75 Jahre Zweiter Weltkrieg
Die Isolierung der Sowjetunion
Der sowjetisch-deutsche Nichtangriffspakt

von Informationsbüro des Ministerrats der Sowjetunion (1948)

09-2014

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Nach der Besetzung der Tschechoslowakei begann das faschistische Deutschland sich ganz offen, vor den Augen der ganzen Welt, zum Kriege vorzubereiten. Von England und Frankreich ermuntert, ließ Hitler alle Rücksicht fallen und hörte auf, sich als Anhänger einer friedlichen Regelung der europäischen Probleme aufzuspielen. Die bewegtesten Monate der Vorkriegszeit brachen an. Schon damals war es klar, daß jeder Tag die Menschheit einer beispiellosen Kriegskatastrophe näherbrachte.

Wie war nun damals die Politik der Sowjetunion einerseits und die Politik Großbritanniens und Frankreichs anderseits?

Der von den Geschichtsfälschern in den USA unternommene Versuch, einer Antwort auf diese Frage auszuweichen, zeugt lediglich von ihrem schlechten Gewissen.

Die Wahrheit ist die, daß England und Frankreich mit Unterstützung der regierenden USA-Kreise auch in dem schicksalschwangeren Frühjahr und Sommer 1939, als der Krieg vor der Tür stand, an ihrer früheren politischen Linie festhielten. Diese ihre Politik bestand in einer provokatorischen Aufhetzung Hitlerdeutschlands gegen die Sowjetunion, sie wurde zu betrügerischen Zwecken nicht nur mit pharisäischen Phrasen über die Bereitschaft, mit der Sowjetunion zusammenzuarbeiten, sondern auch mit mancherlei simplen diplomatischen Manövern verbrämt, durch die der wahre Charakter des gesteuerten politischen Kurses vor der öffentlichen Meinung der Völker verborgen werden sollte.

Zu diesen Manövern gehörten vor allem die Verhandlungen, die England und Frankreich 1939 mit der Sowjetunion anzubahnen beschlossen. Um die Öffentlichkeit zu täuschen, wollten die regierenden Kreise Englands und Frankreichs diese Verhandlungen als einen ernsthaften Versuch zur Verhinderung einer weiteren Ausbreitung der Hitleraggression hinstellen. Der spätere Gang der Ereignisse ließ jedoch ganz klar erkennen, daß England und Frankreich diese Verhandlungen von allem Anfang an nur als einen neuen Schachzug in ihrem Doppelspiel betrachteten.

Das war auch der Führung Hitlerdeutschlands klar, für die der Sinn der von den Regierungen Englands und Frankreichs mit der Sowjetunion gepflogenen Verhandlungen selbstverständlich kein Geheimnis war. Wie nämlich aus den von der Sowjetarmee bei der Niederwerfung Hitlerdeutschlands erbeuteten Dokumenten hervorgeht, schrieb z. B. Dirksen, der deutsche Botschafter in London, über diese Verhandlungen in einem Bericht an das deutsche Auswärtige Amt am 3. August 1939:

„Hier war wohl das Gefühl vorherrschend, daß gegenüber einem wirklichen Ausgleich mit Deutschland die in den letzten Monaten ins Leben gerufenen Bindungen mit anderen Mächten nur Behelfsmittel seien, die hinfällig werden, wenn das allein wichtige und erstrebenswerte Ziel der Einigung mit Deutschland einmal wirklich erreicht sei.“

Diese Meinung wurde von allen deutschen Diplomaten, die die Situation in London beobachteten, entschieden geteilt.

In einem anderen Geheimbericht nach Berlin schrieb Dirksen:

„England will sich durch Rüstungen und durch Bundesgenossen stark und der Achse ebenbürtig machen , aber es will gleichzeitig im Verhandlungsweg einen Ausgleich mit Deutschland suchen.“(1)

Die Verleumder und Geschichtsfälscher suchen diese Dokumente geheimzuhalten, da diese die Situation in den letzten Vorkriegsmonaten schlaglichtartig beleuchten. Ohne eine richtige Beurteilung dieser Situation aber ist es unmöglich, die Vorgeschichte des Krieges, wie sie wirklich war, zu verstehen. Als England und Frankreich Verhandlungen mit der Sowjetunion anbahnten und Polen, Rumänien und einigen anderen Staaten Garantien gewährten, trieben sie mit Unterstützung der regierenden USA-Kreise ein Doppelspiel, das auf eine Verständigung mit Hitlerdeutschland berechnet war, um dessen Aggression nach Osten, gegen die Sowjetunion, zu lenken.

Die Verhandlungen zwischen England und Frankreich einerseits und der Sowjetunion anderseits begannen im März 1939 und dauerten etwa vier Monate.

Wie der gesamte Verlauf dieser Verhandlungen mit aller Klarheit zeigte, strebte die Sowjetunion ein umfassendes und auf Gleichberechtigung fußendes Abkommen mit den Westmächten an, das Deutschland wenigstens noch im letzten Moment von der Entfesselung eines Krieges in Europa abhalten konnte, während die Regierungen Englands und Frankreichs, gestützt auf die Hilfe, die sie in den USA fanden, sich völlig andere Ziele steckten. Die regierenden Kreise Englands und Frankreichs, die es gewohnt sind, sich von anderen die Kastanien aus dem Feuer holen zu lassen, bemühten sich auch diesmal, der Sowjetunion Verpflichtungen aufzuzwingen, die der Sowjetunion bei der Abwehr einer eventuellen Hitleraggression die ganze Bürde der Opfer aufgehalst hätte, während England und Frankreich sich durch keinerlei Verpflichtungen gegenüber der Sowjetunion gebunden hätten.

