Anderthalb Jahre nach dem
Staatszusammenbruch, ein halbes Jahr nach dem Beginn der
französischen Intervention – das westafrikanische Land
verfügt über einen neuen Präsident, mit (im Augenblick)
massivem Rückhalt in der Bevölkerung.
Niemand redet über das Wetter, außer uns. An diesem
Sonntag Abend, dem 11. August 13, kurz vor Mitternacht
sind viele Läden in Bamako noch offen, wie oft zu später
Stunde – die malische Hauptstadt kommt in der Regel erst
spät zur Ruhe. Männer, Frauen und Kinder beleben den
öffentlichen Raum in den Stadtteilen bis zu vorgerückter
Stunde. Und gerade wegen dieser Präsenz fühlt man sich
nachts überall in absoluter Sicherheit, außer vielleicht
im dann menschenleeren Geschäftszentrum von Bamako,
während fast nirgendwo Sicherheitskräfte zu sehen sind.
Auch
manche der Stände der Straßenhändlerinnen, an denen
Obst, Eier oder Hirsekuchen verkauft werden, stehen noch
– nach zweieinhalb Feiertagen zum Ausgang des
Fastenmonats Ramadan erwacht das öffentliche Leben. Das
Fest zum Ramadan-Ende, in der Landessprache Bambara
Seli Fitini, wird meistens zu Besuchen bei
Nachbarn, Freunden und Verwandten genutzt, und viele
Läden bleiben geschlossen, während der Verkehr sich
endlos staut. In der Nacht zum Montag herrscht wieder
das übliche Stadtteilleben. Aber die Konversationen sind
besonders angeregt. An jeder zweiten Tür ist ein
Transistorradio, wie sie in Mali das wichtigste
Massenmedium darstellen, eingeschaltet.
Aber nicht die Monsunzeit
mit ihren tropischen Gewittern und oft beeindruckenden
Regenfällen ist das hauptsächliche Gesprächsthema, auch
nicht die damit mitunter einhergehenden Moskitoflüge.
Sonst sind sie Gegenstand vieler Unterhaltungen, und
nach einem besonders heftigen Regenfall strömen die
Kinder auf die Straße und tanzen begeistert herum,
während die aus rotem Sandschotter bestehenden
Stadtteilpisten unter den Fluten verschwinden. Heute
Nacht jedoch sind viele Ohren an die Transistorradios
geklebt. Wahlbüro für Wahlbüro, Stadt für Stadt werden
Einzelergebnisse der Präsidentschaftswahl durchgegeben.
Stundenlang. Aus den Distrikten von Bamako, aber
zunehmend auch aus den Provinzstädten. Jedes Wahlbüro
umfasst 300 bis 500 Stimmberechtigte, und ohne dass es
bereits irgendeine übergreifende Hochrechnung gäbe, wird
jedes Einzelergebnis im Radio proklamiert. Viele hören
konzentriert mit. Wer Beziehungen zu diesem oder jenem
Wohnort hat, wird sich die Zahlen notieren. Aus den
sonstigen Konversationen ist zu entnehmen, dass quasi
niemand demonstratives Desinteresse an den Tag legt. Im
Gegenteil.
Die
Zuhörer und Zuhörerinnen kommentieren hin und wieder,
vielleicht just, weil sie in diesem Viertel oder jener
Stadt wohnten oder Verwandte haben. Bis zur Bekanntgabe
eines landesweiten Gesamtergebnisses wird es noch Tage
dauern, aber die Einzelergebnisse zeichnen eine Tendenz.
Ginge es nach den Ergebnissen aus Bamako, dann hätte
Präsidentschaftsbewerber Ibrahim Boubacar Keïta –
allgemein nur „IBK“ genannt – seinen Gegenkandidaten
Soumalïa Cissé mit wohl 80 zu 20 Prozent besiegt.
Bereits im ersten Wahlgang am 28. Juli hatte er hier mit
über 50 Prozent der Stimmen deutlich in Führung gelegen.
Landesweit lag er nach dem Endergebnis, das fünf Tage
später bekannt gegeben wurde, bei 39,8 Prozent gegenüber
19,7 für Soumalïa Cissé. Der Rest der Stimmen verteilte
sich auf insgesamt 24 andere männliche Kandidaten sowie
eine Kandidatin, von denen niemand über zehn Prozent
kam.
Die
mit Abstand wichtigste Zahl aus dem ersten Wahlgang
aber war jene, die die Wahlbeteiligung anzeigt. Zuerst
wurde sie mit 53,5 Prozent angegeben, später im
amtlichen Endergebnis dann mit 49 Prozent. Da
anscheinend alle Wahlbüros pünktlich um 18 Uhr
schlossen, konnten im ersten Wahlgang mancherorts einige
Stimmwillige gar nicht mehr wählen, da sie wegen des
großen Andrangs zu lange warten mussten. Sei es wie es
sei: Es handelt sich um einen Rekordwert.
