Noch mehr Geld für Bauherren und Banken
Mietenpolitik in den Wahlkampfprogrammen der Bundestagsparteien

von Klaus L.

09-2013

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Angesichts wachsender Mieterproteste liefern Regierung und Opposition Lippenbekenntnise zu „Wohnungsbau für niedrige Einkommen“. Katastrophale Unterversorgung mit bezahlbaren Wohnungen, unaufhaltsamer Anstieg der Mieten – diese Themen beherrschen die öffentliche Diskussion. Das Pestel-Institut errechnete einen Fehlbestand von über 4 Mio. Sozialwohnungen bundesweit. Für die Bevölkerungsmehrheit folgt daraus vor allem eines: Staatlich geförderter öffentlicher Wohnungsbau mit Mietpreisbegrenzung und Belegungsbindung muß her! Das ist eine Minimalforderung, denn die anhaltende Verdrängung von Bestandsmietern mit geringen und mittleren Einkommen wird damit nicht aufgehalten.

Seit 100 Jahren, seit Monopole die Grundlage der kapitalistischen Wirtschaft bilden, sind staatliche Eingriffe aus der Wohnungsversorgung nicht wegzudenken. „Sozialer Wohnungsbau“ steht in der BRD für ein gigantisches Subventionsprogramm für Banken, Eigentümer und Bauindustrie. Zigtausende SozialmieterInnen, die auf die Straße fliegen, zahlen für die „Förderung“ der Kapitalistenklasse heute die Zeche. Die jetzt zu fordernden Maßnahmen wären eine Rückholung erkämpfter Rechte. Doch CDU/CSU/FDP schufen Fakten, die deutlicher als ihre Wahlprogamme sprechen: Am 1. Mai trat das Mietrechtänderungsgesetz in Kraft.

Die Jagdsaison auf Mieter ist eröffnet

Das heißt: Modernisierungsmaßnahmen werden zu 11 % Prozent auf Mieter umgelegt (SPD fordert 9%, LINKE „bloß“ 5 %). „Energetische Sanierung“ wird zum mietpreistreibenden Faktor erster Ordnung. Abgeschafft wurde das Recht auf Mietreduktion während der Modernisierung. Einspruchsmöglichkeiten gegen den Umbau, vorgreifende Härtefallregelungen gibt es nicht mehr. Bei geringsten Unpünktlichkeiten der Miet- oder Kautionszahlung ist der Kündigungsschutz aufgehoben. Erlangung und Durchsetzung von Räumungstiteln sind vereinfacht, Räumungsklagen werden massenhaft folgen. Der Schlag geht gegen Mietverhältnisse als solche: Das Unterzeichnen eines Mietvertrages soll so abschreckend wie möglich gemacht werden. Kein Zufall, daß CDU/CSU gleichzeitig mit der Durchsetzung dieses „Rechts“ die „Eigenheimförderung“ forcieren, sowie private Investitionen in den Wohnungsbau durch zinsverbilligte Kredite und „möglichst niedrige“ Grunderwerbssteuer. Die Note der GRÜNEN liegt in der Betonung, daß sie „notfalls“ auch weiterhin privatisieren wollen. Die FDP macht klar, daß sie Mietpreisdeckelung, Sanierungsverbote, öffentlich geförderten Wohnungsbau mit Bindung rundweg ablehnt. So extremistisch „marktradikal“ das klingt, beschreibt es doch die Wirklichkeit auch in Ländern, wo SPD und LINKE regier(t)en.

