Die Zwangsvollstreckungen wegen ausstehender
Hypothekenzahlungen haben in den Vereinigten Staaten enorm
zugenommen. Nach Angaben von RealtyTrac.com, der größten
Datenbank für diesen Bereich, fand beispielsweise in der Stadt
Detroit allein im Monat Juli bei einem von 97 Haushalten eine
Zwangsvollstreckung statt. In den Bundesstaaten Michigan,
Georgia und Kalifornien kam im gleichen Zeitraum je eine
Zwangsvollstreckung auf 300 Haushalte. In Nevada war im gleichen
Zeitraum sogar jeder 200ste Haushalt davon betroffen.Wenn
sich diese Entwicklung der ersten Jahreshälfte 2007 so
fortsetzt, wird in Städten wie Detroit, Las Vegas sowie
Riverside/San Bernardino, Stockton and Sacramento in Kalifornien
jeder 15te Haushalt von Zwangsvollstreckung betroffen sein. In
den gesamten Vereinigten Staaten gab es im Jahre 2006 nicht
weniger als 1,26 Millionen Zwangsvollstreckungen - darunter
fallen Mahnverfahren, Zwangsversteigerungen und Zwangspfändungen
- und RealtyTrac erwartet einen Anstieg auf über zwei Millionen
für das Jahr 2007.
Der Zuwachs bei den Zwangsvollstreckungen lässt sich auf die
nachlassenden Preissteigerungen am Immobilienmarkt zurückführen
- das Zusammensacken der Blase, die zuvor zwölf Jahre lang
gewachsen war und sich besonders in den Jahren 2001 bis 2005
enorm ausgedehnt hatte. Auch wenn Bewegungen am Immobilienmarkt
schwer in Zahlen zu fassen sind, kommt eine jüngere Studie von
Standard&Poor/Case-Shiller über 20 US-Städte zu dem Ergebnis,
dass der Preis für Einfamilienhäuser von Mai 2006 bis Mai 2007
um 2,8 Prozent gefallen ist.
Nach derselben Erhebung fielen die Preise im Mai dieses
Jahres im fünften Monat in Folge, nachdem es bereits dreizehn
aufeinander folgende Monate zu verlangsamter Preisentwicklung
gekommen war. "Auf nationaler Ebene existieren keine Anzeichen
dafür, dass sich die Immobilienpreise wieder erholen könnten",
sagte der Wirtschaftswissenschaftler Robert Shiller, der die
Studie betreute, gegenüber der Nachrichtenagentur Associated
Press. Dasselbe trifft auf die Zahl der Zwangsvollstreckungen
zu, die allein von Juni bis Juli um neun Prozent zunahmen und
über den Untersuchungszeitraum der Studie um 93 Prozent
anstiegen, wie RealtyTrac berichtet.
Die jüngste Welle von Zwangsvollstreckungen löste eine
Kreditkrise in den gesamten Vereinigten Staaten und der
Weltwirtschaft aus, als die Investoren Mitte August Sicherheiten
abstießen, die auf faulen Krediten zu beruhen schienen. Um
Panikverkäufe zu verhindern, stellte die US-Notenbank den Banken
neben einer Reihe von anderen Sicherheiten billige Kredite zur
Verfügung. Die langfristigen Folgen der Immobilienkrise bleiben
jedoch abzuwarten, zumal eine allgemeine Abwärtstendenz bei den
Immobilienpreisen durchaus eine Rezession in der
Gesamtwirtschaft auslösen kann.
Eine Zwangsvollstreckung findet statt, wenn ein Schuldner
sich über einen längeren Zeitraum hinweg als zahlungsunfähig
erweist. Ein Mahnverfahren beginnt, und wenn der Schuldner die
Immobilie nicht verkaufen, den Kredit umfinanzieren oder
innerhalb eines festgelegten Zeitrahmens die Ratenzahlung wieder
aufnehmen kann, dann geht die Immobilie wieder in den Besitz des
Gläubigers über - zusammen mit dem Eigenkapital, das der
Schuldner bereits in die Immobilie investiert hat.
