Der Neokolonialismus des deutschen Imperialismus

von Mark Staskiewicz

09/08

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Hauptursache für den Neokolonialismus 

Die Hauptursache ist die kapitalistische Produktionsweise, die objektiv zur größtmöglichen Mehrwertaneignung führt und damit zur Erzielung eines möglichst großen Profits zwingt.

Was bedeutet Neokolonialismus?

Neokolonialismus ist ein Sammelbegriff für die Gesamtheit der verschiedenen Formen und Methoden der Ausbeutung und Unterdrückung der ökonomisch schwächeren Länder und beherrschten Gebiete durch den Imperialismus in der jetzigen Epoche. Er ist aber nicht nur ein System von Methoden, sondern eine Erscheinungsform des Imperialismus. Der Neokolonialismus weißt im Vergleich zum Kolonialismus neue Züge auf. So versucht der Imperialismus den Anschein zu erwecken, als wäre er „human“ geworden und würde nun z.B. Entwicklungshilfe leisten. Er tritt nicht so offen und brutal in Erscheinung wie der Kolonialismus. Tatsächlich ist es aber das Ziel der Imperialisten, die Profite in den Neokolonien zu sichern bzw. auszubauen. Die imperialistischen Mächte haben ein Interesse daran den Rückstand der Entwicklungsländer im Bereich des Produktivkräfte- und Arbeitsproduktivitätsniveaus aufrecht zu erhalten, wenn auch auf höherer Stufe. Dies erklärt warum eine gewisse Weiterentwicklung (die durch die Interessen der Imperialisten begrenzt wird) der Entwicklungsländern durchaus zugelassen oder auch unterstützt wird, aber der Abstand zu den kapitalistischen Hauptstaaten weiter hoch bleibt, da diese sich viel schneller entwickeln.

Der Neokolonialismus stützt sich meist nicht mehr auf direkte, sehr offensichtliche Ausbeutung, sondern er versteckt seine Ausbeutungsmethoden. So sind die Neokolonien heute oft formell selbstständige Staaten. Es ist auch oft nicht so, dass ein ganzer Staat nur einer imperialistischen Macht gehört, sondern die verschiedenen imperialistischen Mächte einen Einfluss ausüben. Die imperialistischen Mächte wirken zusammen, indem sie versuchen, ihre Interessen aufeinander abzustimmen, so dass man auch von einem kollektiven Neokolonialismus sprechen kann. Allerdings kommt es bei Zuspitzungen der Interessengegensätze der imperialistischen Mächte auch zu Kämpfen um die Vorherrschaft bzw. zu Versuchen die Welt neu aufzuteilen.

Im Zuge von antiimperialistischen Kämpfen kam es in den Neokolonien zum Teil zu Beschränkungen für ausländische Investitionen. Auch auf solche Entwicklungen kann der Neokolonialismus mit seinen versteckten Ausbeutungsmethoden besser reagieren.

Die Neokolonien sind abhängig von den imperialistischen Mächten, dies begünstigt den Einfluss des Imperialismus. Die Souveränität der Neokolonien ist also nur formell. Tatsächlich kontrollieren die Imperialisten in hohem Maße die Wirtschaft (die ökonomische Basis) und somit auch die Politik. Die Neokolonien haben nicht genügend Eigenkapital um die Produktivkräfte so zu entwickeln, dass sie der internationalen Konkurrenz standhalten könnten. Deswegen sind sie auch auf Investitionen der imperialistischen Mächte angewiesen. Als Gegenleistungen bieten die Neokolonien oft Steuervergünstigungen etc. an.

Die imperialistischen Mächte arbeiten beim Ausbau ihrer neokolonialen Macht mit verschiedenen Methoden wie:

Schaffung ökonomischer Abhängigkeit durch Wucherkredite an den Staat (Staatsverschuldung) oder an Konzerne (die dann quasi imperialistischen Banken gehören).

Ökonomischer Druck, wie z.B. auch Boykottdrohungen unter irgendwelchen formalen Vorwänden (z.B. Kampf gegen Terrorismus).

