Wahl in Mali

von Bernard Schmid

09-2013

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Anderthalb Jahre nach dem Staatszusammenbruch, ein halbes Jahr nach dem Beginn der französischen Intervention – das westafrikanische Land verfügt über einen neuen Präsident, mit (im Augenblick) massivem Rückhalt in der Bevölkerung.

Niemand redet über das Wetter, außer uns. An diesem Sonntag Abend, dem 11. August 13, kurz vor Mitternacht sind viele Läden in Bamako noch offen, wie oft zu später Stunde – die malische Hauptstadt kommt in der Regel erst spät zur Ruhe. Männer, Frauen und Kinder beleben den öffentlichen Raum in den Stadtteilen bis zu vorgerückter Stunde. Und gerade wegen dieser Präsenz fühlt man sich nachts überall in absoluter Sicherheit, außer vielleicht im dann menschenleeren Geschäftszentrum von Bamako, während fast nirgendwo Sicherheitskräfte zu sehen sind.

Auch manche der Stände der Straßenhändlerinnen, an denen Obst, Eier oder Hirsekuchen verkauft werden, stehen noch – nach zweieinhalb Feiertagen zum Ausgang des Fastenmonats Ramadan erwacht das öffentliche Leben. Das Fest zum Ramadan-Ende, in der Landessprache Bambara Seli Fitini, wird meistens zu Besuchen bei Nachbarn, Freunden und Verwandten genutzt, und viele Läden bleiben geschlossen, während der Verkehr sich endlos staut. In der Nacht zum Montag herrscht wieder das übliche Stadtteilleben. Aber die Konversationen sind besonders angeregt. An jeder zweiten Tür ist ein Transistorradio, wie sie in Mali das wichtigste Massenmedium darstellen, eingeschaltet.

Aber nicht die Monsunzeit mit ihren tropischen Gewittern und oft beeindruckenden Regenfällen ist das hauptsächliche Gesprächsthema, auch nicht die damit mitunter einhergehenden Moskitoflüge. Sonst sind sie Gegenstand vieler Unterhaltungen, und nach einem besonders heftigen Regenfall strömen die Kinder auf die Straße und tanzen begeistert herum, während die aus rotem Sandschotter bestehenden Stadtteilpisten unter den Fluten verschwinden. Heute Nacht jedoch sind viele Ohren an die Transistorradios geklebt. Wahlbüro für Wahlbüro, Stadt für Stadt werden Einzelergebnisse der Präsidentschaftswahl durchgegeben. Stundenlang. Aus den Distrikten von Bamako, aber zunehmend auch aus den Provinzstädten. Jedes Wahlbüro umfasst 300 bis 500 Stimmberechtigte, und ohne dass es bereits irgendeine übergreifende Hochrechnung gäbe, wird jedes Einzelergebnis im Radio proklamiert. Viele hören konzentriert mit. Wer Beziehungen zu diesem oder jenem Wohnort hat, wird sich die Zahlen notieren. Aus den sonstigen Konversationen ist zu entnehmen, dass quasi niemand demonstratives Desinteresse an den Tag legt. Im Gegenteil.

Die Zuhörer und Zuhörerinnen kommentieren hin und wieder, vielleicht just, weil sie in diesem Viertel oder jener Stadt wohnten oder Verwandte haben. Bis zur Bekanntgabe eines landesweiten Gesamtergebnisses wird es noch Tage dauern, aber die Einzelergebnisse zeichnen eine Tendenz. Ginge es nach den Ergebnissen aus Bamako, dann hätte Präsidentschaftsbewerber Ibrahim Boubacar Keïta – allgemein nur „IBK“ genannt – seinen Gegenkandidaten Soumalïa Cissé mit wohl 80 zu 20 Prozent besiegt. Bereits im ersten Wahlgang am 28. Juli hatte er hier mit über 50 Prozent der Stimmen deutlich in Führung gelegen. Landesweit lag er nach dem Endergebnis, das fünf Tage später bekannt gegeben wurde, bei 39,8 Prozent gegenüber 19,7 für Soumalïa Cissé. Der Rest der Stimmen verteilte sich auf insgesamt 24 andere männliche Kandidaten sowie eine Kandidatin, von denen niemand über zehn Prozent kam.

Die mit Abstand wichtigste Zahl aus dem ersten Wahlgang aber war jene, die die Wahlbeteiligung anzeigt. Zuerst wurde sie mit 53,5 Prozent angegeben, später im amtlichen Endergebnis dann mit 49 Prozent. Da anscheinend alle Wahlbüros pünktlich um 18 Uhr schlossen, konnten im ersten Wahlgang mancherorts einige Stimmwillige gar nicht mehr wählen, da sie wegen des großen Andrangs zu lange warten mussten. Sei es wie es sei: Es handelt sich um einen Rekordwert.