In der Theorie sollen Zwangsvollstreckungen eigentlich das
allerletzte Mittel sein, da der Schuldner sein gesamtes
Eigenvermögen an dem Haus verliert, ganz zu schweigen von den
Folgen, die ein solches Verfahren für die Kreditwürdigkeit des
Schuldners hat. In einer Zeit steigender Immobilienpreise ist es
möglich und erstrebenswert, der Zwangsvollstreckung zu entgehen,
indem die Immobilie weiterverkauft oder umfinanziert wird. Wenn
die Immobilienpreise jedoch fallen, ist eine Zwangsvollstreckung
nicht so leicht zu umgehen. Wenn ein Haus mehr an Wert verliert,
als der Kreditnehmer an Eigenkapital investiert hat, muss der
Schuldner selbst die Differenz bezahlen, wenn er die Immobilie
verkaufen oder umfinanzieren will. In einem solchen Fall kann
Zwangsvollstreckung der einzige Ausweg für einen Schuldner sein,
der die Monatsraten nicht aufbringen kann und über keine
Ersparnisse verfügt, mit denen sich die Umfinanzierung decken
ließe.
Es ist also zu erwarten, dass fallende Immobilienpreise wie
in diesem Jahr mit einem gewissen Anstieg bei den
Zwangsvollstreckungen einhergehen. Die derzeitige Zahl an
Zwangsvollstreckungen fällt allerdings unerwartet hoch aus
angesichts des vergleichsweise geringen Preisverfalls. Darüber
hinaus stieg die Zahl der Zwangsvollstreckungen schon im Jahre
2005 scharf an - zu einem Zeitpunkt, als sich zwar die
Steigerung bei den Immobilienpreisen verlangsamte, aber noch
kein Preisverfall festzustellen war, wie es seit Anfang 2007 der
Fall ist.
Die hohe Zwangsvollstreckungsrate muss in Zusammenhang mit
kurzfristigen wie langfristigen Entwicklungen verstanden werden.
An erster Stelle steht hier der Immobilienboom der Jahre 2001
bis 2005, als die Immobilienpreise um 20 bis 30 Prozent zulegten
und damit verbunden Spekulationen sowie Geschäftemacherei bis
hin zum direkten Betrug im Kreditgewerbe zunahmen. Dies brachte
viele Menschen dazu, Kredite aufzunehmen, die sie sich nicht
leisten konnten.
Spekulation und Betrug
In den Jahren 2001 bis 2005 weichten die Kreditinstitute ihre
Kriterien für die Vergabe von Geldern auf und schufen
Bedingungen, unter denen Hypothekenvermittler immer weniger auf
die Rückzahlungsfähigkeit der Schuldner achteten. Dies förderte
nicht nur den Subprime-Markt (für Kredite mit geringer Bonität),
sondern führte auch zur verbreiteten Vergabe von "exotischen",
d.h. spekulativen Krediten an Leute, für die es unter anderen
Umständen - wenn ihre Hypothek geringer gewesen wäre - eine
reguläre Schuldentilgung gegeben hätten.
Als die derzeitige Immobilienblase entstand, entwickelten
sich die Hypotheken mit variablen Zinsen (Adjustable Rate
Mortgage, ARM) zur wichtigsten "exotischen" Maßnahme im Bereich
der Kreditrückzahlung. Bei den ARM zahlt der Schuldner zunächst
einen sehr geringen Zinssatz (üblicherweise über drei bis fünf
Jahre), bis dann die Zinsen hochschnellen. Die ARM erreichten
ihre höchste Verbreitung im Jahre 2005, als sie 37 Prozent des
Hypothekenmarkts ausmachten.