Ausbeutung über ein monopolistisches Preisdiktat.

Ausbeutung mittels des Monopols im Bereich der Technologie und Wissenschaft.

Ausbeutung im Zuge des Informationsmonopols.

Ausbeutung durch Brain Drain.

Kauf von billigen Rohstoffen oder billigen Produkten (die mit immensen Profiten in den imperialistischen Zentren weiterverkauft werden) aber auch Verkauf teurer Produkte an die Neokolonien, die diese nicht selbst herstellen können. Somit können enorme Extraprofite erzielt werden.

Schaffung eines nur einseitigen Exports in den Entwicklungsländern. Das Entwicklungsland wird dazu verdonnert energie-, rohstoff- und arbeitsproduktive und umweltbelastende, wenig produktive bzw. technisch zweitrangige Produktionsprozesse oder ganze Produktionszweige zu übernehmen und damit die Reproduktion der imperialistischen Zentren zu erweitern. Die imperialistischen Zentren sorgen für eine Arbeitsteilung und sie selbst nehmen die Stellung ein, hochproduktive Bereiche zu beherrschen und kontrollieren somit auch den wissenschaftlich-technologischen Fortschritt.

Durch die Einseitigkeit der Wirtschaft von Entwicklungsländern kontrollieren die imperialistischen Mächte die Reproduktion dieser Länder.

Durch das Aussaugen der Länder, wird die Abhängigkeit gefestigt.

Militärische Intervention (von Truppenstationierung bis zum imperialistischen Krieg).

Unterstützung einer Regierung bzw. einer Opposition, die auf die enge Kooperation mit der jeweiligen imperialistischen Macht setzt, sich z.T. direkt korrumpieren lässt. Damit entsteht auch ein Einfluss auf Entscheidungen des politischen Überbau, des Staates etc.

Propaganda gegen antiimperialistische Bewegungen bis hin zur direkten Unterstützung der bewaffneten Bekämpfung solcher Kräfte. 

Ausbeutung der Lohnabhängigen in den Entwicklungsländern 

Der Wert der Ware Arbeitskraft liegt in den Entwicklungsländern deutlich unter dem der imperialistischen Ländern. Für den Lohn erhalten die Arbeiter also Waren mit geringerer Quantität und Qualität. Auch die durchschnittliche Arbeitszeit ist deutlich höher als in imperialistischen Ländern. Die Mehrarbeitszeit die die Arbeiter in den Entwicklungsländern leisten ist folglich höher. Die Mehrarbeit ist die Zeit, die der Arbeiter nicht für die Wiederherstellung seiner Arbeitskraft arbeitet. Deshalb macht das Kapital gerade auch bei arbeitsintensiven Produktionszweigen durch die Ausbeutung der Entwicklungsländer immense Profite. Viele Konzerne des deutschen Imperialismus haben arbeitsintensive Bereiche ausgelagert bzw. haben sich komplett abhängige Zulieferbetriebe in Entwicklungsländern geschaffen von denen sie profitieren. 

Ausbeutung über monopolistisches Preisdiktat 

Die imperialistischen Handelskonzerne können von den kleinen Zulieferbetrieben aus den Neokolonien äußerst niedrige Ankaufspreise verlangen. Oft werden die Produkte bereits erst auf Wunsch der Handelskonzerne hergestellt. Diese Möglichkeit besteht, da die aus den imperialistischen Ländern tätigen Handelskonzerne oft eine Monopolstellung einnehmen. Bei einem dann verhältnismäßig hohen Verkaufspreis, entstehen hohe Profite. Auch das Transportwesen der Entwicklungsländer ist sehr begrenzt, so dass auch hier die imperialistischen Konzerne erpresserische Transportgebühren verlangen können. Auch bei Rohstoffen die noch den Entwicklungsländern selbst gehören, schlägt die Transporterpressung so zu, dass die Imperialisten am meisten an den Rohstoffen verdienen.