Bei der letzten Präsidentschaftswahl im Jahr 2007 gingen nur 26 Prozent der Stimmberechtigten hin. Und damals war die Praxis des Stimmenkaufs relativ verbreitet. Letzterer funktioniert etwa so, dass fertig ausgefüllte Stimmzettel vorab verteilt werden und ihre Verwendung dadurch kontrolliert wird, dass man den Mitmachwilligen ihre unbenutzten leeren Stimmzettel aus dem Wahlbüro - die sie dort die Tasche stecken mussten - draußen vor der Tür abnimmt. Damals, vor sechs Jahren, erwartete niemand in Mali sich etwas vom Ausgang der Präsidentschaftswahl: Eine durch und durch korrupte Elite, eine oligarchische Führungsschicht, teilte sich die Pfründe der Macht. Deswegen kam es auch so wenig darauf an, dass manche sich auf die Praxis des Stimmenkaufs und –verkaufs einlassen wollten.

Allem Anschein nach ist diese Phase der allgemeinen politischen Gleichgültigkeit und Resignation vorüber. Die Besetzung einer riesigen Nordhälfte des Landes durch Jihadisten und mit ihnen verbündete Tuareg-Separatisten seit Anfang 2012, die darauf folgende Staatskrise und dann die Intervention zu Anfang dieses Jahres habe viele Einwohner aufgerüttelt und den Wunsch nach einem politischen Neubeginn ausgelöst. Zahlreich waren die Malierinnen und Malier, die an diesen beiden Sonntagen vor ihre Tür gingen, um in einer der als Wahllokal dienenden öffentlichen Schulen abzustimmen. Im zweiten Wahlgang mutmaßlich etwas weniger als im ersten, jedenfalls in Bamako. Aufgrund von Regenfällen, oder vielleicht auch weil viele das Rennen für bereits gelaufen hielten.

Bamako heißt Minibusfahren. Aber vor allem Motorrollerverkehr. Wie in vielen Ländern der so genannten Dritten Welt sind VW-Busse, die als Sammeltaxis dienen, das wichtigste öffentliche Verkehrsmittel. Konkurrenz manchen ihnen die zahlreichen knallgelben Taxis, vor allem aber eine Armee von Motorrollern. Aufgrund einer chinesischen Exportoffensive sanken im Lauf des vergangenen Jahrzehnts die Preise für die Fahrzeuge. Gefahren wird mit oder ohne wehender Kopfbedeckung, mit oder ohne Kind im Tragetuch auf dem Rücken oder vorne auf dem Lenker. In 97 Prozent aller Fälle ohne Sturzhelme. Dennoch sind Unfälle allem Anschein nach selten.

Wegen Seli Fitini heizen auch meine Gastgeber und ich zwei Tage lang durch die Viertel von Bamako. An diesem Tag geht es ihnen darum, möglichst viele Familien- und Freundesbesuche zu absolvieren: Am Festtag zum Ausgang der Fastenzeit muss man sich treffen, sei es auch nur kurz, und um Verzeihung für alle bösen Tagen aus dem vergangenen Jahr bitten. Gruppen von Kindern beiderlei Geschlechts sind unterwegs und sagen Verse dazu auf, allerdings eher mit dem Hintergedanken an das dafür lockende Kleingeld. Und so geht es über Stock und Stein – buchstäblich, unter die man auf dem Rücksitz des Motorrollers ordentlich spürt, wenn es über die rotstaubigen Stadtteilpisten geht -, quer durch Bamako. Häufig wird dabei auch über Politik gesprochen.

Viele Haushalte in der malischen Hauptstadt bekunden ihre Sympathien diesbezüglich ohnehin offen, indem sie Plakate ihres Favoriten in den Eingangsbereich kleben. Ähnlich halten es viele Taxifahrer, die Aufkleber auf dem Armaturenbrett oder dem Rückfenster befestigten. Relativ schwer war es allerdings, in den ärmeren Stadtteilen von Bamako wie Niamakoro auf Sympathiebekundungen für Präsidentschaftskandidat Soumalïa Cissé zu treffen: In den zehn Tagen vor der Stichwahl war ein Aufkleber für „IBK“ in etwa jedem dritten benutzten Taxi zu finden, solche seines Gegenkandidaten fehlten jedoch in unserer Stichprobe.

Unsere Motorrollerfahrten sind ergiebiger: Am Tage des Tages treffen wir am Donnerstag Abend im Stadtteil Daoudabougou jedenfalls auf einen Sympathisanten von Soumalïa Cissé. Ein pensionierter Drogenpolizist bewohnt einen typischen Innenhof mit Nutztieren, wie sie in Bamako üblich sind. Polizisten sind in dem westafrikanischen Land eher relativ arm und gelten in breiten Kreisen als „Söhne des Volkes“. Die Drogenfahndung ist ihrerseits kein unbedeutender Zweig: Mali gilt zwar kaum als Konsumentenland für Drogen, aber als wichtiges Durchgangsland für Kokain auf seiner Route von Südamerika über die westafrikanischen Küstenstaaten Guinea oder Guinea-Bissau in Richtung Mittelmeerraum.