Ein weiteres risikoreiches Instrument der Hypothekenvergabe,
das in den vergangenen Jahren immer mehr Verbreitung gefunden
hat, ist der so genannte Nur-Zins-Kredit (Interest-Only Loan).
Solche Hypotheken machten bei den im Jahre 2004 vergebenen so
genannten "Jumbo"-Krediten (über 417.000 US-Dollar) noch weniger
als fünf Prozent aus. Im zweiten Quartal 2005 war ihre Zahl auf
25 Prozent gestiegen. Der Schuldner zahlt bei diesen Krediten
über einen Zeitraum von mehreren Jahren nur die Zinsen, aber
nichts vom Kapitalbetrag zurück; später steigen die Monatsraten
an und der normale Amortisierungsprozess beginnt. Der Schuldner
besitzt dann nicht mehr oder weniger als das, was er zum
Zeitpunkt der Kreditaufnahme besaß.
Dagegen finden so genannte Negative Amortisierungskredite (Negative-Amortization
Loans), bei denen der Schuldner weniger als die anfallenden
Zinsbeträge zahlt, ebenfalls immer mehr Verbreitung. In diesem
Falle häufen die Kreditnehmer immer höhere Schulden an, nach
Jahren der Hypothekenzahlung ist der Schuldenberg höher als zum
Zeitpunkt der Kreditaufnahme. Als "Alternative" zu den
Interest-only und Negative-Amortization Loans ist in Kalifornien
im Jahre 2006 erstmals eine Hypothek mit einer Laufzeit von 50
Jahren vergeben worden.
Besonders in den US-Bundesstaaten mit aufgeblähten
Immobilienmärkten versuchten die Hypothekenvermittler
Kreditnehmer davon zu überzeugen, dass das Eigenheim eine Anlage
ohne Wertverlust darstellt. Damit wurde erreicht, dass Leute zu
ungünstigen Bedingungen Kredite aufnahmen, die sie sich nicht
leisten konnten - getragen von der Hoffnung, dass die Preise
immer weiter steigen und dies eine sichere "Investition" sei.
Diverse windige Verkäufer traten in
Informationsveranstaltungen, Werbesendungen und Fernsehshows mit
Titeln wie "Schnapp Dir das Haus" auf und riefen dazu auf, sich
durch Spekulation am Immobilienmarkt auf Kosten anderer Leute zu
bereichern. Einige Menschen hatten Erfolg mit solchen
Geschäften, bis sie das Abkühlen des Marktes hinwegspülte, das
die hochspekulativen Märkte wie z.B. in Florida und Kalifornien
schneller erfasste als den Rest des Landes.
Ein Immobilienhändler aus Florida erklärte gegenüber der
Financial Times : "Die Leute haben Häuser gekauft und sich
vorgestellt, dass sie nur eine neue Küche reinsetzen und sie
schnell wieder abstoßen. Es war Habgier. Wir waren alle darin
gefangen." Die Remax-Maklerin Dorothea Sandland sagte derselben
Zeitung: "Viele Kunden nahmen eine zweite Hypothek oder einen
sehr risikoreichen Kredit auf oder ließen sich sogar auf
besondere Schuldverschreibungen ein, weil man die Immobilien
immer wieder sehr schnell abstoßen konnte." Weiter berichtete
sie: "Ich habe Wohnungen gesehen, die am Markt für 259.000
Dollar über den Tisch gingen, obwohl die gleiche nebenan im
Neubau 180.000 kostete."