Der deutsche Imperialismus verfügt über eines der besten Transportnetze der Welt. Mit großen Häfen (z.B. Hamburg), großen Flughäfen (z.B. Frankfurt), vielen LKW’s, Flugzeugen, Schiffen, Zügen usw. Somit ist es dem deutschen Imperialismus auch möglich entsprechende Erpressungen durchzuführen.

Ausbeutung mittels Technologie- und Wissenschaftsmonopol 

Durch die Monopolisierung von Wissenschaft, Technik und Technologie, hat das international agierende Monopolkapital eine qualitativ relativ neue Ausbeutungsform geschaffen. Die Entwicklungsländer sind durch ihren niedrigeren Produktivkräftestand nicht in der Lage eine so hohe wissenschaftlich-technisch-technologische Entwicklung zu machen. Die Neokolonien werden z.B. bei der Lieferung von Ersatzteilen abhängig gemacht. Sie sind gezwungen sich Erkenntnisse anzukaufen und dafür immense Summen zu bezahlen. Bei diesem Technologieexport entstehen also auch immense Profite. Es versteht sich von selbst, dass der deutsche Imperialismus, als eines der am weitesten entwickelten Länder hier ordentlich mitmischt. 

Ausbeutung infolge Brain Drain 

„Brain drain ist die aus den Entwicklungsländern in die imperialistischen Zentren stattfindende Abwanderung der wissenschaftlich-technisch-medizinischen Elite, deren Umfang und Güte durch die gezielte Abwerbung seitens der imperialistischen Staaten erheblich gefördert und beeinflusst wird.“ [Lion Wagner, Krieg und Gesellschaftssystem; S. 80]. „Brain“ bedeutet Gehirn und „Drain“ Abfluss, also der Abfluss bzw. Abzug von Gehirnen.

Das Abwerben Erfolg hat, sollen ein paar Zahlen verdeutlichen: 89% der Menschen aus Guyna mit Hochschulabschluss leben im Ausland, in Jamaika sind es 85% in Haiti 83%. In Ländern wie Sierra Leone oder Ghana, gehen die Hälfte der Menschen mit Hochschulabschluss ins Ausland. In allen Ländern südlich der Sahara sind durchschnittlich nur 4% der werktätigen Bevölkerung Akademiker, aber sie stellen 40% der Migranten.

In Simbabwe etwa wurden im letzten Jahrzehnt des 20.Jh. 1.200 Ärzte ausgebildet, von denen im Jahr 2000 nur noch 360 im Lande waren. Die Hälfte aller in Äthiopien, Ghana und Sambia ausgebildeten Ärzte hat ihr Heimatland verlassen. Nach anderen Angaben hat Afrika in den letzten zwanzig Jahren ein Drittel seiner Hochschulabsolventen verloren, jedes Jahr verlassen etwa 23.000 Akademiker den Kontinent.

Die Abwanderung hochqualifizierter Fachkräfte durch entsprechendes Personal aus Industrienationen zu ersetzen kostet mehr als vier Milliarden Euro. Südafrika gibt deshalb z.B. einen dreimal größeren Anteil an ihrem Bruttoinlandsprodukt für Bildung aus als China. Der deutsche Imperialismus hat z.B. zwischen 2000 und 2003 durch die Green Card 14.876 Informatiker abgeworben. Die Entwicklungsländer bleiben also auf den Ausbildungskosten für diese hochqualifizierten Kräfte sitzen und der deutsche Imperialismus zahlte nichts für deren Ausbildung. 

Ausbeutung durch Kreditwucher bzw. Staatsverschuldung 

Das Schuldner-Gläubiger-Verhältnis der imperialistischen Mächte zu den Entwicklungsländern ist auch ein klares Machtverhältnis, in dem die imperialistischen Banken bzw. das Finanzkapital den Neokolonien die Bedingungen für die Kredite diktieren. Die Neokolonien sind abhängig von Krediten. Sowohl dortigen Firmen als auch der komplette Staat begeben sich in die Abhängigkeit von den imperialistischen Mächten. Die Zinseszinsfalle ist z.T. so hoch, dass Entwicklungsländer nur für die Tilgung der Zinsen ihrer Schulden neue Kredite aufnehmen müssen. Die deutschen Banken mischen hier gut mit. Institutionen wie die Weltbank werden von den Imperialisten beherrscht und für deren Zwecke eingesetzt. 