Wäre den Machthabern Englands und Frankreichs dieses Manöver geglückt, dann wären sie der Verwirklichung ihres Hauptziels, Deutschland und die Sowjetunion möglichst rasch zu einem Zusammenstoß zu treiben, ein gut Stück näher gekommen. Die Sowjetregierung durchschaute aber diese Absicht. Sie stellte in allen Phasen der Verhandlungen den diplomatischen Tricks und Winkelzügen der Westmächte ihre offenen und klaren Vorschläge gegenüber, die nur einem einzigen Ziel dienen sollten, nämlich dem Schutz des Friedens in  Europa.

Es erübrigt sich, an alle Wechselfälle dieser Verhandlungen zu erinnern. Nur einige ganz wichtige Momente müssen wieder ins Gedächtnis gerufen werden.

Es genügt, auf die Bedingungen zurückzukommen, die die Sowjetregierung in diesen Verhandlungen stellte: Abschluß eines wirksamen Beistandspaktes gegen Aggression zwischen England, Frankreich und der Sowjetunion; Garantien Englands, Frankreichs und der Sowjetunion für die Staaten Mittel-und  Osteuropas, einschließlich sämtlicher europäischer Nachbarstaaten der UdSSR; Abschluß eines konkreten Militärabkommens zwischen England, Frankreich und der Sowjetunion über Formen und Ausmaße einer sofortigen und wirksamen Hilfe, die von diesen Staaten sowohl einander als auch den garantierten Staaten im Falle eines Angriffs der Aggressoren zu leisten wäre.(2)

Auf der dritten Tagung des Obersten Sowjets der UdSSR am 31. Mai 1939 führte W. M. Molotow aus, daß einige während dieser Verhandlungen gemachte englisch französische Vorschläge das elementare Prinzip der Gegenseitigkeit und gleicher Verpflichtungen vermissen lassen, das in allen auf Gleichberechtigung fußenden Vereinbarungen unerläßlich ist.

„Die Engländer und Franzosen“, sagte W. M. Molotow, „haben sich gegen den direkten Überfall von Aggressoren durch Pakte über gegenseitige Hilfe untereinander und mit Polen Garantien geschaffen und wollten sich im Falle des Überfalls von Aggressoren auf Polen und Rumänien die Hilfe der UdSSR sichern, aber sie ließen die Frage offen, ob die UdSSR ihrerseits auf ihre Hilfe rechnen kann, wenn ein direkter Überfall von Aggressoren auf sie erfolgt, ebenso wie sie die an deren Frage offenließen, ob sie sich an Garantien für die an die UdSSR angrenzenden kleinen Staaten beteiligen können, die die nordwestlichen Grenzen der UdSSR decken, falls diese Staaten nicht imstandesein sollten, ihre Neutralität gegen den Überfall von Aggressoren zu behaupten. Somit hat sich für die UdSSR eine ungleiche Lage ergeben."

Selbst als die englischen und französischen Vertreter in Worten dem Prinzip zustimmten, daß England, Frankreich und die Sowjetunion im Falle eines direkten Angriffs des Aggressors einander, unter der Bedingung der Gegenseitigkeit, Beistand leisten sollen, knüpften sie daran eine Reihe von Vorbehalten, die diese Zustimmung zu einer Fiktion machten.

Außerdem sahen die englisch-französischen Vorschläge die Hilfe der Sowjetunion für diejenigen Länder vor, denen die Engländer und Franzosen Garantieversprechungen gegeben hatten, aber dabei nichts sagten über ihre eigene Hilfe für die Länder an der Nordwestgrenze der UdSSR, die baltischen Staaten, wenn sie von einem Aggressor überfallen werden sollten.

Von diesen Erwägungen ausgehend, erklärte W. M. Molotow, die Sowjetunion könne keine Verpflichtungen hinsichtlich bestimmter Länder übernehmen, ohne daß den Ländern an der Nordwestgrenze der Sowjetunion dieselben Garantien gegeben werden.

Es sei noch an folgendes erinnert: Als Seeds, der britische Botschafter in Moskau, am 18. März 1939 beim Volkskommissar für auswärtige Angelegenheiten anfragte, wie sich die Sowjetunion im Falle einer Hitleraggression gegen Rumänien verhalten werde, über deren Vorbereitung den Engländern Meldungen vorlagen, und als von sowjetischer Seite die Gegenfrage gestellt wurde, was England unter solchen Umständen zu tun gedenke, wich Seeds einer Antwort aus und bemerkte, geographisch läge Rumänien der Sowjetunion näher als England.

Vom ersten Schritt an trat also ganz klar das Bestreben der regierenden Kreise Englands zutage, die Sowjetunion durch bestimmte Verpflichtungen zu binden, sich selbst aber abseits zu halten. Diese simple Methode wurde dann während der ganzen Verhandlungen systematisch immer wieder angewandt.