Doch die große Mehrheit derjenigen, die von
Zwangsvollstreckungen betroffen sind, sind einfach normale
Menschen, die zu einer Zeit ein Haus kaufen wollten, als die
Immobilienpreise ständig stiegen, während ihre Löhne und
Gehälter stagnierten oder sanken. Die Kreditinstitute schauten
weg, wenn die Makler im schieren Eigeninteresse ihre Kunden
überzeugten, Kredite aufzunehmen, die diese unmöglich
zurückzahlen konnten, sobald der Immobilienmarkt nachließ. In
vielen Fällen machten sich die Hypothekenvermittler des Betrugs
schuldig, indem sie den Wert der Immobilie falsch angaben, die
Vertragsbedingungen verschleierten und exorbitante Gebühren
verlangten. In einem jüngsten Bericht der US-Bundespolizei FBI
heißt es, es herrsche "eine enge Verbindung zwischen
Hypothekenbetrug und Krediten, die in Mahnverfahren und
Zwangsvollstreckung enden".
Carol Trowell, die als Maklerin in Detroit arbeitet, macht
die Schuld vor allem bei verantwortungslosen Vermittlern aus.
Sie sagte gegenüber der WSWS: "Es war eine Menge Betrug im
Spiel, aufgeblähte Schätzungen, extrem hohe Zinssätze."
Aber nicht nur die Makler haben Eigenheimkäufer über den
Tisch gezogen. Erst jüngst haben Hausbesitzer aus North Carolina
das Bauunternehmen Beazer Homes verklagt, da dieses die
finanzielle Situation der Kaufinteressenten falsch dargestellt
haben soll, um ihnen staatlich geförderte Hypotheken zu
verschaffen, die den Rahmen des Rückzahlbaren überstiegen. Nach
Informationen einer Lokalzeitung haben einige von Beazer Homes
errichtete Neubausiedlungen eine Zwangsvollstreckungsrate von
mehr als 20 Prozent, während die Rate im gesamten Bundesstaat
bei drei Prozent liegt.
Auch die Kreditvermittler, die keinen direkten Betrug
begingen, versuchten so viele Käufer mit geringer
Kreditwürdigkeit und niedrigem Einkommen wie möglich zu gewinnen
und nutzten die Tatsache, dass diese Käufer keine normalen
Darlehen erhalten, um zusätzliche Gebühren und höhere Zinsen
abzugreifen. In einer Zeit steigender Immobilienpreise mag das
Sinn ergeben, doch wenn die Immobilienpreise fallen, können die
Schuldner nur verkaufen oder umfinanzieren, um einer
Zwangsvollstreckung zu entgehen. Was die Kreditgeber betrifft,
so werden ihre Vorteile durch die höheren Zinssätze kurzfristig
nicht durch das erhöhte Risiko zunichte gemacht.
Diese Strategie bricht jedoch in sich zusammen, sobald der
Immobilienmarkt nachlässt. Bereits im Jahre 2005 gab es eine
Rekordzahl an Mahnverfahren und die Immobilienpreise gerieten
ins Wanken, was sich sogleich auf die Gläubiger im Bereich von
Subprime und "exotischen" Krediten übertrug. Eines dieser
Kreditinstitute, New Century Finance, meldete im April dieses
Jahres Insolvenz an und American Home Mortgage, der zehntgrößte
Privatkreditvermittler in den Vereinigten Staaten, folgte im
August.
Der Hypothekenvermittler Countrywide Financial, dessen
Nettogewinne im Jahre 2005 noch die von New Century um das
Fünffache übertrafen, schrammte Mitte August nur knapp am
Konkurs vorbei, als die US-Bundesbank den Diskontsatz senkte und
ein Konsortium von 40 Banken dem Unternehmen als Nothilfe eine
Kreditlinie von 11,5 Milliarden Dollar zur Verfügung stellte.
Laut einer jüngsten Studie des größten Hypothekenfinanzierers in
den Vereinigten Staaten Fannie Mae verliert der Gläubiger bei
einer Zwangsvollstreckung im Durchschnitt nur etwa 60.000
Dollar, während der Schuldner dabei sein gesamtes Vermögen
verliert, das in die Immobilie investiert wurde.