Extraprofite, ökonomische Basis der Arbeiteraristokratie 

Die in den Neokolonien erzielten Extraprofite sind auch Teil der ökonomischen Basis für die Bestechung der Arbeiterklasse in den imperialistischen Ländern. Diese bekommt einen kleinen Lohnanteil aus diesen Extraprofiten bezahlt. Ein Teil der Arbeiterklasse wird im Vergleich zum durchschnittlichen Arbeiter höher durch solche Extraprofite bestochen und hebt sich dann ökonomisch z.T. sehr deutlich von einem durchschnittlichen Arbeiterlohn ab. Dadurch können dann bei diesem Teil der Arbeiterklasse, der Arbeiteraristrokratie genannt wird, Sonderinteressen entstehen. So z.B. das Interesse daran alles so zu lassen wie es ist, nicht gegen die eigene Ausbeutung zu kämpfen und sich mit dem Kapitalismus abzufinden. 

Ziele der neokolonialen Ausbeutung 

„Der neokoloniale Ausbeutung ist die entscheidende materielle Grundlage für die Erhaltung des kapitalistischen Gesellschaftssystems und daher objektiv notwendig.“ [Lion Wagner, Krieg und Gesellschaftssystem; S. 90]. Ohne diese wäre der Erhalt der so genannten „Sozialen Marktwirtschaft“ nicht zu halten. Die imperialistischen Zentren saugen die Neokolonien aus. Das allgemeine Ziel der neokolonialen Ausbeutung ist die höchstmögliche Aneignung von fremdnationalem Mehrwert.

Im Einzelnen verfolgt jede imperialistische Macht u.a. folgende nationale Ziele:

Stärkung der Kapitalkreisläufe, beschleunigte erweiterte Reproduktion und beschleunigte Produktivkraftentwicklung.Soziale Bestechung der eigenen Werktätigen und der kleinen Warenproduzenten.Entgegenwirkung der Tendenz der fallenden Profitrate.

Verhinderung der Entstehung eines neuen konkurrierenden imperialistischen Zentrums.

Hart arbeiten und reich werden? 

„Arbeitet hart und ihr werdet reich werden“ empfehlen bürgerliche Ideologen und Politiker den Entwicklungsländern. Folglich müssen die Sklaven in der Antike zu faul gewesen sein, da sie ja nicht zu Sklavenhaltern wurden." Schreibt Lion Wagner in Krieg und Gesellschaftssystem. 

Wem hilft die Entwicklungshilfe? 

Ein sehr gutes Zitat gibt es zu dieser Frage vom bürgerlichen Politiker H. Kalbitzer, der einst im Bonner Bundestag saß und zugab: „In Wirklichkeit sind hier große finanzielle, wirtschaftliche und politische Interessen im Spiel, die man besser nicht als ‚Hilfe‘ bezeichnet. Die Kapitalexporte in die Entwicklungsländer als ‚Hilfe‘ zu deklarieren, ist ungefähr so, als wolle man Banken künftig als Unterstützungsinstitute bezeichnen. Es ist für das Verhältnis zwischen uns und den Entwicklungsländern besser, wenn wir das Kind beim richtigen Namen nennen, statt das Eigeninteresse schamhaft zu verhüllen“ [Hannoversche Presse, 27.11.1960]. 