Bauboom statt bezahlbarer Mieten

Das Legitimitätproblem der Sozialdemokratie wird an der Wohnungsfrage überdeutlich. Ihr oblag stets, staatsmonopolistische Interventionen als „gemeinwohlorientiert“ und arbeiterklassenfreundlich zu verkaufen, zuletzt aber den radikalen Abzug staatlichen Handelns aus jeder sozialen Orientierung durchzusetzen. In Berlin leisteten das SPD und LINKE. Doch richten sich auf das Versprechen „Sozialstaatlichkeit“ immer noch die größten Hoffnungen der außerparlamentarischen Mieterbewegung, so parteienfeindlich sie sich sonst auch gibt. Der mietenpolitische Abschnitt im Wahlprogramm der SPD übt sich deshalb in Mimikry: „Aktionsprogramm für eine solidarische Stadt und bezahlbares Wohnen“, das ganze auf weniger als 2 Seiten von 120. Die SPD läßt keinen Zweifel, daß Wohnraumversorgung für sie der Profitvermehrung dient und Haushaltsmittel ausschließlich zu diesem Zweck fließen. Das Mietenproblem sollen Wohngeld und Heizkostenzuschuß regeln – also ebenfalls Subvention der Preistreiber. Das Programm erschöpft sich in der Ansage: „Neubau fördern“. Da kommunalen Wohnungsunternehmen dabei eine Schlüsselrolle zukäme, sei am Beispiel Berlin gezeigt, was wir von sozialdemokratischer „Neubauförderung“ zu erwarten haben: Seit den Abgeordnetenhauswahlen 2011 müssen die Senatsparteien wohnungspolitische Aktivität suggerieren. SPD/CDU stellten den Bau von 30.000 Wohnungen innerhalb von fünf Jahren in Aussicht – ein Tropfen auf den heißen Stein. Der aktuelle Fehlbestand liegt bei etwa 73.000 Wohnungen, wie die Maklerfirma Engel & Völkers ermittelte. Während der Senat Visionen verkündet, geht die Massenvertreibung aus den Bestandswohnungen weiter. Der Berliner Durchschnitt an Zwangsräumungen pro Woche wird auf 22, die Zahl der Wohnungslosen auf 17.000 geschätzt. Zunächst deklarierte Bausenator Müller (SPD) ein „Bündnis für soziale Wohnungspolitik und bezahlbare Mieten“ – zwischen dem Land und seinen eigenen Wohnungsunternehmen! Jede Konkretisierung scheiterte an der Kontroverse um die Fördermethode – zwangsläufig, denn die ist Prüfstein der Frage „Wem nützt es?“. Dies zu verschleiern ist Müllers Job. Zunächst sah er vor, 1.000 Wohnungen mit 60 Mio. Euro jährlich zu fördern, durch verbilligte oder zinslose Darlehen für Bauherren. Das wurde als zu teuer vom Tisch gewischt. Im Mai einigten SPD/CDU sich auf ein „Wohnungsbau- und Förderprogramm“ für fünf Jahre.

Senat baut potemkinsche Dörfer

Die verbliebenen landeseigenen Wohnungsunternehmen sollen nach diesem Programm 600 Mio. Euro Kredite aufnehmen und 175 Mio. als Eigenkapital investieren. Bund und Land steuern dann jährlich je 32 Mio. bei. Die gehen aber in einen „Wohnungsbaufonds“ der landeseigenen IBB, der beliebigen Bauherren offensteht: „Familienbaudarlehen“, private Investoren usw. Hier verliert die Sache bereits den gemeinnützigen Antrich. Gefördert werden die Ansprüche zinstragenden Kapitals. Was sieht diese „marktkonforme“ Konstruktion für Mieter mit geringen Einkommen vor? Einzige Auflage ist, daß ein Drittel der erhofften 29.500 Wohnungen Belegungsbindung erhalten soll – das sind höchstens 1.966 pro Jahr! Nichts verlautet über Miethöhe, Mietgrenzen, die Dauer der Bindung und Modalitäten der Förderung. Damit wird die „Sozialwohnung“ erneut zur Mieterfalle.
Die Grundbedingungen für die Schaffung bezahlbaren Wohnraums werden von SPD und LINKEN in ihren Programmen ausdrücklich nicht anerkannt, weder die Ausschaltung privatkapitalistischer Interessen aus der Wohnraumversorgung noch eine feste Mietpreisbindung. Im Gegenteil: Auch die LINKE begrüßt den „anteiligen Bau“ von Sozialwohnungen durch Privatinvestoren und verläßt sich auf den Mietspiegel. Schon deshalb ist ihr Programm Makulatur.

Wahlversprechen „Mietbegrenzung“

Beibt das Wahlversprechen fast aller Parteien: Begrenzung der Steigerungen bei Neuvermietung auf 10 % oberhalb des Mietspiegels. Mit Bestandschutz und Mietsenkung hat das nichts zu tun. Diese Steigerungsrate liegt heute bei 40 – 50 %. Deshalb bleiben Mieter auch unter miserabelsten Bedingungen in der Stammwohnung und stehen damit der Renditesteigerung, Umwandlung und Aufwertung des Bestands im Wege. So ist die progagierte „Deckelung“ noch keine mieterfreundlichen Maßnahme: Sie soll zum Auszug und zur Aufgabe alter Mietverträge bewegen. Verräterisch ist die Ausnahme, die die SPD ins Programm schrieb: Bei Erstvermietung im Neubau soll es keine Deckelung geben.
Damit ist bedarfsgerechte Belegungs- und Mietpreisbindung bei Neubauten nicht durchzuführen. Rainer Wild, Chef des Berliner Mietervereins, erklärt den Sinn: „Investoren bauen nicht für 5,50 Euro Miete“. Das ist wahr: „Der Markt“, kontrolliert von Monopolen, baut weder erschwingliche Wohnungen noch Infrastruktur. Die niedrigsten Quadratmeterpreise der Neuwohnungen werden bei 10 Euro liegen. Wilds Satz ist zu lesen: „Investoren bauen nicht für die Arbeiterklasse“. Aber das ist in den Wohnungsprogrammen von CDU, CSU, SPD, GRÜNEN und LINKEN auch nicht vorgesehen.

Editorische Hinweise

Der Artikel erschien bei DKP-News am 28.8.2013, von wo wir ihn spiegelten.