Leserbrief zu:
„Salafisten auf’s Maul“

von Anton Holberg

09-2014

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Natürlich geht es den Schreiberlingen der „Jungle World“ nicht wirklich um Faschisten oder Salafisten, um Homophobe und Frauenfeinde und auch nicht um Antisemiten, sondern in allererster Linie um die Unterstützung der siedlerkolonialistischen zionistischen Bewegung und ihres Staates Israel.

Ein wesentlicher Teil der Argumentation aus diesem Lager ist in der Tat auch abwegig. Das darf aber nicht heißen, dass Linke die Kritik an und den Kampf gegen Islamismus, Salafismus,  Takfirismus und Jihadismus als unnötig betrachten.

Wenn der Begriff „Faschismus“ mehr sein soll als eine Beleidigung, dann muss man schon feststellen, dass Faschisten zwar homophob, demokratiefeindlich, terroristisch und „frauenfeindlich“(allerdings deutlich anders als Traditionalisten verschiedener Couleur und insbesondere als Islamisten) sind, sich alleine dadurch aber leider keineswegs von der Mehrheit der Menschheit unterscheiden. Diese Eigenschaften reichen also offensichtlich nicht aus, um sinnvoll von „Faschismus“ zu sprechen – aber vielleicht bedarf man in Antifa-Kreisen dieses Begriffs, um sich ausreichend aufzuregen und zur Tat schreiten zu können.

Zur Tat aber sollte man schon schreiten, auch wenn Islamisten, Takfiristen (das sind jene, die alle Muslime, die nicht ihre Anschauungen teilen zu vom Islam Abtrünnigen erklären und deshalb mit dem Tod bedrohen) und Jihadisten keine Faschisten und vor allem keine direkte Gefahr für die - wenn auch nur bürgerliche - Demokratie in unseren Landen sind. Das sind sie nicht einmal, wenn sie irgendwo eine Bombe zünden. Allerdings ist es nachfühlbar, wenn sich in der Bevölkerung angesichtseiner solchen Möglichkeit (die aktuell eben im Zusammenhang mit islamistischen Terroristen gesehen werden muss) eine diffuse Angst breitmacht.

Eine reaktionäre Gefahr sind sie jedoch in erster Linie für die überwiegend von Muslimen bewohnten Länder und hier insbesondere für religiöse Minderheiten und die Arbeiterbewegung. Da die Linke per definitionem internationalistisch ist, sollte das schon genügen.

Bei uns sind sie eine Gefahr für die  hier lebenden Muslime und das in doppelter Hinsicht: zum Einen, weil sie bereit sind, diesen gewaltsam ihre sektiererischen Anschauungen aufzuzwingen und zum Anderen, weil ihr Auftreten und die von ihnen vertretenen kulturellen und politischen Werte zu Recht bei der Mehrheitsgesellschaft auf Ablehnung stoßen, diese Mehrheitsgesellschaft aber nicht bereit und/oder fähig ist, deren sektiererische Islam-Auffassung von den von den übrigen Muslimen mit erdrückender Mehrheit vertretenen Interpretationen ihrer Religion zu unterscheiden. Kurzum: Islamisten allgemein, Salafisten (wenn sie nicht wie zumindest in der Vergangenheit quietistisch sind und deswegen von der nicht-muslimischen Mehrheitsgesellschaft gar nicht bemerkt werden) Takfiristen und Jihadisten schüren die Islamophobie, die mit Unterstützung einflussreicher Kräfte inzwischen weitgehend die frühere Rolle der „Judophobie“ (um nicht den linguistischen Begriff der „Semiten“ zu bemühen) übernommen hat. Sie vergiften das Zusammenleben von Muslimen und Nicht-Muslimen hierzulande und dienen damit der gesellschaftlichen Spaltung insbesondere der Arbeiterklasse und so der fortgesetzten Herrschaft der Bourgeoisie. Die Tatsache, dass es in unserer Gesellschaft in der Tat weitaus wichtigere Probleme als Salafisten und/oder Jihadisten gibt, kann m.E. angesichts dessen, dass – leider – nicht wenige deutsche “Werktätige“ mangels eines klaren Klassenbewusstseins sich mehr über Salafisten, denen sie auf der Straße oder in den bürgerlichen Medien begegnen, aufregen als über über die Gaucks, Merkels und deren finanzkräftigen Hintermänner und –frauen, nicht davon ablenken, dass sich die Linke auch den Problemen ernsthaft widmen muss, die die „Werktätigen“ umtreiben, gleich ob der Linken das gefällt oder nicht. Wenn die Linke sich diesen Problemen nicht ernsthaft zuwendet, tut das die Rechte. Auf dieser Basis stellt sich dann auch die Frage, ob die zu beobachtende vergleichsweise „Zurückhaltung“ „unserer“ Behörden im Kampf gegen solche Kräfte (Aus- und Einreisemöglichkeiten, weitgehende Inaktivität gegenüber Provokationen “Sharia Police“) nicht gerade mit diese Funktion solcher Kräfte zu tun hat.

Editorische Hinweise

Den Leserbrief erhielten wir als Reaktion auf den Artikel

„Salafisten auf’s Maul!“
Antifaschismus an der Heimatfront
von jeanrokbelle

zur Veröffentlichung in dieser Ausgabe.