In Beantwortung der britischen Anfrage schlug die Sowjetregierung vor, eine Beratung von Vertretern der meistinteressierten Länder -nämlich Großbritanniens, Frankreichs, Rumäniens, Polens, der Türkei und der Sowjetunion -einzuberufen. Nach Ansicht der Sowjetregierung hätte eine solche Beratung die größten Möglichkeiten geboten, die wirkliche Sachlage zu klären und den Standpunkt aller Beteiligten festzustellen. Die britische Regierung antwortete jedoch, sie halte den Sowjetvorschlag für verfrüht. Statt eine  Konferenz einzuberufen, die es ermöglicht hätte, sich über konkrete Maßnahmen zur Bekämpfung der Aggression zu einigen, schlug die englische Regierung der Sowjetregierung am 21. März 1939 vor, gemeinsam mit ihr sowie mit Frankreich und Polen eine Deklaration zu unter zeichnen, in der sich die Signatarregierungen verpflichten sollten, „miteinander darüber zu beraten, welche Schritte unternommen werden sollten, um gemeinsamen Widerstand zu leisten“ im Falle einer Gefahr für „die Unabhängigkeit irgendeines europäischen Staates“. Der britische Botschafter suchte die Annehmbarkeit seines Vorschlags nachzuweisen und legte besonderen Nachdruck auf den Umstand, daß die Deklaration recht unverbindlich formuliert sei.

Es war völlig klar, daß eine solche Deklaration nicht als ernsthaftes Mittel zur Bekämpfung der von Seiten des Aggressors drohenden Gefahr dienen konnte.

Die Sowjetregierung war jedoch der Meinung, selbst eine so wenig versprechende Deklaration könne einen gewissen Fortschritt in der Zügelung des Aggressors darstellen, und erklärte sich mit dem englischen Vorschlag einverstanden. Aber schon am 1. April 1939 teilte der britische Botschafter in  Moskau mit, England sei der Meinung, daß eine gemeinsame Deklaration nicht mehr in Frage komme.

Nach weiteren zweiwöchigen Verzögerungen machte der englische Außenminister Halifax der Sowjetregierung durch den Botschafter in Moskau den neuen Vorschlag, die Sowjetregierung solle erklären, daß „im Falle eines Aggressionsaktes gegen irgendeinen europäischen Nachbar der Sowjetunion, der Widerstand leisten würde, auf den Beistand der Sowjetregierung, falls er erwünscht sein sollte, gerechnet werden könne“.

Der Kernpunkt dieses Vorschlags war, daß die Sowjetunion im Falle eines deutschen Aggressionsaktes gegen Lettland, Litauen, Estland und Finnland verpflichtet sein sollte, diesen Ländern Hilfe zu leisten, ohne daß England irgendwelche Beistandsverpflichtungen übernahm, d. h. die Sowjetunion sollte sich allein in einen Krieg mit Deutschland einlassen. Was Polen und Rumänien betrifft, denen England Garantien gegeben hatte, so sollte die Sowjetunion auch ihnen gegen den Aggressor Hilfe leisten. Aber auch in diesem Falle wollte  England keinerlei Verpflichtungen gemeinsam mit der Sowjetunion übernehmen, es behielt sich freie Hand vor und sicherte sich einen Spielraum für beliebige Manöver, ganz zu schweigen davon, daß Polen und Rumänien sowie die baltischen Randstaaten diesem Vorschlag zufolge keinerlei Verpflichtungen gegenüber der Sowjetunion übernehmen sollten.

Die Sowjetregierung wollte jedoch keine einzige Möglichkeit ungenutzt lassen, um eine Vereinbarung mit an deren Mächten über den gemeinsamen Kampf gegen eine Hitleraggression zu erzielen. Ohne die geringste Verzögerung machte sie der britischen Regierung einen Gegenvorschlag. Dieser Gegenvorschlag bestand darin, daß, erstens, die Sowjetunion, England und Frankreich sich gegenseitig verpflichten sollten, einander unverzüglich jeden, auch militärischen, Beistand zu leisten, falls gegen einen dieser Staaten eine Aggression unternommen wird; zweitens, daß die Sowjetunion, England und  Frankreich sich verpflichten sollten, den zwischen der Ostsee und dem Schwarzen Meer gelegenen, an die Sowjetunion grenzenden Staaten Osteuropas im Falle einer Aggression gegen diese Staaten jeden, auch militärischen, Beistand zu leisten. Schließlich und drittens sollten die Sowjetunion, England und Frank reich sich verpflichten, in kurzer Frist Ausmaße und Formen des militärischen Beistands festzulegen, der jedem dieser Staaten in den beiden erwähnten Fällen zu leisten wäre.

Das waren die wichtigsten Punkte des Sowjetvorschlags. Man erkennt unschwer den grundlegenden Unterschied zwischen dem Vorschlag der Sowjetunion und demjenigen Großbritanniens, da ja der Sowjetvorschlag tatsächlich wirksame Maßnahmen zum gemeinsamen Vorgehen gegen die Aggression enthielt.

Im Verlauf von drei Wochen traf keinerlei Antwort der englischen Regierung auf diesen Vorschlag ein. Da dies in England zunehmende Beunruhigung hervorrief, sah die englische Regierung sich schließlich genötigt, ein neues Manöver zur Täuschung der Öffentlichkeit zu ersinnen.

