Wer nach den
Schuldigen an den Verbrechen in Chile sucht, der findet sie in
den Büros der internationalen Konzerne und Banken in den
Vereinigten Staaten von Amerika und der Bundesrepublik
Deutschland, in anderen imperialistischen Staaten, in
Außenministerien, CIA und BND-Staatssicherheitsdiensten, in
privaten und staatlichen Propagandazentralen dieser Staaten. In
engem Zusammenspiel mit der chilenischen Oligarchie und den
verräterischen Militärs gingen sie der Unidad Popular an die
Gurgel.
Bis zu dem
Zeitpunkt, da die Regierung der Unidad Popular am 4. November
1970 ihr Amt antrat, hatten 65 Unternehmen aus der
Bundesrepublik Deutschland fast eine Milliarde DM Kapital in die
chilenische Wirtschaft investiert.
Allein ein
Drittel der Kapitalinvestitionen entfielen auf die Nachfolger
des IG-Farben-Konzerns, bekannt für die Ausbeutung fremder
Arbeitskräfte und als Stütze des kapitalfaschistischen Regimes
in Deutschland und Europa:
•
Badische Anilin- und Sodafabrik (BASF) mit „Compania de
Productos Quimicos Idrongal“ und zwei anderen Firmen. Zusammen
mit dem christdemokratischen Parlamentsabgeordneten Gonzáles
betrieb der Konzern eine Fabrik für Isoliermaterial. Die BASF
besass 50 Prozent und der Christdemokrat 33 Prozent des
Kapitals.
•
Farbenfabriken Bayer AG mit „Quimica Bayer de Chile Ltda.“
und „Bayer Quimica Unidas S.A.“. Außerdem war Bayer zu 90
Prozent an der Firma „Industrias Quimica Andinas Ltda.“
beteiligt.
•
Farbwerke Hoechst AG mit „Fibro Quimica Chilena“, „Quimica
Hoechst de Chile Ltda.“ und „Tranchini & Hollemart“.
In Chiles
Wirtschaft hatten sich auch breit gemacht: VW, AEG-Telefunken,
Klöckner, Schering, Merck, Rosenthal, Bosch, Hochtief, Preussag,
Ferrostaal, Phoenix-Rheinrohr, das Außenhandelsunternehmen
Münchmeyer, Petersen & Co., Rodenstock und viele andere. Die
Siemens AG ließ sich in Chile durch das Unternehmen
„Gildemeister S.A.C.“ vertreten.
An der
Ausbeutung des chilenischen Volkes beteiligten sich auch
Großunternehmen aus Großbritannien, den Niederlanden, Italien,
Japan und der Schweiz.
“Adela“ -
ein Konzern der Ausbeutung
Eine
bedeutende Rolle bei der Ausplünderung und Unterdrückung Chiles
spielte die “Adela“ - Abkürzung für „Atlantic Development Group
for Latin America“ (Atlantische Entwicklungsgruppe für
Lateinamerika). -
Diese
Organisation hatte ihren Sitz in Luxemburg. Sie wurde 1964 im
Rahmen der NATO mit dem Ziel gegründet, die Positionen des
Großkapitals in Lateinamerika zu untermauern. Sie koordinierte
das Vorgehen der Monopole. Im Jahr 1971 waren in dieser
Organisation 121 Industrie- und 119 Finanzgesellschaften aus 23
kapitalistischen und imperialistischen Staaten vertreten.
Darunter die
USA-Monopole: Alcoa, Caterpillar, Coca-Cola, Chrysler, John
Deere, Dow Chemical, Ford, General Motors, Exxon, IBM, Gulf Oil,
ITT, United Fruit, U.S. Steel. Ferner: Shell und Dunlop
(Großbritannien), Mitsubishi und Hitachi (Japan) sowie Konzerne
aus Kanada, der Bundesrepublik Deutschland, Italien, den
Niederlanden, Schweden und der Schweiz.
Das
Gesamtkapital aller 240 Firmen betrug (damals) über 200
Milliarden US-Dollar, wobei mehr als drei Viertel dieser Summe
auf die USA-Monopole entfielen.
Die “Adela“
wurde von dem ehemaligen USA-Kriegsminister und damaligen
Präsidenten der (imperialistischen) Weltbank McNamara und vom
Multimilliardär und (damaligen) Politiker Nelson Rockefeller aus
der Wiege gehoben. Wirtschaftliche Berechnungen lieferte die
Ford-Stiftung.
