Betrieb & Gewerkschaft

Sozialbereich Oberösterreich
Massive Einsparungen und Personalabbau!


Ein RKJV-Interview mit einem Mitarbeiter in der Lebenshilfe

09/11

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Derzeit kommt es in Oberösterreich zu massiven Angriffen auf die ArbeiterInnen und Angestellten im Sozialbereich. Der Rote Morgen sprach mit einem Beschäftigten der sich um den Aufbau kämpferischer Basisstrukturen bemüht…

RoMo: Hallo Mark S. kannst du uns darüber erzählen, was du bisher so im Sozialbereich erlebt hast?

Mark S.: Hallo ich bin seit ungefähr drei Jahren in einer Wohneinrichtung der Lebenshilfe beschäftigt, und war vier Jahre davor schon in anderen Sozialeinrichtungen tätig. Was ich im Laufe meines Arbeitslebens mitbekommen hab, gehören Jobs im Sozial- und Gesundheitsbereich echt zu den miesest bezahltesten. Wenn man bedenkt, dass die Löhne und Gehälter der Arbeiterinnen und Arbeiter in diesem Bereich immer noch mehr als 20% unter dem Durchschnittseinkommen liegen, es überhaupt erst seit 2005 so etwas wie einen Kollektivvertrag gibt, und es noch dazu immer wieder zu massiven Sparmaßnahmen kommt, müssen wir uns doch alle mal fragen, was diese Scheiße eigentlich soll.

Im letzten Jahr konnte ich von Freunden, die ebenfalls im Sozialbereich (Volkshilfe, ProMente, Exit-Sozial) arbeiten, mitbekommen, dass es dort immer wieder zu massiven Einsparungen gekommen ist. Diese konnten durch den Warnstreik am 13. und 14. Dezember 2010 von Exit-Sozial und ProMente nur teilweise abgewehrt werden. Ohne diesen Streik jedoch, hätte die Landesregierung bestimmt ihre Pläne nach ihren Vorstellungen durchgezogen. Trotzdem, die Angriffe verstärken sich, die Löhne werden nur unzureichend erhöht, und die Arbeitshetze wird immer größer, was bei sehr vielen KollegInnen zu gesundheitlichen Problemen führt. Diese Angriffe betreffen den gesamten Sozialbereich, er ist neben dem Bildungsbereich, wo es ebenfalls zu massiven Einsparungen gekommen ist und noch weiter kommen wird, unmittelbar (und falls öffentlich) ein Non-Profit-Bereich im Kapitalismus. Wir als BetreuerInnen, PflegerInnen oder Krankenpflege SchülerInnen schaffen unmittelbar keinen Profit, diesen wollen die Herrschenden samt Regierung eben durch solcherlei Maßnahmen schützen. In diesem System zählen nicht die Bedürfnisse der Bevölkerung sondern die des Kapitals. Einsparungen bei den Lebensbedingungen der ArbeiterInnen heißt immer Hebung des Profits der Kapitalisten!

RoMo: Welche Rolle spielt der ÖBG im Sozialbereich?

Mark S.: Zu den permanenten Verschlechterungen trägt der ÖGB bzw. deren Führung wesentlich bei. Es hat Anfang des Jahres einige Proteste gegen das Belastungspaket gegeben wo die Gewerkschaft ebenfalls dabei war oder diese sogar organisierten und deren Funktionäre laut geschrienen haben „diese Vorhaben der Regierung zu bekämpfen“. So ein Schwachsinn, die ÖGB-Führung stimmte diesem Paket brav zu, noch bevor dieses endgültig beschlossen wurde. Das einzige was unsere Gewerkschaftsbürokraten in unseren Kämpfen geschafft hat, war, dass unsere Leute, die die Schnauzte wirklich voll hatten, nach jeder Aktion oder Demonstration resignierter und hilfloser den Angriffen der Landesregierung gegenüberstanden als vorher. Und genau aus diesem Grund, ist es an der Zeit, dass sich all diejenigen, die heute wirklich gegen diese Einsparungen kämpfen und den Mist den sie uns auftischen nicht einfach runterschlucken wollen, zusammenschließen.

RoMo: Wie habt ihr im Betrieb von den neuen Maßnahmen erfahren? Kannst du uns über die aktuelle Situation dort etwas genauer berichten? Welche Auswirkungen haben die Einsparungen der Landesregierung auf eure Arbeitsbedingungen?

