Die
Wahlen in Brandenburg und Thüringen haben erneut bestätigt, was
bereits bei den letzten Europawahlen und den Landtagswahlen in
Sachsen offenkundig wurde: Die bürgerliche Politik des
etablierten Parteienkartells steckt in einer tiefen
Legitimationskrise. Die Hälfte der Wahlberechtigten bleibt der
Wahl fern. Das Personal der herrschenden Klasse, ihre
Spitzenleute wie die Parteien werden verachtet. Und wie immer
spiegelt die Wahlbeteiligung die sozialen Verhältnisse wider.
Die Wahlen werden immer mehr zu einer Veranstaltung der
materiell wie kulturell Besserverdienenden. Diese Wahlenthaltung
ist kein kollektiver Protest, keine linke Gesellschaftskritik,
sondern individueller Ausdruck der Entpolitisierung und
Ratlosigkeit Millionen von Menschen.
Für die Partei DIE LINKE, die sich die Interessenvertretung
gerade dieser Menschen, dieser Opfer des real existierenden
Kapitalismus auf die Fahnen und ins Programm geschrieben hat,
ist es schlicht eine Katastrophe, dass sie keine Politik und
keine Wahlkämpfe auf die Reihe bringt, die diese Menschen
anspricht und mobilisiert. Die WählerInnen der LINKEN bleiben
zuhause oder wenden sich gar der einzigen Kraft zu, der es von
rechts gelingt, Wut und Zorn großer Teile der Bevölkerung für
ihre billigen, nationalchauvinistischen und ausgrenzenden
Parolen zu gewinnen – der Alternative für Deutschland (AfD).
Die
LINKE hat mit den anderen Parteien den Wettstreit um den
„aufgeklärten Wähler und die aufgeklärte Wählerin“ gesucht, mit
Papierschlachten und personalisierten Wahlkämpfen. Sie kann in
diesem Wettstreit nicht gewinnen, und wenn doch, dann nur zu dem
Preis der Entstellung ihrer politisch-programmatischen
Identität. Den Versuch, die LINKE als tatsächliche Alternative
zu den kapitalistischen Altparteien aufzubauen und darzustellen
hat es gar nicht mehr gegeben. Trauriger Höhepunkt ist das
Wahlkampfmotto aus Thüringen: „Wir wollen nicht alles anders,
aber vieles besser machen“. Lauter kann die Zugehörigkeit zum
Kartell der Etablierten, und sei es sogar nur der Wunsch nach
dieser Zugehörigkeit, nicht herausgeschrien werden. DIE LINKE
wird deshalb durch die Wahlenthaltung der Menschen nicht nur
mit-, sondern besonders stark bestraft und darf sich darüber
nicht beschweren.
In
Brandenburg wurde DIE LINKE nicht nur als Teil der etablierten
vermutet, sondern sie hat als echte Regierungspartei ihre
Abstrafung erhalten. Dreißig Prozent ihrer Wähler sind weg. Eine
Strafe, weil die Diskrepanz zwischen Tun und programmatischen
Versprechen bei der LINKEN besonders ausgeprägt ist.
Der
Wahlerfolg der AfD ist deshalb mehr eine Absage an die anderen
Parteien als eine Bestätigung der kruden Inhalte dieser
Neugründung. Er ist im Kontext der niedrigen Wahlbeteiligung zu
sehen. Aber es ist eine individuelle, unpolitische und damit in
der Wirkung rechte Abwendung.
Als
sie vor fünf Jahren in Brandenburg antraten, haben sich SPD und
LINKE gemeinsam aufgestellt, an die Hände gefasst und verkündet:
Wir bekennen uns zur kapitalistischen Marktwirtschaft – zur
Haushaltssanierung im Sinne des Kapitals – zum Lissabonvertrag
und dem neuen Militarismus der EU – zur Energiepolitik im Sinne
der Stromkonzerne. Ein Wechsel der Politik der vergangenen Jahre
wurde ausdrücklich nicht gewollt. Ein bisschen mehr soziale
Tunke, aber ansonsten die gleiche politische Entmündigung der
Menschen und Vollstreckung der Interessen der Herrschenden. Das
ist IMMER der Auftrag an eine bürgerliche Regierung und nicht
eine Sekunde wurde in Brandenburg daran gezweifelt. DAS ist die
linke Tragödie – die selbst durch die dicksten Diäten nicht
erträglicher wird.
