Eine „Larve“ wird Bundespräsident
Zur Broschüre „ Der Gauck`ler wird entlarvt“

von Anne Seeck

09-2012

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Im März 2012 kam eine Broschüre „Der Gauck`ler wird entlarvt“ von Klaus Blessing und Manfred Hegner heraus. Zum Teil lesenswert, was die Person Gauck betrifft, zum Teil sehr DDR- unkritisch. Es hieß wieder mal, „zwischen den Zeilen lesen“, um nicht die Sichtweise der Macher der Broschüre unkritisch zu übernehmen. Gar nicht so einfach, wenn man den Karrieristen Gauck haßt.

Eigentlich wollte ich über das Buch von Gauck schreiben, um seinen Freiheitsbegriff auseinanderzunehmen. Gauck ist Autor eines Buches „Freiheit“, aber es ist so ein lächerliches Büchlein, dass es sich nicht lohnt, darüber zu berichten. Was heute sein Freiheitsbegriff ist, hat er vielfach unter Beweis gestellt. Mit der Unfreiheit in der DDR hatte er keine Probleme, denn er genoß als Pfarrer viele Sonderfreiheiten. Als seine Söhne in die BRD übersiedelten, durften diese ihn in der DDR besuchen und auch die Eltern ihre Söhne in der BRD besuchen. Das war für normale DDR- Bürger und normale Übersiedler unmöglich. Als Pfarrer erhielt er ein Teilgehalt in DM. Dank der guten Zusammenarbeit mit dem Staat konnte er einen Transporter aus der BRD einführen. Gauck lebte angepasst in der DDR, von Opposition keine Spur. Erst als Honecker abtrat, entdeckte der Karrierist seine oppositionelle Neigung. Er war ein „guter“ Redner und stieg schnell auf. Er wurde Sprecher des Neuen Forum Rostock und führte Protest-Gottesdienste durch. Am Tag der Maueröffnung, dem 9. November 1989, genoß er wieder mal ein „Privileg“, er weilte bei dem 80. Geburtstag seines Onkels in Westberlin, worüber er sich aus gutem Grund ausschweigt.

Seine familiären Wurzeln

Auch 68er hatten Nazi-Eltern und -verwandte. Sie haben aber diese Generation mit ihrer Vergangenheit konfrontiert. Gauck aber schweigt sich aus. Sein Vater war „Kapitän“, der Onkel sein „großes Vorbild“, wie ein Cousin von Gauck berichtete.

Wer war das „große Vorbild“? Der Onkel Gerhard Schmitt trat als Theologiestudent am 1. August 1931 in die NSDAP ein. 1933 unterbrach er sein Theologie-Studium, um hauptamtlich für die NSDAP zu arbeiten. 1934 war er hauptamtlicher SA- Führer, bald war er SA- Gruppenführer. Schließlich wurde er nach Beendigung des Theologiestudiums Wehrmachtsgeistlicher in der faschistischen Kriegsmarine. Nach Kriegsende bekam er eine Pfarrstelle in Rostock, bereits 1948 wurde er „entnazifiziert“ 1964 stieg er zum Generalsuperintendent im Ostteil Berlins auf, nach der Pensionierung 1974 zog er nach Westberlin, wo er im Jahre 2000 verstarb. Joachim Gauck besuchte ihn wiederholt, sein „großes Vorbild“.

Blessing und Hegner schreiben: „Gerhard Schmitt war von Anbeginn ein offener Feind der DDR. Er verweigerte die Teilnahme an Wahlen, agierte gegen die Jugendweihe und gegen die Schulpolitik des Staates. Er gehörte zu den reaktionärsten Kräften der evangelischen Landeskirche Berlin- Brandenburg.“ (S.20)

Nun ist gegen die Nichtteilnahme an Wahlen, die Verweigerung eines Staatsgelöbnisses und die Kritik einer total verstaatlichten und ideologisierten Schulpolitik auch von links nichts einzuwenden. Wenn es aber in die reaktionäre und vollkommen antikommunistische Richtung geht, schon. Die Alternativen kann sich jede/r vorstellen. Der Staat DDR löste das Problem, in dem er von der Stasi überwacht wurde. Zuerst schnell „entnazifizieren“ und dann der Geheimdienst. Was macht man mit reaktionären Kräften in einer sozialistischen Gesellschaft? Auch in Venezuela heute stellt sich das Problem. An Einzelbeispielen wird das Dilemma deutlich.

