Anlage:
Prozessbericht einer Besucherin aus der Berliner
Erwerbslosenbewegung
Am 19. August 2011 fand der zweite
Prozesstag im Moabiter Amtsgericht im Verfahren gegen
Herrn B. aus B. statt. Ihm wird vorgeworfen einen
Mitarbeiter, nennen wir ihn Herrn Goldmund eines Berliner
Jobcenters bedroht zu haben.
Am diesem zweiten Prozesstermin sind zugegen, der
Rechtsanwalt von Peter B. aus B., eine süffisante und
sprachlich kaum zu verstehende Staatsanwältin, hier heißt
sie Frau Narziss. Weiter der Richter, hier Herr
Paternalismus und die einzige Zeugin dieses
Verhandlungstages. Die Zeugin Frau Ambivalent war seine
Begleitung, bei diesem Prozess auslösenden Termin im
Jobcenter, an dem Peter B. aus B. den Mitarbeiter Herrn
Goldmund zum Opfer gemacht haben soll.
Wir erfahren, dass Herr B. sich lange
und am Ende vergeblich um eine Qualifizierung zum Fachwirt
bemüht hat. Immer wieder war er in Verhandlung mit
permanent wechselndem Personal. Einmal hatte er schon die
Zusage für die von ihm gewünschte Qualifizierung. Es fehle
ihm nun noch eine letzte medizinische Untersuchung. Dieses
sollte belegen, ob er überhaupt in der Lage ist die
Qualifizierung gesundheitlich zu überstehen. Herr B. aus
B. ist zu 70% schwerstbehindert. Gehen, laufen, stehen
-alles fällt ihm schwer. Er war nicht glücklich über eine
weitere medizinische Untersuchung. Letztendlich ließ er
diese über sich ergehen. Herr B. ist wegen seiner starken
gesundheitlichen Einschränkung häufiger beim Arzt und kann
Gutachten vorweisen. Das Gutachten der Behörde
bescheinigte ihm das geforderte „Durchhaltevermögen“.
Das Jobcenter traut nur dem eigenen
medizinischen Dienst zu, die Arbeitsfähigkeit von Menschen
zu beurteilen und ist bereit dafür weiteres Geld
auszugeben.
Wieder bekommt er einen neuen
Ansprechpartner im Jobcenter, das zukünftige „ Opfer“ Herr
Goldmund. Dieser lehnt die Finanzierung der Qualifizierung
des Herrn B. ab.
Alle vorhergehenden Gespräche,
Bemühungen und die medizinische Untersuchung sind umsonst
gewesen. Herr B. versucht Goldmund im Gespräch
argumentativ zu überzeugen. Aber, so erfahren wir am Ende
der Verhandlung durch die Staatsanwältin Narziss, sie hat
den Herrn Goldmund im Prozess als einen
Behördenmitarbeiter erlebt der sich für die persönliche
Meinung von Herrn B. gar nicht interessiert und sich auch
nicht von Herrn B. als persönlichen Gesprächspartner
missbrauchen ließe.
Nach endlosem Verhandeln ist Herr B.
zutiefst enttäuscht, erschöpft und wütend. Er haut mit der
flachen Hand laut auf den Tisch. Er sagt dem Herrn
Goldmund, dass er sich nicht wundern dürfe, wenn so etwas
wie der Amoklauf von Erfurt sich in einem Jobcenter
wiederholen könne, wenn man bedenkt wie schlecht
Antragsteller in Jobcentern behandelt werden.
Herr Goldmund ist erschrocken. Endlich
zeigt er eine menschliche Regung. Goldmund wird von der
Zeugin, die Herrn B. zu diesem Termin begleitete als
unnahbar und herablassend geschildert. Zuvor habe er sich
dem Herrn B. gegenüber völlig unbeeindruckt von dessen
Argumenten und vorhergehenden Bemühungen oder den Zusagen
seines Vorgängers, gezeigt.
Dieser Termin beim Jobcenter hatte ein
einjähriges Hausverbot für Herrn B. zur Folge, mit der
Begründung den Betriebsablauf zu stören und einen
Mitarbeiter bedroht zu haben.
Was bedeutet das Bild von Erfurt,
welches Herr B. in dieser Situation bemühte. Herr B. als
Amokläufer ist kaum vorstellbar. Seine körperliche
Verfasstheit steht dieser Handlung deutlich im Wege. Es
muss wohl das Gefühl von absoluter Ohnmacht sein, die
Abhängigkeit vom Wohl und Wehe eines einzelnen Goldmundes.