Dass die alten oligarchischen Eliten, die bis 2012 unbestritten das Land führten, aus wirtschaftlichem Gewinninteresse heraus in diese mafiösen Handelsnetzwerke verstrickt waren, trug mit zur dann eingetretenen Staatskatastrophe ein: Da Warlords aus den Reihen der Tuareg, die phasenweise mit den Jihadisten kooperierten, ebenfalls eine wichtige Rolle im transnationalen Drogen-Transithandel spielen, hielt Altpräsident „ATT“ (Amadou Toumani Touré, 2002 bis 2012) jahrelang seine schützende Hand über sie. Gegenüber drängender werdenden Nachfragen aus Frankreich oder dem Nachbarland Algerien, was er gegen die Jihadisten zu tun gedenke, antwortete er stets, es gebe kein Problem und er habe „alles unter Kontrolle“. Dies ist einer der Gründe dafür, warum viele Malier sich von der alten Staatsmacht verraten fühlen und mit der Oligarchie politisch abrechnen möchten. Darüber ist sich „unser“ Drogenpolizist auf Rente mit den meisten seiner Landsleute weitgehend einig.

Bei ihm hängen Plakate von Soumalïa Cissé. Es ist das erste Mal, dass ich auf eine solche Meinungsbekundung treffe, in den bislang besuchten Haushalten waren – sofern die politische Neigung demonstrativ bekundet wurde - eher „IBK“-Plakate zu sehen. Der Cissé-Wähler fühlt sich vom „wirtschaftlichen Sachverstand“ seines Präsidentschaftsfavoriten anzogen: Er könne das Land zu mehr Wohlstand führen, meint er, und werde Korruption und népotisme (Vetternwirtschaft) bekämpfen. In seinen Augen plädiert Vergangenheit des 63jährigen als Wirtschaftsminister in den neunziger Jahren und als Kommissionspräsident der Westafrikanischen Wirtschafts- und Währungsunion (UEMOA) von 2004 bis 2011 für seine Fähigkeiten.

Eine deutliche Mehrheit der getroffenen Menschen in Bamako sieht dies anders. In ihren Augen belegen die bislang von Soumalïa Cissé ausgeübten Funktionen, und seine persönliche Bilanz dabei, im Gegenteil eher seine Zugehörigkeit zur alten Oligarchie. In ihren Augen betrieb er nicht nur eine Politik vorwiegend für die Reichen, sondern war durch seine Nähe zu Ex-Präsident „ATT“ – der ihn auf seinen letzten Posten hob – auch in die Genese der Staatskrise von 2012 verwickelt. Im Südwesten von Mali weist Cissé unterdessen, aufgrund politischer Allianzen, einige regionale Hochburgen etwa in den Regionen von Kayes und Ségou auf.

In vielen Augen, gerade in den ärmeren und mittleren sozialen Klassen, ist es eher „IBK“, den man aufgrund seiner Vergangenheit wahlweise als vertrauenswürdig oder zumindest als das famose „kleinere Übel“ – mit dem auch in Mali politische Entscheidungen begründet werden – betrachtet. Der 68jährige Keïta war von 1994 bis 2000 Premierminister des Landes, damals unter dem Vorgänger von „ATT“ als Präsident, also unter Alpha Oumar Konaré – dem ersten demokratisch gewählten Staatsoberhaupt nach dem Sturz der von 1968 bis 1991 herrschenden Militärdiktatur unter Moussa Traoré durch eine Jugendrevolte.

Der Name dieses ersten Präsidenten der malischen „Dritten Republik“ wird jedoch auch mit einer Privatisierungswelle unter dem Druck des Internationalen Währungsfonds, zahlreichen vernichteten Arbeitsplätzen und dem Beginn der Korruption in Verbindung gebracht. „IBK“ verstand es demgegenüber, einen vergleichsweise „sauberen“ Eindruck im Umgang mit den öffentlichen Finanzen und einer geringen persönlichen Korrumpierbarkeit zu hinterlassen. 2002 trat er als Gegenkandidat zum damals gewählten Staatschef „ATT“, aber auch – damals schon – gegen Soumalïa Cissé zur Präsidentschaftswahl an und landete hinter den beiden auf dem dritten Platz. In der Folgezeit amtierte er als Parlamentspräsident und war als solcher in die ersten fünf Jahre der „Ära ATT“ verstrickt, konnte aber auf seinem Posten von der sichtbaren Korruption in den Ministerämtern relativ unberührt bleiben. Seit 1999 war „IBK“ ferner Vizepräsident der so genannten Sozialistischen Internationalen. Insbesondere in Afrikas, wo etwa auch die früheren Staatsparteien unter Ben Ali in Tunesien und Mubaraks in Ägypten der SI angegliedert waren, hat dies jedoch kaum eine inhaltliche Bedeutung.