Der deutsche Imperialismus geht aus den letzten Jahrzehnten gestärkt hervor 

Der deutsche Imperialismus hat weiter einen Widerspruch zwischen ökonomischen Potenzial und fehlenden entsprechenden Herrschaftssphären. Infolge der zwei Weltkriege verlor der deutsche Imperialismus einen großen Teil seiner früheren Herrschafts- und Einflussgebiete und den überwiegenden Teil seiner Kapitalinvestitionen im Ausland. Der deutsche Imperialismus musste also aggressiv vorgehen, um seine Herrschaftsgebiete auszubauen. Bereits 1960 gelang es ihm zum zweitgrößten Exporteur auf der Welt (nach den USA) zu werden. Seine Aktionen richteten sich nach anfänglicher Unterstützung dann auch gegen die früheren Kolonialmächte Großbritannien und Frankreich sowie Belgien und Portugal, denen nun Einflussanteile geraubt werden sollten. Aber natürlich betraf dies auch die USA.

Dem deutschen Imperialismus gelang es auch zunächst nicht, im angestrebten Umfang in führenden imperialistischen Bündnissen ein entscheidendes Mitspracherecht zu haben. Schon in den 60er Jahren strebte der deutsche Imperialismus offen eine führende Rolle in der NATO und OECD an. Eine gute Rolle hatte er hingegen schon in der europäischen Sechser-Gruppe. Durch die entstehende Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (dem Vorläufer der EU) gelang es u.a. internationale Verträge mit 18 afrikanischen Ländern zu schließen. Zwei Zitate sollen zeigen, dass der Anspruch auf Neokolonien schon sehr früh offen formuliert wurde. „Seit 1920 befinden sich die deutschen Kolonien als ein Mandatsgebiet unter Kontrolle des Völkerbundes […]. Das Eigentumsrecht an diesen Gebieten ist Deutschland nicht zu bestreiten; es gilt, das Besitzrecht neu zu regeln“ [Kaiser und Reich, Wetter a.d Ruhr, 1957]. Oder in den „Deutschen Orient Informationen“ hieß es 1958: „Die Bundesrepublik hat einen Anspruch auf die geraubten Schutzgebiete, die von Gottes und Rechts wegen unser sind“. Es sei eine Pflicht, „an der Rückkehr des Reiches nach Afrika und nicht nur nach dort mitzuarbeiten“. Es gelang dem deutschen Imperialismus immer größere Investitionen im Ausland einzusetzen. 1961 flossen nach offiziellen Angaben 981,3 Millionen nach Lateinamerika, 198,2 nach Afrika, 89,2 nach Asien usw. In Ländern wie Indien und Pakistan baute der deutsche Imperialismus seinen neokolonialen Einfluss durch gemischte (also deutsch-einheimische) Gesellschaften auf. Der Neokolonialismus und die Ausbeutung der Arbeiterklasse in Deutschland sorgten für eine rasante Entwicklung der Produktivkräfte. Die Warenein- und Ausfuhr konnte gewaltig gesteigert werden. 1960 gab es eine Wareneinfuhr von 21,8 Mrd. €, 2005 waren es schon 625,6 Mrd. €. Und bei der Einfuhr stieg der Warenwert von 24,5 auf 786,2 Mrd. €. Die Geschichte des deutschen Neokolonialismus ist eine Erfolgsgeschichte. Inzwischen verfügt der deutsche Imperialismus über weite Einflussgebiete. Deutschland ist eines der exportstärksten Länder der Welt (derzeit hinter China auf Platz 2.). Aber nach wie vor ist die ökonomische Stärke des deutschen Imperialismus auf der Welt noch unterrepräsentiert. Dies bedeutet natürlich auch eine potenzielle Kriegsgefahr. 

Rassismus soll Neokolonialismus legitimieren 

Der Rassismus dient auch dazu den Neokolonialismus zu legitimieren. Zwei Zitate sollen verdeutlichen, mit welchen Aussagen eine rassische Überlegenheit, auch schon wenige Jahre nach dem 2.Weltkrieg, gegenüber den Neokolonien behauptet wurde.

Beginnen wir mit dem wissenschaftlichen Beirat beim westdeutschen Ministerium für Wirtschaft, der 1960 behauptete, dass die Überseevölker „vielfach noch in einer nichtrationalen Vorstellungswelt“ leben.