Die dauerhaft mangelnde Unterstützung hat Herrn B. dieses
Bild in allerhöchster Not wählen lassen.
Eine individuelle passgenaue Förderung
wie das Gesetz es vorschreibt wird ihm vorenthalten. Er
hat Kontakt aufgenommen zum Weiterbildungsträger, hat
gemacht und getan, Goldmund sagt Nein. Weder Richter und
Staatsanwältin zeigen ein Interesse daran, ob und wie die
Behörde ihrem gesetzlichen Auftrag einer passgenauen und
individuellen Förderung im Falle des Herrn B. nachgekommen
ist.
Die Forderung der Staatsanwältin
Narziss zum Ende der Verhandlung lautet 50 Tagessätze a
15€, weil sie es als erwiesen ansieht, das Herr B. den
Herrn Goldmund strafrechtlich relevant bedroht habe. Jetzt
kann sie hart, laut und deutlich sprechen. Den ganzen
Prozess über redete sie sehr leise und sehr undeutlich und
vermittelt so dem Publikum den Eindruck, es solle nicht
zuhören.
Auch der Richter Herr Paternalismus ist
am Ende sicher dass ein Urteil den Angeklagten nur auf
schuldig sprechen kann. Aber er wiederum mag Herrn B.
etwas weniger „hart“ betrafen als die Staatsanwältin
Exklusiv fordert. Sein Grund, der Angeklagte sei bisher
nicht straffällig gewesen.
Als Arbeitende in einer Behörde
befinden sich der Richter und die Staatsanwältin vereint.
Da wo Aussage gegen Aussage steht hat der
Behördenmitarbeiter Goldmund immer recht. Frau Exklusiv
will während der zwei Prozesstage herausgefunden haben,
dass Herr B. ein arbeitsscheuer Mensch ist, einer der noch
nie richtig gearbeitet hat. Ihrer Meinung nach bemüht sich
der Angeklagte nicht ausreichend um eine Arbeitsstelle, er
sei vielmehr einer der heute dieses und morgen jenes
machen wolle. Eben ein Mensch ohne das erkennbare Ziel
seine Hilfsbedürftigkeit zu mindern.
Richter Paternalismus redet von der
Taube die Herr B. in der Hand zu haben glaubte, als er die
Zusage eines Behördenmitarbeiters für die Qualifizierung
bekam. Richter und Staatsanwältin reden leichtfertig, ohne
sich im Mindesten der Problematik ihres Bildes voll
falscher Stereotype über Erwerbslose oder zumindest die
Verantwortung für diese VorUrteile je zu übernehmen.
Arbeitslosigkeit ist für die beiden kein
gesellschaftliches Problem, sie geben Herrn B. ganz
persönlich die Schuld. Das belegen auch die Fragen der
Staatsanwältin Narziss an die Zeugin, ob und wie lange
Herr B. überhaupt gearbeitet und sich beworben habe. Sie
erhöht den Druck auf den Angeklagten, dessen steiniger Weg
bis zu einer Zusage der Qualifizierung und der dann
folgenden willkürlichen Absage des Behördenmitarbeiters
Goldmund. Da ist Herr B. schwach geworden.
Richter und Staatsanwältin fühlen mit
Herrn Goldmund. Dieser wird vom Richter bewundernd
beschrieben, „er habe ihn kennen gelernt als einen
eloquent Mann“, einer der sich nicht unnötig lange aufhält
mit dem Oppositionsempfinden (Wortwahl des Richters) von
Erwerbslosen wie Herr B. aus B. einer ist.
Bemerkenswert schnell vergeht die Zeit
bis zur Urteilsfindung. Der Richter benötigt keine drei
Minuten, den Raum mit seinem Protokollanten zu verlassen
und schwupp sind die beiden Männer wieder im Gerichtsraum.
Auffällig ist die geringe Redezeit die Herr B. aus B.
während der über eine Stunde andauernden Verhandlung
erhält. Beim nächsten Jobcenterbesuch erwartet Herrn B.
das vom Behördenmitarbeiter Goldmund angekündigte
Instrument der Arbeitserprobung. Die Verurteilung bürdet
ihm 30 Tagessätze von 10€ auf.