In Chile
hatte die “Adela“ nach einem Bericht der „Business Week“ (USA)
vom 11. Juli 1970 folgende Unternehmen organisiert:
• Cia. De
Productes de Acero (Stahlrohrwerk)
• Fabrica
Espanola Magnetos (Betrieb für elektrische Ausrüstungen)
• Armat
Metalurgica (Metallbetrieb)
•
Encuadernacion Real (Buchbinderei)
Niedriges
Lohnniveau - großer Profit
Chile
erschien den Konzernen und Monopolen als ein Musterland zur
eigenen Bereicherung. Der Industrielle und Bundestagsabgeordnete
von Kühlmann-Stumm darüber am 30. April 1970 im
„Außenhandelsdienst“ (AHD), Hamburg:
„Die
Menschen (in Chile) sind sehr gelehrig und arbeitsam, das
Lohnniveau international niedrig {...} Diese Gesichtspunkte
machen Industrieansiedlungen für Ausländer recht attraktiv. In
keinem Land Südamerikas findet man so günstige
Arbeitskräftebedingungen wie in Chile {...} Auf Grund eines
Gesetzes wird Kapitalimport dadurch begünstigt, dass man das
importierte Kapital unter bestimmten Voraussetzungen und Fristen
re-exportieren kann. Auch die Dividenden können in fremder
Währung zurücküberwiesen werden {...} Rohstoffe sind in großem
Umfang vorhanden, besonders im Raum Concepcion (Stahl und Kohle)
{...} Für die deutsche Industrie ergibt sich hier eine große
Chance, die man nicht ungenutzt vorübergehen lassen sollte
{...}“
Märchenhafte
Gewinne und Profite auf Kosten des chilenischen Volkes
Jeder
Dollar, jede Deutsche Mark, jedes Pfund, das in Chile vom
Großkapital investiert wurde, brachte märchenhafte Gewinne und
Profite:
•
USA-Konzerne erwirtschafteten aus den chilenischen
Kupferbergwerken vor dem Amtsantritt von Dr. Allende jährlich
260 Millionen Dollar Profit heraus. Dem chilenischen Staat
blieben ganze 35 Millionen Dollar.
• Der
Anaconda-Konzern erzielte 1969 über 80 Prozent seines Profits
aus seinen chilenischen Kupferminen. Der Konzern hatte dort nur
16 Prozent seines Kapitals investiert.
• Die
Profite wurden vor allem durch niedrige Löhne in die Höhe
getrieben. So erhielten die Arbeiter im Hoechst-Werk „Fibro
Quimica Chilena“ je Tag nur 36 Escudos, wofür man sich ein
Frühstück in einem Restaurant leisten konnte.
• Die
Konzernvorstände der Bundesrepublik Deutschland schwiegen über
die Profitentwicklung ihrer Tochterunternehmen in Chile. Doch
eine empirische Untersuchung für die Jahre 1965 bis 1967 zeigte:
Die Kapitalanlagen in Lateinamerika sind überdurchschnittlich
profitabel.
Salvador
Allende: „Für jeden Dollar, den wir erhielten, haben wir 4
Dollar zurückzahlen müssen.“
(Vgl. „Deutsche Volkszeitung“, 15. April 1971.)
Sagenhafte
Vorrechte für ausländische Unternehmen in Chile
• Die
ausländischen Unternehmen konnten den größten Teil des Profits
aus Chile transferieren, so dass dem Land bedeutende
Finanzmittel verloren gingen, die dringend zur Entwicklung der
Wirtschaft benötigt wurden. Der ITT-Konzern hatte dem Land einen
Vertrag aufgezwungen, der es ihm erlaubte, seinen Gewinn in Form
von Gold aus Chile herauszuholen.
•
Ausländische Konzernherren hatten über die
Unternehmerorganisation „Sociedad de Fomento Fabil“ Zutritt zu
staatlichen und anderen zentralen Wirtschaftsorganisationen, die
Entscheidungen über die Wirtschaftspolitik und Investitionen im
volkswirtschaftlichen Maßstab zu treffen hatten. So kamen sie
auch an die Schalthebel der Macht.
Die
Tatsachen sprechen eine deutliche Sprache:
Die großen
ausländischen Konzerne sahen ihre privaten Gewinne und Profite
durch die sozialen Reformen und gesellschaftlichen Umwälzungen
in Chile und Lateinamerika gefährdet, die von der Regierung der
Unidad Popular eingeleitet wurden. Ihnen passten weder die
Lohnerhöhungen noch die Arbeiterrechte auf Mitbestimmung in den
privaten Unternehmen und erst recht nicht die Maßnahmen zur
Nationalisierung des Auslandskapitals. Deshalb zählten sie zu
den Interessenten und Drahtziehern des imperialistischen
Staatsterrorismus und blutigen Putsches am 11. September 1973 in
Chile.
[Ein modifizierter Quellenauszug.]
Quelle: Chile. Ein Schwarzbuch. Pahl-Rugenstein Verlag 1974.
Editorische Hinweise
Den Text erhielten wir vom
Autor für diese Ausgabe. Es handelt sich um
einen modifizierten
Quellenauszug aus: Chile. Ein
Schwarzbuch. Pahl-Rugenstein Verlag 1974.