Im diesjährigen Wahlkampf trat „IBK“ mit dem Versprechen an, eine „Vierte Republik“ in Mali zu begründen, deren Konturen oft eher unscharf blieben. Die erste Republik war jene des sozialistisch und antikolonial inspirierten, auf „Blockfreiheit“ pochenden Präsidenten Modibo Keïta von 1960 bis 1968, als zweite wird die nachfolgende Militärdiktatur mit französischer Unterstützung bezeichnet, und die dritte begann nach dem Aufstand von Ende März 1991. Letztere hat heute in den Augen vieler Malierinnen und Malier total abgewirtschaftet. Aufgrund von Korruption, mafiösen Tendenzen und des Gefühls, durch die alte Elite gegen Warlords – mit letzteren wird in breiten Kreise die separatistische und in den Trans-Sahara-Handel mit Drogen verstrickte Tuaregbewegung MNLA assoziiert – und Jihadisten im Stich gelassen worden zu sein, wird ein Neuanfang allgemein erwünscht. Aus diesem Grund traf die Rhetorik des Kandidaten „IBK“ auf ein relativ breites Echo.

Das Votum gegen ihn war dabei in erster Linie eines gegen die „alten Mächte“, die in vielen Augen auch durch Soumalïa Cissé mit verkörpert werden. Selbst wenn dieser Kandidat sich gar zu gern selbst als Kandidat des „Bruchs mit dem Alten“ darstellte – aber im Namen einer „Modernität“, die in erster Linie das Synonym für Privatisierungen und die Reduzierungen öffentlicher Ausgaben schien, wofür er im Gegenzug „die Schaffung von Arbeitsplätzen“ versprach.

Das Spiel zwischen den beiden Wahlgängen, als die in der ersten Runde gescheiterten Kandidaten nacheinander ihre Stimmempfehlung für die zweite bekannt gaben, bestätigte dies für viele Malier. Zwar unterstützte eine deutliche Mehrheit der ausgeschiedenen Bewerber, über 20, die Kandidatur von „IBK“. Doch ausgerechnet einer der verhasstesten Kandidaten, Modibo Sidibé, als früherer Premierminister in ziemlich breiten Kreisen als „herausragender Dieb“ verschrien, rief als einer von wenigen zur Wahl Cissés auf. Die stärkste Partei des Landes, die „Demokratische Aktion für Mali“ (ADEMA) – entstanden kurz vor der Demokratisierung von 1991, und danach an vielen Regierungen beteiligt – ihrerseits spaltete sich auf. Ihr Präsidentschaftskandidat Dramane Dembélé, er erhielt gut neun Prozent, sowie viele regionale Verbände und die Parteijugend unterstützten „IBK“. Dagegen rief Parteichef Dioncounda Traoré, der zugleich von April 2012 bis jetzt Interimspräsident war, zur Wahl Cissés auf.

Widersprüchliche Erwartungen und auseinanderstrebende Kräfte bezogen sich in den letzten Wochen auf „IBK“. Auf der einen Seite unterstützten ihn auch unterschiedliche Strömungen der malischen Linken – das Scheitern der „Generalstände der Linken“ in Ségou im April dieses Jahres verhinderte ihre organisatorische Einigung – als kleineres Übel. Aus den Reihen der Initiativen, die sich nach dem Putsch junger Offiziere gegen die Armeehierarchie und die Regierung vom 22. März 2012 bildeten, entstand in den Wochen vor der Wahl das Rassemblement pour la justice sociale (RJS, „Sammlung für die soziale Gerechtigkeit“). Der infolge der Demonstrationen von Soldatenfrauen spontan ausgebrochene Putsch der Armeebasis und einiger junger Offiziere stürzte „ATT“, und viele erhofften sich von ihm die Chance auf einen Bruch. Das RJS unterstürzte Keïta schon vor dem ersten Wahlgang, hatte jedoch während der Wahlkampagne erhebliche Schwierigkeiten, sich ein eigenes Gehör zu verschaffen: Es gab ein Kooperationsabkommen mit Keïtas eigener Partei, der „Sammlung des malischen Volkes“ (RPM), deren Funktionäre vor Ort jedoch den lästigen Partnern oft kein Mitspracherecht einräumten. Zu dem Netzwerk zählen etwa auch Aktivisten der auch in Europa bekannten Association malienne des expulsés (AME), eine Vereinigung, die aus Europa, aber auch aus Libyen oder Angola abgeschobene malische Migranten sozial und psychisch betreut sowie politisch organisiert.

Die ex-maoistische Partei SADI („Afrikanische Solidarität für Demokratie und Unabhängigkeit“) hatte ihren eigenen Kandidaten Oumar Mariko, der 2,6 Prozent erhielt, unterstützte jedoch vor der zweiten Runde Keïta als „kleineres Übel“. Sie fordert von ihm vor allem, mit den Bedingungen einer Demokratisierung Ernst zu machen und sich auf keine Verhandlungen über einen Autonomie- oder sonstigen Sonderstatus mit dem MNLA („Nationale Befreiungsbewegung für Azawad“) im Norden einzulassen. Von dort wurden zwar die Jihadisten weitgehend vertrieben, die sich heute überwiegend in Südlibyen oder im Grenzgebirge zwischen Tunesien und Algerien befinden dürften. Doch die in diverse mafiöse Geschäfte verstrickten Warlords des MNLA, die einige Monate mit ihnen verbündet gewesen waren, sind noch da – auch mit teilweiser Unterstützung aus der französischen Politik. Der MNLA hat zwar offiziell auf die Unabhängigkeitsforderung für den Norden verzichtet, verlangt jedoch eine Autonomie, die auch in Paris auf offene Ohren stieße – weist die frühere Kolonialmacht doch eine alte Politik der Unterstützung für manche Ethnien des Nordens zwecks „Teilen und Herrschen“ auf, die oft mit einer verklärend-ethnisierten Wahrnehmung der Tuareg als „edlen Wüstenkriegern“ einherging.