Am 8. Mai traf in Moskau die englische Antwort, genauer gesagt, der englische Gegenvorschlag ein. Wieder wurde der Sowjetregierung vorgeschlagen, eine einseitige Erklärung abzugeben, in der sie „die Verpflichtung über nehmen würde, daß falls Großbritannien und Frankreich in Erfüllung ihrer Verpflichtungen“ (gegenüber Belgien, Polen, Rumänien, Griechenland und der Türkei) „in Feindseligkeiten verwickelt würden, der Beistand der Sowjetregierung, falls erwünscht, unverzüglich verfügbar sein werde und in zu vereinbarender Weise und zu vereinbaren den Bedingungen gewährt würde“.

Auch in diesem Vorschlag handelte es sich um einseitige Verpflichtungen der Sowjetunion. Sie sollte sich zur Hilfeleistung an England und Frankreich verpflichten, die ihrerseits der Sowjetunion gegenüber absolut keinerlei Verpflichtungen im Hinblick auf die baltischen Republiken übernahmen. England schlug somit vor, die Sowjetunion in eine benachteiligte Lage zu versetzen, wie sie für jeden unabhängigen Staat unannehmbar und untragbar ist.

Es ist leicht zu begreifen, daß der englische Vorschlag nicht so sehr für Moskau wie für Berlin bestimmt war. Man legte Deutschland nahe, die Sowjetunion zu überfallen, und gab zu verstehen, daß England und Frankreich neutral bleibenwürden, vorausgesetzt, daß der deutsche Überfall über das Baltikum erfolgt.

Noch komplizierter wurden die Verhandlungen zwischen der Sowjetunion, England und Frankreich am 11. Mai durch die Erklärung Grzybowskis, des polnischen Botschafters in Moskau, daß „Polen es nicht für möglich hält, mit der UdSSR einen Beistandspakt abzuschließen ...“.

Selbstverständlich konnte der Vertreter Polens eine solche Erklärung nur mit Wissen und Billigung der regierenden Kreise Englands und Frankreichs abgeben.

Die Vertreter Englands und Frankreichs benahmen sich während der Verhandlungen in Moskau derart provokatorisch, daß sich selbst im regierenden Lager der Westmächte Leute fanden, die ein so plumpes Spiel scharf kritisierten. So schrieb Lloyd George im Sommer 1939 in der französischen Zeitung „Ce Soir“ einen schroffen Artikel gegen die Leiter der englischen Politik. Hinsichtlich der Ursachen der endlosen Scherereien, in denen die Verhandlungen Englands und Frankreichs mit der Sowjetunion versackt waren, schrieb Lloyd George, hier gebe es nur eine Antwort:

„Neville Chamberlain, Halifax und John Simon wünschen kein Übereinkommen mit Rußland."

Was Lloyd George klar war, das war selbstverständlich den Obermachern Hitlerdeutschlands nicht minder klar, die sehr wohl begriffen, daßdie Westmächte an eine ernst hafte Übereinkunft mit der Sowjetunion gar nicht dachten, sondern ein ganz anderes Ziel verfolgten, nämlich Hitler zum baldigsten Überfall auf die Sowjetunion anzutreiben. Man setzte ihm gewissermaßen einen Preis für diesen Angriff aus, indem man für den Fall eines Krieges mit Deutschland die Sowjetunion in die ungünstigste Lage versetzte.

Zudem zogen die Westmächte die Verhandlungen mit der Sowjetunion endlos in die Länge und suchten die wesentlichen Fragen in einem Sumpf belangloser Zusatzanträge und zahlloser Varianten untergehen zu lassen. Jedesmal, wenn von irgendwelchen realen Verpflichtungen die Rede war, gaben sich die Vertreter dieser Mächte den Anschein, als ob sie nicht begriffen, worum es sich handle.

Ende Mai machten England und Frankreich neue Vorschläge, die die frühere Variante in einigen Beziehungen verbesserten, aber die für die Sowjetunion wesentlich wichtige Frage einer Garantie für die drei an der Nordwest grenze der Sowjetunion liegenden baltischen Republiken nach wie vor offenließen.

Somit setzten die Machthaber Englands und Frankreichs, obgleich sie unter dem Druck der öffentlichen Meinung ihrer Länder in Worten gewisse Konzessionen machten, ihre frühere Linie fort und knüpften an ihre Vor schläge Vorbehalte, die diese Vorschläge, wie sie sehr wohl wußten, für dieSowjetunion  unannehmbar machten.

Die Haltung der englischen und französischen Vertreter während der Moskauer Verhandlungen war so unerträglich, daß W. M. Molotow am 27. Mai 1939 dem britischen Botschafter Seeds und dem französischen Geschäftsträger Payart erklären mußte, der von ihnen vorgelegte Entwurf eines Abkommens über gemeinsamen Widerstand gegen den Aggressor in Europa enthalte keinen Plan eines effektiven gegenseitigen Beistands der UdSSR, Englands und Frankreichs und zeuge nicht einmal von ernster Interessiertheit der englischen und der französischen Regierung an einem entsprechenden Pakt mit der Sowjetunion. Hier bei wurde geradeheraus gesagt, der englisch-französische Vorschlag lege den Gedanken nahe, daß den Regierungen Englands und Frankreichs weniger an einem Pakt selbst gelegen sei als vielmehr an Gesprächen über ihn. Es sei möglich, daß England und Frankreich diese Gespräche für irgendwelche Zwecke nötig hätten. Der Sowjetregierung seien diese Zwecke unbekannt. Die Sowjetregierung sei nicht an Gesprächen über einen Pakt interessiert, sondern an Organisierung eines wirksamen gegenseitigen Beistands der UdSSR, Englands und Frankreichs gegen eine Aggression in Europa. Die englischen und französischen Vertreter wurden darauf aufmerksam gemacht, daß die Sowjetregierung nicht die Absicht habe, sich an Gesprächen über einen Pakt zu beteiligen, deren Zweck die UdSSR nicht kenne, und daß die englische und die französische Regierung solche Gespräche mit Partnern führen könnten, die sich hierzu besser eignen als die UdSSR.