Prof. Bormann schrieb 1959: „dass die Neger weniger intelligent sind als die Europiden. Diese Einfalt, das Fehlen eines gerichteten seelischen Antriebs, am Fortschritt der Menschen teilzunehmen, die Unfähigkeit, führend in die Arbeit ihrer weißen Mitbürger sich einzuschalten, sind erbmäßig an die Struktur des Negerhirns gebunden“. Solch eine unmaterialistische Herangehensweise verschweigt das die materiellen Voraussetzungen zu berücksichtigen sind, also:

die dem Arbeiter in den ökonomisch schwachen Ländern zur Verfügung stehenden Produktionsmittel,

die für ihn realisierbaren Ausbildungsmöglichkeiten,

seine Lebensbedingungen und damit seine physische Arbeitsfähigkeit.

Kontinuierliche Aggressivität 

Nein, der deutsche Imperialismus ist nicht erst nach der Annexion der DDR aggressiv geworden.

Der deutsche Industriekurier begrüßte bereits 1955 Gewalttaten der portugiesischen Kolonialisten an indischen Demonstranten. 1961 wies ein Freiheitskämpfer aus Angola nach, dass Deutschland 10.000 Maschinenpistolen für den Kampf gegen die Freiheitsbewegung an Portugal geliefert hatte. Durch die Unterstützung gelang es deutschen Monopolen sich noch vor dem Zusammenbruch des portugiesischen Kolonialreiches einzukaufen. So investierte die Bonner Regierung zusammen mit der Firma Krupp im Jahre 1964 ganze 500 Mio. DM in Angola.

Die Volksbewegung für die Befreiung Angolas (MPLA) erklärte 1965, dass Westdeutschland Bonner Hospitäler für portugiesische Verwundete aus dem Krieg in Angola und Portugiesisch-Guinea zur Verfügung stellt und Verträge über den Bau von Rüstungsfabriken und Kriegsmaterialdepots mit Portugal abgeschlossen hat.

Als die USA bzw. Großbritannien 1958 Libanon bzw. Jordanien angriffen, war der deutsche Imperialismus gern bereit Nachschubbasen und Überflugsrechte zur Verfügung zu stellen. Zuvor hatte man auch die anglo-französisch-israelische Aggression gegen Ägypten (1956) unterstützt.

Der koloniale Krieg des französischen Imperialismus in Algerien (1954-62) wurde vom deutschen Boden aus mit Geld, Waffen und Söldnern unterstützt.

In Südafrika ging der deutsche Imperialismus ein neokoloniales Bündnis mit der rassistischen Verwoerds-Clique ein. Ziel war es das Apartheidregime aufrecht zu erhalten. So war auch klar, dass die Bonner Regierung dem Boykottaufruf gegen Südafrika nicht folgte. Vielmehr wurde versucht, den Schiffstransport von Waren weiter auszubauen, um so entsprechende Wucherpreise für den Transport verlangen zu können. Die Unterstützung für Südafrika schaffte dem deutschen Imperialismus eine hohe Zunahme des Ein- und Ausfuhr-Saldos, dass von 297,8 (1959) auf 399,8 Mio. DM (1964) stieg.

Bei der imperialistischen Aggression gegen die Republik Indonesien, leistete der deutsche Imperialismus ökonomische und politische Hilfe an Malaysia.

Es wurden 100 Mio. DM an finanzieller Hilfe für die reaktionären Kräfte im Vietnam zur Verfügung gestellt, und der deutsche Imperialismus entsandte auch militärisches und paramilitärisches Material. 1965 verhandelte der Vorsitzende des Bonner Verteidigungsrates, Herr Krone, mit den USA über eine verstärkte westdeutsche Beteiligung. Zwar konnte keine direkten Truppeneinsätze durchgesetzt werden, allerdings wurden im Fort Bragg (USA) bereits westdeutsche Bundeswehr-Ranger für den Einsatz in tropischen Gebieten ausgebildet. Auch mit dem US-Gaseinsatz hatte man kein Problem. In der Zeitung „Die Welt“ erschein ein Artikel der die Überschrift trug: „Gas gehört zu den humansten Waffen des Krieges“.