Bei der
letzten Präsidentschaftswahl im Jahr 2007 gingen nur 26
Prozent der Stimmberechtigten hin. Und damals war die
Praxis des Stimmenkaufs relativ verbreitet. Letzterer
funktioniert etwa so, dass fertig ausgefüllte
Stimmzettel vorab verteilt werden und ihre Verwendung
dadurch kontrolliert wird, dass man den Mitmachwilligen
ihre unbenutzten leeren Stimmzettel aus dem Wahlbüro -
die sie dort die Tasche stecken mussten - draußen vor
der Tür abnimmt. Damals, vor sechs Jahren, erwartete
niemand in Mali sich etwas vom Ausgang der
Präsidentschaftswahl: Eine durch und durch korrupte
Elite, eine oligarchische Führungsschicht, teilte sich
die Pfründe der Macht. Deswegen kam es auch so wenig
darauf an, dass manche sich auf die Praxis des
Stimmenkaufs und –verkaufs einlassen wollten.
Allem
Anschein nach ist diese Phase der allgemeinen
politischen Gleichgültigkeit und Resignation vorüber.
Die Besetzung einer riesigen Nordhälfte des Landes durch
Jihadisten und mit ihnen verbündete Tuareg-Separatisten
seit Anfang 2012, die darauf folgende Staatskrise und
dann die Intervention zu Anfang dieses Jahres habe viele
Einwohner aufgerüttelt und den Wunsch nach einem
politischen Neubeginn ausgelöst. Zahlreich waren die
Malierinnen und Malier, die an diesen beiden Sonntagen
vor ihre Tür gingen, um in einer der als Wahllokal
dienenden öffentlichen Schulen abzustimmen. Im zweiten
Wahlgang mutmaßlich
etwas weniger als im ersten, jedenfalls in Bamako.
Aufgrund von Regenfällen, oder vielleicht auch weil
viele das Rennen für bereits gelaufen hielten.
Bamako
heißt Minibusfahren. Aber vor allem Motorrollerverkehr.
Wie in vielen Ländern der so genannten Dritten Welt sind
VW-Busse, die als Sammeltaxis dienen, das wichtigste
öffentliche Verkehrsmittel. Konkurrenz manchen ihnen die
zahlreichen knallgelben Taxis, vor allem aber eine Armee
von Motorrollern. Aufgrund einer chinesischen
Exportoffensive sanken im Lauf des vergangenen
Jahrzehnts die Preise für die Fahrzeuge. Gefahren wird
mit oder ohne wehender Kopfbedeckung, mit oder ohne Kind
im Tragetuch auf dem Rücken oder vorne auf dem Lenker.
In 97 Prozent aller Fälle ohne Sturzhelme. Dennoch sind
Unfälle allem Anschein nach selten.
Wegen
Seli Fitini heizen auch meine Gastgeber und
ich zwei Tage lang durch die Viertel von Bamako. An
diesem Tag geht es ihnen darum, möglichst viele
Familien- und Freundesbesuche zu absolvieren: Am Festtag
zum Ausgang der Fastenzeit muss man sich treffen, sei es
auch nur kurz, und um Verzeihung für alle bösen Tagen
aus dem vergangenen Jahr bitten. Gruppen von Kindern
beiderlei Geschlechts sind unterwegs und sagen Verse
dazu auf, allerdings eher mit dem Hintergedanken an das
dafür lockende Kleingeld. Und so geht es über Stock und
Stein – buchstäblich, unter die man auf dem Rücksitz des
Motorrollers ordentlich spürt, wenn es über die
rotstaubigen Stadtteilpisten geht -, quer durch Bamako.
Häufig wird dabei auch über Politik gesprochen.
Viele Haushalte in der
malischen Hauptstadt bekunden ihre Sympathien
diesbezüglich ohnehin offen, indem sie Plakate ihres
Favoriten in den Eingangsbereich kleben. Ähnlich halten
es viele Taxifahrer, die Aufkleber auf dem
Armaturenbrett oder dem Rückfenster befestigten. Relativ
schwer war es allerdings, in den ärmeren Stadtteilen von
Bamako wie Niamakoro auf Sympathiebekundungen für
Präsidentschaftskandidat Soumalïa Cissé zu treffen: In
den zehn Tagen vor der Stichwahl war ein Aufkleber für
„IBK“ in etwa jedem dritten benutzten Taxi zu finden,
solche seines Gegenkandidaten fehlten jedoch in unserer
Stichprobe.
Unsere Motorrollerfahrten
sind ergiebiger: Am Tage des Tages treffen wir am
Donnerstag Abend im Stadtteil Daoudabougou jedenfalls
auf einen Sympathisanten von Soumalïa Cissé. Ein
pensionierter Drogenpolizist bewohnt einen typischen
Innenhof mit Nutztieren, wie sie in Bamako üblich sind.
Polizisten sind in dem westafrikanischen Land eher
relativ arm und gelten in breiten Kreisen als „Söhne des
Volkes“. Die Drogenfahndung ist ihrerseits kein
unbedeutender Zweig: Mali gilt zwar kaum als
Konsumentenland für Drogen, aber als wichtiges
Durchgangsland für Kokain auf seiner Route von
Südamerika über die westafrikanischen Küstenstaaten
Guinea oder Guinea-Bissau in Richtung Mittelmeerraum.