Die Moskauer Verhandlungen zogen sich endlos hin. Die Ursachen dieser unstatthaften Verschleppung der Verhandlungen wurden in der Londoner „Times“ ausgeplaudert, in der geschrieben stand: „Ein rasch und entschlossen zustande kommendes Bündnis mit Rußland könnte anderen Verhandlungen hinderlich sein...“(3) Wenn die „Times“ von „anderen Verhandlungen“ sprach, so hatte sie offenbar die Verhandlungen im Auge, dieder britische Überseehandelsminister Robert Hudson mit Dr. Helmut Wohltat, einem Wirtschaftsberater Hitlers, über die Möglichkeit einer sehr großen englischen Anleihe an Hitlerdeutschland führte, wo von noch die Rede sein wird.

Außerdem führte bekanntlich, einer Pressemeldung zu folge, an dem Tage, als die Hitlerwehrmacht in Prag ein marschierte, eine Delegation der Federation of British Industries in Düsseldorf Verhandlungen über den Abschluß eines weitgehenden Abkommens mit der deutschen Großindustrie.

Auffällig war auch der Umstand, daß Großbritannien mit der Führung von Verhandlungen in Moskau zweitrangige Personen beauftragte, wogegen zu den Verhandlungen mit Hitler Chamberlain selbst, und das mehrmals, von England nach Deutschland gereist war. Wichtig ist weiter die Feststellung, daß Sir William Strang, der englische Vertreter für die Verhandlungen mit der UdSSR, keine Vollmacht besaß, irgendwelche Abkommen mit der Sowjetunion zu unterzeichnen.

Da die Sowjetunion verlangte, daß zu konkreten Verhandlungen über Kampfmaßnahmen gegen einen eventuellen Aggressor übergegangen werde, mußten die Regierungen Englands und Frankreichs sich bereit erklären, Militärmissionen nach Moskau zu entsenden. Diese Missionen waren jedoch ungewöhnlich lange nach Moskau unterwegs, und als sie eintrafen, da zeigte es sich, daß sie aus zweitrangigen Personen bestanden, die überdies nicht die Vollmacht besaßen, irgendein Abkommen zu unterzeichnen. Unter diesen Umständen waren die militärischen Verhandlungen ebenso fruchtlos wie die politischen.

Die Militärmissionen der Westmächte gaben sofort zu erkennen, daß sie nicht gewillt waren, ernsthaft über Mittel und Wege eines gegenseitigen Beistands im Falle einer deutschen Aggression zu sprechen. Die sowjetische Militärmission ging davon aus, daß die UdSSR, da sie keine gemeinsame Grenze mit Deutschland besaß, England, Frankreich und Polen im Falle eines Kriegsausbruchs nur unter der Voraussetzung beistehen könne, daß den Sowjettruppen der Durchmarsch durch polnisches Territorium gestattet werde. Die polnische Regierung erklärte jedoch, sie werde eine militärische Hilfe der Sowjetunion nicht annehmen, und zeigte damit, daß sie eine Stärkung der Sowjetunion mehr fürchtete als die Hitleraggression. Der Standpunkt Polens wurde sowohl von der englischen als auch von der französischen Mission unterstützt.

Im Verlauf der militärischen Unterhandlungen wurde ferner die Frage der zahlenmäßigen Stärke der Streitkräfte aufgeworfen, die von den Paktteilnehmern im Falle einer Aggression sofort eingesetzt werden sollten. Die Engländer nannten hierbei eine lächerliche Zahl: sie erklärten, daß sie 5 Infanteriedivisionen und 1 mechanisierte Division ins Feld stellen könnten. Und  diesen Vorschlag machten die Engländer in einem Augenblick, wo die Sowjetunion sich bereit erklärte, an der Front gegen den Aggressor 136 Divisionen, 5000 mittlere und schwere Geschütze, an die 10 000 Panzer und Kleinkampfwagen, mehr als 5000 Kampfflugzeuge usw. einzusetzen! Hieraus ersieht man, wie wenig die englische Regierung die Verhandlungen über den Abschluß eines militärischen Abkommens mit der UdSSR ernst nahm.

Die vorstehenden Angaben genügen, um die Schlußfolgerung zu bestätigen, die sich von selbst ergibt. Diese Schlußfolgerung lautet:

1.

Die Sowjetregierung war während der ganzen Verhandlungen mit außerordentlicher Geduld bemüht, ein Übereinkommen mit England und Frankreich über gegenseitigen Beistand gegen den Aggressor auf Grundlage der Gleichberechtigung zustande zu bringen, und zwar unter der Bedingung, daß der gegenseitige Beistand wirklich effektiv sei, d. h. daß neben einem politischen Vertrag eine Militärkonvention unterzeichnet werde, in der die Ausmaße, Formen und Fristen des Beistands festgelegt werden, weil der gesamte vorherige Gang der Ereignisse genügend klar gezeigt hatte, daß nur ein solches  Abkommen effektiv sein könnte und geeignet wäre, den hitlerfaschistischen Aggressor, der durch seine völlige Straflosigkeit und durch die Vorschubleistung der Westmächte viele Jahre lang verwöhnt war, zur Vernunft zu bringen.

