Betrieb & Gewerkschaft
Stellungnahme zum Beschluss des IG Metall Ortsvorstands (OV) zum Untersuchungsverfahren


Solidaritätskreis für vom Ausschluss bedrohte MetallerInnen im Mercedes-Benz-Werk Berlin

09/10

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onlinezeitung

Freitag, 10. September 2010

Wir nehmen begrüßend zur Kenntnis, dass der Berliner IG Metall-Ortsvorstand sich in seiner Mehrheit der mit 3:2 Stimmen beschlossenen Empfehlung der Untersuchungskommission nicht anschließt und die Ausschlüsse von Mustafa Efe, Fehmiye Utku und Martin Franke aus der IG Metall nicht für richtig hält.

Wir halten jedoch die zweijährigen Funktionsverbote für die drei betreffenden KollegInnen und Rügen für die anderen 15 KandidatInnen der „Alternative – offene Liste“ für falsch. Der Ortsvorstand begründet seine Entscheidung damit, dass eine Sanktion gegen „gewerkschaftsschädigendes Verhalten“ notwendig sei. Wir sind der Meinung, dass im Falle der Listenaufstellung der „Alternative – offene Liste“ kein gewerkschaftsschädigendes Verhalten vorlag. Die Kandidatur der „Alternative – offene Liste“ war ein Ergebnis der ungelösten Konflikte mit der Betriebsratsmehrheit sowie der IG Metall Vertrauenskörperleitung (VKL).

Wie dem Ortsvorstand bekannt ist, gab es von Seiten der „Alternative“ in den letzten drei Jahren viele Versuche, die inhaltliche Diskussion über kontroverse Punkte innerhalb der IG Metall im Werk zu führen. Eine solche Diskussion wurde auch im Vorfeld der Listenaufstellung eingefordert. Dieser Aufforderung wurde von Seiten der Betriebsratsmehrheit sowie der VKL nicht nachgegangen. Die „Alternative“ hat der IG Metall-Ortsverwaltung mehrfach die Problematik im Mercedes-Benz-Werk Marienfelde dargelegt, dass statt einer offenen und demokratischen Diskussion stattdessen eine Ausgrenzung kritischer IG Metaller im Betriebsrat stattfand. Der Ortsvorstand ist jedoch seiner Verantwortung nicht gerecht geworden.

Mangels Lösung dieser Probleme forderte die „Alternative“ deshalb den Ortsvorstand auf, die „Alternative- offene Liste“ als zweite IG Metall-Liste anzuerkennen, so wie dies unter vergleichbaren Bedingungen auch der Fall bei BMW Spandau ist. Diesem Antrag wurde nicht stattgegeben.

In einem offenen Brief von 19 IG Metall-Betriebsräten aus Berliner Betrieben, darunter auch fünf Mitgliedern des Ortsvorstandes, wurden viele Fragen aufgeworfen, die deutlich machten, dass die Hintergründe im Werk Marienfelde nicht ausreichend bekannt sind. Daraufhin haben sowohl mehrere Berliner IG Metall-Mitglieder als auch die Alternative vorgeschlagen, dass es eine IG Metall-interne Diskussion über die offenen Fragen geben solle, bevor der Ortsvorstand eine Entscheidung fällt. Im Werk wurde eine Mitgliederversammlung eingefordert. Auf diese Vorschläge wurde nicht eingegangen. Das ist für uns nicht nachvollziehbar. Warum wird einer gewerkschaftsinternen Diskussion aus dem Weg gegangen?

In der offiziellen Begründung des Ortsvorstands zu seiner Entscheidung steht, es sei wichtig, „auf keinen Fall den Eindruck zu erwecken, kritische Meinungen würden durch das Verhalten des IG Metall-Ortsvorstands mit Ausgrenzung beantwortet.“ Ein Funktionsverbot von zwei Jahren würde jedoch genau das bedeuten. Denn alle drei Betriebsräte würden weder als Vertrauensleute noch als Delegierte der IG Metalldelegiertenversammlung Berlin fungieren können.

Dies bedeutet, dass sie umgehend von wichtigen gewerkschaftsinternen Debatten ausgeschlossen sind und wiederum ihre inhaltlichen Punkte nicht einbringen können. Das ist insbesondere deshalb abzulehnen, weil alle drei bisher einen großen Anteil daran hatten, neue Mitglieder für die IG Metall zu gewinnen bzw. KollegInnen, die austreten wollten, erneut von der IG Metall-Mitgliedschaft zu überzeugen. Zudem tragen diese KollegInnen wichtige inhaltliche Beiträge in die Delegiertenversammlung. Alle drei wurden von einem Teil der Mitgliedschaft im Mercedes-Benz-Werk Marienfelde für diese Funktion gewählt, Mustafa Efe bekam bei der Wahl die meisten Stimmen. Dem in der OV-Begründung betonten „notwendigen Respekt vor der Meinung der Mitglieder“ wird mit den Funktionsverboten zuwider gehandelt.

Das gilt umso mehr, als die Dauer der Funktionsverbote bedeutet, dass eine erneute Kandidatur bei den kommenden Organisationswahlen der IG Metall 2012 für die betreffenden drei KollegInnen nicht möglich wäre. Aus unserer Sicht würde daher der Beschluss eine Beeinträchtigung der demokratischen Willensbildung der Mitglieder im Mercedes-Benz-Werk Berlin Marienfelde bei den Wahlen bedeuten. Das kann nicht im Interesse der IG Metall-Mitglieder sein.

Wir sind darüber befremdet, dass Hakan Göggöz und Lutz Berger, zwei offensichtlich engagierte Kollegen, die ihren Eintritt in die IG Metall erklärt haben, noch immer nicht aufgenommen wurden. Wir fordern, dass der Ortsvorstand die Mitgliedsanträge dieser beiden Kollegen unverzüglich positiv abstimmt. Die Entscheidung des OV ist gegen Ausschlüsse, also kann er auch beschließen, die beiden Kollegen in die IG Metall aufzunehmen, unabhängig von einer Entscheidung des Vorstandes.

Wir sind auch empört, dass die Untersuchungskommission beim Verfahren gegen Refik Güncan von der Liste „Faire Basis“ erneut einen Ausschluss empfiehlt und fordern den Ortsvorstand auf, diese Empfehlung sowie jegliche Sanktion gegen den Kollegen zurückzuweisen.

Wir fordern den IG Metall Vorstand auf, sich gegen eine Sanktionierung der 19 KollegInnen auszusprechen. Das wäre ein wichtiger Schritt hin zu mehr offener und demokratischer Debatte und eine Voraussetzung für eine engagierte Interessenvertretung der IG Metall im Mercedes-Benz-Werk Berlin Marienfelde.

Wir möchten KollegInnen bei Daimler und anderer Betriebe auffordern, diese Forderung zu unterstützen und entsprechende Schreiben an den IG Metall Vorstand zu senden.

Koordinierungsgruppe des „Solidaritätskreis für vom Ausschluss bedrohte MetallerInnen im Mercedes-Benz-Werk Berlin“

 

Editorische Anmerkungen

Wir erhielten die Stellungnahme am 13.9.2010 durch das
Forum Betrieb, Gewerkschaft und Soziale Bewegung Berlin

Weitere Infos unter http://solikreis.blogspot.com