Ein Bündnis ging der deutsche Imperialismus auch mit dem von Tshombé beherrschten Teil Kongos ein. Bereits 1960 unterstütze man aktiv die militärische Intervention des Imperialismus gegen diese Republik. Unter anderem trat man für die Schaffung einer großen Söldnertruppe unter der Leitung von Kolonialoffizieren ein. Und man organisierte den Abtransport von belgischen Infanteristen, die in Arnsberg stationiert waren. Außerdem stellte man den USA Territorium für die Aggression zur Verfügung. Und auch bei der Aggression von 1964 erteilte die Erhard-Regierung gleich die Genehmigung für die Luftbrücke, die von den USA und Belgien benutzt wurde. In der FAZ war einst zu lesen, dass die Europäer (also auch Deutschland) doch die Armee von Tshombé ausbilden solle. Und unter den „Freiwilligen“, die ihm dann tatsächlich halfen, waren unter anderem ehemalige SS-Offiziere. Es wurde im Jahr 1964 angestrebt weitere 100 Söldner aus Deutschland zu gewinnen.

1965 lieferte Westdeutschland Waffen im Wert von 320 Mio. DM an Israel, darunter Schnellbote und Kriegsflugzeuge. Es wurden zu dieser Zeit 500 Offiziere der israelischen Armee in Westdeutschland ausgebildet und der Bau von Rüstungsfabriken wurde auch vom deutschen Imperialismus mitfinanziert. Deutsche Kernphysiker wurden zur Unterstützung der israelischen Atomforschung entsandt. Die Waffenlieferungen wurden auch gegen die antiimperialistischen Kräfte in Palästina eingesetzt.

Nachdem der Versuch gescheitert war, Zypern durch die Nato zu besetzen, verstärkte die Bundesrepublik ihre Militärhilfe an die Türkei. Von 1957-62 gewährleistete die Bundesregierung Rüstungskredite in Höhe von 1,160 Mrd. DM. Damit wurde natürlich auch eine finanzielle Abhängigkeit der Türkei geschaffen. Von 1963-64, gab es eine weitere Finanzhilfe von 320 Mio. und 1964 wurde ein Militärhilfeabkommen unterzeichnet, das die Lieferung von Düsenjägern des Typ F 84 F, Schnellboten, Panzern, Geschützen und Handfeuerwaffen im Wert von 50 Mio. DM vorsah. Und auch Griechenland wurde im Kampf gegen Zypern unterstützt und erhielt von 1963-64 Militärhilfe in Höhe von 35 Mio. DM.

Der deutsche Imperialismus begrüßte die US-Aggression in der Dominikanischen Republik. Unterstützung gab es auch für Pak Tschung Hi in Südkorea, Tschiang Kai-schek auf Taiwan, den SEATO-Staat Thailand und das neokoloniale Gebilde Malaysia sowie das Schahregime im Iran.

Schon damals war der deutsche Imperialismus dafür bekannt, Truppen anderer Länder auszubilden. Und was heute Soldaten aus dem Irak oder Afghanistan sind, das waren damals z.B. afrikanische Soldaten, die in westdeutschen NATO-Kasernen ausgebildet wurden. So z.B. Piloten und Flugsicherheitsbeamte aus Libyen. Dies schaffte zusammen mit Waffenlieferungen, politischen und ökonomischen Aktivitäten einen steigenden neokolonialen Einfluss. Der Spiegel gab 1965 bekannt, dass Westdeutschland rund 350 Mio. DM an militärischer „Entwicklungshilfe“ leistete. Unter anderem waren dies 80 Mio. für den Aufbau von Grenzschutzverbänden des Sudan, 30 Mio. für Pionierkorps in Guinea, 6,4 Mio. für Polizeitruppen in Somalia und 6 Mio. DM für die Küstensicherung Madagaskars.

