Die Telekom hat mich geblitzdingst ... geofflined

von Jutta Ditfurth

09/09

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Am Tag, als ich mich bei der Telekom beschwerte, verlor ich einen Haufen eMails, den eMail-Zugang und schließlich meine komplette Internet-Verbindung. Die Telekom hat mich geofflined. Mein Journalistlnnenbüro ist seit dem 20. August abgeschnitten von der virtuellen Welt. 

Wie kam’s? Lesen Sie die Vorgeschichte in Blog Nr. 4 Telekom: Wir ignorieren Sie – garantiert. Am 14. August sollte eine Verbindung auf DSL »aufgeschaltet« werden. Nichts geschah. Vielfältige Beschwerden nutzten nichts, eine Mitarbeiterin sagte: Schreiben Sie an René Obermann (den Telekom-Vorstandsvorsitzenden), wenn was wirkt, dann das. Meine Beschwerde an Herrn Obermann vom 20. August (13:34 Uhr) wird um 15:45 Uhr von Herrn G. beantwortet: »Wir danken ihnen auch für die Zeit, die Sie sich genommen haben, an unseren Vorstand zu schreiben. Bitte seien Sie versichert, dass wir Ihre Beschwerde sehr ernst nehmen und uns so schnell wie möglich darum kümmern.« Ich bekam sogar ein Aktenzeichen, toll. Am 20. August, um 17:33 Uhr, ruft Frau P. an. »Ich habe einen Auftrag vom Vorstand der Telekom Ihr Problem zu lösen.« Mein Problem? Frau P. hat keine Durchwahlnummer und gibt mir die Nummer der allgemeinen Telekom-Zentrale. Telekommunikation ist, wenn die Kommunikation verroht. Kürzlich las ich, dass die Telekom auf beschwerderesistente Mitarbeiter Wert legt. Frau P. sagt: »Ich verstehe Ihren Brief so, dass Sie zufrieden sind, wenn Sie Call + Surf Comfort Plus (CSCP) bekommen?« Mein dreiseitiger Brief an Herrn Obermann legte aber strukturelle Probleme der Telekom offen (siehe Blog 4). Dazu kein Wort.

Als ich das Paket CSCP statt des eigentlich ja nie gewollten sondern unter falschen Versprechungen vom Telekom Shop Frankfurt/Main Zeil aufgeschwatzten Paketes Entertain akzeptiere, ist sie erleichtert und stellt den Auftrag um. Entertain scheint bei unserer Hausnummer nicht zu funktionieren, was der Telekom Shop beim Blick in den Computer hätte erkennen können. Der Shop verkauft das Programm inzwischen weiter, ohne in den Computer zu schauen. Kunden sind Versuchsratten. Telekom: Wo hat unser Leitungsnetz Fehler? Finden Sie es für uns heraus!

In der folgenden Nacht auf den 21. August verschwinden unsere eMails aus einem Jahr. Eine Katastrophe, privat wie beruflich. Kurz vor Sonnenaufgang tauchen sie fast alle wieder auf aber alle doppelt, tausende. Es hat eine ganz eigene Ästhetik die Mails als Zwillinge einlaufen zu sehen. Plötzlich aber verschwinden die eMails aus den letzten vier Wochen, Etwas später sind sie wieder zurück, haben aber die von gestern verloren. Frau P. hat noch nichts herausgefunden, bemüht sich aber. Es gibt Störungen im eMail-Programm, sage ich. »Das hat mit dem Reinigen Ihrer Daten zu tun«, sagt Frau P., fröhlich. »Die kommen schon wieder. Das kann passieren, wenn wir dran arbeiten.« Hätte sie mir das bloß gestern gesagt.

21. August, 19 Uhr: Die eMails bleiben verschwunden. Dann ist auch die Internetverbindung weg. Abends ruft ein Freund aus Schweden an: Seine Mails an uns kommen mit dem Vermerk »unknown recipient« zurück. Solche eMail-Adressen lösche ich normalerweise. Früher hieß es vom Band; »Dieser Anschluss ist vorübergehend nicht erreichbar«, man wusste: aha, Freund X. hat seine Telefonrechnung nicht bezahlt, wird schon wieder. Die Telekom könnte heute melden: »Empfänger vorübergehend nicht erreichbar«. Aber ‚unknown recipient’? Werde ich die eMails irgendwann vorfinden, die jetzt auf die unsichtbare Wand prallen?

Sonntag, 23. August: Habe den großen Versand für eine Kampagne storniert. Vertragsentwürfe für neue Veranstaltungen, Absprachen für Vorträge diese Woche, Freunde auf Reisen – nichts kommt durch. Ein Freund findet heraus, dass unsere Faxnummer abgeschaltet ist, aber das man über unsere Telefonnummer faxen kann. Möglicherweise können wir mit unserem Brausekopf telefonieren. Wir wissen es nur noch nicht.