Dass die alten
oligarchischen Eliten, die bis 2012 unbestritten das
Land führten, aus wirtschaftlichem Gewinninteresse
heraus in diese mafiösen Handelsnetzwerke verstrickt
waren, trug mit zur dann eingetretenen Staatskatastrophe
ein: Da Warlords aus den Reihen der Tuareg, die
phasenweise mit den Jihadisten kooperierten, ebenfalls
eine wichtige Rolle im transnationalen
Drogen-Transithandel spielen, hielt Altpräsident „ATT“
(Amadou Toumani Touré, 2002 bis 2012) jahrelang seine
schützende Hand über sie. Gegenüber drängender werdenden
Nachfragen aus Frankreich oder dem Nachbarland Algerien,
was er gegen die Jihadisten zu tun gedenke, antwortete
er stets, es gebe kein Problem und er habe „alles unter
Kontrolle“. Dies ist einer der Gründe dafür, warum viele
Malier sich von der alten Staatsmacht verraten fühlen
und mit der Oligarchie politisch abrechnen möchten.
Darüber ist sich „unser“ Drogenpolizist auf Rente mit
den meisten seiner Landsleute weitgehend einig.
Bei ihm
hängen Plakate von Soumalïa Cissé. Es ist das erste Mal,
dass ich auf eine solche Meinungsbekundung treffe, in
den bislang besuchten Haushalten waren – sofern die
politische Neigung demonstrativ bekundet wurde - eher
„IBK“-Plakate zu sehen. Der Cissé-Wähler fühlt sich vom
„wirtschaftlichen Sachverstand“ seines
Präsidentschaftsfavoriten anzogen: Er könne das Land zu
mehr Wohlstand führen, meint er, und werde Korruption
und népotisme (Vetternwirtschaft)
bekämpfen. In seinen Augen plädiert Vergangenheit des
63jährigen als Wirtschaftsminister in den neunziger
Jahren und als Kommissionspräsident der
Westafrikanischen Wirtschafts- und Währungsunion (UEMOA)
von 2004 bis 2011 für seine Fähigkeiten.
Eine deutliche Mehrheit der
getroffenen Menschen in Bamako sieht dies anders. In
ihren Augen belegen die bislang von Soumalïa Cissé
ausgeübten Funktionen, und seine persönliche Bilanz
dabei, im Gegenteil eher seine Zugehörigkeit zur alten
Oligarchie. In ihren Augen betrieb er nicht nur eine
Politik vorwiegend für die Reichen, sondern war durch
seine Nähe zu Ex-Präsident „ATT“ – der ihn auf seinen
letzten Posten hob – auch in die Genese der Staatskrise
von 2012 verwickelt. Im Südwesten von Mali weist Cissé
unterdessen, aufgrund politischer Allianzen, einige
regionale Hochburgen etwa in den Regionen von Kayes und
Ségou auf.
In vielen Augen, gerade in
den ärmeren und mittleren sozialen Klassen, ist es eher
„IBK“, den man aufgrund seiner Vergangenheit wahlweise
als vertrauenswürdig oder zumindest als das famose
„kleinere Übel“ – mit dem auch in Mali politische
Entscheidungen begründet werden – betrachtet. Der
68jährige Keïta war von 1994 bis 2000 Premierminister
des Landes, damals unter dem Vorgänger von „ATT“ als
Präsident, also unter Alpha Oumar Konaré – dem ersten
demokratisch gewählten Staatsoberhaupt nach dem Sturz
der von 1968 bis 1991 herrschenden Militärdiktatur unter
Moussa Traoré durch eine Jugendrevolte.
Der Name dieses ersten
Präsidenten der malischen „Dritten Republik“ wird jedoch
auch mit einer Privatisierungswelle unter dem Druck des
Internationalen Währungsfonds, zahlreichen vernichteten
Arbeitsplätzen und dem Beginn der Korruption in
Verbindung gebracht. „IBK“ verstand es demgegenüber,
einen vergleichsweise „sauberen“ Eindruck im Umgang mit
den öffentlichen Finanzen und einer geringen
persönlichen Korrumpierbarkeit zu hinterlassen. 2002
trat er als Gegenkandidat zum damals gewählten
Staatschef „ATT“, aber auch – damals schon – gegen
Soumalïa Cissé zur Präsidentschaftswahl an und landete
hinter den beiden auf dem dritten Platz. In der
Folgezeit amtierte er als Parlamentspräsident und war
als solcher in die ersten fünf Jahre der „Ära ATT“
verstrickt, konnte aber auf seinem Posten von der
sichtbaren Korruption in den Ministerämtern relativ
unberührt bleiben. Seit 1999 war „IBK“ ferner
Vizepräsident der so genannten Sozialistischen
Internationalen. Insbesondere in Afrikas, wo etwa auch
die früheren Staatsparteien unter Ben Ali in Tunesien
und Mubaraks in Ägypten der SI angegliedert waren, hat
dies jedoch kaum eine inhaltliche Bedeutung.