Sehr begrüßt wurde auch der Vertrag mit Nigeria über 58 Militärflugzeuge. Diese Flugzeuge wurden komplett mit Exportwaren aus Nigeria verrechnet. 1964 hatte z.B. der westdeutsche Kriegsminister von Hassel gesagt, dass nur durch die militärische Unterstützung Deutschlands an Tansania, sich die Herrschenden gegen die „Sansibar-Kommunisten“ hätten behaupten können.

Viele der genannten Militärhilfen fanden in Form von Krediten statt. Oft wurden auch Waffen geliefert, die für die Bundeswehr bereits veraltet waren und so wieder zu Geld gemacht wurden. Und noch dazu wurden sie dann im Interesse des deutschen Imperialismus von anderen Händen bedient. Auch wenn es damals keine Militäreinsätze von tausenden Soldaten gab, so zeigte sich auch damals die Aggressivität deutlich durch die Waffenlieferungen, militärische Ausbildung, Finanz“hilfen“, politische Unterstützung und den Einsatz von Söldnern. Innerhalb weniger Jahre war der deutsche Imperialismus so an vielen Kriegsschauplätzen beteiligt. 

Verwendete Literatur:

- Lion Wagner: Krieg und Gesellschaftssystem, 1998

- Der Neokolonialismus der westdeutschen Bundesrepublik, Verlag Zeit im Bild 1965

- S. Tjulpanow: Das Kolonialsystem des Imperialismus und sein Zerfall, Verlag die Wirtschaft Berlin 1959

- Kolonialismus und Neokolonialismus in Nordafrika und Nahost, Akademie Verlag Berlin 1964

- K-H. Domdey: Neokolonialismus oder sozialistische Wirtschaftshilfe, Verlag die Wirtschaft Berlin 1962

- Paul Friedländer/ Harmut Schilling: Kolonialmacht Westdeutschland, Dietz Verlag Berlin 1962

- J.-L. Schmidt: Entwicklungsländer, Verlag Marxistische Blätter Frankfurt/M. 1974

- Friedländer/ Liebscher: Neokolonialismus ohne Maske, Staatsverlag der DDR 1974

- Dr. Hjalmar Schacht (Reichsbankpräsident): Deutschlands Kolonialproblem, 1937

- Johann Lorenz Schmidt: Probleme des Neokolonialismus – Die Besonderheiten des westdeutschen Neokolonialismus, Akademie Verlag Berlin 1963

- Kolonialpolitik – Mein politisches Vermächtnis, 1919

- AZANIA: die Tage der südafrikanischen Rassisten sind gezählt, Berlin 1976

- Bühler/ Locher: Geschäft mit der Armut, Lamuv Taschenbuch 1984

- Pater: Geld für die Welt – Bundesdeutsche Banken und Dritte Welt, Lamuv Taschenbuch 1987

- Castro/ Mandel/ Wolf: Schuldenkriese - in der Dritten Welt tickt eine Zeitbombe, ISP 1987

-Afrika im Weltkapitalismus, ISW-Report Nr. 72; 2007

- Tiger, Drachen, Finanzhaie und die Hyänen des IWF, ISW-Report Nr. 27;1998

- Krieg der Konzerne, ISW-Report Nr. 17; 1993

- Entwicklung und Entwicklungspolitik, Informationen für politische Bildung 286; 2005

- Böhler/ Hoeren: Afrika – Mythos und Zukunft, Bundeszentrale für politische Bildung 2003

- Nuscheler: Entwicklungspolitik, Bundeszentrale für politische Bildung 2006

- Datenreport 2006, Statistisches Bundesamt + Bundeszentrale für politische Bildung 2006

- Das Lexikon der Wirtschaft, Bundeszentrale für politische Bildung 2004

 

Editorische Anmerkungen

Wir erhielten den Text von Mark Staskiewicz. Er arbeitet in der
Gruppe Wissenschaftlicher Sozialismus
Postfach 65 21 41, 13316 Berlin
www.wisso.info  

Dort wurde der Text erstveröffentlicht.

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