Imperialismus und Staatsterrorismus.
Chile - 11. September 1973  

Ein modifizierter Quellenauszug
von Reinhold Schramm

09/11

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Wer nach den Schuldigen an den Verbrechen in Chile sucht, der findet sie in den Büros der internationalen Konzerne und Banken in den Vereinigten Staaten von Amerika und der Bundesrepublik Deutschland, in anderen imperialistischen Staaten, in Außenministerien, CIA und BND-Staatssicherheitsdiensten, in privaten und staatlichen Propagandazentralen dieser Staaten. In engem Zusammenspiel mit der chilenischen Oligarchie und den verräterischen Militärs gingen sie der Unidad Popular an die Gurgel.  

Bis zu dem Zeitpunkt, da die Regierung der Unidad Popular am 4. November 1970 ihr Amt antrat, hatten 65 Unternehmen aus der Bundesrepublik Deutschland fast eine Milliarde DM Kapital in die chilenische Wirtschaft investiert. 

Allein ein Drittel der Kapitalinvestitionen entfielen auf die Nachfolger des IG-Farben-Konzerns, bekannt für die Ausbeutung fremder Arbeitskräfte und als Stütze des kapitalfaschistischen Regimes in Deutschland und Europa:  

Badische Anilin- und Sodafabrik (BASF) mit „Compania de Productos Quimicos Idrongal“ und zwei anderen Firmen. Zusammen mit dem christdemokratischen Parlamentsabgeordneten Gonzáles betrieb der Konzern eine Fabrik für Isoliermaterial. Die BASF besass 50 Prozent und der Christdemokrat 33 Prozent des Kapitals.  

Farbenfabriken Bayer AG mit „Quimica Bayer de Chile Ltda.“ und „Bayer Quimica Unidas S.A.“. Außerdem war Bayer zu 90 Prozent an der Firma „Industrias Quimica Andinas Ltda.“ beteiligt.  

Farbwerke Hoechst AG mit „Fibro Quimica Chilena“, „Quimica Hoechst de Chile Ltda.“ und „Tranchini & Hollemart“.  

In Chiles Wirtschaft hatten sich auch breit gemacht: VW, AEG-Telefunken, Klöckner, Schering, Merck, Rosenthal, Bosch, Hochtief, Preussag, Ferrostaal, Phoenix-Rheinrohr, das Außenhandelsunternehmen Münchmeyer, Petersen & Co., Rodenstock und viele andere. Die Siemens AG ließ sich in Chile durch das Unternehmen „Gildemeister S.A.C.“ vertreten.  

An der Ausbeutung des chilenischen Volkes beteiligten sich auch Großunternehmen aus Großbritannien, den Niederlanden, Italien, Japan und der Schweiz.  

“Adela“ - ein Konzern der Ausbeutung   

Eine bedeutende Rolle bei der Ausplünderung und Unterdrückung Chiles spielte die “Adela“ - Abkürzung für „Atlantic Development Group for Latin America“ (Atlantische Entwicklungsgruppe für Lateinamerika). -  

Diese Organisation hatte ihren Sitz in Luxemburg. Sie wurde 1964 im Rahmen der NATO mit dem Ziel gegründet, die Positionen des Großkapitals in Lateinamerika zu untermauern. Sie koordinierte das Vorgehen der Monopole. Im Jahr 1971 waren in dieser Organisation 121 Industrie- und 119 Finanzgesellschaften aus 23 kapitalistischen und imperialistischen Staaten  vertreten.

Darunter die USA-Monopole: Alcoa, Caterpillar, Coca-Cola, Chrysler, John Deere, Dow Chemical, Ford, General Motors, Exxon, IBM, Gulf Oil, ITT, United Fruit, U.S. Steel.  Ferner: Shell und Dunlop (Großbritannien), Mitsubishi und Hitachi (Japan) sowie Konzerne aus Kanada, der Bundesrepublik Deutschland, Italien, den Niederlanden, Schweden und der Schweiz.  

Das Gesamtkapital aller 240 Firmen betrug (damals) über 200 Milliarden US-Dollar, wobei mehr als drei Viertel dieser Summe auf die USA-Monopole entfielen.  

Die “Adela“ wurde von dem ehemaligen USA-Kriegsminister und damaligen Präsidenten der (imperialistischen) Weltbank McNamara und vom Multimilliardär und (damaligen) Politiker Nelson Rockefeller aus der Wiege gehoben. Wirtschaftliche Berechnungen lieferte die Ford-Stiftung.  