Montag, 24. August, Telekomzentrale. Ich möchte Frau P. sprechen. Musik … That will be the day … Frau Namenlos verbindet mich. Andere Musik. Frau P. ist im Gespräch, sagt Frau X., was steht denn hier über sie im Computer. Das würde ich auch gern wissen. Sie liest: »... ich werde alle Möglichkeiten ...« murmelt, wird leiser. Dann sagt sie: »Wir haben gehört, dass es bei Telekom hier im Bestand eine große Störung gibt einen richtig großen Ausfall«. Ich bin angemessen beeindruckt.

Später erreiche ich Frau P. Sie hat etwas ganz besonders erreicht: Ein Techniker der Telekom wird heute zwischen 17 und 19 Uhr vorbeikommen, um zu prüfen ob es hier eine Störung gibt. Wollen sie alles auf uns schieben? Nein, sagt Frau P., »das würden wir uns nie anmaßen« Ich soll das Angebot annehmen oder ablehnen. Ich sage einen anderen Termin ab und warte.

Um 18:00 Uhr ist der Techniker, Herr V. am Telefon. Ich verstehe das nicht, sagt er, im System liegt überhaupt kein Auftrag für sie vor! Wo soll die Störung sein, die Leitung, auf die das DSL soll, ist doch die Telefonleitung auf der wir gerade telefonieren? Endlich einer, der mich versteht. Er will prüfen, ob in der Vermittlungsstelle an der Fürstenbergerstraße die DSL-Ports überhaupt aktiviert sind und ruft in einer halben Stunde wieder an. Er rückt sogar seine Handynummer raus.

18:33 Uhr, Herr V. sagt, technisch sei alles in Ordnung, aber der Innendienst der Telekom habe überhaupt noch keine Daten eingegeben, so dass er weiß, was er wohin schalten soll. Was? Es gibt keinen Auftrag! Ich soll Frau P. sagen: In der »Fehlermeldedatenbank« sei überhaupt nichts gebucht, d.h. die Daten fehlen, damit DSL »reingeschliffen« werden kann. Könnte unser Splitter kaputt sein? Nein, sagt er, und erklärt, dass er soweit noch gar nicht ist. Ich soll mir das so vorstellen: wenn ich eine Kaltwasserleitung habe (Telefonleitung) und ich jetzt auch heißes Wasser haben will (DSL), aber er das warme Wasser noch gar nicht einleiten kann, weil ihm die Daten fehlen, kann er auch noch nicht wissen, ob bei mir die Mischbatterie (Splitter) kaputt ist. Das verstehe ich. Er gibt den Vorgang ins System. Ich darf Frau P. seine Handynummer geben, damit er es ihr erklären kann. Ich bringe wirklich gern Menschen bei der Telekom zusammen, irgendwer muss die Kommunikation dort ja reparieren.

Dienstag, 25. August, 10:07 Uhr, Musik: today that gonna be be days. Frau P. ist erstaunt und weiß auch nicht, wie das passieren kann. Sie sagt: Von Technik verstehe ich vermutlich so viel wie Sie. Sie will Herrn V. anrufen. Mit Technik hat das nicht viel zu tun, sage ich, da hat eine Abteilung den Auftrag nicht eingegeben, den Sie denen am Freitag gegeben haben. Es gibt offensichtlich Abteilungen, die nicht ausführen was sie ihnen sagen, sage ich. Das wäre nicht gut, sagt sie, das muss ich nachprüfen; aber bis zum 2./3. September kriegen wir das hin. Ich falle fast vom Stuhl. Weitere neun Tage? Wissen Sie was es für mein Journalistenbüro bedeutet, schon den fünften Tag offline zu sein? Das ist als ob einem einer die Werkzeuge aus der Hand nimmt und aus dem Fenster schmeißt. Ok, Papier und Stifte besitze ich noch. Frau P. hat eine Idee, vielleicht gelingt es mir, Ihren alten, analogen Zustand wieder herzustellen. Ich soll wieder anrufen.

Kann mir bitte jemand dabei helfen auszurechnen, wie viele Milliarden Stunden Menschen dafür verschwenden, nur um auszugleichen, – um die administrativen Grundanforderungen unseres Alltags zu bewältigen –, was Konzerne und Staat outsourcen? Als Belohnung fürs Bravsein werden wir von Konzernen, öffentlicher Verwaltung, ja sogar von Krankenhäusern zu »Konsumenten« und »Kunden« verkleinert und abgezockt. (Dazu mehr in Zeit des Zorns. Streitschrift für eine gerechte Gesellschaft).

Editorische Anmerkungen

Den Text erhielten wir von der AutorIn. Er wurde erstveröffentlicht auf dem BLOG von Jutta Ditfurth http://www.was-sache-ist.de/ . Dies ist ihr AutorInnen-Blog zu ihrem Buch:

Jutta Ditfurth
Zeit des Zorns.
Streitschrift für eine gerechte Gesellschaft