Das Vertrauen der französischen
Stimmbevölkerung in Präsident François Hollande ist auf einem
absoluten Tiefpunkt angelangt. (Vgl. dazu neben stehenden
Artikel: „Regierung rechter Sozialdemokraten plant neue
Schandtaten“.) Kurz vor der Abstimmung in der französischen
Nationalversammlung vom 16. September über das „Vertrauen“ in
den alt-neuen Premierminister Manuel Valls – nach der
Regierungsumbildung von Ende August wurde der ganz rechte
Sozialdemokrat erneut zum Regierungschef bestellt – und der
geplanten Ansprache Präsident Hollandes am 18. September 14
deutet nichts, aber auch gar nichts auf eine Besserung der Lage
hin. Die Pariser Abendzeitung Le Monde, welche dem
politischen Lager François Hollandes nahe steht, spricht in
ihrer Ausgabe vom Donnerstag Abend (11.09.14) von „Tagen
der Dämmerung im Elyséepalast“ und sieht die politische
Nacht über ihren ehemaligen vermeintlichen Hoffnungsträger
hereinbrechen.
Tatsache ist, dass die Wirtschafts- und
Sozialpolitik des – räusper, räusper, hust – „Sozialisten“ sich
aus Sicht der Lohnabhängigen bislang als ungefähr so nützlich
erwies wie ein prächtiger Furunkel am Hintern. Seine Bilanz auf
diesem Gebiet gestaltet sich nach einer knappen Hälfte seiner
fünfjährigen Amtszeit in einer Art und Weise, dass Hollande
ausnahmsweise sogar rot werden, nämlich vor Scham rot anlaufen
könnte. Laut einer Umfrage, die am gestrigen Donnerstag, den 11.
September d.J. publik wurden, wünschen übrigens 62 Prozent der
befragten Franzosen & Französinnen seinen Abtritt mitten in der
Amtsperiode.
So
weit, so gut oder jedenfalls gut nachvollziehbar. Das Schlimme
liegt jedoch woanders. Hauptnutznießerin
des Vertrauensverlusts in den sozialdemokratischen Amtsinhaber
scheint nämlich die rechtsextreme Politikerin Marine Le Pen zu
sein. Laut Zahlen, die am vergangenen Wochenende des 06./07.
September 14 im Figaro Magazine erschienen, würde
die Chefin des Front National (FN) zur Zeit in jeder
Konstellation – egal also, wer ihre gewichtigsten Mitbewerber
wären – im ersten Durchgang einer Präsidentschaftswahl auf dem
ersten Platz landen. Dabei könnte sie rund 26 Prozent der
Stimmen erwarten. Im zweiten Wahlgang würde sie allerdings in
den meisten Fällen verlieren. Außer,
falls sie je dem bisherigen Präsidenten Hollande in der
Stichwahl gegenüber stünde – der allerdings nach den
vorliegenden Zahlen nicht in die zweite Runde einziehen würde -,
denn dann würde sie mit 54 Prozent gewinnen. Über vier Fünftel
jener Wählerinnen und Wähler, die 2012 für den konservativen
Kandidaten Nicolas Sarkozy stimmten, erklären sich bereit, in
dieser Hypothese für Marine Le Pen zu stimmen.
Mit
einem protektionistisch und betont „sozial“ klingenden Diskurs
versucht die Rechtsextreme, maximalen Nutzen aus dem Widerspruch
zwischen François Hollandes Wahlkampfinhalten vor zwei Jahren
–sowie den in ihn gesetzten Erwartungen einerseits -, und der
ausgesprochen wirtschaftsliberalen „Realpolitik“ andererseits zu
ziehen. Aber auch Marine Le Pen sieht sich Widersprüchen
ausgesetzt. So folgt die öffentliche Meinung ihr im Augenblick
bei einigen Themen, doch diese Unterstützung hinkt dabei auf
anderen Themenfeldern stark hinterher. So erklärten sich bei
einer Befragung, deren Ergebnisse am 30. August veröffentlicht
wurden, insgesamt 34 Prozent der Teilnehmer „oft
einverstanden mit Marine Le Pen“. Aber nur 14 Prozent
folgen ihr demnach beim Thema Euro-Ausstieg. Hingegen erklären
sich 54 Prozent mit ihr zur „Inneren Sicherheit“,
und 47 Prozent beim Thema „Laizität“ – also
Trennung von Religion und Staat, ein Thema, das die
FN-Vorsitzende quasi ausschließlich
als „Muslimproblem“ aufgreift – global
einverstanden.
Ein weiteres Problem für die Parteichefin des
Front National wäre die ausgesprochen dünne Personaldecke der
extremen Rechten, was jedenfalls qualifizierte Führungskräfte
betrifft. Seit Ende August forderte sie wiederholt lautstark
eine Auflösung des Parlaments und vorgezogene Neuwahlen, da die
derzeit amtierende Regierung das Vertrauen der Wahlbevölkerung
verloren habe. In einem solchen Falle, behauptete Marine Le Pen,
sei sie bereit zu regieren: Sie malte etwa in einem langen
Interview mit Le Monde aus, wie sie als
Premierministerin im Rahmen einer Kohabition – eines
Nebeneinanders von Premier und Staatspräsident aus
unterschiedlichen politischen Lagern – mit François Hollande
regieren würde. Präsident Hollande wäre demnach noch „für
die Einweihung von Blumentöpfen und für Gedenkfeiern“
zuständig.
Doch
in Wirklichkeit wäre der FN im derzeitigen Zustand unfähig,
Regierungsposten – von der Ministerebene über Berater bis hin zu
den hohen Beamten – in größerer
Zahl zu besetzen. Auch wenn die Partei sich seit den
Kommunalwahlen vom März bemüht, ihre nun über 1.000 örtlichen
Mandatsträger durch Fortbildungen zu administrativen,
juristischen und wirtschaftlichen Themen zu qualifizieren. Auch
hat die rechtsextreme Partei derzeit jedenfalls in einigen der
von ihr regierten elf Städten erhebliche Mühen. In der früheren
Arbeiterstadt Hayange in Lothringen, die durch die Stahlkrise
gebeutelt wurde, regiert seit März der 35jährige Bürgermeister
Fabien Engelmann vom FN. Ihm droht nun die Amtsenthebung. Seit
einigen Wochen spitzt sich die Krise mit seiner früheren ersten
Beisitzerin Marie Da Silva, einer ehemaligen Gewerkschafterin
und Journalistin, zu. Letztere wirft ihm autoritäre,
alleinherrliche Amtsführung vor. Am 3. September wurden ihr in
einer Abstimmung vom Kommunalparlament alle Vollmachten
entzogen. Aber vieles deutet auf Wahlbetrug hin. Engelmann
scheint die Unterstützung von Marine Le Pen verloren zu haben,
und viele in der Partei finden inzwischen, dass der in mehreren
Interviews geäußerte
muslimfeindliche Fanatismus Fabien Engelmanns allmählich zu viel
des Guten wird.
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