Ein weiteres Beispiel. Der Vater. Für Gauck ist er der „Kapitän“, er war Offizier der faschistischen Kriegsmarine. Beide Eltern Gaucks waren treue Gefolgsleute der Faschisten, die Mutter trat 1932 der NSDAP bei, der Vater 1934. Gauck bezeichnet sie als „Mitläufer“, falls er überhaupt etwas dazu sagt. Über das Wirken „des Kapitäns“ während des Krieges schweigt der Sohn völlig. 1951 wird der Vater vom einem sowjetischen Militärtribunal zu 2x25 Jahre verurteilt und kommt nach Sibirien. 1955 kehren die Kriegsverbrecher auf Verlangen Adenauers nach Deutschland zurück. Gauck sagt, dass er „mit einem gut begründeten Antikommunismus aufgewachsen“ ist.

Dazu trug auch bei, dass das Haus der Großeltern enteignet wurde und der Vater nach der Kriegsgefangenschaft eine neue Tätigkeit aufnehmen mußte. Blessing und Hegner schreiben, Gauck hätte nicht einmal an den „Freizeitangeboten des Jugendverbandes FDJ“ teilgenommen, was ich gut verstehen kann. Das hat allerdings seinem Anpassungsprozeß in der DDR nicht geschadet.

Trotz der Haft des Vaters erhielt er einen Platz an der Oberschule und legte 1958 sein Abitur ab. Eigentlich wollte er wohl Germanistik oder Journalistik studieren, was ihm aus politischen Gründen verwehrt wurde, so Gauck. Blessing und Hegner schreiben, dass es offen sei, ob er sich überhaupt beworben hätte. Jedenfalls studierte er auf Rat seines Onkels Theologie in Rostock.

„Larve“ war kein ernsthafter Kritiker der gesellschaftlichen Ordnung der DDR

Blessing und Hegner beginnen den politischen Lebenslauf Gaucks mit folgendem Satz: „Er war während der Existenz der DDR entgegen ständiger eigener Behauptung und deren Kolportage durch die etablierten Medien kein ernsthafter Kritiker ihrer gesellschaftlichen Ordnung. Erst in der Endphase des zweiten deutschen Nachkriegsstaates engagierte er sich in der Bürgerbewegung 'Neues Forum' und wurde nach dem 'Beitritt' erster 'Bundesbeauftragter für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der (ehemaligen) DDR'(BStU), einer Bundesbehörde mit mehreren Tausend Mitarbeitern. In dieser Funktion erhielt er das Gehalt eines Staatssekretärs der Bundesregierung, d.h. mehr als der Präsident des Bundesnachrichtendienstes, der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz und der Chef des Militärischen Abschirmdienstes der Bundeswehr.“ (S. 15)

In den Mainstream- Medien wird ein geschöntes Porträt von dem Bundespräsidenten gezeichnet. Er sei die Galionsfigur des Widerstandes in der DDR.

Am 3.5. 2000 gibt Gauck eine eine eidesstattliche Versicherung ab, darin heißt es:

„Ich war zu keinem Zeitpunkt als inoffizieller Mitarbeiter (IM) für das Ministerium für Staatssicherheit der ehemaligen DDR tätig.

Insbesondere habe ich mich zu keinem Zeitpunkt zur Lieferung von Informationen an den Staatssicherheitsdienst bereiterklärt und habe zu keinem Zeitpunkt bewußt und gewollt mit dem Staatssicherheitsdienst zusammengearbeitet. Ich war dementsprechend auch nicht der IM „Larve“.“

Blessing und Hegner schreiben: „Während der ersten Jahre seiner Tätigkeit als Seelsorger äußerte Gauck seine ablehnende Haltung gegenüber der sozialistischen Gesellschaft in der DDR. Da er sich um die Missionierung junger atheistisch erzogener Menschen bemühte und deren Bekenntnis zur DDR zu erschüttern versuchte, überwachte ihn die Staatssicherheit. Anfangs war das Gauck sehr unangenehm. Dann entschloss er sich, wenigstens äußerlich kooperativ aufzutreten. Weil er das sehr geschickt machte, beendete die Kreisdienststelle Rostock des MfS die Beobachtung. Gauck trat schließlich so angepasst auf, dass man sogar erwog, ihn als inoffiziellen Mitarbeiter (IM) des MfS zu gewinnen. Nur wegen eines bestehen gebliebenen Misstrauens kam es nicht zur Anwerbung. Dennoch wurden Gauck vielfältige Vergünstigungen gewährt, die er gerne und ausgiebig in Anspruch nahm.(...)Um einen ungestörten Ablauf der Kirchentage zu ermöglichen, waren Entgegenkommen und Unterstützung der kommunalen Behörden und des Ministeriums für Staatssicherheit notwendig und erwünscht. Diese Beziehungen bereiteten Gauck bis 1990 keine inneren Probleme. Vielmehr vereinbarte er sogar von sich aus mit dem MfS, dass er in erforderlichen Fällen dort Unterstützung anfordern dürfe. Er erhielt eine entsprechende Zusage.“ (S. 22)