In Chile hatte die “Adela“ nach einem Bericht der „Business Week“ (USA) vom 11. Juli 1970 folgende Unternehmen organisiert:  

• Cia. De Productes de Acero (Stahlrohrwerk)  

• Fabrica Espanola Magnetos (Betrieb für elektrische Ausrüstungen)  

• Armat Metalurgica (Metallbetrieb)  

• Encuadernacion Real (Buchbinderei)  

Niedriges Lohnniveau - großer Profit   

Chile erschien den Konzernen und Monopolen als ein Musterland zur eigenen Bereicherung. Der Industrielle und Bundestagsabgeordnete von Kühlmann-Stumm darüber am 30. April 1970 im „Außenhandelsdienst“ (AHD), Hamburg:  

„Die Menschen (in Chile) sind sehr gelehrig und arbeitsam, das Lohnniveau international niedrig {...} Diese Gesichtspunkte machen Industrieansiedlungen für Ausländer recht attraktiv. In keinem Land Südamerikas findet man so günstige Arbeitskräftebedingungen wie in Chile {...} Auf Grund eines Gesetzes wird Kapitalimport dadurch begünstigt, dass man das importierte Kapital unter bestimmten Voraussetzungen und Fristen re-exportieren kann. Auch die Dividenden können in fremder Währung zurücküberwiesen werden {...} Rohstoffe sind in großem Umfang vorhanden, besonders im Raum Concepcion (Stahl und Kohle) {...} Für die deutsche Industrie ergibt sich hier eine große Chance, die man nicht ungenutzt vorübergehen lassen sollte {...}“  

Märchenhafte Gewinne und Profite auf Kosten des chilenischen Volkes   

Jeder Dollar, jede Deutsche Mark, jedes Pfund, das in Chile vom Großkapital investiert wurde, brachte märchenhafte Gewinne und Profite:  

• USA-Konzerne erwirtschafteten aus den chilenischen Kupferbergwerken vor dem Amtsantritt von Dr. Allende jährlich 260 Millionen Dollar Profit heraus. Dem chilenischen Staat blieben ganze 35 Millionen Dollar.  

• Der Anaconda-Konzern erzielte 1969 über 80 Prozent seines Profits aus seinen chilenischen Kupferminen. Der Konzern hatte dort nur 16 Prozent seines Kapitals investiert.  

• Die Profite wurden vor allem durch niedrige Löhne in die Höhe getrieben. So erhielten die Arbeiter im Hoechst-Werk „Fibro Quimica Chilena“ je Tag nur 36 Escudos, wofür man sich ein Frühstück in einem Restaurant leisten konnte.  

• Die Konzernvorstände der Bundesrepublik Deutschland schwiegen über die Profitentwicklung ihrer Tochterunternehmen in Chile. Doch eine empirische Untersuchung für die Jahre 1965 bis 1967 zeigte: Die Kapitalanlagen in Lateinamerika sind überdurchschnittlich profitabel.  

Salvador Allende: „Für jeden Dollar, den wir erhielten, haben wir 4 Dollar zurückzahlen müssen.“ (Vgl. „Deutsche Volkszeitung“, 15. April 1971.)  

Sagenhafte Vorrechte für ausländische Unternehmen in Chile   

• Die ausländischen Unternehmen konnten den größten Teil des Profits aus Chile transferieren, so dass dem Land bedeutende Finanzmittel verloren gingen, die dringend zur Entwicklung der Wirtschaft benötigt wurden. Der ITT-Konzern hatte dem Land einen Vertrag aufgezwungen, der es ihm erlaubte, seinen Gewinn in Form von Gold aus Chile herauszuholen.  

• Ausländische Konzernherren hatten über die Unternehmerorganisation „Sociedad de Fomento Fabil“ Zutritt zu staatlichen und anderen zentralen Wirtschaftsorganisationen, die Entscheidungen über die Wirtschaftspolitik und Investitionen im volkswirtschaftlichen Maßstab zu treffen hatten. So kamen sie auch an die Schalthebel der Macht.  

Die Tatsachen sprechen eine deutliche Sprache:   

Die großen ausländischen Konzerne sahen ihre privaten Gewinne und Profite durch die sozialen Reformen und gesellschaftlichen Umwälzungen in Chile und Lateinamerika gefährdet, die von der Regierung der Unidad Popular eingeleitet wurden. Ihnen passten weder die Lohnerhöhungen noch die Arbeiterrechte auf Mitbestimmung in den privaten Unternehmen und erst recht nicht die Maßnahmen zur Nationalisierung des Auslandskapitals. Deshalb zählten sie zu den Interessenten und Drahtziehern des imperialistischen Staatsterrorismus und blutigen Putsches am 11. September 1973 in Chile.  

[Ein modifizierter Quellenauszug.]  

Quelle: Chile. Ein Schwarzbuch. Pahl-Rugenstein Verlag 1974.

Editorische Hinweise

Den Text erhielten wir vom Autor für diese Ausgabe. Es handelt sich um einen modifizierten Quellenauszug aus: Chile. Ein Schwarzbuch. Pahl-Rugenstein Verlag 1974.