Da Hypotheken nicht mehr als hinreichende Sicherheiten
gelten, haben inzwischen die Gläubiger selbst Schwierigkeiten,
Kredite zu erhalten. Insgesamt scheint sich eine Umkehr von der
bisherigen Kreditvergabepraxis abzuzeichnen. In einer Studie zu
den großen Kreditinstitutionen, die von der US-Notenbank
durchgeführt wurde, erklärten 67 Prozent der Kreditgeber, dass
sie ihre Vergaberegeln für Subprime-Hypotheken verschärft haben,
und 47 Prozent berichteten, sie hätten höhere Standards für die
Vergabe von Adjustable Rate Mortgages eingeführt. Höhere
Anforderungen bei der Hypothekenvergabe bedeuten gleichzeitig
größere Schwierigkeiten bei der Umfinanzierung oder Umschichtung
der Schulden, was die Schuldner oftmals in eine noch prekärere
Lage bringt.
Unter Bedingungen steigender Immobilienpreise und leicht zu
erhaltender Kredite hatten die Schuldner noch die Möglichkeit,
zu verkaufen oder die Zahlungen zu refinanzieren, wenn sich die
Raten nach dem Ende des anfänglichen Niedrigzinszeitraums als zu
hoch erwiesen. Aber wenn die Banken ihre Kreditvergaberegeln
verschärfen, wird es für Schuldner mit Subprime-Hypotheken und
anderen "exotischen" Krediten noch schwieriger, eine
Umschichtung der Schulden zu erreichen, selbst wenn ihre
Immobilie keinen bedeutenden Wertverlust erlitten hat.
Schuldner, die zur Aufnahme riskanter Hypotheken bewogen
wurden, sehen sich zwischen fallenden Immobilienpreisen und
Problemen der Umfinanzierung gefangen und haben nun damit zu
kämpfen, der Zwangsvollstreckung zu entgehen. Noch vor einem
Jahr konnten neun von zehn Schuldnern, die mit den Monatsraten
nicht nachkamen, eine Zwangsvollstreckung vermeiden, indem sie
ihre Häuser verkauften oder eine Möglichkeit zur Umfinanzierung
des Kredits fanden, berichtet das Unternehmen DataQuick. Heute
sind dies noch nicht einmal halb so viele. "Die
Gegenfinanzierung ist nicht mehr einfach oder automatisch
erhältlich, selbst für diejenigen mit guten Krediten; und
einige, die jetzt ihre Schulden nicht umschichten können,
verlieren ihre Häuser", bemerkte Jim Saccacio, der Vorsitzende
von RealtyTrac.com.
Betrügerische Kreditvergabepraxis, Spekulation und
verbreitete kriminelle Machenschaften sind jedoch nicht der
einzige Grund für das enorme Ausmaß der
Zwangsvollstreckungskrise. Letztlich liegen die Gründe hierfür
in langfristigen Entwicklungen: der Stagnation bei Löhnen und
Gehältern, dem Mangel an bezahlbarem Wohnraum und der wachsenden
Verschuldung von amerikanischen Haushalten.
Die Durchschnittspreise für Immobilien in den USA haben sich
im Verlauf der letzten zehn Jahre fast verdoppelt, von 109.000
Dollar im Jahr 1995 auf 206.000 Dollar im Jahr 2005. Damit
stiegen sie um mehr als 33 Prozent stärker als die
Verbraucherpreise in dieser Periode. Da die Häuser der mittleren
Preisklasse für Durchschnittsverdiener nicht mehr erschwinglich
waren, haben Eigenheimkäufer versucht, die Lücke mit riskanteren
Hypothekentiteln zu schließen.
Trotz der gestiegenen Preise stieg die Zahl der Hausbesitzer
in den letzten 15 Jahren noch um fünf Prozent an. Bedenkt man,
dass der Durchschnittsverdienst seit 1999 stagniert und die
Einkommen der Niedriglohnbezieher seit Jahrzehnten sinken, dann
folgt daraus, dass das nur durch eine wachsende Verschuldung
möglich war.