In einem Brief an Siegmar Gabriel (SPD) zitieren Blessing und Hegner Peter- Michael Diestel, um zu beweisen, dass Gauck mit der eidesstattlichen Versicherung gelogen hat.

Hier Zitate aus dem Original eines Artikels im Freitag. Gauck hatte sich mit dem MfS- Mann Terpe getroffen. Es ist ein Protokoll des Gespräches. Diestel schreibt.

„Seitdem ich die Demaskierung Gaucks in der Welt vom 23. April 1991 gelesen habe, weiß, sage und schreibe ich: Das Terpe-Papier reicht aus, ihn wie Tausende andere aus dem Öffentlichen Dienst zu verbannen. Gauck mit dem Stasi-Namen "Larve" ist nach Maßstäben seiner Behörde ein Täter. Ein von der Stasi überprüfter Täter, wie Stasi-Berichte über Gauck belegen. Daß Gauck im Öffentlichen Dienst verbleibt, wird im Osten als Ungerechtigkeit gewertet und missbilligt. Sonderschutz für einen willigen Vollstrecker ist eine noch harmlose Beschreibung dieses Umstandes.(...) Pastor Gauck erklärte dem Hauptmann Terpe, er sei nicht gewillt, "mit nicht kompetenten Mitarbeitern des MfS Gespräche zu führen", er würde sich von vornherein verbieten, "mit einem kleinen Leutnant des MfS zu sprechen". - Das scheint mir nicht die Sprache eines Widerständlers zu sein, sondern die eines Mitmachbereiten. Mit "kleinen Mitarbeitern" lassen sich "große Dinge" nicht besprechen.

Bei vielen MfS-Mitarbeitern glaubt Gauck neurotische Züge zu erkennen, klärt er Terpe auf. Mit wie vielen Stasi-Leuten pflegte der Pastor Umgang, um sich ein solches Urteil bilden zu können?

Ausführlich sprach Pastor Gauck über den Kirchentag in Rostock - mit Billigung seiner Kirche, seines Bischofs? Hatte Gauck in Vorbereitung des Kirchentages mit der Stasi zu tun? Mit Zustimmung der Kirche und des Bischofs? Existiert darüber bei der Kirche ein Papier? Weitere bei der Stasi?

Pastor Gauck rühmte den Dialog zwischen Christen und Marxisten, wie er mit Vertretern des Bereiches Marxismus/Leninismus auf dem Rostocker Kirchentag stattfand, und sprach sich für dessen Weiterführung aus. Er bedauerte, dass der SED-Chefideologe Reinhold daran nicht teilgenommen hatte. - Da wird kein standfester Bürgerrechtler oder Dissident erkennbar, vielmehr einer, der sich der anderen Seite anbiedert.

Pastor Gauck wünschte sich für die DDR stabilisierende Veränderungen Gorbatschowscher Art. Er befürchtete, dass sich die positiven Zielsetzungen der DDR sonst nicht realisieren lassen. Gauck als DDR-Stabilisator.

Gauck führt seine BRD-Reisen an. - Warum und wofür erhielt er diese Vergünstigung durch die DDR-Behörden? Millionen wollten reisen und durften nicht.

Großen Raum nahm im Gedankenaustausch Gauck-Terpe das Problem DDR-Übersiedler ein. Terpe: "Gauck äußerte, dass er selbst in seiner Gemeinde dahingehend wirksam werden will, dass er die ihm dort bekannten Übersiedlungsersuchenden durch Gespräche, mehrmalige Gespräche beeinflussen will, damit sie in der DDR bleiben." Terpe dankte dafür. - Deutlicher kann man eine Zusammenarbeitsbereitschaft kaum formulieren. Pastor Gauck nahm im Sinne des MfS, der SED, des Staates Ausreisewillige an die Brust.