Im diesjährigen Wahlkampf
trat „IBK“ mit dem Versprechen an, eine „Vierte
Republik“ in Mali zu begründen, deren Konturen oft eher
unscharf blieben. Die erste Republik war jene des
sozialistisch und antikolonial inspirierten, auf
„Blockfreiheit“ pochenden Präsidenten Modibo Keïta von
1960 bis 1968, als zweite wird die nachfolgende
Militärdiktatur mit französischer Unterstützung
bezeichnet, und die dritte begann nach dem Aufstand von
Ende März 1991. Letztere hat heute in den Augen vieler
Malierinnen und Malier total abgewirtschaftet. Aufgrund
von Korruption, mafiösen Tendenzen und des Gefühls,
durch die alte Elite gegen Warlords – mit letzteren wird
in breiten Kreise die separatistische und in den
Trans-Sahara-Handel mit Drogen verstrickte
Tuaregbewegung MNLA assoziiert – und Jihadisten im Stich
gelassen worden zu sein, wird ein Neuanfang allgemein
erwünscht. Aus diesem Grund traf die Rhetorik des
Kandidaten „IBK“ auf ein relativ breites Echo.
Das Votum gegen ihn war
dabei in erster Linie eines gegen die „alten Mächte“,
die in vielen Augen auch durch Soumalïa Cissé mit
verkörpert werden. Selbst wenn dieser Kandidat sich gar
zu gern selbst als Kandidat des „Bruchs mit dem Alten“
darstellte – aber im Namen einer „Modernität“, die in
erster Linie das Synonym für Privatisierungen und die
Reduzierungen öffentlicher Ausgaben schien, wofür er im
Gegenzug „die Schaffung von Arbeitsplätzen“ versprach.
Das Spiel zwischen den
beiden Wahlgängen, als die in der ersten Runde
gescheiterten Kandidaten nacheinander ihre
Stimmempfehlung für die zweite bekannt gaben, bestätigte
dies für viele Malier. Zwar unterstützte eine deutliche
Mehrheit der ausgeschiedenen Bewerber, über 20, die
Kandidatur von „IBK“. Doch ausgerechnet einer der
verhasstesten Kandidaten, Modibo Sidibé, als früherer
Premierminister in ziemlich breiten Kreisen als
„herausragender Dieb“ verschrien, rief als einer von
wenigen zur Wahl Cissés auf. Die stärkste Partei des
Landes, die „Demokratische Aktion für Mali“ (ADEMA) –
entstanden kurz vor der Demokratisierung von 1991, und
danach an vielen Regierungen beteiligt – ihrerseits
spaltete sich auf. Ihr Präsidentschaftskandidat Dramane
Dembélé, er erhielt gut neun Prozent, sowie viele
regionale Verbände und die Parteijugend unterstützten
„IBK“. Dagegen rief Parteichef Dioncounda Traoré, der
zugleich von April 2012 bis jetzt Interimspräsident war,
zur Wahl Cissés auf.
Widersprüchliche Erwartungen und auseinanderstrebende
Kräfte bezogen sich in den letzten Wochen auf „IBK“.
Auf der einen Seite unterstützten ihn auch
unterschiedliche Strömungen der malischen Linken – das
Scheitern der „Generalstände der Linken“ in Ségou im
April dieses Jahres verhinderte ihre organisatorische
Einigung – als kleineres Übel. Aus den Reihen der
Initiativen, die sich nach dem Putsch junger Offiziere
gegen die Armeehierarchie und die Regierung vom 22. März
2012 bildeten, entstand in den Wochen vor der Wahl das
Rassemblement pour la justice sociale (RJS,
„Sammlung für die soziale Gerechtigkeit“). Der infolge
der Demonstrationen von Soldatenfrauen spontan
ausgebrochene Putsch der Armeebasis und einiger junger
Offiziere stürzte „ATT“, und viele erhofften sich von
ihm die Chance auf einen Bruch. Das RJS unterstürzte
Keïta schon vor dem ersten Wahlgang, hatte jedoch
während der Wahlkampagne erhebliche Schwierigkeiten,
sich ein eigenes Gehör zu verschaffen: Es gab ein
Kooperationsabkommen mit Keïtas eigener Partei, der
„Sammlung des malischen Volkes“ (RPM), deren Funktionäre
vor Ort jedoch den lästigen Partnern oft kein
Mitspracherecht einräumten. Zu dem Netzwerk zählen etwa
auch Aktivisten der auch in Europa bekannten
Association malienne des expulsés (AME), eine
Vereinigung, die aus Europa, aber auch aus Libyen oder
Angola abgeschobene malische Migranten sozial und
psychisch betreut sowie politisch organisiert.
Die
ex-maoistische Partei SADI („Afrikanische Solidarität
für Demokratie und Unabhängigkeit“) hatte ihren eigenen
Kandidaten Oumar Mariko, der 2,6 Prozent erhielt,
unterstützte jedoch vor der zweiten Runde Keïta als
„kleineres Übel“. Sie fordert von ihm vor allem, mit den
Bedingungen einer Demokratisierung Ernst zu machen und
sich auf keine Verhandlungen über einen Autonomie- oder
sonstigen Sonderstatus mit dem MNLA („Nationale
Befreiungsbewegung für Azawad“) im Norden einzulassen.
Von dort wurden zwar die Jihadisten weitgehend
vertrieben, die sich heute überwiegend in Südlibyen oder
im Grenzgebirge zwischen Tunesien und Algerien befinden
dürften. Doch die in diverse mafiöse Geschäfte
verstrickten Warlords des MNLA, die einige Monate mit
ihnen verbündet gewesen waren, sind noch da – auch mit
teilweiser Unterstützung aus der französischen Politik.