Mark S.: Angefangen hat es damit, dass ca. vor einem Monat ein Brief in die Wohneinrichtungen – ausgenommen der neuen Wohnhäuser, denn da funktioniert schon alles nach dem geplanten Prinzip – der Lebenshilfe kam, wo drinnen stand, dass die Dienstpläne der Nachtdienste geändert werden sollen. Darin wurden uns drei Modelle vorgeschlagen wie der Nachtdienst in Zukunft geregelt sein könnte. In fett markierter Schrift stand darunter, dass es nur zu Änderungen dieser Dienste käme, wenn der Betriebsrat einer Änderung überhaupt zustimmt. Inzwischen konnte man auf der Homepage darüber abstimmen was wir KollegInnen davon halten. Die Mehrheit lehnte eine Änderung der Dienstpläne ab. Nach zwei Wochen erhielten wir eine Mail vom neuen Stellvertreter der Geschäftsleitung. Dieses Mail ist eine freche Provokation an alle MitarbeiterInnen der Lebenshilfe, darin wird uns ein neuer Dienstplan vorgestellt wie dieser nach den geplanten Personal- und Stundenkürzungen aussehen sollte. Demnach hätte der Betriebsrat den Kürzungen beim Nachtdienst bereits zugestimmt, das Ergebnis der Online-Abstimmung wurde darin vollkommen ignoriert. Einige KollegInnen wurden aus diesem Dienstplan bereits völlig ausgeschlossen (!). Auch noch drinnen waren Beschlüsse wie diese: Unbefristete Dienstverträge werden nicht mehr verlängert. Bei Kündigungen werden die jeweiligen Personaleinheiten nicht mehr nachbesetzt. Stunden müssen generell gekürzt werden da unser Wohnhaus einen Betreuungsüberfluss von mehr als 100 Stunden in der Woche aufweist. Dabei ist es jetzt schon so, dass wir unter Personalmangel leiden und deshalb regelmäßig die gesetzlich vorgeschriebenen Ruhezeiten nicht einhalten können und bis zu zehn Tagen durchgehend arbeiten, wir angehalten werden bei Pflegeutensilien, wie Handschuhe, zu sparen, notwendiges Geld für Betreuung, jedoch in Stempeluhren investiert wird, usw. Die Landesregierung hat bereits Jahre zuvor Sparmaßnahmen getroffen, sodass seit zwei Jahren einige Personaleinheiten die noch beschäftigt sind, gar nicht mehr vom Land finanziert werden, sondern aus irgendwelchen „anderen Töpfen“. Nun werden vielen KollegInnen die Dienstverträge nicht mehr verlängert, das heißt sie müssen gehen und die Dienstposten werden uns nicht mehr nachbesetzt. Die Landesregierung geht bei ihren Vorhaben, von einer Hilfebedarfsrechnung von vor fünf Jahren aus. Die BewohnerInnen werden aber Großteils immer mehr pflege- und betreuungsbedürftig. Das Erste was wir gemacht haben, war, dass wir um eine neue Hilfebedarfserhebung ansuchten. Ohne Erfolg, zuerst hieß es, es gäbe kein Geld und kein Personal dafür, dann hieß es sogar, dass hierfür ein Verbot ausgesprochen wurde. „Große Lücken“ im Dienst sollen in nächster Zukunft durch Springerdienste gefüllt werden.

RoMo: Was können die ArbeiterInnen in der Lebenshilfe tun, um dies zu verhindern?

Mark S.: Tatsache ist: Der Betriebsratsvorsitzende der Lebenshilfe ist im Urlaub und die Betriebsräte in den Wohnhäusern stellen sich nicht wirklich auf die Füße, sondern Handeln nach der Philosophie, die konkreten Auswirkungen abzuwarten, nach dem Motto: „Schauen wir erst mal wie schlimm es wirklich wird“. Die Umsetzung der Einsparungen ist jedoch bereits voll im Gang während ein Abwarten unter den KollegInnen immer mehr Resignation, Unsicherheit und Frustration erzeugt. Auf der anderen Seite sitzt die Landesregierung, die genau weiß was sie will. Diese Herangehensweise des Betriebsrats kann somit den Interessen der Landesregierung nur recht sein.