Pastor Gauck beschimpfte ausreisewillige junge Angehörige der Intelligenz wie auch Ärzte und Jugendliche, sie besäßen "nur eine Unterentwicklung im Punkt Heimatgefühl". Das Verschweigen politischer Gründe kann als Demutshaltung gegenüber dem MfS-Hauptmann gewertet werden.

Hauptmann Terpe dankte Pastor Gauck "für seine Initiativen und für seine langfristig gute Zusammenarbeit". Ausdrücklich verwies der Stasi-Mann darauf, dass er nicht nur persönlich dankt, sondern dass der Dank vom Ministerium für Staatssicherheit insgesamt kommt. - Wofür, Herr Gauck? Allein eine Passage dieser Art hat ausgereicht, Tausende Menschen aus ihrer Berufs- und Lebensbahn zu werfen.

Pastor Gauck erklärte, das Gespräch mit Hauptmann Terpe habe ihn angenehm überrascht, es habe ihm viel gegeben. Er glaube, "dass das MfS einen echten positiven Beitrag zur Entwicklung der sozialistischen Gesellschaft einbringen wird" - Auch diese Passage wäre anderen zum Verhängnis geworden.

Gauck bot dem MfS-Mann die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Ökologie an. Dies war für die Partei- und Staatsführung der DDR ein besonders sensibler politischer Bereich, in dem der gefürchtete Einfluss der Grünen aus der BRD vermutet wurde. Gaucks Anerbieten dürfte vom MfS zur Kenntnis genommen worden sein.“

http://www.freitag.de/autoren/der-freitag/auf-wiedersehen-herr-gauck

„Larve“ als „Herr der Stasi- Akten

Bei den Wahlen zur DDR- Volkskammer im März 1990 wurde Gauck der einzige Abgeordnete des Neues Forums für Mecklenburg. Die Volkskammer wählte ihn zum Vorsitzenden des Sonderausschusses zur Kontrolle der Auflösung des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS)bzw. Amtes für Nationale Sicherheit (AfNS). Am 2. Oktober 1990 wurde er zum „Sonderbeauftragten für die personenbezogenen Unterlagen des ehemaligen Staatssicherheitsdienstes der DDR“ gewählt. Am 3. Oktober 1990 wurde er dann zum Sonderbeauftragten der Bundesregierung, im Dezember 1991 wurde er Bundesbeauftragter der Stasi-Unterlagen. 94 wurde er dann nochmal für fünf Jahre in dem Amt bestätigt.

Blessing und Hegner schreiben dazu u.a.: „Gauck gehört zu den unermüdlichen Scharfmachern, die dem MfS und der DDR insgesamt nur Schlechtes nachsagen. Von ihm hört und liest man keine objektive Schilderung des Lebens in der DDR.“ (S.24)

Da frage man sich, was ist eine objektive Schilderung des Lebens in der DDR. Das Leben eines Staatsfunktionärs in der DDR, wie sie in Büchern der Edition Ost oft geschildert wird, sah bestimmt anders aus, als das eines Oppositionellen, der durch die Stasi zersetzt wurde oder das eines Republiksflüchtlings, der im Knast saß. Die Stasi- Akten liefern genügend Auskünfte und es ist gut, dass die Akten eines Geheimdienstes geöffnet sind. Da kann man sich natürlich wünschen, dass auch die Akten des Verfassungsschutzes, CIA etc. geöffnet werden und Geheimdienste überhaupt abgeschafft werden. Davon hört man von Gauck natürlich nichts.

Zum Verfassungsschutz gibt er Folgendes von sich: „Unser Verfassungsschutz (…) ist nicht eine Vereinigung von Leuten, die neben unserem Rechtsstaat existiert und Linke verfolgt. Wenn der Verfassungsschutz bestimmte Personen oder Gruppen innerhalb dieser Partei observiert, wird es dafür Gründe geben.“ (Juni 2010, Interview in der Rheinischen Post)

Stasi böse, Verfassungsschutz gut. So funktioniert das Weltbild Gaucks.

Wir leben ja jetzt in der „Freiheit“. Ob das seine arbeitslosen und prekär arbeitenden Landsleute in Mecklenburg- Vorpommern wohl auch spüren, diese „Freiheit“. Welche Freiheit haben sie im Jobcenter? Welche Freiheit haben sie gegenüber den „Arbeitgebern“, die sie so mies bezahlen? Gauck hatte als Bundesbeauftragter der Stasi- Unterlagen die höchste Gehaltsstufe eines Beamten. Ein lukrativer Job für einen angepassten Karrieristen.