Tatsächlich ist die Gesamtverschuldung der Haushalte während
der Immobilienhausse drastisch gestiegen. Dem entsprechend
machen die Hypothekenschulden einen größeren Anteil an der
gesamten Verschuldung der Haushalte aus. Laut den Zahlen der
US-Notenbank wuchsen die ausstehenden Schulden der Haushalte in
Prozent des verfügbaren persönlichen Einkommens von 88 Prozent
1994 auf 117 Prozent 2004. Die Washington Post
berichtete, dieser Wert habe im Jahr 2005 126 Prozent erreicht -
ein 45-prozentiger Anstieg im Verlauf von elf Jahren. Laut einem
Bericht in Harper’s Magazine haben fast die Hälfte der
Erstkäufer von Häusern 2005 kein Geld für ihre Hypotheken in bar
angezahlt.
Hypothekenschulden waren der Hauptgrund für den Gesamtanstieg
der Schulden seit 2001 und in wachsendem Maße während der
letzten Zeit der Immobilienblase. Ein Bericht des Woodstock
Institute stellt fest: "Im Jahr 2000 machte die Nettozunahme der
Hypothekenschulden außerhalb des landwirtschaftlichen Sektors 44
Prozent des Gesamtanstiegs der Netto-Schulden aus. Am Ende des
dritten Quartals 2005 lag sie bei 79 Prozent."
Darüber hinaus ist im letzten Vierteljahrhundert das
Eigenkapital der Hausbesitzer in Prozent des Werts ihrer
Immobilien ständig gesunken. 1979 besaßen Familien
durchschnittlich 67,3 Prozent ihres Hauses; dieser Prozentanteil
fiel im Jahr 2004 auf 56,7 Prozent. Zu dieser Veränderung kam es
trotz des jüngsten Anstiegs der Immobilienpreise, der erlaubt
hätte, dass Hausbesitzer den höheren Wert ihres Eigentums durch
Umfinanzierung in höheres Eigenkapital verwandeln. Tatsächlich
passierte das Gegenteil: Ein Bericht der US-Notenbank stellte
fest, dass fast die Hälfte der Hausbesitzer, die eine
Umfinanzierung gemacht hatten, das Eigenkapital an ihrem Haus
sogar reduzierten, indem sie es sich in Bargeld auszahlen
ließen. Das führte für 80 Prozent derjenigen, die umfinanziert
hatten, zu längerfristigen Darlehen und für 40 Prozent zu
höheren monatlichen Zahlungen.
Der Anstieg der Hypothekenschulden hat sich jedoch nicht
gleichmäßig auf die amerikanische Bevölkerung verteilt. Ein
Bericht der Century Foundation von 2004 stellte fest, dass
Hauskäufer mit niedrigem Einkommen einen Anstieg ihrer
Hypothekenlast hinnehmen mussten, der in keinem Verhältnis zu
ihrer Zahl steht. Der Bericht stellt in der niedrigsten
Einkommensgruppe einen Anstieg der Hypothekenschulden von 191
Prozent fest, gegenüber 95 Prozent in der mittleren
Einkommensgruppe und 35 Prozent in der höchsten.
Der Bericht der Century Foundation vermerkt außerdem, dass
"eine Familie mit zwei Verdienenden heute tatsächlich weniger
frei verfügbares Einkommen hat - nachdem die festen Kosten wie
Krankenversicherung und Hypothekenzahlungen abgezogen sind - als
eine Familie mit einem Geldverdiener in den 70er Jahren". (Siehe
"Life and Debt: Why American Families are Borrowing to the Hilt")
Zudem hat eine Studie der US-Notenbank von 2004
herausgefunden, dass mehr als ein Viertel der Haushalte mit
niedrigem Einkommen 40 Prozent oder mehr ihres Lohns für die
Rückzahlung ihrer Schulden ausgeben.