In Kidal im Nordosten Malis hat der MNLA nicht die Waffen abgegeben, sondern sie kraft einer unter französischem Druck am 18. Juni geschlossenen Vereinbarung „vorläufig“ behalten – die französische Armee steht zwischen beiden als Puffertruppe. Binnen sechzig Tagen nach seiner Wahl soll der neue Präsident nun über weitere Regelungen verhandeln, da die „provisorische“ nur die Abhaltung der Wahl auch im Nordosten möglich machen sollte. Die allermeisten Menschen in Süd- und Zentralmali wollen von einem Sonderstatus für den Norden und einer autonomen Zone nichts wissen, sondern allenfalls eher über eine allgemeine Dezentralisierungsregelung diskutieren. Die „heißeste“ Frage ist aktuell sicherlich jene nach Autonomieforderungen für den Norden. „IBK“ deutete demgegenüber an, unnachgiebig zu bleiben, was ihm in Bamako einige Sympathien einträgt.

In dieser Frage steckt sicherlich noch viel Konfliktstoff. Ebenso wie, zumindest potenziell, in jener nach dem Status der internationalen Truppen. Die „UN-Mission für die Stabilisierung Malis“ (Minusma) ist mit über 11.000 Soldaten im Land präsent, die am Flughafen von Bamako und seltener im Stadtbild sichtbar sind. Parallel zu ihnen sollen auch mindestens 1.000 französische Soldaten als „Parallelstreitkraft zur Terrorbekämpfung“ längerfristig bleiben. Derzeit ist aus der Frage der internationalen Truppen die Luft heraus, wie der Student Amadou (Vornamen sind redaktionell geändert) erklärt: „Ursprünglich sollte ein Gutteil auch in Südmali stationiert sind, und wir fürchteten, sie dienten dann eher als Garantie gegen einen Präsidentensturz - eingedenk der schlechten Erfahrungen mit ATT. Das wollten die Staatschefs der Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft. Nunmehr wurde eine Regel gefunden, wonach 80 Prozent der UN-Truppe im Norden und nur 20 Prozent im Süden bleiben sollen. Im Augenblick können wir damit leben.“

Auch die Jungoffiziere, die im März 2012 gegen das damalige Establishment putschten, unterstützten die Kandidatur Keïtas mehr oder minder deutlich. Am 25. Juli, drei Tage vor dem ersten Wahlgang, konnte „IBK“ demonstrativ in ihrer Hochburg, dem Militärcamp von Kati fünfzehn Kilometer nordwestlich von Bamako, auftreten. Dies bedeutete faktisch eine Unterstützungserklärung.

Auf der anderen Seite des gesellschaftlichen Spektrums erhielt „IBK“ auch eine Rückendeckung von einem Zusammenschluss religiös-politischer Vereinigungen in Gestalt des „Hohen Islamrats“ HCI sowie der Föderation Sabati („Widerstand“ in Bambara), die rund 100 Mitgliedsverbände umfasst. Die Religion ist in der malischen Gesellschaft tief verankert – auch manche Kommunisten unterbrechen die Diskussion mitunter für fünf Minuten, um kurz ihren Gebetsteppich auszurollen -, aber ihre Praxis ist ungleich toleranter, als man sie überwiegend in den arabischsprachigen Ländern antrifft. Eine deutliche Mehrheit hält das Ramadanfasten ein, aber es gibt immer wieder auch Nichtfaster: zu alt, zu jung, krank, oder nicht überzeugt. Letztere, mit oder ohne triftige Ausrede, verstecken sich jedoch nicht, um etwa Wasser zu trinken - was etwa in Marokko oder Algerien staatlich geahndet werden könnte. In jüngerer Zeit nehmen jedoch gleichzeitig eine Politisierung der Religion, und offen reaktionäre Tendenzen zu, was eng mit der politischen und Staatskrise zusammenhängt.

