NIGER: Französischer Atomkonzern bezahlt immer noch Brosamen für Uranförderung im ärmsten Land des Planeten

von  Bernard Schmid

09/07

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Spannungen herrschen derzeit zwischen dem französischen Atomindustrie-Riesen AREVA (früher COGEMA, Compagnie générale des matières nucléaires) und der mittelafrikanischen Republik Niger. Sie haben unterschiedliche Gründe. Einerseits werfen die Behörden in Niamey, der Hauptstadt des Staats mit rund 13,5 Millionen Einwohnern, dem französischen Konzern vor, die Tuareg-Rebellen im wüstenhaften Norden des Landes finanziell zu unterstützen. Andererseits aber steht ein ernsthafter Konflikt um den Preis, den die französische Atomfirma an das (laut Angaben des UN-Entwicklungsprogramms UNDP) ärmste Land der Welt bezahlt, im Hintergrund. 

Die frühere COGEMA bzw. der AREVA-Konzern ist seit 40 Jahren in Niger präsent. 40 % des Bedarfs an Uran für den völlig überdimensionierten französischen Atomanlagenpark wird in dem Land, dessen südlicher Teil in der Sahalzone und dessen Nordhälfte in der Sahara liegt, abgedeckt. Derzeit fördert der Konzern Uraniumerz in zwei Minen, in Somaïr (Region Arlit) und Cominak (am Standort Akouta). Strahlenschutz und Gesundheitskontrollen für die abhängig Beschäftigten sind dort Fremdworte; das Schürfen von Uranerz und die spätere Abtrennung des Uran (aus einem Kilo Erz lässt sich ein Gramm Uraniummetall gewinnen) setzt nicht nur radioaktive Strahlung frei, sondern man benötigt auch gröbere Mengen hochgiftigen Quecksilbers dazu.  

AREVA verzeichnete im vergangenen Geschäftsjahr einen Reingewinn von 649 Millionen Euro und einen Umsatz in Höhe von 10,86 Milliarden. Das entspricht fast dem Vierfachen (exakt 3,7 mal) dem Bruttosozialprodukt der gesamten Republik Niger. Letztere bezieht, obwohl auf ihrem Boden weltweit die viertgröbte Uranproduktion – nach Kanada, Australien und Kasachstan – stattfindet, nur 1,6 Prozent ihres Bruttosozialprodukts aus dem Uran: Laut Angaben des Internationalen Währungsfonds IWF betrugen die Einnahmen der Republik Niger aus dem Uranverkauf im Jahr 2006 insgesamt 46,3 Millionen Euro. (Allerdings machen diese wiederum den gröberen Anteil der Exporterlöse des Landes aus. Den Hauptteil des Bruttosozialprodukts von Niger erwirtschaften noch immer die einheimische Landwirtschaft und auf kleine Einheiten mit geringer Produktivität/Mehrwertschöpfung verteilte industrielle Produktion.) 

Doch der weltweite Preis für Uran ist in den letzten Jahren sprunghaft gestiegen. Seit dem Jahr 2000 soll er sich verzwanzigfacht haben – so liest man auf der Homepage des Energieexperten der deutschen Partei Bündnis 90/Die Grünen (vgl. http://www.hans-josef-fell.de, Eintrag vom 29.06.2007, Infobrief der ‚Energy Watch Group’). Dies hat mehrere Ursachen:  

„- Die leicht erreichbaren Vorkommen des radioaktiven und giftigen Metalls sind weitgehend erschlossen und beginnen langsam weniger ergiebig zu werden.

- Die generell steigenden Energiepreise haben sich auch auf den Uranpreis als einem der ausschlaggebenden Energiepreise ausgewirkt.

- Der Bedarf angesichts des weltweiten Booms der Atombomben (Anm. BhS.: ?) ist steigend.

- Es wird in verschiedenen Ländern massiv in neue Atomkraftwerke investiert, was ebenfalls den Bedarf ansteigen lässt. China, Russland, Indien und andere Länder haben den Bau einer Reihe von Kernkraftwerken angekündigt und zum Teil schon begonnen.

- Russland hat einen Lieferstop für Uran verhängt, womit einer der wesentlichen Exporteure ausfällt.

- Ein riesiges neu erschlossenes Bergwerk in Kanada, Cigar Lake, in der Provinz Saskatchewan, ist am 23.Oktober letzten Jahres von einem Wassereinbruch betroffen worden, der die Inbetriebnahme auf unbestimmte Zeit verschiebt.“

(Vgl. dazu: http://karlweiss.twoday.net/20070407/, Eintrag vom 7. April 2007, „Uranpreis in der Senkrechten, Teil 1“.)

 

Nun gibt es sicherlich nichts zu jubeln, wenn von einem (neuen) weltweiten Boom der Atombranche die Rede ist. Frankreich trägt dazu einen gehörigen Anteil bei, da es nicht nur selbst den neuen Reaktortyp ERP bauen will - sondern auch Bemühungen unternahm, ihn an Libyen (anlässlich des Besuchs von Präsident Nicolas Sarkozy am 25. und 26. Juli 2007) und sogar an die formell, unter den Bedingungen der Besatzungsherrschaft, in Bagdad amtierende irakische Regierung (der Aubenminister Bernard Kouchner vom 19. bis 22. August einen Besuch abstattete) zu verkaufen. Bestimmt hat der Irak derzeit keine anderen Sorgen, als Atomkraftwerke französischer Bauart zu erwerben.