Der MNLA hat zwar offiziell auf die
Unabhängigkeitsforderung für den Norden verzichtet,
verlangt jedoch eine Autonomie, die auch in Paris auf
offene Ohren stieße – weist die frühere Kolonialmacht
doch eine alte Politik der Unterstützung für manche
Ethnien des Nordens zwecks „Teilen und Herrschen“ auf,
die oft mit einer verklärend-ethnisierten Wahrnehmung
der Tuareg als „edlen Wüstenkriegern“ einherging.
In Kidal
im Nordosten Malis hat der MNLA nicht die Waffen
abgegeben, sondern sie kraft einer unter französischem
Druck am 18. Juni geschlossenen Vereinbarung „vorläufig“
behalten – die französische Armee steht zwischen beiden
als Puffertruppe. Binnen sechzig Tagen nach seiner Wahl
soll der neue Präsident nun über weitere Regelungen
verhandeln, da die „provisorische“ nur die Abhaltung der
Wahl auch im Nordosten möglich machen sollte. Die
allermeisten Menschen in Süd- und Zentralmali wollen von
einem Sonderstatus für den Norden und einer autonomen
Zone nichts wissen, sondern allenfalls eher über eine
allgemeine Dezentralisierungsregelung diskutieren. Die
„heißeste“ Frage ist aktuell sicherlich jene nach
Autonomieforderungen für den Norden. „IBK“ deutete
demgegenüber an, unnachgiebig zu bleiben, was ihm in
Bamako einige Sympathien einträgt.
In dieser
Frage steckt sicherlich noch viel Konfliktstoff. Ebenso
wie, zumindest potenziell, in jener nach dem Status der
internationalen Truppen. Die „UN-Mission für die
Stabilisierung Malis“ (Minusma) ist mit über 11.000
Soldaten im Land präsent, die am Flughafen von Bamako
und seltener im Stadtbild sichtbar sind. Parallel zu
ihnen sollen auch mindestens 1.000 französische Soldaten
als „Parallelstreitkraft zur Terrorbekämpfung“
längerfristig bleiben. Derzeit ist aus der Frage der
internationalen Truppen die Luft heraus, wie der Student
Amadou (Vornamen sind redaktionell geändert)
erklärt: „Ursprünglich sollte ein Gutteil auch
in Südmali stationiert sind, und wir fürchteten, sie
dienten dann eher als Garantie gegen einen
Präsidentensturz - eingedenk der schlechten Erfahrungen
mit ATT. Das wollten die Staatschefs der
Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft. Nunmehr wurde
eine Regel gefunden, wonach 80 Prozent der UN-Truppe im
Norden und nur 20 Prozent im Süden bleiben sollen. Im
Augenblick können wir damit leben.“
Auch die Jungoffiziere, die
im März 2012 gegen das damalige Establishment putschten,
unterstützten die Kandidatur Keïtas mehr oder minder
deutlich. Am 25. Juli, drei Tage vor dem ersten
Wahlgang, konnte „IBK“ demonstrativ in ihrer Hochburg,
dem Militärcamp von Kati fünfzehn Kilometer nordwestlich
von Bamako, auftreten. Dies bedeutete faktisch eine
Unterstützungserklärung.
Auf der anderen Seite des
gesellschaftlichen Spektrums erhielt „IBK“ auch eine
Rückendeckung von einem Zusammenschluss
religiös-politischer Vereinigungen in Gestalt des „Hohen
Islamrats“ HCI sowie der Föderation Sabati („Widerstand“
in Bambara), die rund 100 Mitgliedsverbände umfasst. Die
Religion ist in der malischen Gesellschaft tief
verankert – auch manche Kommunisten unterbrechen die
Diskussion mitunter für fünf Minuten, um kurz ihren
Gebetsteppich auszurollen -, aber ihre Praxis ist
ungleich toleranter, als man sie überwiegend in den
arabischsprachigen Ländern antrifft. Eine deutliche
Mehrheit hält das Ramadanfasten ein, aber es gibt immer
wieder auch Nichtfaster: zu alt, zu jung, krank, oder
nicht überzeugt. Letztere, mit oder ohne triftige
Ausrede, verstecken sich jedoch nicht, um etwa Wasser zu
trinken - was etwa in Marokko oder Algerien staatlich
geahndet werden könnte. In jüngerer Zeit nehmen jedoch
gleichzeitig eine Politisierung der Religion, und offen
reaktionäre Tendenzen zu, was eng mit der politischen
und Staatskrise zusammenhängt.
So wurde bei einer
Regierungsumbildung im August 2012 erstmals ein eigenes
Religionsministerium für den HCI geschaffen, während
Mali allerdings eine „laizistische Republik“ bleibt. Und
neben der eher toleranten malekitischen Schule, die den
Islam in Mali prägt, wächst der Einfluss einer als
wahhabitisch bezeichneten Richtung. Diese wird so
genannt, weil sie aus den reaktionären Golfstaaten
unterstützt wird – dennoch ist bislang undenkbar, eine
der inquisitorischen Staatsideologie in Saudi-Arabien
vergleichbare Praxis in Mali real umzusetzen.