So wurde bei einer Regierungsumbildung im August 2012 erstmals ein eigenes Religionsministerium für den HCI geschaffen, während Mali allerdings eine „laizistische Republik“ bleibt. Und neben der eher toleranten malekitischen Schule, die den Islam in Mali prägt, wächst der Einfluss einer als wahhabitisch bezeichneten Richtung. Diese wird so genannt, weil sie aus den reaktionären Golfstaaten unterstützt wird – dennoch ist bislang undenkbar, eine der inquisitorischen Staatsideologie in Saudi-Arabien vergleichbare Praxis in Mali real umzusetzen. Vollverschleierungen, die auch das Gesicht verstecken und in den Golfstaaten häufig in Mali anzutreffen, bleiben eine Rarität: Wer viel in Bamako unterwegs ist, trifft durchschnittlich zwei Fälle pro Tag. Die Mehrheit der Frauen trägt traditionelle westafrikanische Kopfbedeckungen, die auch immer wieder einmal abgesetzt werden. Es gibt keinerlei durchgesetzten Bedeckungszwang.

Die als wahahabitisch bezeichnete Vereinigung Sabati entstand in ihrer heutigen Form kurz vor der Präsidentschaftswahl, und unterstützte die Kandidatur „IBK“s nach einer internen Debatte. Ausschlaggebend war wohl in erster Linie, dass man auf einen möglichen Gewinner setzten wollte, statt auf einen aussichtslosen Kandidaten, um an ihn dann Forderungen richten zu können. Zudem ist Keïta seit den frühen neunziger Jahren mit einem religiösen Würdenträger eng verbunden, dem „Chérif von Nioro“, dem er damals eine lebensrettende Operation bezahlte. Aus Dankbarkeit blieb der Kleriker, der auch ein schwerreicher Geschäftsmann ist, ihm in Freundschaft verbunden. Seien es Handelsinteressen oder politische Symbole: Sabati, die von sich behauptet, heute 15 Prozent der Wählerschaft mobilisieren zu können, wird sich im Falle einer Wahl des von ihr unterstützten Kandidaten zu Wort melden.

Abdou (Vorname redaktionell geändert) gilt seinen Nachbarn als Wahhabit. Er ist in der als Dawa – das arabische Wort für den Aufruf zum Gebet – bezeichneten, missionarisch tätigen Richtung des politisierten Islam tätig. Und er ist Hochschullehrer für Fremdsprachen. Sieben Jahre studierte er in Südwestdeutschland, wo er ganz besonders die Ordnung schätze: „Nach meiner Rückkehr nach Mali hatte ich lange ernste Wiedereingliederungsschwierigkeiten.“ Seine Frau trägt ein knallorangenes Kopftuch. In ihrem Haus gibt man, was in Mali sehr selten ist, Menschen des entgegengesetzten Geschlechts zum Gruß nicht die Hand. Aber die vielleicht zehnjährigen Töchter wirken sehr aufgeweckt, springen herum und albern mit dem Vater umher.

Abdou wählt selbst nicht: „Ich habe bislang nur einmal mitgestimmt. Unter uns Muslimen gibt es eine Debatte: Soll man das kleinere Übel unterstützen? Oder droht man dann nicht, einen Anteil an dem, was der einmal gewählte Kandidat dann tut, auf das eigene Sündenregister zugeschrieben zu bekommen? Heute halte ich mich aus dem Wählen heraus.“ Auch er erhofft sich jedoch, dass Mali einen besseren Neuanfang nehme. Und dass das Lohnproblem der Hochschullehrer geregelt werde: „2011 streikten wir ein volles Jahr lang. Am Ende gab es auch eine Vereinbarung, die einen Gutteil unserer Forderungen durchgesetzt hätte. Aber dann kam der Putsch, und die Übergangsregierung wollte sich nicht festlegen. Nun hoffen wir das Beste für die Zeit nach der Wahl.“

Dass es eine Unterstützung für „IBK“ gebe, führt er selbst auch darauf zurück, dass „er mitunter islamisch geprägte Formulierungen wir bismillah rahim (Im Namen Gottes des Barmherzigen) in seine Reden integriert.“ Die organisierten Muslime sollten sich aber auch für ihre Belange einsetzen wie 2011, als der HCI erfolgreich gegen eine relativ progressive Reform des Frauen- und Familiengesetzes mobilisierte. Abdou störte vor allem daran, dass es ein gesetzliches Verbot der Frauenbeschneidung geben sollte. Auf den Einwand, der Islam als solcher schreibe diese Praxis – die in den Großstädten rückläufig, aber auf dem Land noch weitverbreitet ist – gar nicht vor und sie existiere in der Mehrheit der arabischen Länder nicht, antwortet er, aber sie werde vom Islam toleriert. „Und was vom Islam begünstigt wird, kann ein Präsident jedenfalls nicht gesetzlich verbieten, Er darf eine Aufklärungskampagne machen, um zu sagen, warum es nicht gut sei. Aber gesetzliche Eingriffe gehen nicht.“ Die Jihadisten wiederum hält er schlichtweg für Kriminelle, die ihren Geschäftsinteressen, ob im Handel mit Drogen oder Geiseln, nachgingen.