2.

Die Haltung Englands und Frankreichs während der Verhandlungen mit der Sowjetunion bestätigte restlos, daß sie an ein ernstes Abkommen mit der UdSSR gar nicht dachten, da die Politik Englands und Frankreichs durch andere Ziele bestimmt war, die mit den Interessen des Friedens und des Kampfes gegen Aggression nichts gemein hatten.

3.

Die heimtückische Absicht der englisch-französischen Politik bestand darin, Hitler zu verstehen zu geben, die UdSSR habe keine Verbündeten, die UdSSR sei isoliert, Hitler könne die UdSSR überfallen, ohne zu riskieren, bei England und Frankreich auf Widerstand zu stoßen.

Unter diesen Umständen ist es nicht verwunderlich, daß die britisch-französischsowjetischen Verhandlungen mit einem Fiasko endeten.

Dieses Fiasko war natürlich kein Zufall. Es wurde immer offensichtlicher, daß die Vertreter der Westmächte in ihrem Doppelspiel von vornherein das Scheitern der Verhandlungen beabsichtigt hatten. Die Sache war die, daß neben den offen geführten Verhandlungen mit der UdSSR die Engländer hinter den Kulissen Verhandlungen mit Deutschland pflogen und diesen Verhandlungen unvergleichlich größere Bedeutung beimaßen.

Während die regierenden Kreise der Westmächte mit ihren Verhandlungen inMoskau vor allem danach strebten, die Öffentlichkeit ihrer Länder in Sicherheit zu wiegen und die Völker, die in den Krieg geschleift wurden, zu täuschen,  waren die Verhandlungen mit den Hitlerfaschisten ganz anders geartet.

Das Programm der englisch-deutschen Verhandlungen war hinreichend klar formuliert worden durch den britischen Außenminister Halifax, der zu einer Zeit, wo seine Beamten die Verhandlungen in Moskau fortsetzten, an Hitlerdeutschland unzweideutige Aufforderungen richtete. Am 29. Juni 1939, in  seiner Rede auf einem Bankett im Royal Institute of International Affairs, sprach Halifax die Bereitschaft aus, sich mit Deutschland über alle „die Welt alarmierenden“ Fragen zu verständigen. Er sagte:

„In einer solchen Atmosphäre könnten wir das Kolonialproblem, die Rohstofffrage, die Handelsbarrieren, den ,Lebensraum’ , die Einschränkung der Rüstungen und alle anderen, die Europäer betreffenden Fragen erörtern.“ 4)

Erinnert man sich, wie die Halifax nahestehende konservative „Daily Mail“ schon 1933 das Problem des „Lebensraums“ traktiert hatte, als sie den Hitlerfaschisten vorschlug, der UdSSR „Lebensraum“ zu entreißen, so bleibt nicht der geringste Zweifel über den wirklichen Sinn der Halifaxschen Erklärung bestehen. Es war der offene Vorschlag an Hitlerdeutschland, sich über die Aufteilung der Welt und der Einflußsphären zu verständigen, der Vorschlag, alle Fragen ohne die Sowjetunion und hauptsächlich auf Kosten der Sowjetunion zu entscheiden.

Noch im Juni 1939 begannen Vertreter Englands streng geheime Verhandlungen mit Deutschland, vertreten durch Wohltat, den in London eingetroffenen Bevollmächtigten Hitlers für den Vierjahresplan; der britische Überseehandelsminister Hudson und der nächste Berater Chamberlains, G. Wilson, hatten mit ihm Unterredungen. Der Inhalt dieser Juniverhandlungen ist  vorläufig noch in den Geheimfächern der diplomatischen Archive begraben. Im Juli jedoch machte Wohltat in London einen neuen Besuch, und die Verhandlungen wurden wieder aufgenommen. Der Inhalt dieser zweiten Verhandlungsrunde ist jetzt bekannt aus den der Sowjetregierung zur Verfügung  stehenden erbeuteten deutschen Dokumenten, die bald veröffentlicht werden sollen.

Hudson und G. Wilson machten Wohltat und später auch dem deutschen Botschafter in London, Dirksen, den Vorschlag, geheime Verhandlungen über ein weitgehendes Abkommen einzuleiten, das auch eine Vereinbarung über die Aufteilung der Einflußsphären in der ganzen Welt und über die Ausschaltung der Möglichkeit, sich „auf den gemeinschaftlichen Märkten totzukonkurrieren“, enthalten würde. Hierbei wurde vorgesehen, Deutschland den vorherrschenden Einfluß in Südosteuropa zuzugestehen. Dirksen teilte dem deutschen Auswärtigen Amt in seinem Bericht vom 21. Juli 1939 mit, das von Wohltat und Wilson erörterte Programm erstrecke sich auf politische, militärische und wirtschaftliche Leitsätze. Unter den politischen Fragen wurde neben einem Nichtangriffspakt auch einem Nichteinmischungspakt besondere Beachtung geschenkt, der die „Abgrenzung der Großräume der Hauptmächte, insbesondere also Englands und Deutschlands, in sich schließen solle“.(5)

Bei Besprechung der mit dem Abschluß dieser beiden Pakte zusammenhängenden Fragen versprachen die englischen Vertreter, ihre Regierung werde, falls diese Pakte unterzeichnet werden, die von ihr soeben Polen gewährten Garantien zurückziehen.