Vollverschleierungen, die auch das Gesicht verstecken
und in den Golfstaaten häufig in Mali anzutreffen,
bleiben eine Rarität: Wer viel in Bamako unterwegs ist,
trifft durchschnittlich zwei Fälle pro Tag. Die Mehrheit
der Frauen trägt traditionelle westafrikanische
Kopfbedeckungen, die auch immer wieder einmal abgesetzt
werden. Es gibt keinerlei durchgesetzten
Bedeckungszwang.
Die als wahahabitisch
bezeichnete Vereinigung Sabati entstand in ihrer
heutigen Form kurz vor der Präsidentschaftswahl, und
unterstützte die Kandidatur „IBK“s nach einer internen
Debatte. Ausschlaggebend war wohl in erster Linie, dass
man auf einen möglichen Gewinner setzten wollte, statt
auf einen aussichtslosen Kandidaten, um an ihn dann
Forderungen richten zu können. Zudem ist Keïta seit den
frühen neunziger Jahren mit einem religiösen
Würdenträger eng verbunden, dem „Chérif von Nioro“, dem
er damals eine lebensrettende Operation bezahlte. Aus
Dankbarkeit blieb der Kleriker, der auch ein
schwerreicher Geschäftsmann ist, ihm in Freundschaft
verbunden. Seien es Handelsinteressen oder politische
Symbole: Sabati, die von sich behauptet, heute 15
Prozent der Wählerschaft mobilisieren zu können, wird
sich im Falle einer Wahl des von ihr unterstützten
Kandidaten zu Wort melden.
Abdou
(Vorname redaktionell geändert) gilt seinen
Nachbarn als Wahhabit. Er ist in der als Dawa – das
arabische Wort für den Aufruf zum Gebet – bezeichneten,
missionarisch tätigen Richtung des politisierten Islam
tätig. Und er ist Hochschullehrer für Fremdsprachen.
Sieben Jahre studierte er in Südwestdeutschland, wo er
ganz besonders die Ordnung schätze: „Nach meiner
Rückkehr nach Mali hatte ich lange ernste
Wiedereingliederungsschwierigkeiten.“ Seine Frau
trägt ein knallorangenes Kopftuch. In ihrem Haus gibt
man, was in Mali sehr selten ist, Menschen des
entgegengesetzten Geschlechts zum Gruß nicht die Hand.
Aber die vielleicht zehnjährigen Töchter wirken sehr
aufgeweckt, springen herum und albern mit dem Vater
umher.
Abdou
wählt selbst nicht: „Ich habe bislang nur einmal
mitgestimmt. Unter uns Muslimen gibt es eine Debatte:
Soll man das kleinere Übel unterstützen? Oder droht man
dann nicht, einen Anteil an dem, was der einmal gewählte
Kandidat dann tut, auf das eigene Sündenregister
zugeschrieben zu bekommen? Heute halte ich mich aus dem
Wählen heraus.“ Auch er erhofft sich jedoch,
dass Mali einen besseren Neuanfang nehme. Und dass das
Lohnproblem der Hochschullehrer geregelt werde:
„2011 streikten wir ein volles Jahr lang. Am Ende gab es
auch eine Vereinbarung, die einen Gutteil unserer
Forderungen durchgesetzt hätte. Aber dann kam der
Putsch, und die Übergangsregierung wollte sich nicht
festlegen. Nun hoffen wir das Beste für die Zeit nach
der Wahl.“
Dass es
eine Unterstützung für „IBK“ gebe, führt er selbst auch
darauf zurück, dass „er mitunter islamisch
geprägte Formulierungen wir bismillah rahim
(Im Namen Gottes des Barmherzigen) in seine Reden
integriert.“ Die organisierten Muslime sollten
sich aber auch für ihre Belange einsetzen wie 2011, als
der HCI erfolgreich gegen eine relativ progressive
Reform des Frauen- und Familiengesetzes mobilisierte.
Abdou störte vor allem daran, dass es ein gesetzliches
Verbot der Frauenbeschneidung geben sollte. Auf den
Einwand, der Islam als solcher schreibe diese Praxis –
die in den Großstädten rückläufig, aber auf dem Land
noch weitverbreitet ist – gar nicht vor und sie
existiere in der Mehrheit der arabischen Länder nicht,
antwortet er, aber sie werde vom Islam toleriert.
„Und was vom Islam begünstigt wird, kann ein Präsident
jedenfalls nicht gesetzlich verbieten, Er darf eine
Aufklärungskampagne machen, um zu sagen, warum es nicht
gut sei. Aber gesetzliche Eingriffe gehen nicht.“
Die Jihadisten wiederum hält er schlichtweg für
Kriminelle, die ihren Geschäftsinteressen, ob im Handel
mit Drogen oder Geiseln, nachgingen.
Zweifellos wird der nächste Präsident Malis es nicht
leicht haben. Er wird mit unterschiedlichen Erwartungen
von Links und von Rechts, von Religiösen und Säkularen,
von Tuareg und von der französischen Ex-Kolonialmacht,
von Separatisten und ihren Gegnern konfrontiert werden.