Diese langfristigen Veränderungen schlagen sich in der
Statistik der Zwangsvollstreckungen nieder. Laut den Zahlen des
statistischen Bundesamts der USA stieg die Zahl der
Zwangsvollstreckungen seit 1980, als es 114.000
Zwangsvollstreckungen gab, um 250 Prozent auf 555.000 im Jahr
2001. In dieser Periode vervierfachte sich auch die Zahl der
privaten Konkurse.
Das Schicksal der Menschen
Nur ein Multimillionär wie George W. Bush, der meilenweit
entfernt ist vom tagtäglichen amerikanischen Alltagsleben, kann
die "jüngsten Störungen auf dem Gebiet der Subprime-Hypotheken"
als "unbedeutend" bezeichnen. In Wirklichkeit werden durch die
gegenwärtige Hypothekenkrise und die Welle von
Zwangsvollstreckungen viele Menschen vollkommen aus der Bahn
geworfen.
Die WSWS sprach mit Ryan einem 19-jährigen Teilzeit-Studenten
am Delaware Technical and Community College, dessen Situation
wahrscheinlich typisch ist. Ryan erklärte, seine Familie sei
fünf Monate mit der Hypothekenzahlung im Rückstand, und das Haus
werde bald zwangsversteigert. "Es ist ziemlich klar, dass wir
das Haus verlieren werden."
Ryans Mutter, die allein erziehend ist, hatte bei der Bank of
America gearbeitet, bevor sie vergangenen Monat ihren
Arbeitsplatz verlor, da ihre Firma MBNA aufgekauft hatte. "Sie
war eine gute Arbeitskraft, aber sie war zu teuer, um sie zu
behalten."
"Die Situation begann sich zu verschlechtern, als meine
Mutter vor fünf Monaten ihre Überstunden nicht mehr machen
konnte; damals waren wir nicht mehr in der Lage, die Hypothek
abzubezahlen." Nachdem Ryans Mutter ihren Arbeitsplatz verloren
hatte, nahm er einen Vollzeit-Job bei dem in der Nähe gelegenen
Amazon.com-Versand an, um seine jüngeren Geschwister zu
unterstützen. "Diese Veränderung war wirklich schwierig. Ich
musste die Entscheidung treffen, meine Zukunft zu opfern, um
meinen Geschwistern zu helfen.
Meine Mutter war faktisch kreditunwürdig, aber sie konnte
vermeiden, eine Hypothek mit beweglichen Sätzen zu bekommen,
weil sie meinen älteren Bruder, der gerade vom Militär kam, dazu
brachte, ihr Darlehen mit zu unterzeichnen. Aber jetzt, wo wir
in die Zwangsversteigerung gehen, ist er auch nicht mehr
kreditwürdig; er ist dabei eine Familie zu gründen, und es wird
jetzt schwieriger für ihn, eine vernünftige Hypothek zu
bekommen.
Das ist eine furchtbare Situation; es hat alle verändert. Ich
sollte eigentlich zur Universität gehen - frei leben und meine
Jugend genießen. Aber stattdessen muss ich mir Sorgen darüber
machen, ob meine Geschwister ein Dach über dem Kopf haben und
was zu essen auf dem Tisch. Sie werden in eine andere Schule
gehen müssen, was schwierig wird. Wir haben versucht, dafür zu
sorgen, dass sie nicht zu schnell erwachsen werden müssen, aber
manchmal können wir das nicht wirklich bestimmen. Armut bedeutet
nicht nur, kein Geld in der Tasche zu haben, sie verändert jeden
Aspekt des Lebens der Menschen."
Alleinverdienende sind keinesfalls die einzigen Betroffenen.
John and Maria Buma, die ein Haus in La Jolla, in der Nähe von
San Diego, Kalifornien, besitzen, sind ebenfalls von dem Platzen
der Immobilienblase betroffen. Maria, 28, ist
Maschinenbauingenieurin bei einer Softwarefirma im Ort. John,
30, arbeitet als Laborant bei Johnson & Johnson. Sie haben zwei
Kinder.