Viele KollegInnen sind berechtigterweise wütend, wollen sich, und den KlientInenn, das nicht gefallen lassen und dagegen wirklich etwas machen. Wir können es uns nicht leisen einfach abzuwarten anstatt uns zu organisieren, nicht nur im einzelnen Betrieb sondern übergreifend müssen wir uns vernetzten, uns absprechen und gemeinsam planen welche Schritte die nächsten sind. Aus diesem Grund ist es eine der wichtigsten Aufgaben, dass so bald wie möglich ein Vernetzungstreffen stattfindet um Klarheit zu schaffen wie weit die Betroffenen gehen wollen. Hierbei dürfen wir auch nicht locker lassen, den Betriebsrat mit unseren Anliegen zu konfrontieren. Das soll jedoch nicht heißen, dass wir alles in die Hände des Betriebsrats legen, im Gegenteil, das würde jeglichem Weiterkommen in dieser Situation schaden. Diese Angriffe können nur verhindert werden wenn sich die KollegInnen selbst zu einer kämpferischen Basis zusammenschließen, sich und ihre Interessen nicht von Bürokraten stellvertreten lassen sondern ihre Belange selbst, auf selbstorganisierter Basis, durchsetzten.

Es gibt immer MittarbeiterInnen die Kontakte zu Leuten aus anderen Häusern haben. So können gemeinsame Koordinierungstreffen, wo erste Aktionen vorbereitet werden können, geplant werden. Ohne die überregionale Vernetzung der KollegInnen innerhalb der Lebenshilfe können wir noch keine KollegInnen aus anderen Einrichtungen dazu aufrufen unseren Protest zu unterstützen. Dazu gehört sorgfältige Planung und Organisierung. Es müssen Protestmärsche veranstaltet werden und an den Vorbereitung eines Streiks gearbeitet werden und das in Form von Komitees.

RoMo: Warum gerade Streik?

Mark S.: Nur durch Streik als Kampfmittel können unsere unmittelbaren Interessen, die Interessen der ArbeiterInnen und der Pflegebedürftigen, auch wirklich durchgesetzt werden.

Der Warnstreik im Dezember hat uns gezeigt, dass die ArbeiterInnen bereit sind zu streiken und ein Streik selbstverständlich auch im Sozialbereich durchführbar ist und erfolgreich sein kann. Um 118 Kündigungen zu verhindern legten 171 ArbeiterInnen ihre Arbeit zwei Tage lang nieder. 1500 DemonstrantInnen konnten für einen Protestmarsch durch Linz auf die Straße mobilisiert werden, was uns zeigt, wie groß die Solidarität aus anderen Berufsschichten für die Anliegen der Streikenden war. Die Gewerkschaftsführung hat es jedoch geschafft alle weiteren, bereits geplanten, Aktionen abzuwürgen, indem sie uns einen faulen Kompromiss auftischten…

Solche Ereignisse sind wichtig für uns, dadurch können wir wertvolle Erfahrungen sammeln, können kämpferische KollegInnen immer weiter erkennen wozu sie in der Lage sind, wenn sie sich zusammenschließen, kann immer weiter mit den Illusionen in die Sozialpartnerschaft gebrochen werden, sie erkennen immer mehr die Notwendigkeit Arbeitskämpfe unabhängig von der Gewerkschaftsführung voranzubringen.

RoMo: Dankeschön! Hast du vielleicht noch ein Schlusswort?

Mark S.: Voraussetzung für einen erfolgreichen Kampf gegen die kapitalistische Ordnung ist die Zerschlagung der Philosophie des „Sichselbstüberlassens“ und der „Selbstregulierung der Dinge“! Wir müssen Schluss machen mit Stellvertreterdenken und alles daran setzen die Resignation unter den KollegInnen aufzubrechen. Wir müssen bald daran gehen unsere eigenen Forderungen aufzustellen und dürfen nicht darauf warten bis das der ÖGB für uns tut. Zentrale Forderungen können zum Beispiel sein:

Festlegung eines Mindesteinkommen von 1500€!
Stundenkürzungen nur bei voll weiter bezahlten Löhnen und Gehältern!
Keine weiteren Kündigungen – und sofortige Wiedereinstellung der bereits entlassenen KollegInnen!
Selbstbestimmung bei der Festlegung der Dienstpläne in jedem Wohnhaus!
Sofortiges gesetzlich verankertes umfassendes Streikrecht in ganz Österreich!

Editorische Hinweise

Wir erhielten den Hinweis auf Spiegelung vom österreichischen Revolutionär-Kommunistischen Jugendverband (RKJV) per Mail. Er gibt die Zeitung Roter Morgen heraus.