Dies alles im Kontext eines wirtschaftlich schwachen
Landes. Auf Desinteresse, Resignation und Passivität der
Bevölkerung darf er hingegen wahrscheinlich nicht
zählen.
Ringen um die Macht
nach der Präsidentschaftswahl
Nach der
Labsal des Wahlkampfs beginnt nun bald die Mühe des
politischen Alltags für den frisch gewählten Präsidenten
von Mali, Ibrahim Boubacar Keïtar, genannt « IBK ». Am
04. September 2013 findet die Amtseinführung des neuen
Staatsoberhaupts statt, und zehn Tage später dann die
Zeremonie unter Teilnahme seiner ausländischen
Amtskollegen. Auch der französische Präsident François
Hollande wird ihr, so kündigte er jedenfalls an,
beiwohnen. (Unterdessen besuchte „IBK“ am Wochenende des
31. August / 01. September bereits den tschadischen
Präsidenten Idriss Déby Itno, dessen Land von Januar bis
Mai 2013 massive Truppenunterstützung für die
französische Intervention geleistet hatte. Idriss Déby,
an der Macht seit dem 1. September 1990, ist eines der
übelsten Schlächter und Autokraten im
französischsprachigen Afrika.)
In Bälde wird „IBK“ also im
Amt sein. Der auf ihm lastende Erwartungsdruck ist
immens. Als erste Amtshandlung, die von ihm erwartet
wird, muss er neben der Einsetzung eines
Premierministers auch über die Bestätigung des
angesetzten Termins für die Parlamentswahlen
entscheiden. Diesen beiden Weichenstellungen wird
bereits erhebliches politisches Gewicht beigemessen, da
sich an ihnen die künftige generelle politische
Ausrichtung absetzen lässt. Nach der Staatskrise und
drohenden Implosion Malis infolge der Besetzung des
Nordens durch eine Allianz aus ethno-separatistischen
Tuaregrebellen und Jihadisten im Jahr 2012 müssen nun,
nach dem Präsidenten, nacheinander auch die
Nationalversammlung und die Lokalparlamente neu gewählt
werden.
Aber es stellt sich die
Frage, wann diese Wahlen stattfinden sollen: Am dafür
derzeit vorgesehenen Termin am 27. Oktober und 21.
November? Und wer soll sie organisieren und überwachen:
die im Augenblick noch amtierende Übergangsregierung
unter Interimspräsident Dioncounda Traoré ? Oder aber
ein neu zu bildendes Kabinett? Letzteres würde drohen,
nach der Parlamentswahl obsolet zu werden, weil die
Kräfteverhältnisse zwischen den politischen Strömungen
und Parteien sich ändern dürften. Es müsste also
wahrscheinlich umgebildet werden. Aber für die seit Mai
2012 amtierende, und im August sowie im Dezember
umgebildete, Übergangsregierung stellt sich die Frage
nach ihrer Legitimität.
Zwei
politische Lager rangen seit dem Ausbruch der schweren
Staatskrise von Anfang 2012 um die Macht. Auf der einen
Seite standen die Kräfte der alten Oligarchie, die unter
dem vormaligen Präsidenten „ATT“ – Amadou Toumani Touré
– das Land an den Rand des Abgrunds wirtschaftete. „ATT“
hätte im Prinzip im Frühjahr 2012 abtreten müssen,
bereitete sich aber auf ein Arrangement vor, das es ihm
wohl erlaubt hätte, bis voraussichtlich 2015 im Amt zu
bleiben: Unter Berufung auf einen Verfassungsartikel,
der es erlaubt, Wahlen im Notstands- oder Kriegsfall
auszusetzen, hätte er die Präsidentschaftswahl
voraussichtlich verschoben. Dies ist einer der Gründe,
neben gemeinsamen Interessen der alten Oligarchie und
der Warlords im Norden am internationalen Transithandel
mit Drogen – dem aus Südamerika in Richtung Europa
transportierten Kokain -, warum „ATT“ die Warlords der
separatistischen Tuaregbewegung MNLA im Bunde mit den
Jihadisten im Norden immer wieder einfach gewähren ließ.
Die
Vorwürfe aus der Bevölkerung an die alte Elite, das Land
in die Katastrophe geführt zu haben, führte zu Applaus
aus breiten Kreisen für den Putsch, den junge Offiziere
am 22. März 2012 durchführten. Damals setzten sie „ATT“
in einem Staatsstreich, dessen schnelles Gelingen auch
seine Urheber selbst überraschte, im Handstreich ab.