Zweifellos wird der nächste Präsident Malis es nicht leicht haben. Er wird mit unterschiedlichen Erwartungen von Links und von Rechts, von Religiösen und Säkularen, von Tuareg und von der französischen Ex-Kolonialmacht, von Separatisten und ihren Gegnern konfrontiert werden. Dies alles im Kontext eines wirtschaftlich schwachen Landes. Auf Desinteresse, Resignation und Passivität der Bevölkerung darf er hingegen wahrscheinlich nicht zählen.

Ringen um die Macht nach der Präsidentschaftswahl

Nach der Labsal des Wahlkampfs beginnt nun bald die Mühe des politischen Alltags für den frisch gewählten Präsidenten von Mali, Ibrahim Boubacar Keïtar, genannt « IBK ». Am 04. September 2013 findet die Amtseinführung des neuen Staatsoberhaupts statt, und zehn Tage später dann die Zeremonie unter Teilnahme seiner ausländischen Amtskollegen. Auch der französische Präsident François Hollande wird ihr, so kündigte er jedenfalls an, beiwohnen. (Unterdessen besuchte „IBK“ am Wochenende des 31. August / 01. September bereits den tschadischen Präsidenten Idriss Déby Itno, dessen Land von Januar bis Mai 2013 massive Truppenunterstützung für die französische Intervention geleistet hatte. Idriss Déby, an der Macht seit dem 1. September 1990, ist eines der übelsten Schlächter und Autokraten im französischsprachigen Afrika.)

In Bälde wird „IBK“ also im Amt sein. Der auf ihm lastende Erwartungsdruck ist immens. Als erste Amtshandlung, die von ihm erwartet wird, muss er neben der Einsetzung eines Premierministers auch über die Bestätigung des angesetzten Termins für die Parlamentswahlen entscheiden. Diesen beiden Weichenstellungen wird bereits erhebliches politisches Gewicht beigemessen, da sich an ihnen die künftige generelle politische Ausrichtung absetzen lässt. Nach der Staatskrise und drohenden Implosion Malis infolge der Besetzung des Nordens durch eine Allianz aus ethno-separatistischen Tuaregrebellen und Jihadisten im Jahr 2012 müssen nun, nach dem Präsidenten, nacheinander auch die Nationalversammlung und die Lokalparlamente neu gewählt werden.

Aber es stellt sich die Frage, wann diese Wahlen stattfinden sollen: Am dafür derzeit vorgesehenen Termin am 27. Oktober und 21. November? Und wer soll sie organisieren und überwachen: die im Augenblick noch amtierende Übergangsregierung unter Interimspräsident Dioncounda Traoré ? Oder aber ein neu zu bildendes Kabinett? Letzteres würde drohen, nach der Parlamentswahl obsolet zu werden, weil die Kräfteverhältnisse zwischen den politischen Strömungen und Parteien sich ändern dürften. Es müsste also wahrscheinlich umgebildet werden. Aber für die seit Mai 2012 amtierende, und im August sowie im Dezember umgebildete, Übergangsregierung stellt sich die Frage nach ihrer Legitimität.

Zwei politische Lager rangen seit dem Ausbruch der schweren Staatskrise von Anfang 2012 um die Macht. Auf der einen Seite standen die Kräfte der alten Oligarchie, die unter dem vormaligen Präsidenten „ATT“ – Amadou Toumani Touré – das Land an den Rand des Abgrunds wirtschaftete. „ATT“ hätte im Prinzip im Frühjahr 2012 abtreten müssen, bereitete sich aber auf ein Arrangement vor, das es ihm wohl erlaubt hätte, bis voraussichtlich 2015 im Amt zu bleiben: Unter Berufung auf einen Verfassungsartikel, der es erlaubt, Wahlen im Notstands- oder Kriegsfall auszusetzen, hätte er die Präsidentschaftswahl voraussichtlich verschoben. Dies ist einer der Gründe, neben gemeinsamen Interessen der alten Oligarchie und der Warlords im Norden am internationalen Transithandel mit Drogen – dem aus Südamerika in Richtung Europa transportierten Kokain -, warum „ATT“ die Warlords der separatistischen Tuaregbewegung MNLA im Bunde mit den Jihadisten im Norden immer wieder einfach gewähren ließ.

Die Vorwürfe aus der Bevölkerung an die alte Elite, das Land in die Katastrophe geführt zu haben, führte zu Applaus aus breiten Kreisen für den Putsch, den junge Offiziere am 22. März 2012 durchführten. Damals setzten sie „ATT“ in einem Staatsstreich, dessen schnelles Gelingen auch seine Urheber selbst überraschte, im Handstreich ab. Viele der jungen Offiziere hatten kaum ausgereifte politische Ideen, einige von ihnen hatten aber indirekte Verbindungen zur Linken. Als ranghöchster Offizier, der die jungen Putschisten nicht verurteilte, sondern unterstützte, wurde der Hauptmann Amadou Sanogo herbeigerufen, um die Spitze des Staatsstreichs zu übernehmen. Er war nicht in den ersten Stunden beteiligt gewesen, sollte sich aber als relativ erfahrenster unter den jungen Militärs an die Spitze setzen. Sein Bruder ist bei der ex-maoistischen, linksnationalistischen Partei SADI (Afrikanische Solidarität für Demokratie und Entwicklung) aktiv. Einige auf der Linken träumten davon, er könnte eine Rolle ähnlich jener des 1987 ermordeten Präsidenten Thomas Sankara im Nachbarland Burkina-Faso übernahm: Er kam 1983 durch einen linksorientierten Putsch an die Macht, der dadurch erleichtert wurde, dass viele Söhne armer Familien allein bei der Armee ein Auskommen und Bildungschancen finden konnten, und leitete eine tatsächlich progressive Politik ein. Dazu gehörten Frauenemanzipation, der Kampf gegen Genitalienverstümmelung, der Abbau von Privilegien auf allen Ebenen, die Entfeudalisierung der sozialen Beziehungen auf dem Land und die Verringerung von Importabhängigkeit. Die Fußstapfen Sankaras dürften für Sanogo allerdings um mehrere Nummern zu groß sein.