Falls das englisch-deutsche Abkommen abgeschlossen werden sollte, seien die Engländer bereit, es den Deutschen zu überlassen, die Danziger Frage ebenso wie die Frage des Polnischen Korridors allein mit Polen zu entscheiden, und  wollten sich verpflichten, in die Lösung dieser Frage nicht einzugreifen.

Weiter bestätigte Wilson, wie aus den in Kürze zu veröffentlichenden Berichten Dirksens ebenfalls dokumentarisch hervorgeht, daß mit der englischen  Garantiepolitik, falls die obengenannten Pakte zwischen England und Deutschland zum Abschluß kämen, faktisch Schluß gemacht werden würde.

Dirksen bemerkte zu dieser Frage in seinem Bericht:

„Dann wäre Polen gewissermaßen mit Deutschland allein gelassen.“

Alles das bedeutete, daß die Machthaber Englands bereit waren, Polen von Hitler zerfleischen zu lassen, als auf dem Schriftstück mit den englischen Garantien für Polen die Tinte noch nicht getrocknet war.

Gleichzeitig wäre mit dem Abschluß des englisch-deutschen Abkommens das Ziel erreicht worden, das England und Frankreich sich gesteckt hatten, als sie Verhandlungen mit der Sowjetunion begannen, und es wäre noch leichter geworden, schnell einen Zusammenstoß zwischen Deutschland und der UdSSR herbeizuführen.

Schließlich sollte das politische Abkommen zwischen England und Deutschland durch ein Wirtschaftsabkommen ergänzt werden, das eine geheime Abmachung über Kolonialfragen, die Verteilung der Rohstoffe, die Aufteilung der Märkte sowie eine große englische Anleihe für Deutschland enthalten sollte.

Den Machthabern Englands schwebte somit die lockende Aussicht vor, zu einem dauerhaften Abkommen mit Deutschland zu gelangen und die deutsche Aggression, wie man gern sagte, nach Osten zu „kanalisieren“, gegen Polen, das von ihnen soeben „Garantien“ erhalten hatte, und gegen die Sowjetunion.

Ist es danach verwunderlich, daß die Verleumder und Geschichtsfälscher diese Tatsachen sorgfältig verschweigen und zu unterschlagen suchen, Tatsachen, die von entscheidender Bedeutung für das Verständnis der Situation sind, in der somit der Krieg unausbleiblich wurde?

Zu dieser Zeit konnte nicht mehr daran gezweifelt werden, daß England und Frankreich nicht nur keine ernste Absicht hatten, irgend etwas zu unternehmen, um Hitlerdeutschland an der Entfesselung des Krieges zu hindern, sondern daß sie, im Gegenteil, alles taten, was in ihren Kräften stand, um durch geheime Verabredungen und Abmachungen und durch alle möglichen Provokationen Hitlerdeutschland auf die Sowjetunion zu hetzen.

Es wird keinem Falschmünzer gelingen, sei es in der Geschichte, sei es im Bewußtsein der Völker, die entscheidende Tatsache zu verdunkeln, daß die Sowjetunion unter diesen Umständen die Wahl hatte:

entweder zum Zwecke des Selbstschutzes dem von Deutschland vorgeschlagenen Abschluß eines Nichtangriffsvertrags zuzustimmen und dadurch der Sowjetunion noch für eine bestimmte Zeit den Frieden zu sichern, die vom Sowjetstaat für eine bessere Vorbereitung seiner Kräfte zur Abwehr eines eventuellen Aggressorenüberfalls ausgenutzt werden konnte,

oder den von Deutschland vorgeschlagenen Nichtangriffspakt abzulehnen und es dadurch den Kriegsprovokateuren aus dem Lager der Westmächte zu ermöglichen, die Sowjetunion sofort, in einer für sie ganz unvorteilhaften Situation, in der sie völlig isoliert gewesen wäre, in einen bewaffneten Konflikt mit Deutschland hineinzuhetzen.

In dieser Situation sah die Sowjetregierung sich gezwungen, ihre Wahl zu treffen und einen Nichtangriffspakt mit Deutschland abzuschließen.

Diese Wahl war in der damals entstandenen Situation ein umsichtiger und kluger Schritt der sowjetischen Außenpolitik. Dieser Schritt der Sowjetregierung bestimmte von vornherein in hohem Maße den für die Sowjetunion und alle anderen freiheitliebenden Völker günstigen Ausgang des zweiten Weltkrieges.