Und
doch hat selbst diese Art von Regierung und Verwaltung immer
auch Schlüsselsituationen und Bruchpunkte, wo auch eine müde
linke Mitmachtruppe zur Besinnung kommen könnte. Das ist mit den
anstehenden Entscheidungen zum weiteren Ausbau des
Braunkohletagebaus in der Lausitz auch geschehen. Aber DIE LINKE
war schon nach fünf Jahren so gesättigt, selbstzufrieden und
verschlafen, dass sie diese Chance auf wirkliche Weichenstellung
für eine andere, nicht kapitalistisch zerstörte und zerstörende
Politik nicht wahrnehmen wollte und konnte. Das ist der Tragödie
zweiter Teil und des politischen Skandals erster. Dass eine
solche Partei mit Stimmenverlusten weggeschickt wird, ist
wirklich nicht erstaunlich.
Die
AKL ist der Auffassung, dass die LINKE sich nicht an einer
nächsten Landesregierung in Brandenburg beteiligen sollte. Sie
hätte die wenigen fortschrittlichen Maßnahmen der letzten fünf
Jahre auch aus der Opposition heraus erreichen können, ohne die
tiefen Glaubwürdigkeitsverluste zu erleiden. Und sie wird die
nächsten Fortschritte sogar besser aus der Opposition heraus
erreichen. DIE LINKE muss ihre Verankerung in sozialen
Bewegungen und in den Milieus der Menschen, die heute nicht mehr
zur Wahl gehen, vorantreiben. Dazu ist programmatische Klarheit,
strategische Rücksichtslosigkeit und Radikalität und
unkonventionelles, kühnes Auftreten erforderlich. Die
staatsmännische Pose der Partei muss komplett ersetzt werden.
In
Thüringen wollte die LINKE es gleich von Anbeginn „besser“ im
schlechten Sinne machen. Sie zelebriert schon einen skandalösen
Wahlkampf unter der alten Gerhard-Schröder-Losung “Wir machen
nicht alles anders, aber vieles besser”. Alle kennen die
Übersetzung dieses Spruches: Keine Angst, DIE LINKE wird an den
herrschenden Verhältnissen nicht rütteln. Und wie zur doppelten
Bestätigung dieser Misere, wird ein personalisierter Wahlkampf
nach dem Motto “Bodo der Retter ist da” veranstaltet, wo auch
noch der biederste Anhänger der LINKEN feststellen müsste, so
viel irrwitzig illusorische Stellvertreterpolitik kann nur im
Desaster enden. Und sie wird es auch.
Das
Wahlergebnis der LINKEN in Thüringen ist eine feine Sache. Eine
linke Partei mit gut einem Viertel der WählerInnenstimmen –
selbst bei der niedrigen Wahlbeteiligung – sollte unbedingt
selbstbewusst fordern: Wir wollen regieren, her mit dem
Ministerpräsidentenamt. Aber doch bitte nicht mit dem
politischen Ausverkauf aller Ideen an die SPD und – welch ein
kleiner Sonderskandal – sogar an die Grünen, die kriegsgeilste
Truppe der gegenwärtigen Politik. Mit einem Bodo, der niemanden
der wirklich Herrschenden wehtun will, aber vom ersten Tag eine
Regierung der Schmerzen für die LINKE durchführt, wird es nicht
bei einer Tragödie in zwei Teilen bleiben. Einen solchen
Ministerpräsidenten brauchen wir nicht und wollen wir nicht.
Die
LINKE und noch mehr die Menschen weltweit brauchen einen
Aufbruch zu neuen, sozialistischen Welten. Den Mut zum Bruch und
nicht die vom Hund Attila begleitete Systemfrömmigkeit – die
auch dann, wenn sie ohne System von der Kanzel verkündet wird,
genauso furchtbar ist wie die Krisenverwaltung aus der
Staatskanzlei in Thüringen.
Nach der Wahlauszählerei reicht es nun für eine arithmetische
Mehrheit von SPD, LINKE und Grünen – aber ein wirklich
politischer Wechsel wäre das nicht und wird es auch nicht im
Laufe der Legislaturperiode werden.
AKL-BundessprecherInnen-Rat, 15.September 2014
Quelle:
http://www.antikapitalistische-linke.de
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