Sanogo wurde vor kurzem, als letzte Amtshandlung von Übergangspräsident Touré unmittelbar vor der Präsidentschaftswahl, zum General befördert. Schon zuvor war er an die Spitze eines „Komitees zur Reform der Streitkräfte“ eingesetzt worden. Diese Beförderung, die theoretisch illegal ist, da Sanogo nicht über den von der Verfassung für Generäle geforderten höheren Bildungsabschluss verfügt, wird derzeit in Bamako wild diskutiert. Eine Gruppe von Rappern und Juristen unter dem Namen Les Sofas de la République will Klage dagegen erheben. Diese rein politische Entscheidung des Übergangspräsidenten, der laut eigenen Worten dem künftigen Amtsinhaber Keïta „eine Entscheidung abnehmen“ wollte, widerspiegelt das Gewicht der Putschbefürworter auch in einem Teil der Übergangsregierung: Zehn ihrer Minister gehören diesem Lager an, obwohl die alte Oligarchie und das vormalige Regierungslager den Staatsstreich vehement verurteilt hatten. Die unter massivem Druck von der Straße und aus der Armee erfolgte Umbildung der provisorischen Regierung im Dezember 2012 hat das Gewicht dieses Lagers verstärkt.

Dagegen hatten Frankreich und die westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft – französisch CEDEDAO, englisch ECOWAS – stets dahingehend Druck gemacht, dass die Putschisten weichen und „eine Rückkehr zur verfassungsmäßigen Ordnung“ erfolgen müsse. Im Süden Malis war deswegen auch immer wieder befürchtet worden, eine Stationierung von westafrikanischen oder internationalen Truppen in Zentral- oder Südmali richte sich eher gegen unliebsame innere Kräfte als gegen die bewaffneten Gruppen im Norden. Der derzeitige Verteilungsschlüssel, der 80 Prozent der internationalen Truppen im Norden belässt und ihr Hauptquartier in Koulikoro – 60 Kilometer von Bamako entfernt – statt in der Hauptstadt ansiedelt, wird derzeit von vielen als Kompromiss akzeptiert.

„IBK“, der es geschafft hat, im Wahlkampf eine heterogene Koalition – darunter ein Teil der Linken, aber auch islamistische Kräfte – hinter sich zu sammeln, hat auch die Unterstützung der Putschbefürworter gefunden. Obwohl er selbst aus der alten politischen Klasse kommt, konnte er mit seinem Slogan von der neu zu begründenden „Vierten Republik“ derzeit ihr Vertrauen finden. Drei Tage vor dem ersten Wahlgang konnte er am 25. Juli einen Wahlkampfauftritt im Militärcamp von Kati – nordwestlich von Bamako -, von wo der Putsch im März 2012 ausging, und in der Hochburg Sanogos absolvieren.

Wilde Gerüchte begleiten unterdessen das Ringen zwischen den unterschiedlichen Kräften um Einfluss. Am Donnerstag, den 22. August 2013 schrieb etwa die malische Zeitung Le Soir de Bamako unter Berufung auf Gerüchte vom Vortag, der Hauptmann Youssouf Abdoulaye Touré – ein Berater aus der engeren Umgebung des frischgebackenen Generals Sanogo – sei verhaftet worden. Er habe versucht, Sanogo zu vergiften. Am selben Tag erschien in einer anderen Tageszeitung, L’Indépendant, das Dementi dazu: Touré selbst dementierte das Gerücht von seiner Festnahme, das auch vom französischen Radiosender RFI, den viele in Mali hören, gestreut worden war.

Neben der eher geringen Qualität der malischen Printpresse, die ohnehin nur zwei Prozent der Bevölkerung erreicht – das wichtigste Informationsmedium für den Großteil der Bevölkerung ist der Rundfunk -, in der es von Tippfehlern oft wimmelt und wo meist nicht formell zwischen Information, Kommentar und Gerücht unterschieden wird, widerspiegelt diese wirre Informationslage auch den Machtkampf für die anstehende Übergangszeit.

Editorische Hinweise

Wir erhielten den Artikel vom Autor für diese Ausgabe.