Blessing und Hegner werfen dann Gauck auch die soziale Ausgrenzung und öffentliche Diffamierung der von der Stasi-Hysterie Betroffenen vor. Er hätte sogar den Freitod nicht weniger Betroffener mit zu verantworten. Ob die gleichen Leute wohl in der DDR, als sie noch an der Macht waren, ihr Bedauern geäußert haben, was mit den politischen Gefangenen und den Zersetzungsopfern geschieht. Ich kann mich nicht erinnern. Auch in der Broschüre findet sich kein Wort des Bedauerns. Es geht nur um sie.

Gauck „verfolgt unerbittlich das Ziel, ehemalige Verantwortungsträger der DDR, leitende und einfache Mitarbeiter von Einrichtungen der DDR (besonders des MfS) für schuldig zu erklären und auszugrenzen, sie zu allgemeinen Schuldbekenntnissen zu zwingen sowie wenigstens sozial und moralisch abzuwerten.“, so Blessing und Hegner. (S.24)

Insgesamt erinnert das alles an Erziehungsmethoden (Schwarze Pädagogik?), auf das mit Trotz reagiert wird. Die Kinder fühlen sich „ausgegrenzt und diffamiert“ Und der Erzieher: So mein Kind, erkläre dich mal schuldig. Nein, mach ich nicht, sagt das trotzige Kind. Ich habe alles richtig gemacht. Das gleiche Kind, das andere Kinder drangsaliert hat bzw. mitverantwortlich war. Und da kaum ein Kind letztlich bestraft wird, fühlt das Kind sich noch mehr im Recht. Aber auch der Erzieher (Gauck?) pocht auf seinem Recht, er fühlt sich als guter Mensch in einer „freiheitlich- demokratischen Grundordnung“ und wird schließlich sogar Bundespräsident.

Die Broschüre ist daher mit Vorsicht zu geniessen, denn der Feind meines Feindes ist nicht gleichzeitig mein Freund. Sowohl Gauck, der Diktaturenvergleich betreibt, als auch Blessing und Hegner, die Ostalgie betreiben, sind zu kritisieren. Mißtrauen zum Wahrheitsgehalt in der Broschüre sind daher angebracht, dazu sind Blessing und Hegner zu sehr Ideologen. Obwohl sie natürlich in vielem Recht haben, wie folgendes beweist.

Gauck als Redner und Publizist

Seit 2000, als Marianne Birthler seinen Job übernahm, war er häufig eingeladener Redner und ein Publizist mit hohen Honoraren. Er hatte es nicht nötig, in seinem Beruf als Pfarrer zu arbeiten.

Ein Angebot, Leiter der Bundeszentrale für politische Bildung zu werden, schlug er „zum Glück“ aus.

„Grundlage von Gaucks Beurteilung des Sozialismusversuchs in der DDR ist die Totalitarismus- Doktrin. Für ihn bestehen zwischen dem blutbesudelten menschenverachtenden Deutschen Reich und der SBZ/DDR nur graduelle Unterschiede, weil beide Diktaturen waren.“, so Blessing und Hegner. (S.29)

Zum Kapitalismus steht er dagegen so: „Mir ist am wichtigsten, dass die Menschen in diesem Land wieder lernen, dass sie in einem guten Land leben, dass sie lieben können. Weil es ihnen die wunderbaren Möglichkeiten gibt, in einem erfüllten Leben Freiheit zu etwas und für etwas zu leben.“ (19.2.2012, nach seinem Nominierung für das Amt des Bundespräsidenten)

Allein für diese zwei Sätze müssten ihm die Menschen in den Schlangen der Jobcenter, der Lebensmittelausgaben, die immer mehr werdenden Flaschensammler und Armen, die Niedriglöhner usw. mit vereinten Kräften „eins in die Fr....“. Ein erfülltes Leben in Freiheit....Für wen?

Gauck befürwortet Auslandseinsätze der Bundeswehr und betrachtet den Krieg in Afghanistan als völkerrechtsgemäß, weil nachträglich durch UN- Beschluss gerechtfertigt.

„Ich finde den Einsatz nicht gut, aber erträglich und gerechtfertigt.“ (Juni 2010, Saarbrücker Zeitung)

Er befürwortet die Heraufsetzung des Rentenalters auf 67 Jahre. Er trägt sowohl die „Agenda 20“ als auch das „Sparpaket“ mit.