Es wäre eine grobe Verleumdung, wenn man behaupten wollte, daß der Abschluß eines Paktes mit den Hitlerfaschisten zum außenpolitischen Plan der UdSSR gehört hat. Im Gegenteil, die UdSSR war dauernd bestrebt gewesen, zu einem Abkommen mit den nichtaggressiven Weststaaten gegen die deutschen und italienischen Aggressoren zu gelangen, um auf der Grundlage der Gleichheit die kollektive Sicherheit zu verwirklichen. Ein Abkommen aber ist ein Akt der Gegenseitigkeit. Während die UdSSR ein Abkommen über die Bekämpfung der Aggression anstrebte, lehnten England und Frankreich ein solches systematisch ab, da sie es vorzogen, eine Politik der Isolierung der UdSSR zu treiben, eine Politik der Zugeständnisse an die Aggressoren, eine Politik, die darauf ausging, die Aggression nach dem Osten, gegen die Sowjetunion hinzulenken. Die Vereinigten Staaten von Amerika unterließen es nicht nur, einer solchen verhängnisvollen Politik entgegenzuwirken, sondern  ließen ihr, im Gegenteil, jede Unterstützung angedeihen. Was die amerikanischen Milliardäre anbelangt, so legten sie auch weiter ihre Kapitalien in der deutschen Schwerindustrie an, halfen den Deutschen bei der Entwicklung ihrer Rüstungsindustrie und bewaffneten somit die deutschen Aggressoren, als ob sie sagen wollten: „Führt nur getrost Krieg, ihr Herren Europäer, führt Krieg mit Gottes Hilfe, indessen wir bescheidenen amerikanischen Milliardäre an  eurem Krieg verdienen und hunderte Millionen Dollar Extraprofite einsacken.“

Man begreift, daß der Sowjetunion angesichts einer solchen Sachlage in Europa nur der eine Ausweg blieb, den von den Deutschen vorgeschlagenen Pakt zu akzeptieren. Dies war immerhin von allen denkbaren Auswegen der beste.

Wie die Sowjetunion 1918 infolge der feindseligen Politik der Westmächte gezwungen war, mit den Deutschen den Frieden von Brest-Litowsk abzuschließen, so sah sich die Sowjetunion auch diesmal, im Jahre 1939, zwanzig Jahre nach dem Brester Frieden, gezwungen, angesichts der gleichen feindseligen Politik Englands und Frankreichs einen Pakt mit den Deutschen  abzuschließen.

Das Gerede aller möglichen Verleumder, die UdSSR hätte es sich trotzdem nicht erlauben dürfen, auf einen Pakt mit den Deutschen einzugehen, kann nur als lächerlich bezeichnet werden. Weshalb durfte Polen, das England und Frankreich zu Verbündeten hatte, 1934 mit den Deutschen einen  Nichtangriffspakt abschließen, während die Sowjetunion, die sich in einer weniger günstigen Lage befand, 1939 einen solchen Pakt nicht abschließen durfte? Weshalb durften England und Frankreich, die den herrschenden Machtfaktor in Europa darstellten, 1938 gemeinsam mit den Deutschen eine Nichtangriffsdeklaration unterzeichnen, während die Sowjetunion, die infolge der feindseligen Politik Englands und Frankreichs isoliert war, sich auf einen Pakt mit den Deutschen nicht einlassen durfte?

Ist es denn nicht Tatsache, daß die Sowjetunion unter allen nichtaggressiven Großmächten Europas die letzte war, die sich zu einem Pakt mit den Deutschen bereit erklärte?

Gewiß, die Geschichtsfälscher und sonstigen Reaktionäre sind unzufrieden damit, daß es der Sowjetunion gelang, den sowjetisch-deutschen Pakt geschickt zum Ausbau ihrer Landesverteidigung auszunutzen, daß es ihr gelang, ihre Grenzen weit nach Westen vorzuverlegen und dem unbehinderten Vormarsch der deutschen Aggressoren nach Osten den Weg zu versperren, daß die Hitlertruppen ihre Offensive nach Osten nicht von der Linie Narva-Minsk-Kiew  beginnen konnten, sondern von einer hunderte Kilometer weiter westlich liegenden Linie, daß die UdSSR im Vaterländischen Krieg nicht verblutete, sondern aus dem Kriege als Sieger hervorgegangen ist. Aber diese Unzufriedenheit gehört bereits in das Kapitel der ohnmächtigen Wut gescheiterter Politiker.

Die wutschnaubende Unzufriedenheit dieser Herren kann nur als eine Demonstration der unbestreitbaren Tatsache aufgefaßt werden, daß die Politik der Sowjetunion eine richtige Politik war und bleibt.

Fußnoten

1) von Dirksen, „Aufzeichnung über die  Entwicklung der politischen Beziehungen zwischen Deutschland und England während meiner Amtszeit in London“, verfaßt September 1939.

2) Siehe Rede von W. M. Molotow auf der dritten Tagung des Obersten Sowjets der UdSSR am 31. Mai 1939.

3) Sayers and Kahn, "The Great Conspiracy: The Secret War Against Soviet Russia", Boston, 1946, p, 329

4) „Speeches on Foreign Policy”, by Viscount Halifax, Oxford University Press, London, 1940, p. 296.

5) Aufzeichnung des deutschen Botschafters in England, Dirksen, vom 21, Juli 1939, aus dem Archiv des deutschen Auswärtigen Amtes.

Editorische Hinweise

Der vorliegende Leseauszug entstammt der 2. Ausgabe, S. 33-49: Geschichtsfälscher; eine historische Richtigstellung, veröffentlicht vom Informationsbüro des Ministerrats der Sowjetunion. Berlin, Verlag "Tägliche Rundschau" [1948] 71 Seiten, nachgedruckt von der KPD/ML 1971, siehe dazu die virtuelle Fassung: http://www.mao-projekt.de

Die 1. Ausgabe erschien 1946 im Verlag für Fremdsprachige Literatur Moskau, 62 Seiten