 Dennoch liebe sich annehmen, dass vor diesem Hintergrund wenigstens für die Republik Niger etwas abfällt. Aber Pustekuchen. Denn liegt der Weltmarktpreis für Uran derzeit bei 192 Euro pro Kilo (laut ‚Radio Africa Numéro 1’, Sendung am Donnerstag früh dieser Woche), so betrug der durch AREVA an Niger bezahlte Preis bis vor kurzem bei 41,6 Euro pro Kilogramm oder 27.000 ‚CFA-Francs’. Der französische Atomkonzern ist mit der Republik Niger schlieblich durch langfristige Verträge verbunden. Nunmehr hat Niger, anlässlich der periodischen Überprüfung der Verträge Anfang August dieses Jahres, für Stunk gesorgt. In der laufenden Woche wurde daher der Preis von zuvor 41,6 Euro auf jetzt 60,97 Euro pro Kilogramm Uran angehoben (vgl. dazu das wöchentlich in Casablanca, Algier und Daker herausgegebene afrikanisch-französische Pendant zum ‚Handelsblatt’’: ‚Les Afriques’, Ausgabe vom 5. bis 11. September 2007). Damit beträgt er jedoch noch immer weniger als ein Drittel des aktuellen Weltmarktpreises (so die oben zitierte Sendung auf ‚Radio Africa Numéro 1).

Zum Jahreswechsel 2007/08 ist nunmehr eine Neuverhandlung der Verträge, die dann auslaufen, fällig. Die Republik Niger wird sicherlich Druck zu machen versuchen. Allerdings ist der AREVA-Konzern Eigentümer der in den Bergwerken eingesetzten Technologie, so dass die Republik Niger ihn auch nicht einfach vor die Tür setzen kann. Allerdings versucht der mittelafrikanische Staat jetzt, angesichts des weltweit steigenden Bedarfs an Uranium, die Gesetze der kapitalistischen Konkurrenz ausnahmsweise zu ihren Gunsten spielen zu lassen. Seit Anfang des Jahres 2007 sind so 65 neue Schürfkonzessionen vergeben worden; nunmehr suchen neben Kanadiern, US-Amerikanern, Briten, Australiern ferner auch Chinesen, Inder, Südafrikaner und Russen im Niger nach neuen Lagerstätten von Uraniumerz. Insgesamt, so zitiert die o.g. Wirtschaftszeitung ‚Les Afriques’ den Bergbauminister der Republik Niger – Oumarou Massladi -, sind 90 Schürf- und Förderkonzessionen vergeben worden, davon 8 an die französische AREVA. Allerdings fügt er hinzu, dass die seit dem Jahr 2004 neu vergebenen Konzessionen mit 500 Quadratkilometern nur ein Viertel der Fläche betreffen, die zuvor dem französischen Nuklearkonzern zur Nutzung zugestanden worden sind.  

Die AREVA ihrerseits möchte nicht nur im Niger bleiben, sondern auch bis zum Jahr 2012 ihre gesamte Uranförderung rund um den Erdball verdoppeln. Deshalb hat sie auch Ende Juli 2007 die südafrikanische Bergbaugesellschaft UraMin käuflich erworben, die ihrerseits in Südafrika, Namibia und der Zentralafrikanischen Republik aktiv ist. (UraMin ist auch im Niger tätig, aber die dort gehaltenen 8 Schürfkonzessionen gehören nicht zu dem Aktienpaket, das der französische Konzern nunmehr besitzt.)

 Nebenbei besteht auch noch ein Konfliktpunkt darin, dass die Regierung der Republik Niger vorwirft, die Tuareg-Rebellion im Norden des Landes finanziell zu unterstützen. Die bewaffnete Rebellion fordert „eine Umverteilung des (aus dem Uranbergbau gezogenen) Reichtums zu ihren Gunsten. Denn es ist noch gelinde ausgedrückt, wenn man sagt, dass das so begehrte Uranerz bisher der Bevölkerung von Niger nicht zugute kommt.“ (So ‚Les Afriques’, a.a.O.) Nicht auszuschlieben ist, dass die französische Atomfirma tatsächlich ihre Sicherheit zu kaufen versuchte. Allerdings behauptet AREVA, dass die Anklage der Behörden in Niamey unbegründet sei und lediglich darauf beruhe, dass jüngst Soldaten, die mit der Bewachung des Schürforts Imouraren beauftragt waren, „mit der Kasse türmten und sich der Rebellenbewegung ‚Bewegung der Nigerier für Gerechtigkeit’ MNJ angeschlossen haben“ (zitiert aus ‚Les Afriques’). Sei es, wie es sei: Am 25. Juli 2007 wurde der für Niger zuständige örtliche AREVA-Direktor, Dominique Pin, durch die Behörden ausgewiesen. Ihm wurde die Bezahlung regierungsfeindlicher Rebellen vorgeworfen. Die Sache wuchs sich zur veritablen Krise zwischen Paris und Niamey aus. Unmittelbar vom Staatsbesuch Nicolas Sarkozys in Libyen aus wurde dessen Sonderberater für Afrika, Bruno Joubert, deshalb in den letzten Julitagen nach Niamey beordert, um dort die Wogen zu glätten. 

Die Verhandlungen laufen zur Zeit. Die Wirtschaftszeitung ‚Les Afriques’ zitiert die Konzernzentrale von AREVA mit den Worten, die Frage einer eventuellen Rückkehr ihres Niger-Direktors Dominique Pin in das afrikanische Land werde „auf politischer Ebene behandelt, ohne dass es zum gegenwärtigen Zeitpunkt nähere Informationen gäbe“. Zu hoffen bleibt, dass bei den ganzen Gesprächen wenigsten ein bisschen was für die darbende Bevölkerung des Landes zwischen Wüste und Sahelzone herausspringt. 

Editorische Anmerkungen

Den Artikel erhielten wir am 18.9.07 vom Autor zur Veröffentlichung.