Als die Bumas 2005 ihre Hypothek aufnahmen, lag der
durchschnittliche Preis für ein Haus in San Diego über 600.000
Dollar. Ihr Haus, das sie mit einem Nur-Zins-Kredit mit
variablen Raten für 500.000 Dollar gekauft haben, ist im Wert um
10 Prozent auf 450.000 Dollar gesunken. Obwohl sie seit zwei
Jahren ihre Hypothek zurückzahlen, besitzen sie bis jetzt nichts
von ihrem Haus.
John Buma erklärte gegenüber der WSWS: "Wir waren wenigstens
so klug, einen Kredit aufzunehmen, der erst nach fünf und nicht
nach drei Jahren angepasst wird. Wenn wir jetzt schon höhere
Raten bezahlen müssten, dann würden wir wirklich in der Klemme
sitzen. Nachdem die Hypothek, das Auto, die Anleihe für das
Studium und die Kindertagesstätte bezahlt sind, haben wir noch
100 Dollar in der Woche zur freien Verfügung. Wir sparen nicht
soviel, wie wir sollten; wenn einer von uns den Arbeitsplatz
verliert oder krank wird, dann überstehen wir das nur ein paar
Monate."
Die WSWS sprach auch mit Carol Trowell, einer Börsenmaklerin
bei Century 21 DuPont Realtors in Detroit. "Die meisten Leute,
bei denen jetzt zwangsvollstreckt wird, wussten nicht, worauf
sie sich einließen. Hausbesitzer zu sein, ist der amerikanische
Traum, aber die Menschen haben nicht verstanden, was sie da
beantragt haben - sie haben nur auf die Anfangsraten geschaut
und unterschrieben. Jetzt können viele von denen, die
Subprime-Hypotheken bekommen haben, das nicht mehr finanzieren.
Die Leute haben flexible Hypothekensätze bekommen, die für
zwei bis drei Jahre niedrig geblieben sind. Aber jetzt gehen die
Sätze hoch, und die Leute können ihre monatlichen Raten nicht
mehr bezahlen. Was soll man machen, wenn die Rate ursprünglich
700 Dollar betrug und jetzt - mit allen zusätzlichen Steuern -
auf 1.700 Dollar steigt, wenn man einfach nicht das Geld hat,
das zu bezahlen?"
Detroit, das durch den anhaltenden Abbau in der Autoindustrie
schwer gezeichnet ist, weist unter allen Großstadtregionen die
höchste Zahl an Zwangsvollstreckungen in den USA auf. "Ich
denke, dass der Verlust des Arbeitsplatzes der Hauptgrund dafür
ist, dass Menschen in die Zwangsvollstreckung getrieben werden",
fährt Trowell fort, und fügt hinzu: "Wie soll man seine Hypothek
zurückzahlen, wenn man nicht einmal einen Job hat?"
In der Stadt ist innerhalb eines Monats von Juni auf Juli die
Zahl der Zwangsvollstreckungen um 70 Prozent gestiegen. "Die
negativen Auswirkungen machen sich bemerkbar, und sie werden
mindestens noch das nächste Jahr anhalten, wenn nicht länger",
erklärt Ms. Trowell. "Wenn Sie durch Detroit gehen, dann sehen
sie in jeder Straße mindestens zwei Häuser, die
zwangsvollstreckt wurden." In der Tat meldete Detroit im Juli
eine Zahl von insgesamt 8.683 Anträgen auf Zwangsvollstreckung.
Wie viel menschliches Elend verbirgt sich hinter dieser
alarmierenden Zahl?
Editorische Anmerkungen
Der Artikel erschien
in zwei Teilen. Der erste Teil
am 12.9.und der zweite am13.9. bei
wsws.org. Wir spiegelten von dort.