiter Teile der Bevölkerung und einer zeitweiligen Besetzung des Krankenhausgeländes konnte die Kinderpoliklinik nicht durchgesetzt werden. Die von der maoistischen KPD maßgeblich getragene Kampagne errichtete 1974 in einem Ladenlokal in der Muskauer Str. 13 eine "Volksambulanz".(3)

In den Kampf für die Kinderpoliklinik war auch ab 1973 der Kampf gegen die Abschaffung des Volksentscheids in Westberlin eingebunden. Die Abschaffung erfolgte 1974 und das Plebiszit wurde erst 1995 wieder in der Berlin Landesverfassung aufgenommen.

Endnoten

1) Diese und die nachfolgenden Daten zur Baugeschichte stammen von: http://bethanien.info/pdfs/b_geschichte.pdf

2) Zur Geschichte des "Rauchhauses" siehe: http://www.rockarchiv.infopartisan.net/zentren/X_berg_zeitung781971.pdf
http://www.rauchhaus1971.de

3) Quelle: http://mao-projekt.de