Viele der jungen Offiziere hatten kaum ausgereifte
politische Ideen, einige von ihnen hatten aber indirekte
Verbindungen zur Linken. Als ranghöchster Offizier, der
die jungen Putschisten nicht verurteilte, sondern
unterstützte, wurde der Hauptmann Amadou Sanogo
herbeigerufen, um die Spitze des Staatsstreichs zu
übernehmen. Er war nicht in den ersten Stunden beteiligt
gewesen, sollte sich aber als relativ erfahrenster unter
den jungen Militärs an die Spitze setzen. Sein Bruder
ist bei der ex-maoistischen, linksnationalistischen
Partei SADI (Afrikanische Solidarität für Demokratie und
Entwicklung) aktiv. Einige auf der Linken träumten
davon, er könnte eine Rolle ähnlich jener des 1987
ermordeten Präsidenten Thomas Sankara im Nachbarland
Burkina-Faso übernahm: Er kam 1983 durch einen
linksorientierten Putsch an die Macht, der dadurch
erleichtert wurde, dass viele Söhne armer Familien
allein bei der Armee ein Auskommen und Bildungschancen
finden konnten, und leitete eine tatsächlich progressive
Politik ein. Dazu gehörten Frauenemanzipation, der Kampf
gegen Genitalienverstümmelung, der Abbau von Privilegien
auf allen Ebenen, die Entfeudalisierung der sozialen
Beziehungen auf dem Land und die Verringerung von
Importabhängigkeit. Die Fußstapfen Sankaras dürften für
Sanogo allerdings um mehrere Nummern zu groß sein.
Sanogo
wurde vor kurzem, als letzte Amtshandlung von
Übergangspräsident Touré unmittelbar vor der
Präsidentschaftswahl, zum General befördert. Schon zuvor
war er an die Spitze eines „Komitees zur Reform der
Streitkräfte“ eingesetzt worden. Diese Beförderung, die
theoretisch illegal ist, da Sanogo nicht über den von
der Verfassung für Generäle geforderten höheren
Bildungsabschluss verfügt, wird derzeit in Bamako wild
diskutiert. Eine Gruppe von Rappern und Juristen unter
dem Namen Les Sofas de la République will
Klage dagegen erheben. Diese rein politische
Entscheidung des Übergangspräsidenten, der laut eigenen
Worten dem künftigen Amtsinhaber Keïta „eine
Entscheidung abnehmen“ wollte, widerspiegelt das Gewicht
der Putschbefürworter auch in einem Teil der
Übergangsregierung: Zehn ihrer Minister gehören diesem
Lager an, obwohl die alte Oligarchie und das vormalige
Regierungslager den Staatsstreich vehement verurteilt
hatten. Die unter massivem Druck von der Straße und aus
der Armee erfolgte Umbildung der provisorischen
Regierung im Dezember 2012 hat das Gewicht dieses Lagers
verstärkt.
Dagegen
hatten Frankreich und die westafrikanische
Wirtschaftsgemeinschaft – französisch CEDEDAO, englisch
ECOWAS – stets dahingehend Druck gemacht, dass die
Putschisten weichen und „eine Rückkehr zur
verfassungsmäßigen Ordnung“ erfolgen müsse. Im Süden
Malis war deswegen auch immer wieder befürchtet worden,
eine Stationierung von westafrikanischen oder
internationalen Truppen in Zentral- oder Südmali richte
sich eher gegen unliebsame innere Kräfte als gegen die
bewaffneten Gruppen im Norden. Der derzeitige
Verteilungsschlüssel, der 80 Prozent der internationalen
Truppen im Norden belässt und ihr Hauptquartier in
Koulikoro – 60 Kilometer von Bamako entfernt – statt in
der Hauptstadt ansiedelt, wird derzeit von vielen als
Kompromiss akzeptiert.
„IBK“, der es geschafft hat,
im Wahlkampf eine heterogene Koalition – darunter ein
Teil der Linken, aber auch islamistische Kräfte – hinter
sich zu sammeln, hat auch die Unterstützung der
Putschbefürworter gefunden. Obwohl er selbst aus der
alten politischen Klasse kommt, konnte er mit seinem
Slogan von der neu zu begründenden „Vierten Republik“
derzeit ihr Vertrauen finden. Drei Tage vor dem ersten
Wahlgang konnte er am 25. Juli einen Wahlkampfauftritt
im Militärcamp von Kati – nordwestlich von Bamako -, von
wo der Putsch im März 2012 ausging, und in der Hochburg
Sanogos absolvieren.
Wilde
Gerüchte begleiten unterdessen das Ringen zwischen den
unterschiedlichen Kräften um Einfluss. Am Donnerstag,
den 22. August 2013 schrieb etwa die malische Zeitung
Le Soir de Bamako unter Berufung auf Gerüchte
vom Vortag, der Hauptmann Youssouf Abdoulaye Touré – ein
Berater aus der engeren Umgebung des frischgebackenen
Generals Sanogo – sei verhaftet worden. Er habe
versucht, Sanogo zu vergiften. Am selben Tag erschien in
einer anderen Tageszeitung, L’Indépendant,
das Dementi dazu: Touré selbst dementierte das Gerücht
von seiner Festnahme, das auch vom französischen
Radiosender RFI, den viele in Mali hören, gestreut
worden war.
Neben der
eher geringen Qualität der malischen Printpresse, die
ohnehin nur zwei Prozent der Bevölkerung erreicht – das
wichtigste Informationsmedium für den Großteil der
Bevölkerung ist der Rundfunk -, in der es von
Tippfehlern oft wimmelt und wo meist nicht formell
zwischen Information, Kommentar und Gerücht
unterschieden wird, widerspiegelt diese wirre
Informationslage auch den Machtkampf für die anstehende
Übergangszeit.
Editorische Hinweise
Wir erhielten den Artikel
vom Autor für diese Ausgabe.
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