„Ich finde es positiv, wenn die Menschen demonstrieren. Aber ich finde es töricht und geschichtsvergessen, wenn der Protest gegen Sozialreformen unter dem Titel Montagsdemonstrationen stattfindet.“ (9.8.2004, Berliner Zeitung)

Christian Semler in der taz:

„Gauck stellt sich in keinem Augenblick die Frage, ob der Kampf um die Verteidigung von sozialen Rechten und Positionen nicht in einem unlösbaren Zusammenhang mit den politischen Freiheitsrechten der Bürger steht. Gauck ignoriert die Bedeutung von Massenprotesten gegen den Sozialabbau für die 'zivilgesellschaftliche' Freiheitssphäre der Bürger. Sein Freiheitsbegriff ist amputiert, er akzeptiert nur politische Abwehrrechte gegenüber dem Staat, wobei die Gefährdung der Freiheit durch staatliche Überwachung in der Bundesrepublik reichlich unterbelichtet bleibt.“ (S.33)

Einerseits interessiert sich Gauck nicht für die Not der Palästinenser, andererseits spricht er von einer „Überhöhung“ des deutschen Judenmordes.

„Unübersehbar gibt es eine Tendenz der Entweltlichung des Holocausts. Das geschieht dann, wenn das Geschehen des deutschen Judenmordes in eine Einzigartigkeit überhöht wird, die letztlich dem Verstehen und der Analyse entzogen ist.“ (Vortrag März 2006, Welche Erinnerung braucht Europa)

Auschwitz „in eine Einzigartigkeit“ überhöht? Für Auschwitz gibt es keine Worte. Und so einer wird Bundespräsident. Und wer einen Systemwechsel will, ist laut Gauck „reaktionär“. Scheint er nicht da etwas zu verwechseln?

„Viele in der Linkspartei wollen einen Systemwechsel und haben die großen Vorzüge der abendländischen Verfassungs- und Demokratietradition gar nicht verstanden: Sie sind Leute der Vergangenheit. Ich halte solche Positionen für reaktionär.“ (Juni 2010, Interview in „Die Welt)

Es ist natürlich entscheidend, wohin ein System wechselt. Das kann auch reaktionär sein.

Aber Linke, die keine Stalinisten sind, streben eine bessere Gesellschaft als den „reaktionären“ Kapitalismus an. Und das ist alles andere als reaktionär. Die Wachtums- und Profitlogik und das Konkurrenzprinzip im Kapitalismus führen in den Untergang und die Verrohung der Menschheit.

Die Kapitalismuskritik der Occupy-Bewegung hat Gauck als "unsäglich albern" bezeichnet. Zum Thema Vorratsdatenspeicherung sagte Gauck, diese sei "nicht der Beginn eines Spitzelstaates".

Und der Höhepunkt, Gauck fand das Buch von Sarrazin „Deutschland schafft sich ab“ mutig....

Weitere Texte, die in der Broschüre zu finden sind:

Freitag: Gauck gut, alles gut?
http://www.freitag.de/autoren/asansoerpress35/gauck-gut-alles-gut 

»Die MfS-Mitarbeiter waren kluge Leute, sehr gebildet« , Gauck ließ sich vom Rostocker Kirchen-Referenten den Kontakt zur Staatssicherheit der DDR vermitteln. Ein Gespräch mit Manfred Manteuffel (JW 17./18.3.2012)

https://www.jungewelt.de/loginFailed.php?ref=/2012/03-17/027.php

Ein Kommentar von Daniela Dahn, 22. 2.2012

http://www.cicero.de/berliner-republik/bundespraesident-joachim-gauck-praesident-der-eliten/48408

Es werden in der Broschüre am Schluß zwei Buchempfehlungen abgegeben:

Klaus Huhn, Die Gauck- Behörde Der Inquisitor zieht ins Schloss (Spotless)
Albrecht Müller, Der falsche Präsident (Westend)
Noch ein Tipp (nicht in der Broschüre, sondern in der Soz): Weitere Infos von Bernd Gehrke zu Joachim Gauck:
http://www.sozonline.de/2012/03/der-kandidat-der-kalten-herzen/

Die Broschüre ist zu bestellen über redaktion@okv-ev.de

Die Akte Gauck: http://okv-ev.de/Dokumente/Leserbriefe/Akte%20Gauck_polit%20lebenslauf.pdf

http://okv-ev.de/Dokumente/bei%20anderen%20gelesen/Gauck_Eine%20lose%20Sammlung%20von%20Meldungen.pdf

Eine Akte Merkel findet sich auch auf der Seite: http://okv-ev.de/

Editorische Hinweise

Wir erhielten den Artikel von der Autorin für diese Ausgabe.